Mai 1933Äaktmäßig zur Diktatur gfeaelgt, wenn ererst mit Recht überzeugt sein kann, ffafi dieselbe in seinem Interesse ausgeübt wird.«Ja, mehr noch, der»Arbeiterstand« seigeneigt, in der Krone den natürlichen Träger der»sozialen Diktatur«zu sehen, wenn dieses Königtum sich entschließen könnte,»sich in ein soziales undrevolutionäres Volkskönigtum umzuwandeln.(G. Mayer, Bismarck und Lassalle, Berlin 1928, S. 59, 60.)Das ist wohl die»Staatsgesinnung« imGeiste LassaDes, die Tejessy uns empfiehlt.Fast um dieselbe Zeit, in der jenerBrief an Bismarck geschrieben wurde, verkündete Marx(1864), daß die Befreiungder Arbeiterklasse ihr eigenes Werk seinmüsse. Das war dasselbe, was Engels inseiner letzten Aeußerung, seinem Vorwortzu Marxens»Klassenkämpfe in Frankreich« feststellte:»Wo es sich um eine vollständige Umgestaltung der•gesellschaftlichen Organisation handelt, da müssen die Massen selbst mit dabei»ein, selbst schon begriffen haben, worumes»ich bandelt«Aber hat nicht Marx selbst das Wortvon der»Diktatur des Proletariats« geprägt? Auch das gehört zu jener Terminologie, die ich als unglücklich gewähltempfinde, weil sie Mißverständnisse ermöglichtDiktatur ist nur erreichbar durch Allmacht der»bürokratisch-militärischenMaschinerie«, also gerade durch jene Einrichtung, deren Zerbrechung Marx als Vorbedingung jeder»wirklichen Volksrevolution« fordert Er lehnte es ab, daß dieseMaschinerie einfach aus einer Hand in dieandere»übertragen« werde, wie das»bisher« jede Revolution getan.In der Zeit nach dem Weltkrieg isteine ganz neue Art Diktatur emporgekommen, die»Parteidiktatur«.In dem Menschenalter vorher waren invielen Staaten Europas die Bedingungenfür die Bildung von Massenparteien möglich geworden durch relative Freiheit derMassen, sich zu organisieren, frei ihreParlamentsvertreter zu wählen, eine eigenePreeae zu gewinnen. Da konnten großeMaasenorganisationen erstehen, ökonomische wie politische, die für das politischeLeben bestimmend wurden.Aus diesem Zustand konnte unter Umständen das Streben nach einer besonderenArt Diktatur hervorgehen: das nach derDiktatur der eigenen Partei. Indes warenjene Parteien, die danach strebten, selbstschon von vornherein auf der Diktaturihre« Führerg aufgebaut Und wo es zuder Diktatur einer Partei kam, konnte sieabsolut nur dadurch herrschen, daß sieüber eine allmächtige, bürokratisch-militärische Staatsmaschinerie verfügte. Dieseist das A und das O jeder Diktatur. Ineiner Diktatur wird diese Maschinerie unweigerlich so stark, daß sie nicht der Diener der Partei bleibt, als die sie gedachtist sondern ihr Herr wird. Die angeblichherrschende Partei wird selbst bürokrati-DerEin ehemaliger Schutzhaftgefangenerschreibt uns:Am 1. Mai führte man uns Schutzhäftlinge frühmorgens zwei Stunden in der Stadtherum. Zahlreiche SS-Posten unter Gewehreskortierten uns. Singen mußten wir abwechselnd»O Deutschland hoch in Ehren«,die»Wacht am Rhein« und»Deutschland,Deutschland über alles«. Am anderen Tage,den 2. Mal, munkelte man im Lager, daßalle Gewerkschaftsführer verhaftet seien.Tatsächlich war am 2. Mai die große Aktiongegen die Gewerkschaften geführt worden.Schon frühmorgens wurde uns verkündet,daß heute großer, uns wohl bekannter Besuch käme. Zu Mittag wurden sämtliche Gewerkschaftsführer ins Lager eingeliefert. Daraus machte die Lagerkommandantur ein unerhörtes Schauspiel zur Belustigung der SS-Leute. Wir wurden alle zum Antreten befohlen. In zwei Reihen wir, und zwischendrin die Gewerkschaf tsangestellten, die»Bonzen«, wie sie im Sprachgebrauch der Naziund Kommunisten heißen. Vor uns versammelten Schutzgefangenen mußten sie sichzunächst gegenseitig begrüßen, und zwar so:Ein Gewerkschaf tsanges teilten wurde demanderen gegenübergestellt und gefragt, ober den anderen kenne und woher. Dann mußten sie sich die Hände reichen, vor einandertiefe Verbeugung machen und sich zu ihrerSchutzhaft beglückwünschen. Bei wem dieVerbeugung nicht tief genug ausfiel, der bekam Paustschläge auf den Buckel, daß erzusammensank. Zwischen dem Sekretär desHolzarbeiterverbandes' und Textilarbeiterverbandes bekam die Sache eine andere Wendung. Der vom Holzarbeiterverband wurdegefragt und antwortete:»Jawohl, wir warenzusammen; im Felde bei einer Kompagnie.Da haben wir uns kennen gelernt.