die preußischen Partiknlaristen Widerspruch, der ihnen jedochnichts nützte. Die Majorität stimmte für den Borschlag desPräsidenten, und damit war eigentlich die Schlacht schon ent-schieden. In der Mittwochssitzung ergab die namentliche Ab-stimmung 213 für Leipzig, 142 gegen Leipzig und für Berlin.Die Sozialdemokraten stimmten für Leipzig, für welches GenosseTemmler, Vertreter des Leipziger Landkreises, in der Montags-sitzung gesprochen hatte. Am Sonnabend, 24. d., findet die dritte, end-gültige Lesung und Abstimmung statt. Wie viele der HerrenReichsboten an der Klippe der dritten Lesung verunglückenwerden? Wir wagen keine Vermuthung. Es giebt nichts Un-berechenbareres als die Gesinnungslosigkeit.— Unmittelbar nach Wiederzusammentritt desReichstags werden die verschiedenen Voychläge zur Abänderungder Gewerbeordnung, darunter auch der seitens der sozialistischenAbgeordneten ausgearbeitete Entwurf eines Arbeiterschutz-gesetzes zur Debatte kommen.— Von nationalliberaler Seite— so berichten Blätterdieser Richtung— namentlich von ehemaligen Mitgliedern derJustizcommission, wird aus Anlaß des Falles Kantecki folgenderGesetzentwurf vorbereitet:„Gesetz betreffend die Anordnung einer Haft zur Erzwingungdes Zeugnisses. Z 1. Auf alle Strafsachen, welche nach denBestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar1877 vor die ordentlichen Gerichte gehören, finden die Bestim-mungen der Strafprozeßordnung vom 1. Februar 1877 über dieDauer der zur Erzwingung des Zeugnisses zulässigen Hast(§ 69)Anwendung.§ 2. Dieselben Bestimmungen finden auf das Tis-ciplinarverfahren wegen Dienstvergehen der Reichsbeamten mitder Maßgabe Anwendung, daß die Haft nicht über die Dauervon sechs Wochen hinaus angeordnet werden kann. Wenn je-doch eine vorsätzliche Verletzung der Pflicht zur Verschwiegen-heit(§ 11 des Gesetzes betreffend die Rechtsverhältnisse derReichsbeamten vom 31. März 1873) in Frage steht, können dieDisciplinarkammern und der Disciplinarhof eine längere Haftanordnen, jedoch nicht über die Dauer von sechs Monatenhinaus."Sie kommen zwar etwas spät, die Herren Nationalliberalen,aber sie kommen doch. Es ist aber auch die höchste Zeit,daß sie kommen, denn bereits pfeifen es die Spatzen von denDächern, daß nur die kraft- und saftlose Haltung der national-liberalen„Volksvertreter" die preußische Regierung in ihremdem Gesetze nicht entsprechenden Verhalten ermuthigte. Uebri-gens verlautet, daß der Oberpostdircktor von Bromberg, aufdessen Betreiben Kantecki gefangen gesetzt wurde, Urlaub auslängere Zeit erhalten habe. Man scheint also einlenken zuwollen.— Die parlamentarische„Jungfernrede" unseresParteigenossen Aug. Kapell wirbelt allerlei Staub auf.Der Magistrat der Stadt Neurode veröffentlicht gegenüber denAngaben' Kapell's bezüglich des Hungertyphus in seinem Wahl-kreise folgende Erklärung:„Gegenüber der Darstellung desReichstagsabgeordneten Kapell in seiner parlamentarischen An-trittsrede theilen wir hierdurch mit, daß nach ärztlicher Aus-kunft und anderweitiger Ermittelung 1) seit wenigstens dreiMonaten in hiesiger Gegend kein Fall von Hungertyphus, ge-schweige denn in Neuroda selbst allein 115 Sterbefälle durchdenselben vorgekommen sind; 2) die