Neuer Vorwärts

Sozialdemokratisches Wochenblatt

Verlag: Karlsbad  , Haus„ Graphia" Preise und Bezugsbedingungen siehe Beiblatt letzte Seite

Nr. 93

SONNTAG, 24. März 1935

Aus dem Inhalt:

Der Sturz der deutschen Republik

Alarm in Danzig  

Hitler   in Algerien  

Die Schande der Schutzhaft

Hitler führt zum Krieg

" Wehrpflicht ohne Freiheit ist Sklaverei!"

extes Zur Wiedereinführung der allgemei-| patriotischen Festgepränges, der militäri-| Despotie. Gegen ihn erhebt sich der Ruf

nen Wehrpflicht in Deutschland   über- schen Parademärsche. Um sich im Besitz nach gleichem Recht und Freiheit: Frei- Der einzige Weg

gibt der Vorstand der Sozialdemokrati- ihrer Pfründe zu festigen, spielen sie mit heit der Person, der Wissenschaft, der schen Partei Deutschlands   der Oeffent- dem Krieg. Presse, des politischen und religiösen Be­Jetzt sagt Hitler  , von den ersten Jahren kenntnisses, des Vereins- und Versamm­lichkeit die folgende Erklärung: Hitler   hat die allgemeine Wehrpflicht der Republik   sprechend, in seinem Aufruf lungswesens, Wiederherstellung der sozia­

verkündet. Massen, die durch die Propa­ganda des Rundfunks und der gleichge­schalteten Presse verblendet sind, jubeln ihm zu. Millionen Denkender stehen in er­zwungenem Schweigen abseits. Für sie sprechen wir.

Die deutsche   Sozialdemokratie hat stets

für die Verständigung der Völker und die

Gleichberechtigung

Deutschlands   ge­

vom 16. März:

Frieden nur durch Sturz des

Dritten Reichs

> Es gibt in der Welt heute Anzeichen einer Art der Gewalt, die einen Geisteszustand enthüllen, der, ent­sprechend mächtig geworden, das Ende von allem bedeuten könnte, was für uns Wert besitzt, und von allem, worin wir das Verdienst unserer Existenz erblik­ken.<

( Baldwin am 30. Juni 1934 im Unterhaus.) Die allgemeine Wehrpflicht in Deutsch­ land   das ist ein Alarmschuß über die

len Rechte der Arbeiter der Kampf um >> Das deutsche   Volk war sowohl in sie kann nicht anders enden als mit der seinen Regierungen als auch in seinen Niederwerfung der Despotie. Parteien damals von einer Gesinnung Die Welt muẞ endlich begreifen, um was erfüllt, die den pazifistisch- demokrati­schen Idealen des Völkerbundes und sei- es geht. Es ist sinnlos, Verträge mit einer ner Gründer restlos entsprach.<< Macht zu erstreben, die alle Gesetze der Hitler hat vergessen, hinzuzufügen, daß Menschheit unter ihre Füße getreten hat. die Vorkämpfer dieser Ideale in seinem Es ist aber auch falsch und ungerecht, Welt. Sie ist von symbolischer Reich ermordet und bis in fremde Länder das ganze deutsche   Volk für ein Regime Kraft. Militärtechniker und grobe Mate­kämpft. Räumung des besetzten Gebiets hinein von seinen Mörderbanden verfolgt des Verbrechens verantwortlich zu machen, rialisten mögen ihre provokatorische Ver­fünf Jahre vor dem vertragsmäßigen Ter- werden. Ein Mann, der gegen die Friedens- unter dem sein bester Teil am schwersten kündung beurteilen nach ihrer technischen min, Anerkennung Deutschlands   als gleich- freunde unter seinen eigenen Volksgenos- leidet. Sieben Millionen deutscher   Männer Bedeutung. Sie mögen errechnen, daß sie berechtigte Großmacht im Völkerbund, sen einen so barbarischen Krieg führt, und Frauen haben noch bei den Terror­am Ausmaß der deutschen   Kriegsrüstung Herabsetzung und schließlich völlige Strei- wird die Welt vergebens von seiner Frie- wahlen nach dem Reichstagsbrand am 5. nichts wesentliches ändert, daß sie nur chung der Reparationen waren Ergebnisse, densliebe zu überzeugen versuchen. Was er März 1933 ihre Treue zu den demokrati- klarstellt, was alle Kriegstechniker aller der von ihr eingeleiteten und gestützten, will ist nichts anderes als die Uebertra- schen und sozialistischen Idealen der So­aber von Hitler   fanatisch bekämpften Po- gung der im Innern geübten Gewaltmetho- zialdemokratie bekundet. Hunderttausende den auf die auswärtige Politik. stehen heute in einem heroischen Ringen Mit Hitler   begann ein Kurs machtpoliti- Hitler hat aber noch ein anderes ver- gegen Späher und Häscher des braunen scher Abenteuer. Um das Volk über den gessen. Die allgemeine Wehrpflicht ist ein Polizeistaates. Die Welt muẞ endlich be­Verlust seiner Rechte, den Bankrott der Kind der französischen   Revolution. Die greifen, daß ihr eigenes Geschick mit dem nationalsozialistischen Wirtschaft, die zum allgemeinen Menschenrechte sind ihr un- jener Braven untrennbar verbunden ist. Himmel stinkende Korruption hinwegzu- entbehrliches Gegenstück. Wehrpflicht Entweder sie siegen oder Europa   versinkt täuschen, bedürfen die Machthaber des ohne Freiheit ist Sklaverei. Wehrpflicht in Mord und Brand. Der Weg zur Rettung Dritten Reichs der Aufpeitschung aller ohne Entscheidung des Volkes über Krieg des Friedens geht über den Sturz der nationalistischen Instinkte, des schein- und Frieden ist Zwangsdienst für die Despotie. Es gibt keinen anderen!

