sonst macht man das Proletariat zum Objekt für die Politik der Bourgeoisie.« Dahat man wirklich in einem Satz das Geheimnis der innerpolitischen TragödieDeutschlands in den Nachkriegs jähren enthüllt. Ungezählte Beweise dafür mag manbei Stampfer nachlesen.Ausgezeichnet rekapituliert FriedrichStampfer die Außenpolitik der Republikund zeigt die Linien, die von Clemenceauund Poincare direkt zum Aufstieg einesdeutschen Nationalismus führen, der indieser Besessenheit vorher niemals imdeutschen Volke zu einer Massenerscheinung werden konnte. Mit wieviel haßerfüllter Schikane ist die abgerüstete Republikfür die Politik des Kaiserreichs verantwortlich gemacht worden, auch dort, wo siesich unzweideutig von der wilhelminischenZeit unterschied! Beinahe gegen jede Sekundärbahn oder Brücke im Westen desReiches Protest und Verbot! Militärische Sanktionen Frankreichs, weilirgendwo Teile für die Herstellung vonMaschinengewehren durch die internationalen Kontrollore gefunden wurden, undentsprechende Racheprozesse und Fememorde gegen angebliche Verräter inDeutschland hinterher! Und dann dochinehr und mehr der Durchbruch zur äuße'ren Freiheit, je stärker sie im InnernDeutschlands bedroht wurde. Stampfer hatrecht: Hitler hatte nach außen nichts mehrzu befreien:»Deutschland war wiederGroßmacht und saß im Rate des Völkerbundes. Seine Gleichberechtigung, grundsätzlich auch die militärische, war anerkannt. Die Reparationen waren gestrichen,das Rheinland war seit drei Jahren— fünfJahre vor Ablauf der Räumungsfristen—wieder frei.«Vollkommen richtig! Aber dafür, daßdie Republikaner und unter ihnen besonders die Sozialdemokraten sich Mühe gegeben hätten, dem deutschen Volke ihrenationale Realpolitik und Befrei ungs tat recht prägnant klar zumachen, kann auch Stampfer keine Anhaltspunkte liefern. Die Furcht, in denVerdacht des»Nationalismus« zu kommen,war fast noch größer als die puritanischeBescheidenheit. Stampfer meint anläßlicheines Menschenleben fordernden Unglücksbei der Befreiungsfeier im Rheinlande, dieRepublik habe selbst bei ihren Festen keinGlück mehr gehabt, Nein, sie hat überhaupt nie Feste zu feiern verstanden.Schon deshalb nicht, weil sie die Bedeutung von Volksfesten nicht kannte, auchnicht die Wichtigkeit repräsentativen Auftretens, und die psychologische Bedeutungmilitärischen Gepränges nicht einmalahnte. Volkspsychologie? Das warein belächeltes Nebenfach und gehörte indas unwissenschaftliche und daher verdächtige Gebiet der Romantik. Als wir zubegreifen anfingen, war es zu spät. Abergerade in der psychologischen Entwicklung sollten wir nun nicht aufhören zu be-Seine Majestät s der ParteijunkerRehsport, Jagdvergnügen, elektrlsdbe TIsditelefoneEs wird jetzt im braunen Deutschland besonders viel vom sogenannten Führer-nachwuchs geredet, der zumeist aus denReihen der jungen»alten Kämpfer« erwähltund in sahireichen, teils weltanschaulichen,teils militärischen Lehrgängen geschult wird.Alle Zeitungen sind des Lobes voll und begeistern sich befehlsgemäß für den prächtigen braunen Stab, der da angeblich heranwächst. In der Tat hat das Regime ein lebhaftes Interesse daran, das Offiziers- undUnteroffizierskorps seiner Parteigruppen gehörig»auszurichten« und in Ordnung zu halten, denn wohin es führt, wenn dort eineeigene Meinung einreißt, das hat der 30. Juni1934 gelehrt. Jetzt werden die Postenanwärter nach Möglichkeit schon in der drittenVolksschulklasse, also etwa mit neunJ a h r e n, ausgewählt. Bei dieser Auswahlspielen körperliche Leistungsfähigkeit desKindes und politische Zuverlässigkeit derEltern die Hauptrolle. Das Ziel ist, die Auserlesenen ganz aus der Schul- undHausgemeinschaft herauszunehmen und sie je einige Jahre in Ortsburgen, Kreisburgen und Gauburgenzu erziehen, um sie dann nach bestandenerReifeprüfung zunächst in den Heeres- und anschließend in den Parteidienst zu entlassen.Mit dem Bau dieser Isolieranstalten wirdallerdings gerade erst begonnen— Marienberghausen im oberbergischen Land