«»Halt dieFresse, verfluchtes Bonzenschwein und renommiere nicht mit deinem Fronterlebnissen herum. Da hast du Sau doch früher nie daran2.gedacht. Du Schwein warst doch nie einguter Soldat«»Ich war Feldwebel, habe fünf Kriegsauszeichnungen und hin dreimal verwundet.«»Halt die Fresse, du Renommiersau, sonstschlag ich sie dir zu.«Jetzt mußten die Kommunisten unter unsSchutzhäftlingen hervortreten. Von ihnenmußte nun zu beiden Seiten eines Gewerkschaftsangestellten je einer Aufstellung nehmen. Von den Kommunisten mußten dieBenzen nun an uns vorbeigeführt werden,wobei sie mit Schlägen und Püffen traktiertwurden. Aus dem Gehen wurde schließlichein Laufen und Jagen vor den Mißhandlungen. Für uns war die Vorstellung beendet,aber nicht füi« die Gewerkschaftsangestellten. Diese mußten jetzt Rock und Weste ausziehen, die Hosenträger ablegen. Sie standenda in einer ausgerichteten Reihe und mußten sich die Hosen mit den Händen am Leibehalten, damit sie diese nicht verloren. Nunerschien die ganze SS die im Lager warmit Gummiknüppel und Revolver in den Händen und begann, die Gewerkschaftsangestellten vor sich herzutreiben. Es wurde eineJagd auf Leben und Tod. Hinter jedem Angestellten hetzte wilde SS her und schlugzu, wohin sie nur treffen konnte. Der Genosse B.(er hat seinem Leben ein Ende gemacht und ist längst tot) hatte die Spitzegenommen, er war ja auch der gewandtesteund noch jünger. Er lief wie ein Wiesel, sodaß ihm kein SS-Mann nachkommen konnte.Doch als gar ein Schuß krachte und die Kugel dicht an seinem Kopfe vorbeisauste,rannte er wie wahnsinnig geworden. Schlimmer ging es dem W., S. H. und K., einer 54Jahre, einer 58 Jahre und einer 61 Jahre alt.Sie brachen gar bald zusammen und konntennicht mehr weiter. In einem Knäuel wälztensie sich am Boden und jeder versuchte, sichwieder hochzuarbeiten, da die SS unbarmherzig auf sie einschlug, so lange sie am Boden lagen.»Ihr Bonzensehwelne, ihr faulenHunde, wollt ihr vielleicht laufen,« brülltendie SS-Bestien und schlugen zu was derGummiknüppel hergab, bis die vier sich mühsam wieder hochgerichtet hatten. Noch einpaar Schritte schleppten sie sich vorwärts,doch dann brachen sie wieder zusammen. D.war schwer lungenleidend. Auch er brachzusammen und wurde mißhandelt. Am anderen Tage früh mußten sie wieder mit unsantreten. Jeder wurde jetzt von den SS-Lcu-ten einzeln nach seinem Monatsgehalt gefragt.»Na, wieviel Gehalt hast du Bonzenschwein?«»230 Mark im Monat.«»Wieviel? 600 hast du Lügensau!«»Nein, nur 230 Mark.«Darauf erhielt er ein paar kräftige Ohrfeigen und Fußtritte in den Leib, daß ihmHören und Sehen verging und dann kamnochmals die Frage:»Wieviel hast du Gehalt, du dreckige Bonzensau, 800 Mark, willst du das eingestehenund nicht schwindeln?«Dabei hatte die SS-Bestie schon wiederzum Schlage ausgeholt. Und weil der Gefangene schwieg, wurde er angebrüllt:»Wird esbald?« Um weiteren Mißhandlungen zu entgehen, log er notgedrungen:»800«.Tatsächlich hatte er aber nie 800 Markgehabt, sondern wirklich nur 230 Mark. Zuden dreckigsten Arbeiten wurden die Gewerkschaftsangestellten befohlen. Dabei durften sie kein Wort reden. Der Genosse S. machte nur einmal eine leise Bemerkung, die derPosten aber doch bemerkt hatte. Sofort setzteer ihm den Revolver auf die Brust und schrieihn an:»Soll ich dich Sau erschießen?