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Kommission erweckten. So ist unter anderem behauptet worden. daß die Pflegeschwestern in einem Pfriindnerhause den Pfründnern, öv an der Zahl, Böhlezettel aufgedrängt und die alten, ge- brechlichen Leute zur Wahlurne geführt hätten, damit sie den sozialdemolratischen Kandidaten wählen.' Kein Mitglied der Kommission glaubte an die Richtigkeit der Darstellung. aber man sah von einer Erhebung darüber ab, weil auch katholischen Ordensschwestern das Recht, eventuell für einen sozialdemokratischen Kandidaten zu agitieren und ihm Wahlschlcpperdienste zu leisten, nicht streitig gemacht werden soll. Noch toller ist die Behauptung des Protestes, daß ein Küster, als ein Brautpaar zur Trauung kam, den Bräutigam bestimmt habe, zuerst mit ihm zum Wahllokal zu fahren und Bohle zu wählen und dann erst dre Trauung vollziehen fu lassen. DaS sei dann auch wirflich geschehen. Da verschiedene ormelle Verstöße vorgekommen waren, so wurde in einigen Fällen Beweiserhebung beschlossen, sodaß, die Richtigkeit der Protest- behauptungen vorausgesetzt, dem Genossen Bühle   von den kS2 Stimmen Mehrheit, mit welcher er in der Stich- Wahl gesiegt hat, 113 in Abzug zu bringen wäre». Da ohnedem aber immer noch eine Mehrheit von 4g Stimmen ver- blieb, so hätten sich die Erhebungen erübrigt, wenn die Kommission nicht beschlossen Hütte, über die Protcstbehauptung, daß in mehreren Bezirken in einer Reihe von Wahl- kuvertS sich bereits Stimmzettel mit dem Namen Bühle befanden, als sie den Wählern ausgehändigt wurden, Zeugen zu vernehmen. Nach uns andererseits gewordenen Mitteilungen hat die Stadtverwaltung in Straßburg  , als sie von der Pcotestbchauptung erfuhr, sogleich Ermittelungen anstellen lassen, hat aber keinerlei - Verstöße nach der angegebenen Richtung hin festzustellen vermocht. Weiter wurde die Wahl des Abgeordneten A r n st a d t(272 ül» Hausen-Langensalza) von der Kommission be anstandet. Die Mehrheit des Gewählten betrug nur 140 Stimmen. Der von den Freisinnigen eingelegte Wahlprotest behauptet eine ganze Menge grober Verstöße. Es wird behauptet, daß Stimmzettel im Wahl- lokale verteilt worden seien, in einem Orte soll weder eine Wahlurne noch ein Jsolierraum vorhanden gewesen sein, in einem anderen Orte haben die Mitglieder deS Wahlvorstandes im Jsolierraum« gesessen, haben vergnügt Karten gespielt und haben die Wahlurne unbeobachtet im anderen Zimmer stehen lassen. Auffällig ist auch noch, daß in drei solchen Orten, wo der Protest solche Unregelmäßigkeiten be- hauptet, nur konservative Stimmzettel abgegeben wurden. Die Kassierung der Wahl scheint sicher zu sein. ltliterstützungswohnschgesetz-Kommisfloir. In der Sitzung am Dienstag wurden die Artikel S, 3 und 4 ver Vorlage nach unwesentlicher Debatte mit großer Mehrheit an- genommen. Beim Artikel 1, dessen Beratung zurückgestellt worden war. standen die schon früher mitgeteilten sozialdemokratischen Anträge, die die Zahlung der Armenuustützung Provinz- beziehungsweise Landesarmenverbänden, die AuS« führung und Kontrolle der Armenpflege den Gemeinden zuweisen und außerdem bestimmen, daß die Unterstützung hülfsbeoürftiger über 14 Jahre alter Personen in keinem Armenverbande weniger