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daß die Kammer einen Wunsch, auf den sich die Beteiligten mit solcher Einmütigkeit vereinigten und hinter dem die württem- bergische Presse jeder Parteirichtung stünde, nicht berücksichtigen wolle. Sehr mannhaft fürwahr und sehr entschieden zugunsten der Aufhebung des Zcugniszwanges! Der Zufall will es, daß erst vor ganz kurzer Zeit im Schwäbischen Merkur", dem Hanptorgan der württem» bergischen Nationalliberalen, das Bor gehen der Staats- an waltschaft gegen ein sozialdemokratischesBlatt besprochen wurde, wobei der ehreniverteMerkur  " erklärte, d a ß i n diese in Falle dem Staatsanwalt auch aus der An­wendung der sonst nicht zu billigenden Zeugniszwangshast kein Borwurf gemacht werden köune, wenn es auf andere Weise nicht möglich sei, den wüsten Ton des sozialdenr akratischen Blattes zun, Verstummen zu bring enl Das ist ein wahres Kabinettstückchenrussischer" Auffassung vom Begriff der Preßfreiheit, Und nun das Mirakel! Der Mann, der aus der Generalversammlung am Sonntag so mutig für die Auf- Hebung des Zeugniszwangs eine Lanze brach, heißt Adolf Heller   und ist politischer Redakteur amSchwäbischen Merkur"! Auch die übrigen Nedaktionsmitglieder dieses Blattes sind Mitglieder des Journalistenvereins und steheneinmütig" hinter den Worten ihres Borsitzenden,.. Ist es nicht erquickend zu sehen, daß die Sorte derer, wo können sprechen links und können schreiben rechts, noch immer nicht aus- gestorben und nicht nur in alten Lustspielen, sondern auch in der nationalliberalen Presse von heute anzutreffen ist? Der neue Eiscnbahnminister. Wie vor einigen Tagen bürgerliche Blätter zu wissen behaupteten, hätte der verstorbene Eisenbahn- minister Budde vor seinem Tode den Eisenbahnbezirkspräsidenten Breitenbach als seinen Nachfolger empfohlen und scheine der Kaiser geneigt zu sein, diesem Rat zu folgen, Die Meldung findet durch eine heute abend vom Wölfischen Bureau verbreitetes Telegramm seine Bestätigung. Breitenbach ist heute vornnttag von Wilhelm II  , in Straßburg   i. E. euch fangen und daraus zum Minister der öffentlichen Arbeiten ernannt worden. In politischer Hinsicht ist Breitenbach eine unbekannte Größe. Was er ist und bedeutet, muß erst noch die nächste Zeit lehren. - Beförderung. Landgerichtsdirektor M a u ck i s ch in Leipzig   ist in das Ober- landesgericht in Dresden   befördert worden. Der genannte Richter tvar Borsitzender in der bekannten Verhandlung gegen unseren Ge- nassen Redakteur Heinig, die mit dem Aussehen erregenden Urteil von LI Monaten Gefängnis, verhängt gegen die Tendenz derLeipz. Volksztg.", am 12. Februar in erster Instanz endete. Während das Urteil noch in der Revisionsinstanz schwebt, ist die Beförderimg erfolgt. Wenn politische Tendenzprozesse als Spnmgbrett zur Beförderung der mit der Aburteilung betrauten Richter dienen, so liegt in der Beförderung eine direkte Aufmunterung zur Klassenjustiz. Ob der Leipziger   Tendenzprozeß der Grund zur Be- förderung nach Dresden   war. entzieht sich unserer Kenntnis. Die naheliegende Möglichkeit einer solchen Annahme wäre ausgeschlossen, wenn die Unabhängigkeit der Richter durch ein gesetzlich festgelegtes Beförderungssystem sicherer als heute gelegt wäre. Rosa Luxemburg  . Die Blätter vom Schlage derTäglichen Rundschau",Deutsche Tageszeitung".Staatsbürger-Zeitung" u. dergl. hatten behauptet, unsere Genossin Rosa Luxemburg   sei nach russischem Staatsrecht Russin geblieben, da nachrussischen, Staatsrecht' eine Russin durch Heirat mit einem Ausländer ihre russische Staatszugehörigkeit