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Nr. 176.

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Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

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unter Nr. 6652.)

Sonnabend, den 30. Juli 1892.

Staatssozialismus  .

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

2,20 Mark für die Monate August und September entgegen.( Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1892 Die Redaktion und Expedition des Vorwärts" Berliner Volksblatt. Sozialismus durch den Staat. Was aber ist der etymolo- gottgesandte Verkörperung eines unpersönlichen Brinzips.

Von den Anarchisten abgesehen, erkennen heut so ziem- nicht ohne ein Proletariat, oder wie sie sich unhistorisch lich alle Parteien dem Staate ökonomische bezw. in die ausdrückten, ohne einen vierten Stand", aber ohne ein un ökonomischen Verhältnisse eingreifende Aufgaben zu. Die zufriedenes, revolutionäres Proletariat. Dieses sollte viel Bum Monatswechsel eröffnen wir ein neues Abonnement Beiten, wo die Ideologen des Bürgerthums sich in der mehr mit der Ersteren ausgesöhnt werden. Zu einer solchen auf den Illusion wiegen konnten, daß dasselbe je ohne den Staat Versöhnung braucht es nun einen über beiden Parteien oder werde auskommen können, sind vorüber. Wir sind heute außerhalb derselben stehenden Vermittler, und dieser sollte alle Sozialisten, wie ein Führer der englischen Liberalen der Staat, die Monarchie sein. Die rückständige bureaus vor etlichen Jahren witzelnd bemerkte. Als der Sozialismus fratische Natur des preußischen Staates erschien diesen in Verruf war, pflegten die verschiedenen bürgerlichen Parteien wunderbaren Heiligen als die Bürgschaft seiner höheren jede ihnen nicht genehme wirthschaftliche Thätigkeit des Unparteilichkeit, fie sahen nicht, daß die Büreaukratie den Staates als Sozialismus zu brandmarken; seit er Mode Staat nicht hinderte, Geschäftsträger der herrschenden Klassen sache geworden, wird jede Forderung an den Staat mit zu sein, daß sie dieses Verhältniß nur verschleierte, sonst seinem Namen beschönigt. Db es sich dabei um eine reine aber eher noch potenzirte, daß ein Gegensatz zwischen Interessenfrage der Bourgeoisie, um eine Maßregel zur Er- Bourgeoisie und Staat nur insoweit bestand, als es sich um haltung des heutigen Ausbeutungssystems oder selbst um die Abgrenzung der beiderseitigen Machtsphären handelte, daß eine unmittelbar gegen die Arbeiterklasse gerichtete Neuerung aber in Allem, was außerhalb des streitigen Gebietes lag, handelt, ist völlig gleichgiltig. Alles, was nur irgendwie Bourgeoisie und Staat an demselben Strang zogen. Sie nahmen über den Rahmen des bürgerlichen Tauschgeschäfts hinaus die kleinen Razbalgereien zwischen den Beiden für ernsthafte geht, wird je nach Bedürfniß Sozialismus getauft, und hat weltgeschichtliche Gegensähe und die großen Worte, die dabei der Staat irgend etwas dabei zu thun, so ist es dann eben hin und her flogen, als den Ausdruck ebenso großer gegen­fäßlicher Grundfäße. Weil im preußischen Staat die Bureau­Nichts ist deshalb falscher, als sich an die etymologische tratie sich am tiefsten eingenistet, galt er ihnen als der Staat Auslegung des Wortes zu halten. Denn diese wird immer par excellence, als der höhere, zu besonderen sozialen Kunst dehnbar fein. Was ist die etymologische Bedeutung des stücken berufene Staat; seine mit besonderer Vorliebe auf Wortes Staatssozialismus  ? Sozialismus des Staates oder Bureaukratie und Militär sich stützende Dynastie als die gische Sinn von Sozialismus? Hier zählen die Erklärungen Zu diesen, wenigstens in ihren Absichten wohlmeinenden fast nach Dutzenden. Auf diese Weise kommen wir also Staatssozialisten", gesellten sich aber noch andere, erheblich teinen Schritt vorwärts. Und doch giebt es eine Möglich bösartigere Spielarten. Streber aller Art adoptirten den feit, eine genaue, allen Mißdeutungen vorbeugende Bestimmung Namen, um der reaktionären Regierungsgewalt