als die Hälfte des ortsüblichen Tagelohnes desjenigen OrteS be- tragen darf, durch den der Hülfsbedürftige zu unterstützen ist, zur Beratung. Außerdem beantragten die Genossen Stolle und Kaden: in tzl stattNorddeutsche" zu setzen: Deutsche   mit Ausnahme der Staatsangehörigen des König» reiches Bahem." lieber diesen Antrag entspann sich eine lebhafte Debatte, an der sich Redner aller Parteien und mehrere Vertreter der Regierungen beteiligten. Genosse Stolle hob besonders hervor, nachdem der Vertreter der Regierung von Elsaß-Lothringen   die Zusage gegeben habe, daß der Einführung des Gesetzes in Elsaß-Lothringen   kein Sin dentis mehr im Wege stehe, sei es doch nicht angäitgig, im esetz von Norddeutschen zu sprechen. Elsaß-Lothringer, Badenser und Württemberger würde doch kein Mensch als Norddeutsche be- zeichnen können. Die Debatte endete mit dem Beschluß, eine Subkommission ein- zusetzen, die an Stelle des Wortes Norddeutscher   einen anderen in das Gesetz passenden Ausdruck finden soll, lieber die anderen sozial- demokratischen Anträge wurde nicht debattiert; unsere Genossen «rklärlen, daß sie das Nötige schon in der früheren Verhandlung beim§ 10 gesagt hätten; die Anträge würden im Plenum wieder eingebracht werden. Die sozialdemokratischen Anträge wurden dann abgelehnt. Ein großes Lamento stimmte der Regierungsvertreter für Elsaß- Lothringen   darüber an, daß nach einem sozialdemokratischen Antrage, mit dem Jnkrasttreten deS Gesetzes im übrigen Deutschland  (1. April 1003) das Gesetz auch in Elsaß-Lothringen   zur Einführung gelangen soll. Der LandcSauSschuß könne im Sommer und Herbst nicht zusammenberufen werden, eine Ausfübrungsverordnung ließe sich in der kurzen Zeit nicht machen. Genosse Bohle blieb dem Herrn die Antwort nicht schuldig und zeigte recht deutlich, daß es einen Weg gibt, wenn ein Wille da ist. Ein Antrag K r e t h(k.), wonach das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz am 1. April 1910 in Elsaß-Lothringen   in Kraft treten soll, wurde angenommen und der sozialdemokratische Antrag abgelehnt. Klus der Partei. Ein neues Parteiblatt. Die Genossen im Wahlkreis« Bayreuth- Berneck-Wunsiedel tragen sich schon seit Jahren mit dem Gedanken, iür den Wahlkreis ein eigenes Organ zu gründen. Nun- mehr hat sich eine Sitzung der in Betracht kommenden Partei­organisationen im Prinzip mit einer solchen Gründung einverstanden erklärt. Näheres wird später erfolgen. Bisher wurde im Kreise die Fränkische VolkStribiine", das Organ für dir Kreise Ober- und Unter- franken, ein Kopfblatt der»Fränkischen Tagespost" gelesen. Unsere Toten. In Dresden   starb der Wenoffe Friedrich Gömnitz. Er war einer von der alten Garde und hat jahrzehntelang in der llneiaenitützigsten Weise für die Part« und die Gewerkschaften gearbeitet, bis ihn schwere Krankheit davon abhielt. potlielllcbe», OeHcbtlicbes ulw. Strafantrag gegen denBadischen Brodachter" hat Genosse Reichs- rvgSabgeordneter Ad. Geck gestellt. Das Blatt hat ihm AuS- beutuug und schlechte Behandlung einer annen Frau vorgeworfen. Aufgehobenes Urteil. Die BerufungSstrafkammer des Land- gerichtS Mülhausen   hob daS Urteil deS Schöffengerichts Mül- Hausen auf, daS den Genoffen W i ck y von derMülhauser