litik.

Waenende Erfahrungen

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Länder längst wußten. Sie können fra­gen: was ist schon geschehen? Nicht so die verantwortlichen Staats­männer und mit ihnen die Völker. Allge­ meine Wehrpflicht   in Deutsch­ land   das ist die Vermählung des Geistes des Kaiserreichs mit dem revanchelüsternen

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Geist des Hitlerreichs, Sie ist das Symbol für die seit zwei Jahren ange­sammelte Kriegskraft des Dritten Reichs, für den finsteren Geist der Bejahung des Krieges, der Eroberung, der Revanche, der dem anderen zusammenhängt, merkt sie das Wesen des Hitlersystems ausmacht. nicht oder sagt sie nicht. Das Entscheiden- Sie zeigt, daß das Dritte Reich sich für de an der Weltsituation ist nicht, daß ein stark genug hält, sich von allen internatio­Land zur allgemeinen Wehrpflicht über- nalen Bindungen zu lösen. Sie ist die letzte geht, das Entscheidende ist, daß die Leu- und äußerste Unterwerfung des deutschen  

Der Rüstungslärm des Dritten Reiches  | stern, so ist es heute! Sie blieben te, die jetzt den stärksten Vernichtungs- Volkes unter den Willen eines Diktators, täuscht die Nachdenklichen nicht über die außerhalb der Volksgemein- apparat der Welt aufbauen, die Mörder der heute oder morgen den Massen der Problematik der wehrpolitischen Situation schafte wie die Militaristen sie ver- der Stelling, Fechenbach, Schleicher, Clau- deutschen Jugend befehlen kann: sterbt Jakob für meinen Machttraum! Sie ist mit Deutschlands   hinweg. Es gibt umfassende stehen. So war es gestern, so ist es heute. sener, Lessing, Formis, Berthold Studien über die Ursachen des deutschen   Volk und Heer brachen aus- und tausend anderer sind. Wie das Wehr- einem Worte- die Bekräftigung jenes Gei­Zusammenbruches und auch heute ist man- einander. So war es gestern, so ist es system eines Landes aussieht, ist gesteszustandes, von dem der Führer der cherlei in der deutschen   Presse darüber zu heute. Fortsetzung folgt.... wiß für andere Länder wichtig. Aber englischen Regierung gesprochen hat, jenes wichtiger ist, wie die Regierung aussieht, Geisteszustandes, der nichts zu tun hat mit lesen, was der offiziellen Geschichtsschrei­die sich dieses Wehrsystems bedient. Und modernen Staatsauffassungen, mit dem das zeigt der Fall Berthold Jakob noch Geiste der Freiheit, der zu den unverzicht­baren Lebensbedürfnissen der kulturell. hochstehenden und gesitteten Menschen gehört.

bung drastisch widerspricht. Ein Dr. Wort- Berthold Jakob

mann schreibt über Volk und Soldatentum z. B. folgendes:

nalen Kraft. Damit

Nach Deutschland   verschleppt und

verschollen.

einmal.

