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Ar. 75. 26. Jahrgang. 1. KtilM des Jotiiinrls" Krlim ilollislilatt. Dienstag. 80. März(909. Reichstag 23 6, Sitzung. Montag, den 20. März, mittags 12. Uhr. Am Bundesratstischc: Fürst Bülow.   v. Bethmann-Holl- Weg, v. Schoen.v. Tirpitz, Shdow. Dernburg. Vie auswärtige Politik. Auf der Tagesordnung steht der Etat des Reichskanzlers: Reichskanzler Fürst Bülow  : Ehe ich näher auf die Entwickeluna der Orientangelegenheitcn eingehe, möchte ich kurz die sonstigen Ereignisse auf dem Gebiete der auswärtigen Politik berühren. Ich stelle voran den Besuch des Königs von England, den ich als ein in jeder Beziehung glückliches Begebnis zu be- zeichnen nicht zögere.(Bravo  ! bei den Freisinnigen.) Die sym- pathische Anteilnahme aller Schichten der Bevölkerung, die Worte aufrichtiger Friedensliebe und Freundschaft, die der König von England hier gesprochen hat, und die nachher in der englischen Thronrede und Adresidebatte bekräftigt worden sind, hat beiden Böllern wieder einmal zum Bewußtsein gebracht, wie sie sich gegen- seitig achten und in Friedensarbeiten friedlich wetteisern.(Bravo  !) Das Netzwerk ihrer Beziehungen ist nicht so leicht zu zerreißen, wie sehr auch von böswilligen Händen daran gezerrt sein mag, denn es hat, vom ideellen Wert abgesehen, seine Festigkeit dadurch erlangt, daß ein großer Teil der Arbeit beider Länder mit hinein verknüpft ist. Es gibt kaum zwei Länder, die für ihre nationale Arbeit so sehr aufeinander angewiesen sind, wie England und Deutschland  . Deutschland   ist der beste Kunde Englands. Die englische Einfuhr nach Deutschland   betrug 1838 bereits 22,S Mill. Sterling, 1907 aber schon 41,4 Millionen Sterling. Im Durch- schnitt der letzten 10 Fahre gingen 9 Proz. der englischen Gesamt- ausfuhr nach Deutschland  , nach Amerika 7� Proz., nach Frankreich  6 Proz. Der gesamte Umsatz Deutschlands   mit'Großbritannien  erreichte 1907 einen Wert von 2730 Millionen Mark. In den letzten 10 Jahren betrug er im Durchschnitt 1600 Millionen Mark. Mit Großbritannien   und seinen Kolonien betrug 1907 der gesamte Umsatz 3080 Millionen Mark. Andererseits nimmt kein Land von der deutschen   Ausfuhr soviel aus wie Großbritannien  . Nun weiß ich wohl, daß es wie bei uns, so auch in einem politisch gereiften Volke wie dem englischen, nie an Fanatikern fehlen wird, die keinen Blick für diese große Interessengemeinschaft haben. Ich bin aber der festen Zuversicht, daß es ihnen nicht gelingen wird, bestimmenden Einfluß auf das politische Denken der britischen   Nation zu gewinnen Ueber unser Abkommen mit der franzöfischen Regierung wegen Marokko  orientiert Sie am kürzesten folgender Erlaß vom 25. Januar an alle unsere Vertreter im Auslande: Die deutsch  -französischen Reibungen der letzten Jahre wegen Marokko   haben auch auf die sonstigen Beziehungen beider Län- der zueinander und damit auf deren Verhältnis zu anderen Na. tionen und auf die allgemeine politische Lage ungünstig ein- gewirkt. Da die praktische Bedeutung der von beiden Teilen verfochtencn und sich widersprechenden Auffassungen nicht im Verhältnis stand zu dem angerichteten Schaden, so war beider- seits das Bedürfnis nach Beseitigung des Gegensatzes. seit einiger Zeit hervorgetreten. Abgesehen von dieser Erwägung hat sich die Ueberzeugung Bahn gebrochen, daß der bisherige Zustand ein Hindernis bildet für die gedeihliche EntWickelung der beider. seitigcn Interessen und für die Aufschließung von Marokko  selbst. Das Abkommen