Zahl der sonstigen Typhus-fälle in der Stadt und in der Gegend überhaupt die Durch-fchnittszahl der Jahreszeit und der Gebirgskreife nicht übersteigtund 3) auch die Sterblichkeit weder bei Typhuskranken nochüberhaupt in Neurode und Umgegend eine außergewöhnliche ist."Gleichzeitig schreiben die katholischen Zeitungen:„In derSitzung des Reichstags vom 12. März behauptete der im Wahl-kreis Rcichenbach-Neurode gewählte sozialdemokratische Reichs-tagsabgeordnete Kapell,„daß in seinem Wahlkreise fast allesulttamontaner Richtung sei und trotzdem sozialdemokratisch ge-wählt habe. Also mit der Religion, wie der Abg. Reichens-perger meine, sei gegen den Sozialismus gar nichts auszurichten."Dem gegenüber ist Folgendes zu constatiren. Der Kreis Reichen-bach ist zu sieben Achtel protestantisch, der Kreis Neurode zuneun Zehntel katholisch. Kapell hat seine Stimmen den Pro-testanien des Kreises Reichcnbach zu verdanken, die KatholikenDie Vorführung der Entlastungszeugen war in quantitativerBeziehung sehr ergiebig, desto wirkungsloser jedoch in qualitativerBeziehung.Das Publikum war unterdessen so massenhaft angefluthet,daß es im Gerichtssaale die Barridren durchbrach, so daß soforteine Anzahl von Personen verhaftet und zur Polizei abgeführtwerden mußte. Dem außerhalb des Saales andrängendenPublikum gelang es, eine Thüre auszuheben.Um 9l/4 Uhr Abends ergriff der k. Staatsanwalt Herr Schnarzdas Wort zur Begründung der Anklage. Herr Schnarz be-gründete die Anklage vorzugsweise auf die Angaben mehrererZeugen und auf das Gutachten des kgl. Medizinal- und Ge-richtsarztes Herrn Dr. Martin, der sich kurz uno bündig dahinaussprach:„Wenn man absichtlich und methodisch Kinder um'sLeben bringen will, so muß man es so machen, wie es dieMathaus'schen Eheleute gethan haben." Herr Schnarz führteferner aus, daß es den Mathaus'schen Eheleuten nicht an Ver-stand, an Kopf, sondern am Herzen gefehlt habe, ihre Erziehungs-methode sei nicht Kopflosigkeit, sondern Herzlosigkeit gewesen.Aus allen Gründen kam der k. Staatsanwalt schließlich zu demwohlmotivirten Antrage: der Gerichtshof wolle die Berufungdes Vertreters der Staatsbehörde am k. Stadtgerichte Münchenlinks der Isar für begründet erklären und die Akten behufsEinleitung einer Untersuchung wegen Mordversuchs an denUntersuchungsrichter abgeben.Der Bertheidiger, Herr Dr. Gotthelf, trat der Anklage entgegen, stützte sich vorzugsweise auf das Gutachten des von ihmwahrend der Verhandlung herbeigerufenen Hydropathen Dr. Hacker,welcher die Absichtlichkeit der Wassermethodik der Mathaus'schenEheleute, seiner jahrelangen Consultanten, in Abrede stellte, undbeantragte schließlich Freisprechung.Der Senat berieth sich eine volle Stunde und es war geradeMitternacht, als er folgendes Urtheil fällte: Die Berufung derMathaus'schen Eheleute wird verworfen, dagegen jener des«taatsanwalts-Bertreters des k. Stadtgerichts München l. d. I.