Hr. 69.- i9i6. Unterhaltungsblatt des Vorwärts www,; Srieje eines /luferstanöenen. (Schluß.) Unser neues Heim fübrt den stolzen NamenWarschauer Hauptkriminalgesängnis". Es ist aber eine uralte, einstöckige Bude, die vom BoltsmundeTas Arsenal" genannt wird; vor vielen Jahren diente es wirklich als Arsenal. Jetzt ist es ver- wittert, und es wohnen dort Mäuse, Ratten, Wanzen und... Sträflinge... Wir liegen in einer kleinen Stube. Das Fenster ist hoch oben unter der Decke angebracht, so daß man aus den�Hof nicht hinaus- schauen kann. Tas Licht ist spärlich. Die Wände sind bis zur Manneshöhe mit schwarzem Pech angestrichen. Ein recht unge- mtitliches Lokal. Llber wer achtet auf solche Kleinigkeiten? Tagsüber hören wir Stimmen auf dem Korridor; Wärter kommen, einen Zettel in der Hand, und rufen die Namen der- jenigen aus, die mit der nächsten Partei weg mästen. Und auch hier wird es allmählich öder und stiller. Und eines Tages wird uns gesagt: morgen ist auch dieses Gefängnis gänzlich erledigt. Drei- bis vierbundert Sträflinge, die zu kleineren Gefängnisstrafen ver- urteilt waren, werden heute auf freien Fuß gesetzt, alle übrigen reisen morgen zusammen mit den Gefängnisbehörden ab. Stunden vergehen. Ein lautes Stimmengewirr ertölrt im Flur, auf dem Gang, im Hof: es sind die Diebe, die nun tatsächlich das Gefängnis verlassen. Also, das stimmt. Einer von ihnen, der Gefängniskoch, rennt herbei, um Abschied zu nehmen.Auf Wiedersehen, meine Herrschaften, ich verlasse die Bude! Schade um Euch, daß Ihr nicht mit könnt. Nun will ich Euch im Per- trauen sagen..." der Koch steht in enger Fühlung mit der Gefängnisbehörde und ist für uns eine autbentische Jnformations- girellemorgen früh fahrt Ihr nach Rußland   hinaus. Ich darf es Euch nicht sagen, aber richtig ist es schon; ich habe es in der Kanzlei sagen hören. Also morgen früh um nenne wird die Bude geschlossen. Auf Wiedersehen, meine Herren, und viel Glück auf den Weg!" ... Zehn Uhr. Schritte ertönen auf dem Gang. Die Ab- lösung ist da.Guten Abend, Herr Wächter!"Sckau, schau, so spät und Ihr schlait noch nicht!"Bitte, Herr Wächter, vielleicht wissen Sie es, wohin wir morgen verreisen?" Ein paar erstaunte gutmütige Augen glotzt uns an.Was reisen? Wer reisen? Tas Bürgerkomitee iit da." Blitzartig fahren wir ans den Betten. Was ist es? Wie meinen Sie das? Was will das Bürger- komitee?"Kinder, seid Ihr denn nicht bei Trost, daß Ihr die einfachsten Dinge nicht begreift? Also das Bürgerkomitee über. nimmt das Gefängnis. Die Behörden verreisen doch, nicht wahr? Nun, es muß doch jemand für Euch sorgen..."Mensch, Sie i reiben Spaß mit uns!"Aber ich bitt' Sie, die Herren sind ja schon da, sie haben schon einen Rundgang durch das Gefängnis angetreten... Ja, zum Teufel, seid Jbr denn taub?"... Ein Geräusch von Stimmen und Tritten ertönt in der Näbe. Der Wärter eilt binweg, die Gittertür wird geöffnet»rnd zwei bekannte Warschauer Advokaten treten zu uns herein. Guten Abend, meine Herren. Von heute an sind sie in unserer Hut! Tas Bürgertomitee ist nun der Hausherr. Wir hoffen, daß Sie es jetzt besser haben werden."Ja, aber die Reise?... Es wurde uns ja gesagt..."Sie dürfe» wohl ganz unbekümmert sein," die Herren lächelten gutmütig, wom Wegsahren kann jetzt keine Rede sein. Schlafen Sie nur ruhig und unbesorgt weiter... Gute Nacht, meine Herren." Und fort sind sie. Wieder fällt die Gittertür ins Schloß. Die Schritte verhallen auf dem Flur.... Wir aber, die wir noch da drinnen stecken, sind einfach närrisch vor Freude geworden. Umarmungen, Küsse, Händedrücken. Man springt aus den Betten und macht sich daran, einen