vom 9. Februar besagt, daß beabsichtigt sei, den bisherigen Zustand zu ändern. Diese Vereinbarung sichert Frankreich   als dem höher zivilisierten Nachbarlande Marokkos  , das an der Erhaltung von Ruhe und Ordnung besonders interessiert ist, einen nicht unberechtigten politischen Einfluß. Deutschland   aber sichert das Abkommen eine Beteiligung von Handel und Gewerbe sowie die Möglichkeit, sich an der gleichen Beteiligung französischer Kreise zu beteiligen und aus deren Errungenschaften Nutzen zu ziehen. Das Abkommen will eine gemeinsame Arbeit zur Er- schließung des Landes erreichen. Diese Bestrebungen haben bereits in der letzten Zeit hier und dort praktisch« Formen angenommen. Eine streng loyale Durchführung des Abkommens ist gesichert worden. Es freut mich, daß der Mderspruch gegen dieses Abkommen in beiden Ländern gering war und gegen die fast allgemeine Zu- Rldnes Feuilleton. Die meistgelesenen Romane beS Jahres 1908. literarische Echo" veranstaltet seit Jahren eine Rundfrage in einer größeren Anzahl deutscher Leihbibliotheken, um festzustellen, welche Schriftsteller am meisten gelesen werden. Diese Methode ist selbst- verständlich einseitig und die Art ihrer Anwendung lückenhaft, aber trotzdem ergibt sie für große Schichten des Bürgertums gute Anhalts- punkte. Für das Jahr 1908 hat nun die Ermittelung in 131 Leihbibliotheken ergeben, daß am meisten verlangt wurden: Sudermann  Das hohe Lied", Georg Hermann  Henriette Jacoby", Clara Viebig  Kreuz im Venn". Georg Hermann  Jettchen Gebert". HeerLaub- gewind", Otto Ernst  Semper der Jüngling". Rudolf Herzog  Der Abenteurer", StillgebauerDas Liebesnest", Rudolf Stratz  Herz- blut". Schnitzler  Weg ins Freie", Ompteda  Minne", ZahnDie da kommen und gehen". Die meist gelesenen Autoren überhaupt waren: Sndermann, Hermann, Viebig  , Herzog, Heer, Zahn, Emst, Stilgebauer, Stratz, Schnitzler, Ompteda  . Aus der Reihe der meistgelesenen Bücher verschwunden sind Gustav Frenssen  (Hilligenlei) und Margarethe Böhme  (Tagebuch einer Verlorenen), me noch im Jahre 1906 mit an der Spitze standen.- Hinter den meistgelesenen Romanen des Jahres 1903 drein mar- schieren einige gute Bücher, die doch immerhin ziemlich viel verlangt wurden, darunter Bartsch, Zwölf aus der Steiermark  , und Gabriele Reuter  . Das Äränenhaus. Mufik. Die neue Operette,'die wir am Sonnabend im Theater deD Westens hörten, kann wahrlich Bewunderung wecken. Es ist in der Tat von eigentümlichem Reiz, zu sehen, wie die Verfertiger einer Theatcrwarc so geradezu das treffen, Ivos dem Publikum paßt und so direkt alles meiden, was ihm irgendwie Schwierigkeiten be- reiten könnte. Einst waltete im selben Hause der Direktor Prasch, mühte sich mit Künstlertum ab und ging finanziell wie körperlich zugrunde. Victor Holländer  , der fruchtbare Kapellmeister an der erfolgreichsten Bühne Berlins  , am Metropoltheatcr, ein Stern erster Größe am Himmel der Theater- und Klavierunterhaltung, geht anscheinend keinem solchen Schicksal entgegen.Der Jockey- klub", den er mit dem Librettisten Robert Misch   gemacht und von Kapellmeister Stefanides dirigieren ließ, gehört zu den Werken, für die ein Direktor seine Kasse sicherer wagen kann, als ein russischer Petroleumkönig und ein französischer Bankier die ihrige, um in den aristokratischen Jockeyklub aufgenommen zu werden. Sie blitzen trotz alles Pumpens ab und rächen sich nun, indem sie irgend einen gewöhnlichen Kerl als spanischen Grafen ausgeben und auch richtig in den Klub hineinbringen. Schließlich