•Segeben, in Folge dessen das erstinstanzliche Urtheil ver-nichtet und die Untersuchung gegen die Mathaus'schen Eheleutewegen Mordversuches durch Uebergabe der Akten an die kgl.StaatsanwaPchaft eingeleitet.Da die Mathaus'schen Eheleute eines Verbrechens verdächtigt*1 i< � e'ner Strafe bis zu 15 Jahren, also über 10 JahreZuchthaus zu bestrafen ist, so mußte auch auf ihre sofortigeVerhaftung erkannt werden. Die Verhaftung wurde sofort voll-zogen. Herr Mathaus nahm das Urtheil resignirt, aber tobten-blay entgegen, während Frau Mathaus äußerst erregt schien.des Kreises Neurode, selbst die Weber in Volpersdorf, Kunzen-dorf, Ludwigsdorf, Schlegel, Königswalde haben mit geringenAusnahmen ihre Stimmen dem Candidaten der Centrums-Fraktion,dem Fabrikanten Franz in Vielau, gegeben; nur das liberal an-gefressene Wünschelburg und die Protestanten und„Gebildeten"der Stadt Neurode haben Kapellianisch gewählt. Ebenso habendie Katholiken im Reichenbacher Kreise, auch die katholischenFabrikarbeiter in Langenbielau und Peterswaldau, ihre Stimmenauf Herrn Franz vereinigt."Kapell wird die Antwort auf diese Entgegnungen, denen manarges Mißvergnügen an der Nase ansieht, nicht schuldig bleiben.In Bezug auf den ersten Punkt können wir schon jetzt consta-tiren, daß Kapell nicht von der Stadt, sondern von dem KreisNeurode gesprochen, und daß er nicht gesagt hat, es seien sound so viele Fälle von Hungertyphns dort vorgekommen, son-dern er habe erfahren, daß sie vorgekommen seien. Die ihmzugegangene Nachricht war auch dem Inhalt nach ganz richtig,nur war der Ort falsch angegeben: einer amtlichen Verfügungder Regierung in Oppeln zufolge waren in den Kreisen Beu-then, Pleß und Kattowitz bereits Mitte November 1555Hungertyphusfälle angemeldet, von denen 151 mit tödtlichem Aus-gang endeten. Daß die Epidemie seitdem an Ausdehnung gewonnenhat, unterliegt keinem Zweifee. Nähere Details find übrigensan anderer Stelle in der politischen Uebersicht der heutigenStummer mitgetheilt, aber auch sie dürften kaum die ganze Größedes Unglücks zur Veranschaulichung bringen. Ob und inwieferndie Behauptungen des Magistrats von Neurode auf Wahrheitberuhen, das werden wir wohl bald ermittelt haben.— Reichskanzlerische Consequenz. Nachstehende Zu-sammenstellung zweier Aussprüche Bismarck's mag den Beweisliefern, daß es Fürst Bismarck mit dem, was er sagt, nicht sogenau nimmt. Am 1. Dezember 1874 äußerte sich der Kanzleralso:„Meine Thätigkeit im Reiche ist eine viel wirksamere, alsim preußischen Staatsministerium; dort bin ich berechtigt,verfügend einzugreifen, ich habe ein Veto. Das habe ich inPreußen nicht; als Ministerpräsident bin ich nur ein orna-mentales Glied, ich habe nur eine geschäftsordnende Leitung,aber durchaus keine Verfügung."Am 10. März d. I. behauptete er dagegen:„Ganz gewiß habe ich den Haupteinfluß, der mir zu übengegönnt ist, nicht in der kaiserlichen Macht, sondern in derköniglich preußischen Macht gefunden. Ich habe das Andereversucht, habe einige Zeit aufgehört, preußischer Ministerprä-sident zu sein und habe mir gedacht, daß ich als Reichskanzlerstark genug sei. Ich habe mich darin aber vollständig ge-täuscht. Nach einem Jahre bin ich reuevoll wiedergekommenund habe gesagt, entweder will ich ganz abgehen oder ich willim preußischen Ministerium wieder das Präsidium haben."Passen diese Aussprüche zu einanoer nicht wie die Faustauf's Auge?