regelrechten Judianertanz aufzuführen. Ich mache aber nicht mit. Ich bin etwas verwirrt. Diese wiederbolten schroffen, plötzlichen Uebergänge, dieses furchtbare Hin und Her bildet eine zu starke Probe für meine Nerven. Und da schießt mir auf einmal der Gedanke durch den Kopf: ja, bist du denn sicher, daß es kein Traun ist?... Und ich fange an, tiesernst darüber nachzudenken.... Ich will Dir was sagen: ich hatte auch einen gewissen Grund für eine derartige Nachprüfung. Es war keine mützige Frage. Denn ich hatte schon zu wiederholten Malen Träume gehabt. Ich träumte manchmal, ich wäre frei, und alles, waS ich um mich sah: Häuser, Menschen, Straßen Pflaster, alles stand mindestens so klar und deutlich vor meinen Augen, wie es jetzt mit den schwarzen Pechwänden in der halbdunklen Stube der Fall war. Und jedesmal, wenn ich solches träumte, fiel mir immer dasselbe ein: jedesmal fragte ich mich: ist es Traum, ist es Wirklichkeit? Und dann pflegte ich zum altbewährten Mittel zu greisen: man mutz sich zwicken, und wenn es weh tut, so ist es kein Traum. Nun zwicke ich mich, und es tut auch weh und dann... erwache ich doch. Immer wieder habe ich solche Träume gehabt. Und genau so, wie ich es damals im Traume tat, saß ich letzt im wachen Zustande und wußte wirklich nicht, woran ich wäre. 69] Der Sang öer Sakije. Ein Roman aus dem modernen Aegypten. Von Willi Seidel  . Man übersah ihn in der Folge auch diesmal gänzlich. Der Manager, der mit Likören umherging, geriet in Bedenk- lichkcit, welches wohl die richtige Form sein werde, sich dem Herrn wiederum zu nähern. Die Entschlossenheit, mit der Hassan hereingekommen war, erweckte immerhin den Eindruck, als stehe er zu den Gästen in einem Konnex, dessen Artung sich ja zweifellos klären werde. Nunmehr spürte eine junge, vielleicht achtzehnjährige Dame, daß sich irgend jemand intensiv mit ihr beschäftigte. Sie war sich zunächst nicht klar, woher die Beeinflussung stammte, die sie dunkel empfand, und während sie die Augenpaare in ihrer Um- gebung unauffällig durchmusterte, bemerkte sie, daß die Blicke eines Orientalen an ihr hingen. Dieses Gesicht kam plötzlich in ihre Nähe; es war hellbraun, blank und leicht von Schweiß bedeckt. Sie empfand eine kurze Bestürzung, während der Herr, der vor ihr stand, unausgesetzt und etwas albern lächelnd, seine sehr schönen weißen Zähne zeigte. Jetzt kam ihr zum Bewußtsein, daß er sprach, in einem sonor klingenden Tonfall; es war englisch von einem Akzent, der dem Charakter der Sprache seltsam zuwiderlief, gleichwohl aber nicht unschön wirkte. Ich täusche mich doch wohl nicht...?* sprach dies vorsichtig lächelnde Gesicht. Es war vollkommen glatt, von einer Glätte, wie sie sonst nur die weibliche Haut besitzt! Die Augenbrauen gingen unaufhörlich darin auf und nieder; es waren zwei besinnliche Brauen, und es sah aus, als spie- gelten sich die Gedanken hinter dieser weichen, etwas sorgen- vollen Stirn schattenhaft auf der Außenseite ab.Ich bin froh!... Ich bin außerordentlich froh I Habe ich nicht die Freude, Miß Jane Aldridge...??" Eine kleine runde Hand tastete nach der Stirn, deutete eine Begrüßung an; und da- nach warteten die Augen auf die Erwiderung. Es schien, als ob sie sich verdunkelten; sie warteten blinkend schwarz, und für einen Moment schien es nicht ersichtlich zu sein, wohin der Herr eigentlich blicke... Die junge Dame zog die noch knabenhaft mageren Schulterblätter zusammen(ihr Weißt Du, es war eine harte Probe. Lcickit könnte einer den Verstand dabei verlieren. Ein Glück war, daß es nur eine ganz kleine Weile dauerte. Daun   habe ich den glücklichen Einfall