solldie erste Ortsburg im Reich erhalten, inW a 1 d b r ü 1 ist die Errichtung einer Kreisschulungsburg geplant—, da aber insolchen Fällen mit Mitteln keineswegs gespart wird und da man sich bis zur Erfüllung des Bauplans mit Interimsburgen behel-fen kann, hängt das Programm durchausnicht in den Wolken. Man darf vielmehr damit rechnen, daß die künftigen Chargenträgeralsbald nicht mehr mit sondern neben derGesamtheit der deutschen Jugend aufwachsen werden. Was das für ihre künftige Volksnähe oder besser Volksferne bedeutet, istleicht erkennbar.Aus den im Treibhaus gezüchteten Posten-anwärtem wird nun wieder eine besondersgeeignete und besonders zuverlässige Scharauserlesen, um zu den Höhen des braunenMachtbereichs emporgeführt zu werden. DieOrts-, Kreis- und Gauburgen sind als Reservoire für die Ordensburgen gedacht.Und hier Hegt einer der entscheidenden Webfehler des listig gesponnenen Netzes. Die privilegierteGruppe der»Junker«— dieser Titel ist denInsassen der Ordensburgen verliehen worden— wird derart erhöht und verzogen, daß diein den niederen Regionen verbleibenden Konkurrenten unweigerlich verärgert werden müssen. Während man die Erziehungin den örtlichen Vorbereitungsburgen rechtspartanisch zu handhaben gedenkt, weiht mandie»Junker« In das letzte Geheimnis desbraunen Führertums ein. Und dieses Geheimnis heißt— feudaler Lebenszuschnitt. Wir geben hier eine Schilderungder Ordensburg Crössinsee, Pommern,die bis zum Mai 1937 endgültig fertiggestelltwerden soll und zu deren Vollendung bereits2000 Handwerker und Arbeitereingetroffen sind. Wir zitieren die amtliche»Preußische Zeitung«:Von dem gesamten zur Verfügung stehenden Gelände sind bisher 130 Morgen fertig bebaut, während die restlichen 200Morgen bis Mai 1937— dem voraussichtlichen Eintreffen der ersten Kursusteilnehmer— ihrer Bestimmung zugeführt werden sollen.Zur sportlichen Betätigung der Junkerwird in unmittelbarer Nähe der Feierstätteein großer Sportplatz errichtet, der alleneuzeitlichen Anlagen wie 400 MeterAschenbahn, Tennisplätze usw.enthalten soll.Und in unmittelbarer Nähe dieses Sportgeländes werden am Seeufer eine F r e 1-badeanstalt sowie mehrere Bootshäuser entstehen. In diesem Zusammenhang ist auch geplant, den Crössinsee mitdem Völskowsee durch Ausbaggerung deshier vorbeifließenden Drageflusses zu erschließen und diesen See wiederum mit dementfernter gelegenen Dratzigsee, einem dergrößten Seen Deutschlands überhaupt, durcheinen Durchstich zu verbinden. Nach Fertigstellung dieser Bauarbeiten, die gleichfalls noch im nächsten Jahr beendet seinsollen, wird den Burginsassen die Möglichkeit zur Pflege jeglichenWassersports gegeben.Im weiteren Bauprogramm steht die Errichtung einer Reithalle und einesReitplatzes sowde der für die Unterbringung von 200 Pferden erforderlichen Ställe im Vorgelände der Burg. Umgreifen und zu horchen und die gewaltigeDynamik des Gefühls zu studieren.Es ist unmöglich, im Rahmen einesZeitungsaufsatzes, der ohnehin schon zuausführlich wird, den Reichtum des Stamp-ferschen Buches an Tatsachen und Darlegungen auch nur anzudeuten, und es isthier auch nicht der Ort, jede gegenteiligeMeinung herauszuarbeiten. So ließe sich zurProblematik Brüning und Schleicherwohl auch manches gegen Stampfer sagen.Namentlich bei Brüning wird Stampferdessen Herkommen aus den Bezirken katholischer Soziallehre nicht gerecht, für diegerade in jenen Jahren der Papst die Qua-dragesiomo anno schuf, ein politisches Instrument, das noch lange nicht abgetanist. Gerade als Gegner muß man das wissen— und Stampfer weiß das übrigensrecht gut. Daß einige der letzten Kapiteldes Buches schwächer sind, gibt Stampferselbst zu. Da werden im Wirbel der RasereiGeschehnisse kurz behandelt, von denenjedes einzelne ein Geschieh tswerk für sicherfordert, und zu dem verlieren sich dieQuellen etwa vom Sturze Brünings an indie noch ungelösten Rätsel der Präsidialpolitik und ihrer Intrigen und ihrer Korruption in geheimen Zirkeln von-Staatsstreichlern, Mordbrennern und Banditenführern.Irgendwo sagt Stampfer:»Die SPD isteinen wunderlichen Weg gegangen.