nicht verliere. Wir hatten darauf hingewiesen, daß die staatsrechtliche Behauptung des konservativen und antisemitischen Klüngels selbst- verständlich der Wahrheit widerspricht und offenbar nur aufgestellt war, um Rußland   zu einem völkerrechtswidrigen Vorgehen gegen unsere Genossin aufzuhetzen. DiePetersburger Zeitung" bestätigte dann, daß der Staatsrcchtsscch, den das konservative und anti- semittsche Geschmeiß aufgestellt hatte, niemals russischen Rechtens gewesen ist. DieTägliche Rundschau" gibt fetzt selbst ihre frühere Flunkerei auf staatsrechtlichem Gebiete zu. er- findet aber flugS eine neue. Das Rimpkersche Blatt. das bekanntlich als erstes unter denOrdnungsblättern" zu einem Aderlaß an den Arbeitern vor dein 21. Januar geputscht hatte, bindet nunmehr seinen Lesern den Bären ans.auf Grund von Sonderbestimmungen über die Heirat von Juden im Auslande" sei die russische   Regierung berechtigtdie Gültigkeit der Ehe Rosa LuremburgS mit dem Deutschen Lübeck nicht anzuerkennen". In Wahrheit gibt es solche Sondcrbestimmnngen nicht. Auf Grund der deutschen   und der russischen Gesetze sowie auf Grund der Staats« vertrage ist Rosa Luxemburg   Deutsche  . Die Nichtanerkennung ihrer deutschen   StaatSzugehörigkeit wäre ein flagranter BölkerrechtSbruch. Seine Begehung trauen wir trotz der wiederholten Aufforderung des mit der Moral eines Schöne-Brockhusen konkurrierenden Hinter- mannes derTäglichen Rundschau" der russischen Regierung nicht zu. Unsere von den Jammcrkerlen der reaktionären Presse so glühend gehaßte Genossin Rosa Luxemburg   ist übrigens noch immer nicht im Besitze einer Anklageschrist. Soweit unsere In- formationen reichen, liegt auch keinerlei Anlaß zu einer auch nur scheinbar berechtigten Anklage vor. Der Handabhauer von Breslau   ist fiir die Breslauer Polizei noch immer unauffindbar. Wie die.Breslauer Morgenzeitung" er- fährt, hat man am Montage den schwerverletzten Biewald nach dem Polizeipräsidium geschafft und ihm dort zirka S0 Schutz leute mit der Frage vorgestellt, ob er denjenigen wiedererkenne, der ihn verletzt habe. Natürlich mußte Biewald dies in jedem Falle verneinen. Es erscheint auch völlig unmöglich, daß Biewald den Schutzmann rekognoszieren konnte, dessen Gesicht er zum erstenmal und nur in wenigen Augenblicken der Angst und des Schrecken? gesehen hat, noch dazu in einem mangelhaft erhellten Hausflur, Die einzige, dem Verletzten gebliebene Erinnerung geht dahin, daß der Täter ein untersetzter, jüngerer Mann mit blondem Schnurr- b a r t war. ein Typ, der bekanntlich unter den Breslauer Schutz- leuten nicht eben zu den Seltenheiten gehört. Die behördlichen Ermittelungen, schreibt die BreslauerVolks- wacht" dazu, sind also bisher völlig resultatlos geblieben. Das eine aber steht fest: wenn auch die amtlichen Nachforschungen versagen, die privaten Ermittelungen gehen rastlos weiter und werden nicht eher zur Ruhe kommen, als bis der Täter erniittelt ist, den offenbar das Bewußtsein seiner Schuld zu feige macht, um sich selbst seiner Pflicht entsprechend anzuzeigen und die Verantwortung für seine Tat auf sich zu nehmen. Gestorben an BrcSlaucr Polizeihieben! Die B r e S l a u c rVolkswacht" berichtet von, Donnerstag: Bei den Ereignissen, die am denkwürdigen Abend des IS. April sich draußen vor dem Nikolaitore abspielten, erhielt unter anderem auch der Arbeiter Baum eine schwere Kopfverletzung. Er begab sich zunächst in privatärztliche Behandlung, mußte aber wegen einer eingetretenen Gchirnvcreiterung vor einigen Tagen in das Aller- Heiligenhospital aufgenommen werden, wo