gehabt, meine Zweifel den Kammergenossen mitzuteilen, llnd als die Ge­schichte mit der mitzlungeeueu Zwickprobe ans Licht kam, so crbielt ich einen Ripepustotz, wie er im Traume ganz unmöglich ist. Der wirkte durchaus überzeugend, und frohen Mutes stimmte ich in das schallende Gelächter ein, das ringsumher ertönte. Nun wirst Du wohl meinen, daß es mit unserem Bangen zu Ende war, daß wir in froher Zuversicht den herrschenden Tag der Freiheit erwarten dürften? Nein, es war noch immer nicht vorbei. Es waren kaum zwei Tage seit jenem glücklichen Abend verstrichen, als wir schon wieder zu Tode betrübt wurden. Eine neue Hiobspost und zwar aus einer anscheinend vorzüglich informierten Stelle lautet: die Milrtärbehöriden haben an unserem Verbleiben Anstoß genom- men; es sei eine telegraphische Meldung nach Petersburg   abgegangen, und es bleibe keine Hoffnung auf ein günstiges Ergebnis. Wir müssen jeden Augenblick auf das Schlimmste gefaßt sein und... unsere Sachen reisebereit halten. Und so vergehen wieder zehn Tage. Ich war so abgespannt, so abgestumpft, daß mir jetzt alles recht war. Komme, was kommen mag. Und so kam der 4. August. An dem Tage wußte schon ganz Warschau  : heute wird Schluß gemacht, morgen sind die Deutschen   da. Wir wußten es auch. Aber der Tag ist lang. Und die Polizei und die Gendarmen sind noch immer da. Und die Weichselbrücken sind noch nicht gesprengt, und der Weg nach Rußland   sticht noch immer offen. Langsam ziebt sich der Tag. Endlich beginnt es zu dämmern. Die Nacht bricht sin. Wir liegen schlaflos in unseren Betten, und bei jedem Laut, der von draußen kommt, horchen wir erschauernd aus. Unheimlich still ist es draußen auf der Straße: der Straßen- bahrwerckehr ist eingestellt. Tie Zebnubradkösung kommt.Wie ist es in der Stickt?"Still und leer."Und die Polizei, ist die noch da?"Jawohl, es stehen noch die Schutzleute an den Straßenecken." Weitere Stunden vergehen. Es ist Mitternacht  . Dumpfe Knalle ertönen von Zeit zu Zeit. Artilleriefeuer? Oder werdfti die Bahngebäude zerstört?... Drei Uhr nachts, vier Uhr.. f. Es beginnt zu dämmern... Und da vernehmen wir endlich drei langgezogene, heftig rollende, ganz eigenartige Explosionen, und wir wissen sogleich: die Weichselbrücken sind in die Luft ge- flogen. Wir sind erlöst... Ich verfalle in einem tiefen Schlaf. Er dauert nicht lange. Plötzlich bin ich wieder wach. Es ist sechs Uhr: Heller Tag. Ein Wärter steht in unserer Stube, in Zivil gekleidet:Die Deutschen  sind am Wiener Bahnhof." Ein zweiter kommtSoeben habe ich unten auf der Straße ein paar Pickelhauben gesehen." Und dann wieder:Ein deutfcher Offizier ist in der Gefängniskanzlei er- schienen." Nun gibt e? keinen Zweifel mehr. Rasch aufgesprungen. Hin- aus aus den Spitalkleidern. Toilette gemacht. Sachen gepackt. Fer- tig. Nun kommt's. Vorläufig kommt aber noch etwas anderes. Kanonenschüsse er­dröhnen in der Nähe. Aber in der nächsten Nähe. Ich vernehme nicht nur den Knall, sondern auch das Winseln der Schrapnells. Und es wird schon erzähst: die Russen haben jenseits der Weichsel   in der Vorstadt Praga Stellung genommen und schießen auf Warschau  herüber. Und wir sehen besorgt zu den Fenstern hinauf, die gerade in der Weichselrichtung auf einen weiten offenen Hof gehen, und ich muß es offen gestehen wir werden etwa? kleinmütig. Es wäre doch wirklich fatal: jetzt an den Toren neuen Leben« von einem ruf- fischen Schrapnellsplitter ereilt zu werden. Die Gesellschaft wird nervös. Man sollte uns doch so lange anderswo unterbringen. Man will zum Gefängnisdirektor gehen, Vorstellungen machen. Aber da tritt der Dftektor