« Ja,aber nur dann, wenn sie nicht ihren Weggegangen ist, wenn sie das Gesetz verleugnete, nach dem sie einst in Deutschland angetreten, im deutschen Volke fortgeschritten und verwurzelt war. Wer immer siedavon abdrängte, fügte nicht nur dieserPartei, sondern auch dem Volke, dessenWesensausdruck sie zum guten Teil war,schweren Schaden zu. Stampfer sagt, daßdie Republik dem Geiste der Humanität entsprang," den däs deutsche Völk ImLaufe seiner Geschichte in dreifacher Gestalt erfaßt hatte: der christlichen,der liberalen und der sozialistischen. Genau dasselbe trifft auf diedeutsche sozialdemokratischeArbeiterbewegung zu. Ihre Theoriewar atheistisch, ihre Ethik christlich.(Edgar Steiger am Todestage Bebels:»Maulchristen betet! Dieser Atheist, bestaunt das Wunder, war ein echter Christ!«Und übrigens auch:»Ihr Patrioten, wennsnoch welche gibt, wer hat wie er sein Vaterland geliebt?«) Diese idealistisch-materialistische deutsche Volksbewegung hattemehr Christentum und Liberalismus alsalle Parteien zusammengenommen, die sichchristlich oder liberal nannten. Aber wirstocken, wenn wir an das»sozialistisch«kommen. Die sozialdemokratische Bewegung war vielleicht zu»christlich«, sicherzu liberal, aber ebenso gewiß nichtsozialistisch genug! Auch Stampfer verhehlt es nicht Seine gewissenhafteSelbstkritik hält im ganzen Buche, wassie im Vorwort verspricht.Stampfer hat Geschichte geschrieben.Sein Blick in die Zukunft ruht. auf«in*mBilde aus der großen liberalen französischen Revolution;»..... und auf denTrümmern der deutschen B a s t i 1 1 e dieFahne der Menschenrechte aufzupflanzen.« Das ist nur ein Teil der Aufgabe. Die Entscheidung wird vorbereitetdurch die Wiedergeburt desSozialismus in Deutschland,und diese sozialistische Renaissance harrtnoch ihrer großen Bahnbrecher und führenden Kämpfer.Wilhelm S o 1 1 m a n n.Y ölkerbund-SagaEa saßen im Ratssaal versammeltdie Rater und rieten verzagt,es ward manche Rede gestammelt,es ward mancher Ausschuß vertagt.Und wie sie so saßen, da fetzteein Windstoß den Vorhang entzweiund über die Klubsessel setzteein Affe mit iantem Geschrei.Man sah ihn sich kratzen und jucken,er flöhte sich hinten und vom,begann auf die Herren zu spuckenund brüllte in gräßlichem Zorn.Die Ratsherren starrten erschrocken, und waren nicht wenig verdutztund rieben die Stehkragen trocken,die der Geifer des Affen beschmutzt.Der Affe geriet in Ekstaseund schlug immer lauter Radau,zog dann eine sehr lange Naseund fuhr mit Gestank aus dem Bau.Den Ratsherren war solches peinlichsie sagten, hier sei nicht der Ort——und distanzierten sich reinlichund setzten die Ratssitzung fort.Und werden weiter so raten,bis der Affe es ihnen vergällt,beut laust er die Herren Diplomatennnd morgen die ganze Welt.Der Blutige MythosEin zerstörter Schlager.Er war dem Dritten Reiche schon avisiertund gehörte zu den Anwärtern, die um Gang-sterien herumsitzen, sich als Märtyrer ihrerHltlerbegeistcrung empfehlen und bereit sind,jeden besseren Posten pensionsberechtigt auszufüllen. Mit der Not der Zeit, mit der Verschärfung der Konkurrenz wächst ihre Zahl.War sein Bild nicht schon drüben, ein paarfrischer Schmisse im Gesicht? Wetzten Nazi-schmocks nicht schon die Feder: Seht, solchedeutsche Nibelungentreue sitzt im Auslande,arbeitet für die Irredenta und wartet nur aufden Anschluß! Seht die Schmisse, frisch vomSchlachtfeld! Die hat sich Herr R. Im Duellgeholt, für Hitler, als es galt, eine Beleidigung des Führers zu rächen, Man merke denTapferen vor!Und so hätte Herr R. eines Tages im Dritten Reich gesessen, In guter Position, wie somancher andere verhinderte Märtyrer. Beifestlichen Gelegenheiten wäre er herumgereicht worden: Seht, das ist einer der Helden,die in CSR an der Deutschlandfront standen;für Hitler sah er dem Tod ins Auge. Das istdeutsche Mannentreue— wenn der Name desHelden auch durchaus slawisch klingt. Beieinigem