neue Macht­des Begriffs zu finden, wenn wir uns von der grammati mittel zu apportiren oder irgend einer Fraktion der besitzenden falischen Auslegung ab und der geschichtlichen Er- Klassen ein Ausbeutungsgebiet sicher zu stellen. Sozial heißt lärung zuwenden. Welches ist die Geschichte des Wortes gesellschaftlich. Was der Staat für die Gesellschaft thut, I. Was ist Staatssozialismus  ? Staatssozialismus  ? Wann ist es zuerst aufgekommen? ist somit Staatssozialismus  . Jede Klasse in der Gesellschaft Um irgend eine Streitfrage ersprießlich zu behandeln, Wann zuerst allgemein für eine bestimmte Richtung, für hat bestimmte Funktionen für dieselbe zu erfüllen oder ist es unerläßliche Vorbedingung, daß man sich zuvor über bestimmte Bestrebungen gebraucht worden und welcher Art wenigstens zu erfüllen gehabt, und wenn ihr der Staat um die dabei in Betracht kommenden Grundbegriffe verständigt. sind diese Richtungen und Bestrebungen? dieser angeblichen oder wirklichen Funktionen willen irgend Insbesondere empfiehlt sich dies bei politischen Diskussionen, Stellen wir die Frage so, so werden wir sehr bald ins welche Vorrechte gewährt, was treibt er dann anders als da die meisten politischen Bezeichnungen im Laufe der Zeit Klare gelangen. Gelegentlich mag das Wort Staatssozia- Staatssozialismus? So leiht sich das Wort zu jedem mög ihre Bedeutung ändern, oder auch jeweilig von verschiedenen lismus schon früher und anderwärts gebraucht worden sein, lichen Humbug, jeder möglichen Benachtheiligung der zahl­Parteien in verschiedenartigem Sinne gebraucht werden. Parteibezeichnung aber ist es erst in Deutschland  , in den reichsten Klasse der Gesellschaft zu Gunsten einer günstiger Beides trifft in Bezug auf den Begriff des Staatssozialis- siebziger Jahren dieses Jahrhunderts geworden. Ja, Deutsch  - fituirten Minderheit, sofern man es nur versteht, das Da mus zu. Es sei nur daran erinnert, daß die Ultra's des land ist dabei vielleicht noch zu viel gesagt, wir sollten sein dieser Minderheit als unentbehrlich für den Bestand ökonomischen Liberalismus, ob sie sich nun Anarchisten eigentlich sagen Preußen. Historisch ist der Staatssozialis- der Gesellschaft nachzuweisen. Nichts aber leichter als das. oder sonstwie nennen, jede soziale Doktrin, welche mus ein spezifisch preußisches Gewächs, und Was wären Staat und Gesellschaft ohne den Rüben bauen­die wirthschaftliche Aktion des Staates nicht grund- erst von Preußen Deutschland aus in andere Länder aus den und Schnaps brennenden Junker? Was ohne den Lehr­säglich ausschließt, als Staatssozialismus   hinstellen, geführt worden, wo er dann freilich je nachdem eine etwas linge schindenden Zunftmeister, was ohne die Kohlenritter während es Leute giebt, die am liebsten schon andere Form annahm. und Eisenbarone? Im Nothfall aber läßt man die Klasse darin Staatssozialismus   erblicken, wenn auf irgend eine An seiner Wiege standen verschiedene Arten von Tauf- verschwinden und statt ihr, wie dies der geärgerte Freihändler Wunde am bürgerlichen Gesellschaftskörper ein staatliches pathen. Die Einen waren mehr oder minder wohlmeinende Bamberger   einmal so trefflich schilderte, die Verkörperung Heilpflästerchen gelegt wird. Genauer zugesehen, giebt es bürgerlich- konservative Ideologen. Leute, die eine gewisse der ihr zugeschriebenen Funktion erscheinen: die Industrie, so ziemlich ebenso viel Spielarten des Staatssozialismus   Sympathie mit den Leiden der Arbeiterklasse in der das Handwerk, die Landwirthschaft. Was der Staat für als es solche des Sozialismus überhaupt giebt: reaktio- tapitalistischen Gesellschaft empfanden, aber bei Leibe diese thut, ist Staatssozialismus  , gleichgiltig, in welche nären, Bourgeois-, fleinbürgerlichen und Gott weiß was nicht an den Grundvesten dieser Gesellschaft rütteln Taschen der Segen fließt. Und sind nicht Industrie, Hand­noch für Staatssozialismus. mochten. Sie wollten die bürgerliche Gesellschaft werk, Landwirthschaft Zweige der menschlichen Arbeit?