selbst zu uns herein, einen Zettel in der Hand, und die Herren vom Bürgerkomitee sind auch da: der Vorsitzende und der Sekretär. Ein Namenauftuf wird vorgenommen. AllePoll- tischen" stehen in der Liste.Die Herrschaften sind ftei." Ich schulterte meinen Rucksack und gehe zum Tor hinaus. Es wird noch immer geschossen. Die Sftaße ist menschenleer. Im gegen- überliegenden Haustor steht meine Frau und wartet auf mich.... Eine deutsche Batterie fährt vorbei, um irgendwo in der kllähe Auf- stellung zu nehmen.... Es fällt ein feiner Regen.... Ich sche mir die Feldgrauen an, und weiß es jetzt endlich: nun ist es un- mnstößlich vorbei.... Wir nehmen eine Droschke, und eine Viertelstunde später sitze ich bei lieben Verwandten, auf einem richtigen weichen Sessel, vor einem richtigen schönen Speisettsch, und das Fenster vor mir ist offen, und ein Gitter ist nicht da, und wenn ich will, darf ich auf die Straße hinunter und durch die Stadt schlendern, soviel es mir beliebt, und bin frei, ftei, ftei!... Und erst am nächsten Tage erfahre ich aus den Zeitungen, daß noch im letzten Augenblick, unmittelbar bevor die Brücken in die Luft flogen, drei kranke Frauen, die in einem anderen Spital inter  - niert waren, von den Gendarmen ergriffen und mitgeführt wur- Kleid war ein wenig ausgeschnitten); sie war ratlos, und gleichzeitig fühlte sie einen leichten Chol, als taste jemand plump an ihre leuchtende Haut. Man war einen Schritt zurückgetreten. Beide befanden sich allein in einem Ring von schweigsamen Gentlemen, die mit einer amüsierten Sachlichkeit den Verlauf der An- Näherung auskosteten. Sie musterten den Bey recht gründ- lich und waren sich alsbald klar, daß er nicht vollkommen nüchtern sei... Ein leiser Unmut lag allerwärts in der Knospe; man witterte eine phänomenale Ungehörigkeit; doch war noch nicht der Zeitpunkt gegeben, einzugreifen. Einige wollten bemerkt haben, daß dieser Mann schon vorher auf der Terrasse gesessen habe, und daß er schon dort nicht ganz so ausgesehen habe, wie man im allgemeinen zu einer verhält- nismäßig noch frühen Tageszeit auszusehen Pflegt. So setzte denn die junge Dame der Begrüßung ein großes Fragezeichen entgegen. Sie drückte es in der un- beteiligten Kälte ihrer grauen Augen aus, wie auch dadurch, daß eine kleine nervöse Falte über ihrer Nase entstand. Sie sagte nicht einmal:Verzeihung, aber helfen Sie meinem Gedächtnis nach.. Sie schenkte sich das; sie schwieg. Sie war überrumpelt, aber das machte ihr keine Beschwerden. Nun sagte der Herr mtt flehender Stimme:Erinnern Sie sich nicht an mich?" Du lieber Gott, an wen sollte sie sich erinnern! Sie warf den Kopf zurück und sagte ohne jedes Entgegenkommen:Ich erinnere mich durchaus nicht." Und sie sah sich um. Ein kaum sichtbares Lächeln, das um die Zigarettenmundstücke ringsum aufblühte, warf einen kleinen Widerschein auf ihr hübsches und sehr strenges Gesicht. Nun regte der Herr die Hände. Es tat ihm offensichtlich wohl, daß er das durfte. Er legte die gespreizte Rechte be- schwörend auf die Brust, und während er die linke gleichfalls gespreizt zur Seite streckte, stieß er hervor:Ah, Sie hatten einen guten Appetit! Ich versorgte Sie mit Süßigkeiten: Sie vermochten erstaunUch viel zu ertragen! Ich hatte darüber zu wachen, daß Sie sich nicht übernahmen, Miß Jane!" Seine Augen schwammen in Wasser, etwas wie eine tiefe Ueberzeugung, daß sich nun alles zum Guten wenden werde, beflügelte seine Gesten, die immer abgerissener, immer beschwörender wurden...Sie werden sich er- inner«! Sie waren sehr klein... Aber sehr tapfer I Ich den.... Dicht an mir ist der schwarze Engel de? Todes vorbei- geflogen. Ich habe seinen furchtbaren Atem gespürt, und wer das einmal erlebt hat, wird es nie wieder vergessen.