> Es war ein schicksalhafter Mangel der deutschen   Vorkriegsgeschichte, daß die Ver- Der Schriftsteller Berthold Jakob Pazifistische Generäle In diesem Geiste der Gewalt, bindung zwischen der Führung von Staat und ist von Straßburg   nach Basel   gelockt wor­Die Welt scheint einem großen Irrtum er- hat das Hitlersystem zwei Jah­Heer nicht immer diesem natürlichen Gesetz den und seitdem verschollen. Telegramme legen zu sein; sie glaubt man rüstet um Krieg re lang gewirkt. Es hat den Glauben entsprach. Politische und militärische Füh- an seine Frau, in denen er sein Wohlbefin­zu führen. Und bisher war das tatsächlich an die Sicherung des Friedens durch Ver-, rungsansprüche gerieten in zerstörende Ge- den bezeugte, waren gefälscht. Die Zusen­gensätzlichkeiten und vernichteten somit den dung seiner Barschaft an sie machte die auch der Fall. Mit dem Anbruch des Dritten träge in Europa   zerstört und den Glauben doch eine an die alleinseligmachende Gewalt der Waf­geschlossenen, zielklaren Einsatz der natio- schlimmste Befürchtung fast zur Gewiß- Reiches beginnt aber scheinbar war der Spaltpilz, der heit: Berthold Jakob ist nach Deutschland   neue Epoche. Man rüstet, um den Frieden zu fen gestärkt. Es hat die heranwachsende verseucht. 1918 Volk und Heer auseinanderbrechen ließ, verschleppt worden. Das Geld hat man der garantieren. Die Wehrpolitik ist der Weg zum deutsche Jugend militaristisch im Keime angelegt. Frau geschickt, weil er es nicht mehr Frieden, nicht zum Krieg. Und der General  - Es hat mit der ungeistigen Propaganda des davon Kommisstiefels, der Uniform und der Bru­Bei aller Größe der soldatischen Tugend brauchte und weil die Mörder sich ihre leunant Horst v. Metzsch geht auch talität die edelsten Regungen der Mensch­und Leistung unserer Vorkriegsarmee, darf Bezahlung anderwärts geholt haben. lichkeit in der Jugend totgetreten, es züch­man die bittere Wahrheit nicht übersehen, Es ist kaum daran zu zweifeln, daß tet ein Geschlecht heran, das keinen Sinn daß der Sozialdemokrat, der in die Armee ein- auch dieser Fall genau so im Sande ver­mehr für die hohe Ethik der Liebe zum gezogen wurde, auch als Sozialdemo- laufen wird, wie alle ähnlichen, die ihm krat wieder in das Volk zurück- vorausgingen, wie insbesondere der Fall trat. Das ist die Tragik in der deutschen   des Ingenieurs Formis in der Tschechoslo­Geschichte der ersten zwei Jahrzehnte des wakei. Wie mit so vielem anderem finden 20. Jahrhunderts. Der deutsche Mensch und sich die Nachbarn Deutschlands   auch da­vor allem der deutsche   Arbeiter mit ab, daß auf ihrem Gebiet die Spitzel war ein guter Soldat, aber er wuchs durch der Gestapo   und die Menschenjäger der seine Dienstzeit nicht fester in die deutsche SS ihr blutiges Handwerk treiben und daß Volksgemeinschaft hinein. Er blieb außerhalb! ein Opfer nach dem anderen fällt, ohne Niemals hätte es> den Dolchstoß aus dem daß es gelingt, an die Mörder heranzukom- angst vor dem Kriege< von Metzsch. Rücken geben können, niemals hätte die Re- men. Denn hinter diesen Mördern steht ja, volte von 1918 das Volk an den Rand des Un- sie beauftragend, beschützend und beloh­terganges bringen können, wenn Volk und nend, das Dritte Reich. Heer in ihr naturgegebenes Verhältnis gesetzt

war,

aus, daß der Krieg eine Katastrophe< ist, und» der Weltkrieg für die gesamte euro­päisch- asiatische Welt ein Fehlschlag dessen Opfer nirgends in einem angemessenen Frieden hat. Es hat den Militarismus in Verhältnis zum Erreichten stehen. Also fol- der ganzen Welt gestärkt, es ist die Ge­gert der General des Dritten Reiches  :>> Gute waltdrohung gegen die Freiheit und die Zi­deutsche Wehrpolitik ist Politik gegen den vilisation aller anderen Völker. Krieg. Gute deutsche Wehrpolitik darf nicht Die allgemeine Wehrpflicht in Deutsch­nur darauf abzielen, wie man sich im Kriege land sie ist Ausfluß und Bekräftigung wehrt. Sie muß sich auch des Krieges zu dieses Geistes der Gewalt. Das ist der erwehren suchen.<< So zu lesen in> Die Welt­

Die Welt wird schon noch entdecken, daß die aufrechtesten Pazifisten in Deutschland  nicht im Konzentrationslager gepeitscht wer­Die Weltpresse hat zum Fall Berthold den, sondern das Kommando über den neuen ddod Jakob wenig zu Die allgemeine deutschen   Militarismus ausüben. Alles, alles Die Sozialdemokraten blieben Wehrpflicht in Deutschland   ist ihr natür- und selbst den Krieg machen sie nur um des aber wie das eine mit lieben Friedens willen. Sozialdemokraten. So war es ge- lich wichtiger

worden wäre.<

-

sagen.

Grund der tiefen Erregung, die ihre Ver­kündung hervorgerufen hat. Wer die Kriegsdrohung hinter der deutschen   Er­klärung empfindet, der weiß: nicht in der Rüstung allein, sondern im Geiste, der sie lenkt, liegt die Gefahr, nicht in der allgemeinen Wehrpflicht an sich, sondern im Willen zum Kriege, der sie als sein Instrument verkündet hat!

Der Schlag ins Gesicht der englischen