— lieber den Nothstand in Rheinland- Westfalenenthält der„Hamburgische Correspondent" vom 20. März eineCorrespondenz vom Niederrhein, aus welcher hervorgeht, daßnicht die Kohlen- und Eisenindustrie allein, sondern auch vieleandere Industriezweige in den Rheinlanden darniederliegen.„Man würde sehr irren", heißt es in der Correspondenz,„wennman glauben wollte, daß die übrigen Industriezweige in derRheinprovinz sich unverändert der alten bekannten Blüthe er-freuen. Um sich von dem leider auch hier herrschenden Gegen-theil zu überzeugen, braucht man sich nur an die Stätten derumfangreichen Seiden- und Sammetfabriken in Crefcld, Viersenu. s. w. zu begeben. Zlvar ist dort die Fabrcklhätigkeit nochimmer im Gange, aber ein Blick in die Lagerhäuser zeigt, daßdieselben in einem Grade mit fertigen Fabrikaten angefüllt sind,die durch den täglichen Absatz nur in kaum bemerkbarem Um-fange in Anspruch genommen werden, daß das Ende der Fabri-kation nothgedrungen bald eintreten niuß. Natürlich sträubensich die Fabrikanten bis zum letzten Augenblick dagegen, ihreeingeübten Arbeiter zeitweilig zu entlassen, weil sie fürchtenmüssen, dieselben nach der Beendigung der jetzigen Krisis nichtwieder zu bekommen, aber wenn die gegenwärtige Absatzlosigkeitnoch länger anhalten sollte, werden sie �ich doch um ihrer Selbst-erhaltung willen zu dem bedauerlichen Schritte gezwungen sehen.Gleichwie um den genannten Industriezweig steht es aber zurZeit so ziemlich um alle übrigen im Rheinlande; alle Angehö-rigen derselben schauen sehnsüchtig, viele schon halb verzweifeltnach besseren Zeiten aus."— Während der letzten Wahlcampagne fiel in einerVolksversammlung die Aeußerung:„Man möge die christlicheLiebe doch mehr walten lassen bei dem Militär, und nicht mehrverlangen, als die Leute in Kräften hätten zu leisten, so daßes keine Ohnmächtigen oder gar Todten bei Paraden oder großenLeichenbegängnissen gebe, worüber man nachher schweige." Wegendieser Aeußerung ist seitens der preußischen MilitärverwaltungAnklage auf Verletzung des ß 131 des Rcichsstrafgesetzes erhobenworden. Wie uns versichert wird, sind in Berlin bei der Parade zuEhren des Schahs von Persien und kurz darauf bei dem Leichenbe-gängniß eines Prinzen verschiedene Soldaten ohnmächtig gewordenund mehrere derselben nachher gestorben. Wer über diese Vor-gänge sowie über die„Verunglückungen" bei Gelegenheit derberühmten Dreikaiserparade genauen Aufschluß geben kann, wirdersucht, der Redaktion dieses Blattes Mittheilung zu machen,oder sich direkt an den Vertheidiger des Angeklagten, AdvokatDr. Fischer II. in Hannover, zu wenden. Der Berhandlungs-termin ist auf den 31. d. M. angesetzt, also keine Zeit zu ver-liercn!— lieber die Typhusepidemie in Oberschlesien ver-öffentlicht das kaiserlich deutsche Gesundheitsamt einige Daten,welche auf seine Anordnung durch den Regierungsmedizinal-rath Pistor in Oppeln ermittelt sind. Zunächst stellt HerrPistor fest, daß bereits im August und September mehrere Er-krankungen am Fleckfieber in den Orten Janow und Zawodzieim Kattowitzcr Kreise vorgekommen waren, von Ende Oktoberund durch den November vermehrten sich die Fälle unter denmeist dicht gedrängt, in schlechten ungesunden Wohnungen einge-legten Eisenbahnarbeitern an dem Kohlenstrang: Richthofenschacht- �Künigundenweiche; daß diese