der junge, noch nicht 21 Jahre alte Mann, dessen Eltern in Schmolz wohnen, in der Nacht von Mittwoch auf heute v e r st o r b e n ist. Ein Toter, eine abgehaueneHand der Breslauer Polizeipräsident darf stolz sein auf seine umsichttge und besonnene Schutzmannschaft i Rücksichtsvolle Behandlung. Das östliche Deutschland   ist bekanntlich nicht dafür bekannt, daß daselbst Menschenniederen" Standes besonders rücksichtsvoll be- handelt werden. Die Landarbeiter zumal wissen ein Liedchen davon zu singen. Jedoch soll man nicht sagen, daß die großen Herren, die dort gebieten, nicht auch verstehen. Rücksicht walten zu lassen. Nur alles zu seiner Zeit und an seinem Ort. In derDeutschen Tages- zeitung" las man dieser Tage folgende von großer Humanität zengende Geschichte: Der böse Elch. Daß die Elche mitunter recht un- gemütlich werden können, besonders in ihren ständigen Revieren, wo sie sich als Herren fühlen, ist bekannt, ebenso daß sie im Memeldekta sehr häusig der Post den Weg verstellen, und sogar m, griffsweise vorgehen, so daß der Postillon um Hülfe rufen muß. Auch die in jenen Gegenden zur Kirche fahrenden Leute haben oft unter ihrer schlimmen Laune zu leiden. Ganz besonders arg hat es aber in dieser Beziehung letzthin im Tawellningker Revier ein alter Elchhirsch getrieben, wie der Oberförster von Tawellningken in der Sitzung desAllgemeinen deutschen JagdschutzvereinS" mitteilte. Der Elch war vor dem Hochwasser auf den Kastauner Berg geflüchtet und hatte sich dort häuslich eingerichtet. Nun wollte er aber durchaus nicht die Begräbnisse dulden, die dort ganz in seiner Nähe auf dem Friedhose stattfinden sollten, und so mutzte man ihn direkt bewachen, um jeder Störung vorzubeugen. Das muß ihm aber auch wieder gar nicht zugesagt haben, denn er wechselte nun seinen Standort und zog nach den eingedichteten Ländereien der Graffchaft Rautenberg hinunter. Hier wußte er sich seine Langeweile nicht anders zu vertreiben. als daß er den Dörfern in der Nähe Besuche ab- stattete und dort gewissenhaft die Leute von der Straße i n die Häuser jagte. Er wurde dadurch schließlich zu einer wahren Landplage, und es blieb nichts anderes übrig, als polizeilicherseits seinen Abschuß zu verfügen." Die Gegend, un, die es sich hier handelt, ist dieselbe, die in diesem Frühjahr wieder mal wie fast alljährlich I von einem furchtbaren Hochwasser heimgesucht wurde. Wie daS alles zusammen­hängt und woher es kommt, daß sich die dortigen Dorfbewohner sogar dieschlimmen Launen" der Elche gefallen lassen müssen, und daß man einen offenbar kranken Elchichr eher abschießt, als bis er zu einerwahren Landplage" geworden ist und nahezu allen Berkehr unterbunden hat das wolle der geneigte Leser aus folgenden Zeilen ersehen, die unser Königsberger Bruderblatt aus Anlaß eine« ebenso furchtbaren Hochwasscrnnglücks im Memeldelta   am 21. Februar 1iW3 veröffentlichte:Alle diese Schädigungen sdurch Hochwasser), die Jahr für Jahr wiederkommen können(ist bekanntlich prompt ge- Ichehen I), wären unmöglich gemacht, wenn man vor einigen Jahren den rechtsseitigen tzilgedamm verlängert hätte und den Haffdeich, der das Memeldelta   vor dem alljährlichen Rückstau aus dem Knrischen Haff sichert, statt mehrere Meilen landeinwärts, in un- mittelbarer Nähe des Haffrandes aufgeschüttet hätte. Aber man scheute sich, die Jbenhorster und Tawellningker Forsten in das eingedeichte Gebiet hineinzubeziehen, weil man dadurch dem ForstsiskuS erhebliche Haffbeiträge aufgeladen hätte. Auch einen großen Grundherrn, den Grafen Keyserlina zu Rautenberg. der in jener