«,»Erschieß mich nur«, gab Genoase S. kaltblütigzur Antwort. Ein paar kräftige Ohrfeigenund verschärften Arrest wegen Verstoß gegendie Lagerordnung war die Strafe. Das war1933 im Mai. Und heute?siert oder militarisiert und dadurch diebürokratisch-militärische Staatsmaschine-rie einverleibt.Das beachten manche unserer Genossen nicht, die gegen die Hitlerei kämpfen.Sie lehnen nicht jede Diktatur ab, sondernnur eine besondere Art derselben, den»Faschismus«. Sie wollen nicht die Demokratie erobern, sondern nur das tun,was schon Marx verwarf, auf den sie sichberuf pn: die Diktatur, das heißt die Allmacht der bürokr atlsc h-mili t arischenMaschinerie aus einer Hand in eine andereübertragen.Sollen wir zu diesem Zweck HitlersSturz anstreben oder sollen wir eine soweitgehende Bewegungsfreiheit der Massen im Staate und eine solche Ausdehnungder Selbstverwaltung in ihr durchsetzen,daß dadurch die unvermeidliche Bürokratie aus einem Herrn zu einem Diener desVolkes wird?Das ist die große Frage, über die inunseren Reihen völlige Klarheit herrschenmuß, ehe wir mit Erfolg eine antihitieri-sche Propaganda betreiben können. Sieist ernstlich zu durchdenken. Dabei wirdes wohl von Nutzen sein, die Staatsauffassung Lassalles mit der zu vergleichen,die in den Schriften von Marx und sednerSchule niedergelegt und bis in unsereTage fortentwickelt wurde.Aber die Aufgabe der Klärung kannnur gehemmt werden durch Vemeblungs-operationen, wie sie Fritz Tejessy vornimmt.Ohne Verstellung...Ueber eine Uraufführung der Oper»Derverlorene Sohn« achreibt die»Köln. Volkszeitung«;»Diese Oper in zwei Akten des BerlinerStaatskapellmeisters Prof. Rob. Hegerhat den Ehrgeiz, die deutsche Bühne umein schlagkräftiges Gebrauchswerk vonausgesprochen virtuosem Zuschnitt zu bereichern. Die Musik ist ein Schulbeispielfür beste Kapellmeiatermusik; sie greiftohne Verstellung nach den offen zutage liegenden VobbUdem, die im»Rose n-. k a v a 1 1 e r« und der»Arabella«, im»Rigoletto« und der italienischenOper vorgezeichnet sind. Der Orchester-klang und die Deklamation neigen.In derHauptsache der Technik von Strauß undGraener zu, soweit nicht italienische Erinnerungen aufklingen. Alleshat in hohem Maße virtuose Anlage... verbindet unbedenklich den Stil der Operette,der großen Oper und des Kammerspiels undverschmäht faustdicke Sentimentalitäten ebensowenig wie die witzelndeGestik überwundener Richtungen. Trotzdembleibt es fraglich, ob der Endzweck,»Hoffmanns Erzählungen« zeitgemäß zu ersetzen, hier wirklich erreicht wird.«Bed wie vielen muß eigentlich noch gestohlen werden, um den einen Juden Offenbach zu ersetzen?!der Unteroffizier(der heldische Schreiber ausSA-Kreisen meint natürlich Immer noch einenMaat; aber das nur nebenbei!) die Hände andie Hosennaht geführt— als er den»Befehl«vom(großgeschriebenen Ersten) Offizierempfing. Selbstverständlich hat der ersteSchwimmer die bewußte Kehrtwendung derVorschrift gemäß nach links mit 180 Gradgenommen, als er— nicht etwa sich demgemäß, ohne zu drängeln, rettete, sondernvor allem sich der Wichtigkeit des Momentesnunmehr voll und ganz hingab, daß»der Befehl« endlich»durch« sei. Selbstverständlich,Folgender polltische Refrain hängt aberdieser schönen Geschichte, die aus den wirklichen Toten der Falklandinseln gern ein paarHitlerindianer vom Bunde Deutscher Mädelsnachträglich machen möchte und schon darum eine ganz üble nationale Schandbarkeitdarstellt, noch von so begabten Verfasser,Pg. Erhard Witteke, an:»... weil sie es In sich tragen, wasman mit dem gewöhnlichen, oft verachteten Wort Disziplin nennt. Unsere Feinde(!) verstehen darunter Kasernenhofdrill.Sie spotten darüber, und ahnen doch, daßviel mehr dahintersteckt, als das Hohnwortverrät. Denn sonst würden sie diesen Begriff nicht fürchten. Wer aber von unserem Blute ist, wird nach diesemBericht ahnen, was Disziplin unter deutschen Soldaten in Wahrheit ist.