Menschen, meistentheils umher-schweifendes Gesindels!!), sich nicht besonders verpflegten undnoch weniger irgend wie der Reinlichkeit, desto zahlreicher aberdem Bacchus im schlechtesten Schnaps Opfer brachten, wirdJeder begreifen, der diese Erdarbeiter, wo es auch immer sei,mit eigenen Augen kennen gelernt hat. Stimmt man hierzu diesattsam in der Fachpresse und in Broschüren geschilderten undfür viele Plätze durchaus nicht übertriebenen obcrschlesischenWohnungs- und Ernährungsverhältuisse, die Landesgcwohnhciten,die Witterungsverhältnisse, die mangelnde Arbeit und schlechteErnährung, so sind alle Bedingungen zur Entstehung einer ernst-I lichen Typhusepidemie gegeben. Diese hat sich denn auch lang-sam aber sicher entwickelt und, wie die folgenden Zahlen b'e-weisen, eine ziemliche Ausdehnung in den Kreisen Kattowitz undBeuthen gewonnen, freilich vorwiegend kleine Städte und Ort-schaften befallen.Hinsichtlich der Verbreitung stellt sich heraus, daß1) im Kreise Kattowitz:erkrankten: starben: genasen:j vom 25./9. 76. bis ll./l. 77 453 48 341bis zum 31./1. 77 198 12 100vom 1. bis 21. Februar 173 23 184vom 25.19. 76 bis 21./2. 77 Summa: 822 83 591~am 21./2. blieb ein Bestand von 148 Kranken, fast aus aus-nahmslos am Flecktyphus leidend:2) im Kreise Beuthenerkrankten: starben: genasen:Unterleibs. Fleck- Unterleibs- Fleck- Unterleibs- Fleck-typhus: typhus: typhus: typhus: typhus:typhus:79151227565384301419812171215241v. 21./11bis 20./2. 77 384darunter imJanuar c.v.20.b.28./2.incl.nachträg-licher Anzei-gen aus Kö-nigshütteSumma: 611 140 47 26 350 53am 28./2. c. war ein Bestand von 214 Unterleibs- und 61 Fleck-typhuskranken;3) Kreis Pleß.„„ erkrankten: starben: genasen imcl. Bestand am 31./1. 76bis zum 3 U/1. 77 64 5 351.12. bis 28./2. 77 72 8 69]Summa:so daß am 28.,'2. e.104136 13Bestand blieben 19 Kranke.—Mit welchen Mitteln die zunächst betheiligte Regierung zuOppeln der Epidemie zu begegnen gedenkt, ist unfern Lesern ausNr. 32 bekannt. Obgleich nun diese Mittel keinen andern Zweckhaben als den der momentanen Hilfeleistung, so haben wir ihnenunsere Zustimmung doch nicht ganz versagt. Ganz entschiedenmißbilligen aber müssen wir den Ton, in welchem sich dasReichsgesundheitsamt herausnimmt, von den hart betroffenenArbeitern Oberschlesiens zu sprechen.„Meistentheils umher-schweifendes Gesindel" solche Arbeiter zu nennen, welche ge-zwungen sind, bald hier, bald da Arbeit zu suchen— das kannnur Jemand, der unvernünftig genug ist, die Arbeiterklasse zuverachten, und dazu hat, glauben wir, das Reichsgesundheits-amt keinen Anlaß und auch kein Recht.Nach weiteren amtlichen Mittheilungen sind im Kreise Beuthen11, Gleiwitz 8, Kattowitz 19, Pleß 18, Groß-Strelitz 10 undZabrze 2 Ortschaften vom Typhus heimgesucht.Staatsrettuug in München. Die„CorrespondenzHoffmann" berichtet vom 19. März:„Eine am letzten Samstagvon den Sozialdemokraten im„Unterpollinger" veranstalteteVolksversammlung, in welcher sehr aufreizende Aeußerungenfielen, ist auf Veranlaffung des überwachenden Polizeikommiffärsaufgelöst und die Arretirung dreier Theilnehnier, eines Schuh-machers aus Oesterreich, eines Schlossers aus Breslau und einesDrehers aus Leipzig, vorgenommen worden."