Gegend mehrere tausend Morgen Wiesen besitzt, wollte man möglichst wenig belästigen. Bor allen Dingen aber wollte man den Herren Elchen, die»och in einer Anzahl von über 100 Häuptern in den Jlenhorster und Tawellningker Forsten Hausen, ihre sumpfigen Reviere belasten und damit ein seltenes und sehrfeudales" Jagdvergnügen für noch langeZeitfichern..." MajestätSibeleidigung. Von der Strafkammer in Posen wurde am Donnerstag der verantwortliche Redakteur der polnischen satirischen Zeitschrift Pokraku", v. Rakowski, zu einer Gefängnisstrafe von 3 Monaten wegen Majestätsbeleidigung verurteilt. In der Nummer 34 vom 26. August v. I. war ein Gedicht enthalten, in welchem der Gnefener Erzbischof v. Stablewski angegriffen wurde, weil er gelegentlich dos Kaiscrbesuches in Gnescn die Kirchenglocken läuten ließ. Dieses Gedicht soll auch gleichzeitig die MajestätSbclcidigung enthalten haben. Die Verhandlung fand unter Ausschluß der Oeffentlichlcit statt._ Der Weltpoftkongreff hielt vorgestern ein« Plenarsitzung ab und begann mit der Beratung des Textes der von der ersten Kommission ausgearbeiteten neuen Konventton. Die Bersamnilung stimmte der in der Konvention vorgesehenen erheblichen Herabsetzung der Ge- bühren für den Weltverkehr zu, desgleichen der Erhöhung des Einheitsgewichtes für Briefe von IS auf 20 Gramm, unter Beibehaltung der Tax« von 25 Centimes<20 Pfennig) für da» ein-fache Port«, während für die folgenden Portosätze auf Autrag der englischen Delegierten die Taxe von 25 auf 15 Centimes herabgesetzt werden soll. Morenga abermals ausgebrochen. Amtlich wird gemeldet: Jene Hoticntottendande, die von unseren Truppen in den kleinen KaraSbergen eingeschlossen war. hat versucht. nach dem unteren Löwenfluß auszubrechen. Die bei Gawachab stehende 7. Kompagnie des Feldrcgiments Rr. 1 griff den Gegner am 4. und 5. Mai an. Am 5. Mai kam es in schwierigem Ge- birgslande zu einem crnsten Gefechte, in dessen Verlauf der Gegner seine Stellung räumte. Alle in der Nähe befindlichen Truppen haben die weitere Verfolgung aufgenommen. Nach der amtlichen Verlustliste wurden un, 4. Mai bei Gawachab leicht verwundet: Gefteiter Hermann S ch», i d t, geb. am 23. November 1381 zu Brauns- dorf, Flcischschnß rechten Unterarm. Am 5. Mai sind im Gefecht am Löwenfluß südlich Gawachab gefallen: Gefreiter Gustav Weiß. geb. an, 4. August 1881 zu Rottweil  , Herzschuß? Reiter Friedrich Dorsch  , geb. am 30. November 1884 zu Siebeneich  , Bauchschuß  ; Reiter Hermann Hubria, geb. am 7. August 1385 zu Luzine. Brust- und Bauchschutz. Schwer verwundet: Leutnant Wilhelm v. Oppen, geb. am 15. März 1882 zu Breslau  , Schuß linker Oberarm, linke Brustseite. Leicht verwundet: Oberarzt Dr. Walter von Haselberg, geboren am 30. Januar 1875 zu Stralsund  , Gefreiter Bruno Köhler, geboren am 29. September 1832 zu Oberkolmnitz, Reiter Edwin Müller, geboren an, 27. Januar 1382 zu Langenleuba  , Reiter Karl Rani er, geb. am 17. April 1885 zu Stadthagen  . Es ist also den Hottentotten abennals gelungen, durchzubrechen. Die amtliche Meldung sucht diesen Mißerfolg durch eigenartige Stilisierung des Berichts der Feind habeversucht" durch- zubrechen undseine Stellung geräumt" vergebens zu ver- ichleiern._ Nachklänge zum Eiscnacher Wahlkrawall. Die Darstellung der Vorgänge bei dem sogenannten Wahl- krawall in Eisenach  , wie sie der Bezirksdirektor Trautvetter in Ersenach beliebt hatte, hat bekanntlich im weimarischen Landtage und auch im Reichstage zu lebhasten Auseinandersetzungen geführt. Der BezirkSdircktor hatte sich bemüht, die ganze Schuld der