(r) was öie pajlagiere derTubaittia* erzählen. Ein Mitarbeiter desAlgemeen HandelLblad" berichtet über seine Unterhaltungen mit geretteten Passagieren und Mannschaften derTubantia", zu denen er in Haarlem   in den von Hock van Holland abgelassenen Extrazug gestiegen war, um sie nach Ainsterdam zu begleiten:In den beleuchteten Äbteilen", schreibt er,sahen wir gegen die Kissen gelehnt Frauen und Mädchen mit aufgelösten Haaren eng aneinandergepreßt sitzen; einige hatten Decken über sich hin ge« breitet. Sie waren noch so unter dem Eindruck der überstandcnen Angst die meisten waren nach der Explosion im Nachtgewande auf Deck geeilt, daß sie schweigend ms Leere starrten. Die männlichen Passagiere hatten auch nur einige wenige Kleidungsstücke anziehen können, bevor sie in die Rettungsboote mußten. Die meisten von den Geretteten waren Ausländer. Einen Augenblick nur schauen sie auf den Bahnsteig hinaus, um bald darauf wieder sich tief in die Kissen zu drücken, denn daS, was sie erlebt haben, hat sie müde und gegen alles andere gleichgültig gemacht, Offiziere und Mannschaften aber, einige in Uniform, die meisten jedoch auch in höchst fremdartigen Kleidungsstücken, blicken durch die Abteilsenstcr hinaus nach ihrem Vorgesetzten, Kapitän Wytsma, der in Haarlem  den Zug verließ und von seiner Frau und seinen Kindern abgeholl wurde. Ein lautes Hurra erscholl, als der Kapitän, der TyvuS eines echten holländischen Seemannes, der bei dem Un« glück so viel Kaltblütigkeft au den Tag gelegt hat, auf dem Bahnsteig zurückblieb. Während der Weiterfahrt sprachen wir dann mit einigen Passa« gieren. Ein paar Argentinier, von denen einer, als er in das Rettungsboot sprang, an Fuß und Hand verwundet wurde, erzählten uns:Gegen drei Uhr wurden wir durch einen Knall aus dem Schlaf geweckt. Wir drehten das elektrische Licht auf, das glücklicher« weise noch brannte und gingen rasch auf Deck. Es stieg uns ein starker Genick,, der von explodier«iden Gasen zu komnien schien, in die Nase. Wir erkannten sofort, daß wir auf eine Mine gestoßen oder torpediert worden waren. Durch die Kabinengänge scballte überall das durchdringende Geschrei von Frauen und Kindern. Oben auf Deck sahen wir, daß die See ruhig war. Die Luft war ziemlich klar und nur ein ganz klein wenig neblig und dunstig. Einige Rettungsboote waren vernichtet. Die meisten Menschen in unserem Boot hatten nur ein Hemd an, da sie direkt aus dem Bett auf Deck geflogen waren. In unserem Boot waren zwölf Personen, darunter eine Frau und ein Kind. Auf dem Schiff, das uns später aufnahm, war wcnig Platz, und dicht aneindergekaucrt saßen die Schiffbrüchigen, die nichts hatten retten können und alles verloren hatten...." Einer der Bediensteten derTubantia" berichtete folgendes: Ich war noch wach und befand mich in dem Raum, der unter dem Salon der 1. Klasse lag. Wenn ich nicht irre, sollte gerade der Zimmermann nach oben gehen, um bei dem Fallen des Ankers zu helfen, als eine dumpfe Explosion erfolgte. Das Schiff lag unvcr« züglich still. Als ich nach Deck eilte, sah ich. daß im Rauchzimmer die Türschwcllen herausgerissen waren; schwere kupferne Gefäße waren in Stücke gerissen. Oberhalb der Wasserlinie sah ich an Steuerbordseite bei den Bunkern einen klaffenden Riß von einem Meter. Ich erkannte, daß wir torpediert worden und nicht auf eine Mine gelaufen waren. An Steuerbordseite Ivaren vier bis fünf Boote in Fetzen geschlagen, und Stücke Holz hingen noch an den Tauen. Um halb fünf verließen wir das