VolkSzeitung" wegen Beleidigung deS«Demokraten  " Simmel mit drei Monaten Gefängnis bedachte. Die Sache wurde an das Scköffengericht zurückverwiesen, weil bei der Entscheidung über einen Ablehnungsontrag des Angeklagten der abgelehnte Vorsitzende des Schöffengenchts, ein Assessor, selbst mitgewirkt hatte. vom(Pollztlftampf gegen Arbeiter- turnvereine. Als Vorsitzender derFreien Turnerschast an der Kieler Förde  " erhielt Schriftsetzer Greß seinerzeit eine Verfügung des Polizeipräsidenten zu Kiel  , durch die ihm aus Grund deS 8 10 II 17 des Allgemeinen LandrcchtS aufgegeben wurde, bei Ver- meidung einer Exekutivstrafe von 150 M. binnen einer Woche die Statuten und ein vollständiges Mitgliederverzeichnis einzureichen. Einleitend hieß es:Im Interesse der Wahrung der öffentlichen Ordnung sowie im allgemeinen polizeilichen Interesse und zur Kontrolle, ob die Vereinsveranstaltungen tatsächlich als geschlossene Lustbarkeiten (und nicht als genehmigungspflichtige öffentllche) angesehen werden können, ist die Einreichung erforderlich geworden." Greß klagte im VerwaltungSstreitversahren. AuS den Gegen äußerungen des Poltzeipräsidenten hörte man denn, daß er glaubte, Anzeichen dafür gefunden zu haben, daß eS sich um einen Verein handele, der eine Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten be zwecke, also um einen Verein, der gemäß ß 2 deS preußischen Vereinsgesetzes Statuten und Mitgliederverzeichnis der Polizei einzureichen habe. Als solche Anzeichen wurden u. a. im Laufe des Verfahrens genannt: DieFreie Turnerschast" sei Mitglied des sozialdemokratischen(!?) ArbeitertnrnerbmideS, dessen Be strebungen im Gegensatz zurDeutschen Turnerschaft" ständen. Bei den Festen deS Vereins würden mit Vorliebe rote Schleifen getragen und Lieder auch nach der Melodie der Marseillaise   gesungen. Mit glieder hätten sich an Maiseiern beteiligt. Der bekannle Sozial demokrat   und Redakteur derSchleswig-Holsteinscheu VolkSztg." sei eine Zeitlang Oberturnwart gewesen. Der Verein betreibe neben seinem turnerischen Wirken auch eine geistige Beeinflussung der Mir- glieder. Kennzeichnend für deren Richtung sei seine Bidlio thek, der zum Beispiel vier Jahrgänge derNeuen Zeit' und fünf Jahrgänge deSWahren Jakob" zugewandt worden seicn, sowie die Beschaffung der Schrift:Der politische Massenstreik." Den einzelnen Vcreinskörperschaften sei auch empfohlen worden, ihre Sitzungen möglichst in dem, dem sozialdemokratischen(!) Gewerb schaflskartell gehörigen GewerkschaftShauS abzuhalten. Dann heißt es in einer Nummer desMitleilungsblattes" des Vereins: Organisierte Genossen, die etwa usw." Mit leichter Mühe konnte Kläger   teils die Unrichtigkeit, teils die Unerheblichkeit der AuSführuitgen der Polizei darlun. Der B ezirksauSschuß zu Schleswig   setzte denn auch die polizeiliche Verfügung außer Kraft. Mit Bezug auf ß 2 des VereinSgesetzeS meinte das Gericht, daß der Polizeipräsident den Verein nur alsverdächtig" hinstelle und insofern Statuten und Verzeichnis nur haben wolle, um fess zustellen, ob sein Verdacht berechtigt sei. Hier solle 8 10 II Allgemeinen Landrechts  (allgemeine polizeiliche Befugnisse betreffend) helfen. Wo es sich aber lediglich um die Anwendbarkeit des Vereinsrechts