— Daß doch diePolizei sich so leicht„aufreizen" läßt! Andere Mensche» sinddurch die„aufreizenden" Reden nicht„aufgereizt" worden. Eswäre vielleicht ganz gut, wenn den aufreizbaren Beamten vorEintritt in jede Volksversammlung ein niederschlagendes, nerven-beruhigendes Tränkchen verabreicht würde. Wir machen denVorschlag in allem Ernst. Jedenfalls würde die Befolgungdesselben unserer Regierung sehr nützlich sein: sie würden vielGeld und— sonst noch etwas ersparen.— Viel Lärm um nichts! Vor einigen Monaten hat sichin Kassel unter Führung der Redakteure eines Kaffeler und einesHamburger Blattes eine sogenannte„Neue, freie, deutsche Ar-beiterpartci" gebildet, welche sich die Bekämpfung der Sozial-demokratie zur Aufgabe gestellt. Von dieser„Partei" wirdnunmehr ein zweiter zur eigentlichen Constituirung derselbenbestimmter Congreß für den Juni dieses Jahres in Kassel aus-geschrieben.— Der„neuen— freien— deutschen Arbeiterpartei"wird es ähnlich gehen, wie den Messern ohne Heft und ohneKlinge— sie wird werden eine Armee ohne Offiziere und ohneSoldaten— ein paar Spielleute, die zum Sammeln blasen—kein Mensch weiß wem und zu welchem erreichbaren Zwecke—und die bald wieder ausgeblasen haben werden.— Petroleure. Die Prozeßverhandlungen gegen den ord-nungsfreundlichen Brandstifter, den Bourgeois Prieur dela Comble(f. Nr. 24 des„Vorwärts"), haben zwei Tage inAnspruch genommen, den 9. und 10. März, und mit der Ver-urtheilung des Angeklagten zu zehnjähriger Zwangsarbeitgeendigt. Der Schuldbeweis wurde auf's Vollkommenste erbracht.Sonderbarer oder vielmehr nicht sonderbarerweise unterließenRichter wie Staatsanwalt, die Brandstiftungen zu berühren,welche Herr Prieur de la Comble im Mai 1871 auf Rech-nnng der Pariser Commune verübt hat, und für die einhalbes Hundert unschuldiger Menschen erschossen worden sind.Die Erschossenen waren ja Proletarier, und von Bourgeois-Richtern und einem Bourgeois-Staatsanwalt kann man doch nichtverlangen, daß sie sich in's Zeug legen, um die Commune zuent- und einen Ordnungsmann zu belasten. Freilich, indemdas Pariser Tribunal die Augen zudrückte, hat es sich zumMitschuldigen des Brandstifters Prieur de la Comble gemacht,und sich jenen infamen Militärgerichten würdig an die Seitegestellt, welche die Ebene von Satory mit Blut gedüngt undTausende und Abertausende auf die trockene Guillotine nachNeukaledonien geschickt haben.— Communefeier in Frankreich. Am Jahrestage desComniune-Aufstandes vom 18. März 1871 waren in verschiede-nen Pariser Vorstädten Banketts angesagt. Die Behörde ver-bot dieselben; doch soll es den Theilnehmern gelungen sein, sichunbemerkt in anderen Lokalen, als sie ursprünglich bezeichnethatten, zusammenzufinden. Jn Avignon veranstaltete der repu-btikanstche Club ein Festessen, bei welchem der kürzlich gewählteAbgeordnete Saint-Martin den Vorsitz führte.— Die Communelebt also trotz vieltausendfachen Todtschlags l— Rußland ist in freiheitlicher Beziehung dem deutschenReiche doch immer noch um eine Pferoelänge voraus. BonPetersburg wird jetzt z. B. die bezeichnende Thatsache ge-meldet, daß zwei Vertheidiger der im letzten Moskauer Prozeß everurtheilten Sozialisten wegen der bei den Plaidoyers erfolgten.