Schiff, ungefähr zwanzig Personen, darunter zwei Frauen und ein paar Kinder. Wir ließen Feueisäulen aufsteigen, um die Aufmerksamkeit von Schiffen aus uns zu lenken. In dem Augenblick, wo die Explosion erfolgte. waren leine Schiffe in unmittelbarer Nähe. Kurz vor sieben Uhr wurden wir von derBreda" aufgenommen; die Haltung des Kapitäns derBreda" war glänzend. Er fuhr nach der Unglücksstelle und fischte die meisten Boote auf, auch das letzte, in dem sich unser Kapitän, der erste Offizier, der Marconist und noch ein paar Matrosen befanden. Dieses Boot hielt sich in einigem Abstand von der.Tu« bantia". Zuerst tauchte das Vorschiff unter; darauf richtete sich das Schiff für eine kurze Weile wieder auf, um dann ganz zu ver« schwinden; nur die beiden Schornsteine sah man noch ein paar Augenblicke über Wasser ragen. Zuerst war das Wasser in den großen Salon eingedrungen. Der Kapitän und die Offiziere im Boot standen aufrecht und entblößten ihr Haupt, als das Schiff in den Fluien versank. Das war ein ergreifender Augenblick, den wohl keiner, der ihn miterlebte, je vergessen wird. Bald nach dem Sinken trieben große Mengen Wrackholz auf dem Wasser." Anmerkung der Redaktion. Von einer Torpedierung derTubantia" durch ein deutsches H-Boot kann, wie wir aus dem amtlichen deutschen Bericht ersehen haben, selbstverständlich gar leine Rede mehr sein.(z) brachte Sie nach Geztte hinaus; ich führte Sie an der Kaserne vorüber; das war eine schöne Zeit I Sie hatten tausend Wünsche, und ich hatte kaum Beine genug, um Sie zufriedenzustellen... Nun werden Sie sich erinnern!" Er lächelte verzückt und vergaß, daß er die Hand noch genau in der Haltung beließ, durch die er angedeutet, wie klein sie damals gewesen sei... Ein kurzes, dankbares Gelächter erhob sich. Breites Schmunzeln blieb zurück. Dieser Mensch war in der Tat ganz amüsant. Nur Jane empfand das nicht; das zarte Pfirsichrot ihres Gesichts vertiefte sich, und dann sagte sie plötzlich mit einer hochsingenden Sttmme:Ah, jetzt erinnere ich mich.---- Sie waren ja Laufjunge bei uns. Sie scheinen das vergessen zu haben..." Und mit einem kleinen spitzen Gelächter sah sie ihn noch einmal von oben bis unten an, spielte mit den Fingern an der dünnen Perlenkette ihres zarten weißen Halses, schloß die Wimpern halb in dem schmalen Gesicht und wandte sich ab. Hassan sah ihre knabcn- hasten Schulterblätter noch flüchtig emporrücken; dann wurden sie von den schwarzen Anzügen verschlungen, die sich hinter ihnen schloffen. Der Bey blieb stehen und sah ihr verstört nach. Dann kam ihm die Geringschätzung zu Bewußtsein, die ihm von einem Weibe widerfahren war. O. das war nicht das erstemal; auch jene Kokotte in der Sphinxbar, die er nicht vergessen konnte, hätte ähnlich zu ihm gesprochen...O, daß ich diese Jngliz noch immer nicht kenne! Das hätte ich wissen müssen!! Das hätte ich wissen müssen... Nun meckern sie, nun tun sie sich etwas darauf zugute..." So überstürzte sich der Strudel seiner kurzen, vagen, irren Ge- danken, während er isoliert im Saal stand und eine ungeheure Wut ihn befiel. Was ist das! Wie begegnet man mir! Was soll das bedeuten! Ich bin Hassan-Bey-Muharram!" Er schüttelte das Haupt wie ein gepeinigter Stier, der allein in der Arena steht und nicht weiß, in welche Richtung er die Hörner senken soll... Nach einer kurzen Weile löste sich ein junger Herr aus dem Hintergrunde und kam auf ihn zu. Er war gebräunt, sehnig und hübsch. Ueber seiner Sttrn rührte sich ein emporgekämmter Bausch blonden Haares wie seidener Distelflaum, und unter den hellen, halbgesenkte» Wimperu blitzten saphirblaue Augen... tForts. folgt.)