Sozial- demokratie in die Schuhe zu schieben. Den Antisemiten war dies aus der Seele gesprochen. Bei ihrem Antrag betreffend den Schutz der Versammlungsfreiheit spielten die Angaben des Eiscnacher Bezirksdirektors eine große Rolle. Abg. Baudert wies demgegenüber auf den Wert einer solchen Darstellung hin, indem er behauptete, daß der Bezirksdirektor positiv unwahre Behauptungen ausgestellt habe. Letzteres hatte auch die freisinnige. Eiscnacher Tagespost" behauptet. Sie beschuldigte den Bezirksdirektor, daß er die Vorgänge bei der ReichstagSwahl in Eisenach  o dargestellt habe, wie sie sichin feinem Kopf« abgemalt' hätten. Darüber war der Herr BezirkSdirektor aufgebracht. Er schickte dem Blatte eine langatmigeBerichtigung", die aber nur zu einem Teile Aufnahme fand. Dabei wiederholte dieEiscnacher Tagespost" ihre Behauptungen, daß die DarstellungSweise des Be-- zirksdirektorS der Wahrheit widerspreche. Nunmehr rief der Herr Bezirksdirektor den Staatsanwalt um Hülfe an. Er. der stüher selbst Staatsanwalt war. scheint nach alledem sicher auf eine Verurteilung des renitenten Redakteurs ge­rechnet zu habe». Doch hat er sich verrechnet. Obwohl die Staats- anwaltschaft im öffentlichen Interesse dem Wunsche des Bezirks- direttors entsprach und das Verfahren einleitete, wurde keine B e- strafung des Redakteurs erzielt. Hiidland. Und weiter Blutvergießen t Rom  . 8. Mai.(Eig. Ber.) Das Unglaubliche ist geschehen: In T u r i n, der Stadt mit dem ruhigsten, diszipliniertesten Proletariat Italiens  , hat man auf streikende Arbeiter geschossen! Ohne ernstliche Provokation, aus bloßer brutaler Blutgier haben die Poli- zisten ihre Revolver gegen eine wehrlose Menge gerichtet und acht Menschen verwundet. Das Turiner   Proletariat hat sofort die richtige Antwort gefunden: Alle Arbeiter aller Berufe haben heute früh die Arbeit verlassen, der Tramver- kehr ruht, die Läden sind geschlossen, die Fabxiken sind still- Nur die Krankenwärter und die Setzer der Tageszeitungen haben beschlossen, ihren Dienst weiter zu versehen. Der Streik, der der Anlaß zu dieser eniinent crnsten Situation war» ist am 2. Mai ausgebrochen. Er betraf, wie wir bereits berichtet haben, zunächst etwa LOW Textilarbeite- rinnen, die den Zehnstundentag forderten. Die Textilbarone dieselben, die sich denWitz" gemacht hatten, den 2. Mai alsFeiertag der Unternehmer" zu feiern lehncken jede Unterhandlung ab und schrieben dem Bürgermeister von Turin  , Senator F r o l a, der seine Vermittelung anbot, einen so unverschämten Brief, dast dieser ihn einfach zurück sandtet Infolge dieses brutalen Verhaltens der Unternehmer griff der Ausstand auf verwandte Industrien über, so daß am 5. Mai bereits 12 000, am 6. 15 000, am 7. 80 000 Arbeiter streikten. Die Arbeitskammer und die sozialistischen   Stadtvcr- ordneten forderten nun von der Stadtverwaltung ein Lokal. in dem die Streikenden sich versammeln konnten, da die Ar- beitskammer die Masse nicht fassen konnte und es offenbar unvorsichtig war, die Ausständigen auf den öffentlichen Plätzen zu lassen. Während der Stadtrat noch überlegte, ob er dieser ebenso berechtigten wie dringenden Forderung statt- geben sollte, erfolgte das Blutbad. Seit gestern nachmittag ließ man Kavallerie in den Straßen vor den Textilfabriken patrouillieren. In der Nähe der großen Turiner ArbeitergenossenschaftAssociazione Generale degli operai", wo große Menschenmassen aufgestaut waren, ließ man einen Kavallerieangriff machen, angeblich weil Steine auf das Militär geworfen worden waren. Man ließ die Kavallerie in gestrecktem Galopp in die