handele, wie in diesem Punkte, da schieden die allgemeinen polizeilichen Befugnisse aus. Bleibe nur der zweite Grund bezüglich der Vergnügungen, der Verdacht, daß sie öffentlich sein könnten. Das einzige von der Polizei angezogene Verdachts moment, die Größe des Vereins<1550 Mitglieder, wovon ab�r nur 800 Erwachsene für Vergnügungen in Betracht kommen), genüge indessen auch nicht, die Berfügung zu stützen. DaS Ober- VerwältungS gericht, vor dem der Mi it ist er des Innern durch einen Kommissar zur Wahrnehmung de« öffentlichen Interesses und der Kläger durch Rechtsanwalt Dr. B ehrend vertreten war, ver« handelte am 18. Februar in der Sache. Der Kommissar wiederhotte lediglich die Argumente des Polizeipräsidenten.   Der Anwalt Dr.EBehrend legte dagegen dar, daß die rechtlichen Erwägungen des Beztrksausschnsses zutreffend seien, und daß fast alles(abgesehen von zwei Borfällen), was in tatsächlicher Beziehung im Lause des Ber fahrens gegen den Verein mit Bezug auf 8 2 des VereinSgesetzeS geltend gemacht sei, sich auf die Jahre 1001 und 1902 be­ziehe. während der Verein erst am 1. Januar 1902 durch Vereinigung mehrerer Vereine entstanden sei. Vor einigen Jahren sei auch aus- drücklich beschlossen worden, daß der Verein und seine Mitglieder nicht an Feiern anderer Bereine sich beteiligen dürften. DaS Ge- schenk der vier BändeNeue Zeit" usw. könne nicht vom Gegner verwertet werden. Die Bibliothek enthalte auch Werke von Fichte. Jahn, Emst Moritz Amdt, Humboldt, TaciMs usw., usw., so daß der Zweck der Förderung all gemeiner Bildung klar sei. Die Verwendung von rot in Schärpen und dergleichen erfolge ganz allgemein bei allen Turnem teils aus delorativen Rücksichten, teils als Sport und Spielabzeichen. Er erinnere daran, daß sogar die«Deutsche Turnerschast" in Hamburg   rote Hemden trage. Was nun die angebliche Gefahr der Veranstaltung öffentlicher Lustbarkeiten unter dem Deckmantel von BereinSvergnügungen betreffe, so sei dem Bezirksausschuß beizutreten. DaS Ober-VerwaltungSgericht hob das Ur- teil deS Bezirksausschusses aus und erklärte die Berfüguttg deS Polizeipräsidenten für be« rechtigt: Insofern die Verfügung gestützt sei aus die Besorgnis, daß unter dem Deckmantel von Vereitisvergnügungen genehmigungS« bedürftige öffentliche Vergnügungen veranstaltet würden, habe auch der Senat anerkannt, daß die tatsächliche Begründung der Polizei nicht zu ihrer Stütze ausreichen würde. Indessen be- ziehe sich die Verfügung auch auf die Anwendbarkeit de» 8 2 des VereinSgesetzeS. Der finde aber hier Anwendung nach Annahme des Senats, welcher dabei berücksichlige die Fest- stellungen, die seinerzeit tmt Bezug aus den Arbeiter- turnvereinFichte" in Berlin   getroffen seien. Wie dieser Verein gehöre auch dieFreie Turnerschast Kieler Förde' zum Deutschen   vrbeiterturnerbund. Diese Feststellung in Verbindung mit verschiedenen anderen Momenten, die zur Sprache gekommen seien und sich teils aus den Asien  ergäben, führten zu der Annahme, daß eS sich um einen Berein handele, der im Dien st e der sozialdemokratischen Partei stehe und auch zum Zweck habe, die Förderung der sozialdemokratischen Interessen ins Werk zu setzen. also auf öffentliche Angelegenheiten einzu- wirken.