«So patriotisch singt der Pg. Nulpe. Immerhin: der Pg- Nulpe ist zur Zeit der,der die siebzig Millionen Deutscher regiert und sich anschickt, ihnenmit dieser stupiden Dummheit noch eineweit größere nationale Katastrophe zu bereiten, als sie 1918 schon einmal erlebt haben.F. E, Roth.Drei Jahre Mißwlrtsdiaft200.000: 12 Millionen.In Leipzig sprach Reichskulturwalter H i n-k e 1 Uber die Ergebnisse der bisherigen Kulturpolitik. Was wurde erreicht? Die DAZberichtet über den Vortrag;»Im ganzen könne voll Befriedigung aufdie Arbeit der letzten drei Jahre zurückgeblickt werden. Das Stadium derOrganisation müsse als abgeschlossenbezeichnet werden. Die Bahnen seien geebnet, und es sei nun möglich, an den positiven Aufbau heranzugehen.«Die Organisation abgeschlossen— in dreiJahren! Und was kostet diese fabelhafte Leistung? In der»Systemzelt« habe»der Etat des preußischen Kultusministeriums damals 200.000 Mark aufgewiesen, dieauch auf Jahre hinaus schon festgelegt gewesen seien. Im ersten Jahre des nationalsozialistischen Aufbaues sei der Etat aufeine Million, Im nächsten Jahre aufzwölf Millionen erhöht worden.«12 Millionen für die Organisation!»KeinLand der Erde habe so große Summen alleinfür die Pflege des Theaters zur Verfügunggestellt...« Natürlich nicht, denn in keinemLand der Erde ist das Theater so schandbarruiniert worden wie im Dritten Reich! In keinem anderen Lande muß das Publikum derart zwangsweise hlnedngelotst werden. Inkeinem Land der Erde wurde die Theaterkunstje so kastriert! 12 Millionen für die Büro-kraöslerung und Niederhaltung der Theaterkunst! Der Relchaschrifttumskammer aberrühmte Kinkel nach,»daß In den letzten drei Jahren kein deutsches Buch erschienen sei, das sich gegeneine andere Regierungsform oder gegeneinen fremden Staatsmann richte. Darinsei ein gewaltiger Beitrag der deutschenKulturpolitik für den europäischenFrieden zu erblicken.«Die Literatur des Dritten Reiches zulesen, lehnt offenbar auch dieser Kunstfeldwebel ab. Denn von»Mein Kampf« abgesehen, in dessen Neuauflagen nach wie vordie demokratischen Staatsformen ebenso verächtlich behandelt werden wie Rußland, haben gerade im letzten Jahr prominentebraune Federn in diesem Punkte Beträchtliches geleistet. Wir verweisen nur auf Steguweita neues Stück, in dem sowohl das Parlament wie die Regierung Frankreichsbeschimpft werden. Oder auf Dwingers Baltikumbuch, in dem nicht nur das bolschewistische System verächtlich, sondern auch dieenglische Regierung und englischeRegierende lächerlich gemacht werden. Sovielüber diesen»gewaltigen Beitrag zum Frieden«.Kultureller AufschwungDie Synagoge in Dt.-Eylau wurde für9000 Mark versteigert. Den Zuschlag erhieltder Bierverleger Willy K., der in dem Gebäude einen Bierverlag einrichten will.Es handelte sich um eine Zwangsversteigerung.(Meldung in der deutschen Presse)W ledergeburtUeber die»deutsche Wiedergeburt« schreibtder braune Dichterling Franz Schauwecker inder Nazipresse:»Eis wird in den Tagen und Jahren desneuen Wachstums der letzte Mut erfordert. Der letzte Mut, der in die Verbannung zu gehen bereit ist.«Meint er damit nun eigentlich Göring, dereinst von der Münchner Feldherrnhalle wegnach Schweden floh, oder meint er die Emigranten. die heute drüben als Landesverräterbeschimpft werden?Kurt Doberer:Unsere VäterDas waren unsere Väter, die gingen In einerReih.Sie zogen In langen Kolonnen und trotztenam ersten Mai.Es standen die Riemen und Räder, es schwiegdie Sirene am Schlot.Es kämpften unsere Väter für Arbelt, Freiheit und Brot.Und lagen auch auf der Straße, die Männeram zweiten Tag,es sagten die Frauen Im Hunger, wir tragen,was kommen mag.Es glaubten unsere Väter an eine große Zeit,In der die Roten Fahnen stehen zum Sturmbereit.Ich glaub an unsre Väter, ich mach, was siegetanund gehen wir auch zur Höbe in Blut undSchweiß hinan.Wir brechen Krupp und Thyssen und schlagen Ihren Knecht.Rot steht die alte Fahne: Für Arbelt, Brotund Recht.