Geschick hätte er es bis zum Staatsrat bringen können, vielleicht wären einmalseine Erinnerungen erschienen und hätten derJugend erzählt, wie er sich mit dem Säbel Inder Faust für den»Führer« ins Getümmelstürzte.Aber hier meckerte die Vorsehung wiedereinmal und machte nicht mit. Vor einemtschechoslowakischen Gericht stand dieserTage ein schwer benarbter Herr. Er hatte vorBekannten mit einem Duell renommiert, daser gegen einen Beleidiger Hitlers ausgefoch-ten habe, daher die Schmisse im Gesicht. DieSache kam an den Staatsanwalt. In der Untert-suchungshaft gestand der Haudegen: er habesich die Schmisse von einem befreundeten Arztins Gesicht operieren lassen und das übrigeerfunden, um im Dritten Reiche eine entsprechende Stellung zu erlangen. Der Arztbestätigte die Operation. Aus.— Wenn derStaatsanwalt nicht so rauh zugegriffen hätte,könnte Herr R. heute in Gangsterlen——siehe oben. Die Naziblätter hätten sich alleFinger nach den Schlager geleckt: Nibelungentreue der Grenzlanddeutachen. Mit Bild.Jedes System hat seine hochstaplerischenSpezialitäten. Auch in diesem Punkte geltendrüben wieder die peinlichsten Mentalitätenund Zubehöre der wilhelminischen Zelt, verzerrt ins Barbarische und Sadistische. Es istgar nicht auszudenken, was der Mann drübenhätte für ein Glück finden können, wenn ernicht solch Pech gehabt hätte. Es fehltenichts zum Heldenmythos, selbst der Schwindel wäre der Reklame wegen in Kauf genommen worden, zumal dieser Stil drüben bereitsgroße Tradition hat und an der Wiegedes Dritten Reiches mit Pate stand. Die zwölfFeinde, die Hitler während des Weltkriegesmit Gewalt ganz allein umzingelte und gefangen nahm, konnten bis dato nicht ausfindig gemacht werden. Zeugen existieren nicht,Das belgische Gefängnis, in dem sich G ö b-b e 1 s für Hindenburg auspeitschen ließ, istbis heute noch nicht wieder entdeckt worden.Zeugen existieren nicht. Herr R. aber konntesogar Narben aufweisen, Göbbeis konnte dasnicht und hat trotzdem mit der heroischenLegende große Karriere gemacht.Die Kleinen ahmten das Muster der Großen begeistert nach. In der»Kampfzeit« sahdie erstaunte Oeffentlichkeit an der Spitzebrauner Kundgebungen oft verbundene Köpfe,blutige Verbände, darüber die wehende Hakenkreuzflagge. In der Nazipresse desselbenTages war zu lesen, daß sich die verbundenenHelden ihre Wunden bei den jüngsten Zusammenstößen mit den Marxisten geholt hätten. Einige Male mußte die Polizei In solcheZüge eingreifen, verbundene Märtyrer wurden slstiert— und auf der Polizeiwachestellte sich heraus, daß unter den Verbändennichts als die Wunden fehlten.Nichts war so heil, als diese Schädel. Aberder Mythos vom SA-Mann, der für das neueDeutschland in Blut und Wunden einherging,wuchs weiter.Heute protzt jeder Scharführer, der etwasauf sich hält, mit einer Heldentat aus der»Kampfzeit«. Zeugen existieren meist nicht,oder sie wagen nicht zu kritikaStern, denn solchein Blutsystem verhinderter Heroen brauchtdie blutige Legende, bezieht aus ihr eine Gloriole, die immer wieder neuer Reklamnarbenbedarf. Man hätte sich darum auch denTapferen aus Grenzland etwas kosten lassenund hätte dann dafür gesorgt, daß nach demDuell nicht geforscht wurde.Ein System, das den Mythos pflegt undvon ihm lebt, weil die rauhe Wirklichkeit zuunbequem ist und eine wirkliche Revolutionfordert, kann nicht genug eigenen Mythosproduzieren. Je mythischer, desto besser. Woder Bluff regiert ist nur die Wahrheit gefährlich und daher polizeilich verboten.B. Brandy.Edelkiisdi und SdiundromanDer Romanteil der sozialdemokratischenPresse galt einst in Deutschland auch unterbürgerlichen Beurtellem als besonders hochwertig, die übrige Presse blieb unzweifelhaft,von großen Blättern abgesehen, dahinter zurück. Vergleicht man damit das Feuilleton derNazipresse, so erkennt man die ungeheureKluft, die zwischen den beiden Welten liegt.Wir haben uns das saure Vergnügen gemacht,die Romanspalte eines Naziblattes mehr denndrei Monate lang zu lesen, um die neudeut-