(8 2 des VereinSgesetzeS.) Deshalb sei die Verfügung mit Recht ergangen und die Vorentscheidung entsprechend abzu- ändern._______ Hus Industrie und Kandel  . Streiflichter auf die Weltkrise. In den vereinigten Staaten, der Zentralfabrik der Welt, der gleich einer Pandorabückse Krise und Ausschwung ent- springen, ist nach Meldungen der letzten Wochen die Lage derart ungünstig, daß eine Erholung nicht so bald zu erwarten ist. Nicht besser steht es in Kanada  , auf das die Finanzkrise der Vereinigten Staaten   alsbald hinübergriff. Fortgesetzte reiche Emten verleiteten zu einer Ueberspannung aller wirtschaftlichen Kräfte des Landes. Man will jetzt in der Einwaitderungspolitik ganz neue Wege einschlagen; zunächst werden die Agenturen in England und dem übrigen Europa   angewiesen, vorläufig von der Einwanderung abzuraten, bis zum Frühjahr(April) nur den mit einer Barschast von 50 Dollars ausgestatteten Personen Fahrkarten zu verabreichen u. v. a. m. Die Jmponhäuser stornierten die Bestellungen, die In- solvenzen stiegen der Zahl und dem Umfange nach tote nie zuvor. Mannigfacher Art sind die Ursachen der in E h i l e bestehenden Krise: Die Finanzkrise in Nordamerika   und Europa  , die viel Geld aus dem Lande zog. der Fall der Kupferprcise, der die Schließung von 40 Proz. der chilenischen Kupferminen zur Folge hatte und viele Handelkhäuser mitriß; dann die unvermeidliche Reaktto» gegen die Hochkonjunktur der Vorjahre; das Erdbeben vom August 1906, all' das bewirkte einen Stillstand der Geschäfte, der jetzt noch andauert. Ganz ähnlich, wenn auch nicht so schlimm, liegen die Dinge in Argenrinien. Die internationale Geldnot zog insbesondere den Wollmarkt und die Schlachthauöprodusiion in Mitleidenschaft, so daß der Export starke Einbußen erlitt. Gemildert wird der Zustand durch den glänzenden Ausfall der letzten Ernte, der große Ver- schiffttttgen ermöglicht. In Australien   kam besonders die Landwirtschaft zu enormein Schaden infolge der landesüblichen Dürre. Die Weizen- ernte ging ganz, die Ernte an den übrigen gerealien halb verloren. Viehstttter wurde unerschwinglich, die Viehzucht iufolgedessen unrentabel. Wenn man hierzu noch die außerordentliche Depression aus dem Metallmarkte, ferner die bedeutende Verteuerung der Waren durch den neuen Zolltarif und die durch alle diese Verhältnisse er- heblich geminderte Kaufkraft der Konsumenten rechnet, kann man sich von der Lage eine ungefähre Vorstellung machen. Eine beispiellos heftige Handelskrise herrscht in Schanghai  und China   überhaupt. Nach den, russisch-japanischen Kriege trat eine solche Ueberfüllung der Märkte ein, baß sie heute noch nicht entlastet sind. Es wird noch geraume Zeit dauern, bis die tief­gedrückte Konsumsähigkeit der Bevölkerung für europäische Waren wieder einigermaßen sich gehoben haben wird. Aegypten   wurde ickon im Sommer 1907 von einer Finanz- krise heimgesucht. Die Landwirtschast hat dieselbe leicht überwinden können. Der Warenhandel, der die geminderte Zahlungsfähigkeit der Kundschaft schlecht vertrug, wird noch lange in Rekonvaleszenz liegen. Ganz ungewöhnlich schwer ist die Wirtschaftskrise in der Türkei  ; doch hat sie hier nunmehr den Höhepunkt überschritten. Die Be- völkerung hat aber erst das