Die Sozialdemokratie und der Staatssozialismus  .

Feuilleton.

Nachdruck verboten.)

Das schlagende Wetter.

Roman von Maurice Talmeyer. gidaja Uebersetzt von B. und A. G.  

dhut

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eine Art altes, sonderbares Klavier mit verstimmten Saiten. Eines Nachmittags fehrte Babette in Begleitung Barbe's  Die alte Dame öffnete es und brachte es dadurch wieder zu von einem Spaziergang in der Umgebung des Palais- du­Ehren, daß sie dem jungen Mädchen Klavierstunde gab. Franc zurück. Plötzlich auf der Brücke Saint- Jean erkannte Die Gräfin war in ihren jungen Jahren sehr musikalisch sie, als sie ihr Auge erhob, in einem jungen Mann, der gewesen und der Nachdruck, mit dem sie mit den beim Vorübergehen fast an sie auftreifte, Marcel, der bei Händen, mit den Füßen und mit dem Kopfe ihrem Anblick lächelte. Zuerst machte sie unsägliche An­Sen Takt schlug, riefen anfangs bei Babette ein strengungen sich zu fassen, und gab eine Minute lang kein thörichtes Lachen hervor. Allmälig aber wurde sie Zeichen ihrer Bewegung. Aber dann fing ihr Herz an zu bei diesem Leben wieder ganz froh und glücklich. Manchmal flopfen, sie sprach nicht mehr, schien sehr verlegen und das stimmte sie die Erinnerung an Toubeau traurig. Was war Blut färbte ihre Wangen purpurn. mit dem armen Schwachsinnigen vorgegangen? Ein anderes Die alte Dienerin bemerkte die Unruhe des jungen Von diesem Tage an beobachtete die alle Dienerin das Mal beunruhigte sie die lange Abwesenheit ihres Vaters. Mädchens, sie warf forschende Blicke nach allen Seiten, junge Mädchen sorgfältig, das übrigens nichts davon Was machte er nur so lange in der Ferne? Im Ganzen wandte den Kopf schnell zurück und heftiger Schreck er­bemerkte, und von nun ab begann für Babette ein neues fing fie an, Bout- sur- Sambre zu vergessen, ebenso wie ihren faßte sie. Leben, zwischen einer alten Dame, die liebend über sie Finken, der in der Sonne zu singen pflegte, und ihre Thür Sie hatte nichts gesehen und Babette war ganz roth. wachte und einer alten Frau, die auf sie Acht gab, ohne am Ufer der Sambre. Alle diese Dinge waren bald für sie daß sie sie zu lieben schien. nichts anderes als alte Geschichten. Nur wenn sie an II. Sie gewöhnte sich schnell daran. Madame de Rochefeu Marcel dachte, ward sie träumerisch und fühlte ihre Augen Schwarz gekleidet, mit einem Flor um seinen Hut, trug ließ durch sie die Haushaltung besorgen, die den feucht werden. Sie sah Herrn Petit- Wandru in seinem Marcel unter dem Arm an einem Riemen eine jener 5000 Frants Rente entsprechend einfach genug gehalten wurde, großen Kragen hin und her wackeln und vor Freude weinen, großen Mappen, die Servietten genannt werden, und deren und das junge Mädchen war bald im Haus der Gräfin in wenn er von seinem Schüler sprach, dessen Name für sie sich die Männer des Gesetzes bedienen. Die Straße ging Brügge   dasselbe, was sie früher im Hause des Steigers ge- seit einem Monat der Gegenstand einer himmlischen Träumerei nach der Richtung, die er einschlug, bis an den hinteren wesen war. Es war nur ein Unterschied. Sie verrichtete von Liebe und Glück war. Indessen allmälig fing fie an, Theil der Notre- Dame- Kirche, dort theilte sie sich in zwei nicht mehr, wie bei ihrem Vater alle Arbeiten, und das auch ihn zu vergessen. Weil sie gelitten hatte, brauchte sie sich immer weiter von einander entfernende Straßen. Die war ihren kleinen Händen, ihrer Anmuth, wie ihrem Aus- doch nicht ewig zu leiden, zumal sie ein Gedächtniß besaß, eine ist die Rue Saint- Esprit und die andere die Nue sehen und ihrem leichten Schritt nur angemessen, daß sie wie ein Vogel, dessen Nest man zerstört. Sie hatte ihre Notre- Dame.

die groben Arbeiten nicht zu besorgen hatte. Häufig er- frohe Gesundheit wieder erlangt; sie war nicht mehr blaß; Als er am Eingange der Rue Saint- Esprit angekommen. munterte sie Madame de Rochefen dazu, zu plaudern, hörte sie ging leichtfüßig im Hause treppauf und treppab, und war, in dem Moment, als er Babette aus den Augen ver ihr zu, richtete Fragen an fie, bestärkte sie in ihrer Heiter überall, wo sie ging und sie erschien, ging und erschien die loren hatte, blieb der junge Mann stehen, fah, daß sie sich feit, lachte mit ihr und überraschte sie mit Erzählungen. alte Dienerin auch, schweigsam trübfelig, unempfindlich, der Eines Tages sagte sie plößlich: schwarze Schatten einer weißen Silhouette.

Babette, ich wünsche, daß Du mir etwas vorliest, ich werde Dich unterrichten. In einem Winkel des Hauses stand

Dieses heitere, harmonische Leben dauerte etwa vierzehn Tage lang, als eine Ereigniß eintrat.

entfernte, und da er bemerkte, daß sie sich nicht umkehrte, fette er seinen Weg langsam fort. Nach einiger Zeit hielt er in der Rue des Fifres vor der kleinen grünen Thür eines Hauses an, vor dessen Fenstern nach slämischer Sitte