bekommt der Bankier die Petroleumtochter und der falsche Gras eine wirkliche Gräfin. Um dazwischen drei Akte voll zu machen, gibt es Tanz und Krach, eine Episode mit einer Pariserin, die jeden anwesenden Herrn als ihren einzigen Geliebten erkennt, und einen veritablen König Clcoderich, den alle Welt kennt- und der schon ganzmerocke" ist ( stimmung nicht aufkommen konnte. Bei uns hat man von einer Inkonsequenz unserer Marokkopolitik gesprochen. Ich könnte ihnen in einer historischen Betrachtung nachweisen, daß, wenn unsere Methode nicht immer die gleiche war, doch unser sachlicher Standpunkt immer derselbe geblieben ist. Zeit und Umstände sind eben immer im Fluß und Wechsel. Es scheint mir in der Politik überhaupt weniger anzukommen auf die starre Konsequenz als auf das praktisch Nützliche. In dem bisherigen Falle liegt dem Vor Wurf der Inkonsequenz im übrigen, wie ich glaube, eine irrige Aus fassung über unsere Aufgaben in Marokko   zugrunde. Sollten wir wirklich darauf ausgehen, in einem Lande, wo wir keine politischen Interessen haben, Frankreich  , das dort natürliche und sehr beträcht- liehe Interessen hat, Schwierigkeiten zu bereiten? Es gibt ja eine Meinung, wonach es gut sein soll, einem Lande, das einmal unser scharfer Gegner war, überall offen und versteckt entgegenzuarbeiten, bloß weil wir wieder einmal gezwungen sein könnten, mit diesem Lande nochmals die Klingen zu kreuzen. Ich möchte diese Theorie die Theorie der krummen Politik nennen. Das Bewußtsein der Kulturgemeinschast unter den großen zivilisierten Völkern hat sich zu sehr gestärkt, als daß eine Politik der Schadenfreude nicht überall Schaden anrichten sdllte, ohne dem eigenen Lande zu dienen.(Sehr richtig! bei den Freis.) Auf Bismarck   darf man sich für eine solche Politik nicht berufen. Als Frankreich   an der offenen und schmerzhaften Wunde, an Ton- kin litt, tat Bismarck   alles, was in seinen Kräften stand, um eine Kriegserklärung Chinas   an Frankreich   zu verhindern. Das deutsche  Volk ist stark und groß genug, um eine offene, klare und gerade Politik zu treiben. Der Ausdruck einer solchen Politik ist auch unser Abkommen mit Frankreich   über Marokko  . Der Balkan  . Nun zum nahen Orient. Ich soll anfänglich unsicher in meiner Haltung zur Annexion von Bosnien   und der Herzegowina gewesen sein. Man hat sogar versucht, mich bei unserm österreichisch ungarischen Bundesgenossen als schwankend, bedenklich und ver trauensunwürdig zu denunzieren.(Hört! hört!) Diese Legende kann gar nickt kräftig genug zerstört werden. Deshalb will ich Ihnen einige Mitteilungen aus den Akten machen. Die österreichisch- ungarische Zirkularnote wegen der Annexion ist uns am 7. Oktober vorigen Jahres zugegangen. Am Tage vorher hatte ich den Bot- schaftcr in Wien   instruiert, ich lege besonderen Wert darauf, daß man hinsichtlich der Annexionsfrage volle Sicherheit über unsere zuverlässige Haltung habe. Nach London   schrieb ich, daß wir für die türkische Rcformbewegung Sympathie hätten» aber unsere treuen Bundesgenossen in seiner schwierigen Lage nicht im Stich lassen würden. Und weiter am 13. Oktober, daß Oesterreich-Ungarn  die bosnische Frage auf einer Konferenz nicht zulassen könne und Ivir ihm in dieser Auffassung zur Seite ständen. Und nach Wien  ließ ich an demselben Tage eine Instruktion an unseren Botschafter gehen, worin ich ihm mitteilte, daß auch der Kaiser vollkommen meinen Standpunkt billigt, daß es unser fester Wille ist, an der Seite unseres Bundesgenossen