Gefährlichste überstanden, die ärgste Spannuiig hinter sich; im übrigen werden die Folgen der Krise noch lange zu spüren sein. Rund um die Erbe schleicht die Krise, da und dort zu Krachs führend, überall verwüstend._ Gegen Warenhaus- und Filialsttucr resolvierte der Verband deutscher Waren- und Kaufhäuser in seiner am 18. Februar abge- haltenen fünften Generalversammlung. Prof. Dr. Stengel, M. d. R., referierte über daS Thema. Er bemerkte, nicht vom Siondpunkt der WarenhaiiSbesitzer, sondern ans allgemeinen Gesichtspunkten zu urteilen; aber bei aller Freundschaft für den Mittelstand müsse er die WarenhauSsteuer ablehnen. Aufträge für Waggonfabriken. DaS königl. Eisenbahnzentralamt ist, wie gemeldet wird, beauftragt worden,"wegen der Uebernahme zur Herstellung von 1239 Personenwagen und 386 Gepäck- und Post- wagen versiiiiedener Gattungen mit den Werken, die zurzeit für die prcußisch-hessiiche Eisenbahitgemeinschaft beschäftigt sind, in Ver- Handlungen zu treten. Die Anlieferung sämtlicher Wagen soll am 31. März 1909 beendet sein. Jedenfalls sollen die Aufträge dem derzeitigen Arbeitsmaitgel etwas steuern. Agrarische Vcttrinärpolitik. Vor kurzem ist die den Teilnehmern am 14. internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie, Berlin   1907, gewidmete FestschriftDas Deutsche Reich in gesund- heillicher und demographtscher Beziehung" allgemein zugänglich ge- worden. Aus dieser gemeinsamen Publikatton deS GestindheitS- und deS Statistischen Amies erfahren wir manches über die agrarische Veterinärpolitik, wie sie zur höheren Ehre des profildurstigen Junkertums im heiligen römischen Reiche deutscher Nation praktiziert wird. Eine Legion von Gesetzen und Instruktionen, AnSfÜhnmgS- bestiminuitgen und Verordnungen sind seit dem Jahre 1872 erlassen, um die Vtehbesitzer über die beste Art. die Viehkrankheiten zu be- kämpfen und den Profit zu mehren, zu unterrichten so zwar, daß beute der hohe wirtschaftliche Nutzen der Seuchen- bekämpfung allen Viehzüchtern geläufig ist und ihnen die Gesundheit deS Viehes wichtiger dünkt als die der Menschen. Mit welcher Virtuosität die Agrarier die Seuchen- getahr für ihr Profitintereffe mißbraucht haben, geht unter anderem daraus hervor, daß der auf den gesamten Verbrauch von Fleisch schlnchtbarer HauStiere entfallende Teil deö ans dem ÄuSlande ein- geführten Fleisches fftr das Jahr 1005 nicht einmal 2(zwei!) Prozent aus­machte. Die Besorgnis der Agrarier für die Gesundheit ihrer Mit­menschen? Nein! ihres Viehs kommt in dieser Tatsache zu rührendem Ausdruck. Daß dabei ihr Geldbeutel immer straffer wird, ist wahr- haftig nicht ihre Schuld. Sie haben sich genug Mühe gegeben, flir eine reichliche Fleischversorgung der Bevölkerung zu sorgen. Beweis dafür ist eine Tabelle, der zu entnehmen ist, daß der Viehstand auf den Kopf der Einwohner seit 1873 an Stückzahl zurück- gegangen istl Die Zahl der Pferde. Rinder, Schafe und Ziegen hat relativ abgenommen, nur daS deutsche Schwein vermehrte sich stärker._ Die Xabakiadustrlr in den Bereinigten Staaten. In dem Wirtschaftsleben der Vereinigten Staaten   nimmt die Tabakindustrie einen bedeutenden Raum ein. Waren doch nach den soeben erschienenen neuesten Ergebnissen des Zensus im Jahre 