Menge hineinreiten, bis der Corso Siceardi leer gefegt war. Einige Carabinieri und Polizisten in Zivil folgten den Ar» beitern, die sich in den Flur des Genossenschaftshauses zurück- zogen und schössen im Hausflur auf die Waffenlosen! ES wurden 12 bis 15 Revolverschusse auf die Arbeiter abgegeben: Einer ist am Kopf getroffen, zwei am Unterleib, andere im Rücken. Als die Menge die Verwundeten forttragen sah, legte sich plötzlich ein eisigeS Schweigen über die eben noch lärmende Schar. Kein Ruf, kein Steinwurfl Unter beängstigender Totenstille wurde die unerhörte Kunde der Gewalttat auf- genommen. Die Polizei hat gestern abend noch weitere Roheiten ver- sucht und ist gewaltsani in das Gcnossenschaftshaus einge-, drungen, mit blanker Waffe Säbelhiebe austeilend. Aber die unheimliche Ruhe ist nicht mehr von den Turiner Ar» beitern gewichen. Der Gencratstreik ward beschlossen, ohne Beratung, ohne Abstimmung. Die Nachricht, daß die Textil- barone gestern abend den Zehnstundentag bewilligt hatten, wurde teilnahmlos aufgenommen. Es war zu spät. Ganz Turin   steht im Ausstand; auch die Militärwerkstätte und die staatlichen Tabakfabriken ruhen. Die benachbarten Gemeinden M o n c a l i c r i und Venaria Reale haben sich der Bewegung angeschlossen. »» Breslau  -Turin  ! Turin  -Breslau  ! Die Internationale des Säbels und des Revolvers arbeitet gutl Wir teilten gestern mit, daß die Herren Senatoren der italienischen Regierung ihre Unzufriedenheit wegen ihrer Schwäche gegenüber den Arbeitern ausgesprochen haben. Ob die Bluthunde jetzt zufriedengestellt sind? Ernste Stunden. Wir erhalten aus Rom   folgendes PrivatteleMMim: Der Generalstreik ist heute in Rom  , Genua  » Livorno  , Mailand   und vielen anderen Städten vollkommen durch- geführt. In Rom   ist viel Militär zusammengezogen, und es erfolgen zahlreiche Verhaftungen. Aber bis jetzt s�8 Uhr abends) ist kein ernsterer Zwischenfall erfolgt. Dagegen wird von bedenklichen Konflikten aus Mailand   und Budrio g?- meldet. Zum Protest gegen das Verhalten der Regierung legten heute sämtliche sozialistischen   Abgeordneten ihre Mandate nieder! Auf einen Antrag Sonninos hin nahm die Kammer die Mandatsniederlegung nicht an. Unsere Parteifraktion beharrt aber bei ihrem Entschluß. England. Die Schulvorlage. London  , 7. Mai.  (Eig. Ber.) Die nächsten Tage werden sowohl im Parlament wie in Ver- sammlungen und in der Presse mit lebhaften Debatten über die Schulvorlage ausgefüllt fein. Für uns Sozialisten hat die ganze Aufregung keinen Sinn, denn eS handelt sich um einen kon- fessionellen Zank. Aber die Aufregung wird von den verschiedenen Konfessionen gegen die Regierung ausgenutzt. Die anglikanische Kirche   lStaatskirche), die Katholiken(von der ganzen irischen Partei unterstützt) und die frommen Juden haben sich vereinigt, um die konfessionelle Schule zu schützen, die von der neuen Vorlage be» droht wird. Der wichtigste Paragraph ist der erste. Er lautet: Am und nach dem 1. Januar 1908 wird eine Schule nur dann als eine öffentliche Volksschule betrachtet werden, wenn sie von der Lokalbehörde verwaltet wird." lfm diesen Punkt wird der ganze Kampf toben. ES ist deshalb nötig, feine Grundlagen zu betrachten: Vor dem Jahre 1902 gab eS in England öffentliche Volksschulen (Boarck Schools) und freiwillige oder konfessionelle Schulen. Beide erhielten Zuschüsse von der Zentralregierung(vom Staat), aber die Haupteinnahme der Loerä ScKool« kam aus Lokal steuern (Gemeindesteuern), während die konfessionelle Schule auf frei, willige Beiträge ihrer Bekenner angewiesen war. In de«