1905 in dieser Industrie in 16 828 Betrieben 1430 000 000 M. Kapital investiert. Es wurden 9236 Angestellte und 159 408 Arbeiter be- schäftigt. Wie sehr diese Industrie gewachsen ist, geht auS den folgenden Zahlen hervor: Zahl der Betriebe... nvestiertoS Kapital.. ahl der bezahlten An- gestellten..... Gehälter der bezahlten Angestellten.... ahl der Arbeiter... ahl d. erwachs. Arbeiter. Arbeiterinnen Zahl der Kinder(unter 16 Jahren).... Gesamte Lohnsumme der Arbeiter..... Kosten des verarbeiteten Materials..... Werl   der Produkte.. Gewinn...... Die Zahl der Betriebe ist in den ersten Jahrzehnten seit 1S60 stark gestiegen, in den letzten jedoch nicht mehr. Dagegen ist das in der Tabakindustrie investierte iapital von 1900 bis 1S0S am stärksten gestiegen und zwar um 190,5 Proz. Bemerkenswert ist, daß die Zahl der Arbeiter und Arbeiterinnen mit einer Ausnahme<1870 bis 1830) stets viel stärker gewachsen ist alS daS hineingesteckte Kapital. Die Lohnsumme bleibt mit Ausnahme der Zeit von 1860 bis 1830 weit hinter der Kapitalsinvestition zurück. Der Wert des verarbeiteten Materials steigt stets stärker als die Summe der Arbeitslöhne. Die Unternehmergewinne sind enorm; sie erreichen über 85 Proz. der gesamten den Arbeitern gezahlten Lohnsumme. Auf 1000 M. Lohn werden also über 850 M.verdient". Dabei ver- dient ein Arbeiter durchschnittlich nur 1655 M. Die erwachsenen Arbeiter verdienen durchschnittlich nur 2100 M. pro Jahr, die erwachsenen Arbeiterinnen t2l0 M. und die unter IS Jahre allm Kinder nur durchschnittlich 622 M. Soziales. Ein eigenartiges GewerbegcrichtSurteik. Dieser Tage klagte vor dem Gewerbegericht zu Halle da» früher bei dem Gastwirt Möhr in Halle a. S.(Besitzer des Restaurants Zum Künstlerheim") bedienstcte Mädchen Ida Schuster gegen den Gastwirt. Das junge Mädchen war am 3. Februar plötzlich kündi- gungSlos entlassen worden und verlangte deshalb 23 M. Lohn. AlS der Gerichlsvorsitzende an die Klägerin, der man Not und Elend am Gesicht und am ganzen Exterieur ablesen konnte, die Frage richtete, weshalb sie denn so plötzlich entlassen worden sei, schlug sie be- schämt die Augen nieder. Daraus der Gastwirt, der im Exterieur als Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle auftrat:Ja ja, die wird nicht sagen, weshalb sie so plötzlich entlassen worden ist, die hat nämlich mit mir ritt Verhältnis gehabt und da» brauchte sich doch meine Frau nicht gefallen zu lassen." Im Gerichtssaal wa» man zunächst perplex. Möhr hatte aber sogar seine eigene Gattin mitgebracht, die als Schwurzeugin bekunden sollte, daß er die Klägerin in ihrer Kammer mißbraucht habe. Auch Frau Möhr sprach mit Entrüstung von dem Mädchen, gegen das sie eigent» lich wegen Ehebruchs Strafantrag stellen müßte. Der Gastwirt er- klärte weiter, alS Mann seiner Frau mühte er ficki ja eigentlich auch ein bihchen schämen, aber er vertrete doch nun einmal das Recht und der Entlassungsgrund sei jedenfalls durchschlagend, denn man könne seiner Frau nicht zumuten, solch ein Mädchen noch weiter zu beschäftigen. Das bedauernswerte Mädchen erzählte, wie sie von dem Burschen auf Schritt und Tritt verfolgt und in ihrer Kammer schließlich den Versuchen erlegen sei; sie sei längere Zeit stellenlos