zu stehen und zu bleiben, auch für den Fall, daß Schwierigkeiten und Komplikationen entstehen sollten. Ermessen Sie also, meine Herren, was es auf sich hat, daß man mich als unsicheren Kantonisten hat verdächtigen wollen. Jetzt muß ich mich gegen den entgegengesetzten Vorwurf verteidigen, nämlich den, loir   hätten unseren Platz mit überflüssigem Eiser an der Seite Ocsterreich-Ungarns   genommen und uns dadurch für Interessen eingesetzt, die»icht unsere eigenen wären. Man beruft sich auf die Autorität Bismarcks, daß wir in der Balkankrisis jede Stellung- nähme hätten vermeiden sollen. Bismarck   hat nur widerraten, vor- zeitig Stellung zu nehmen oder die Führung zu übernehmen. Ich erinnere an ein Wort Bismarcks in seiner Rede vom 6. Februar !886, daß Oesterreich-Ungarn  , wenn man es im Stich läßt, uns ent- fremdet würde. Unser eigenes Interesse liegt also nicht in der Aus- ficht auf irgend welchen territorialen oder wirtschaftlichen Gewinn/ sondern in der Situation.(Sehr wahr!) Wir hätten nie wieder einen neuen Freund gewonnen, wenn wir die Probe auf unsere Treue nicht bestanden hatten, und hätten uns sehr bald, und zwar ohne Oesterreich-Ungarn  , derselben Mächtegruppierung gegen- über gesehen, der diesmal Oesterreich-Ungarn   hätte weichen müssen. (Sehr richtig!) Gewiß ist Deutschland   stark genug, um sich im Not- fall auch allein zu behaupten. Das ist aber kein Grund, einen loyalen Bundesgenossen in einer schwierigen Lage zu verlassen. (Lebhaftes Sehr richtig!) Eine diplomatische Niederlage unseres Bundesgenossen hätte auch ihre Rückwirkung auf unsere eigene inter  - nationale Stellung ausgeübt und das Schwergewicht vermindert, Marode ist Holländers Musik keineswegs. Sie schlägt min- dcstens in in paar Duetten durch und versteht die Kunst der Stei- gerung. Sie quält sich mit keiner Fortführung des dramatischen Zuges, den manche Operettenkomponisten bereits erreicht hatten. Sie geizt nach keiner Architektonik im Aufbau der Finales, läßt einen spanischen Tanz ohne Spanien   und eine Lautenserenade ohne Lauten kommen und stört ihre Melodien so wenig durch den Unter- bau von Künsten des musikalischen Satzes, daß man manchmal meint, die untere Hälfte des Orchesters sei daheimgeblieben. Die obere freilich entzückt durch ihre Klangkünste manches Publikum fast ebenso, wie es Frau Marie O t t m a n n, die Gräftn, durch ibre Toiletten und durch das rote Gängelband tut, an dem sie die Verliebten vor sich hertanzen läßt. Aber sie singt auch gut; auch der Tenor Gustav M a tz n e r, der an dem Grafen seinen alten glücklichen Rollcntypus wieder hatte, singt gut und ebenso der Tenor Albert K u tz n c r. Nur stört an ihm ein Forcieren in der Höhe, und dem Chore fehlt ein Gesangsmeifter, der ihm die hohen Schreitöne mildert. Gespielt wird in solchen Stücken meistens recht gut, auch wenn sie wie dieses nicht einmal die Virtuosität der Possenverwickelung besitzen. Heinrich Peer   interessierte durch die Vorsicht, mit der er seine Lebckönigsrolle vor Uebertreibung behütete, und Bali P a a k gab ihreChonchctte" mit einen: Reichtum an Bewegungsspiel, der selbst in einem solchen Rahmen Beachtung verdient. Die Zischer, die denErfolg" zu stören suchten, können sich beruhigen. sz. In derKomischen Oper" hat ein verständnisvolles Pu- blikum der Ausgrabung der zweiaktigcn BuffooperDer Tore- ador" von Adolphe Adam   mit ehrlichem Entzücken gelauscht, und ich bin überzeugt, wäre die Darstellung noch um einen Grad runder. buffofreudiger, graziöser gewesen, der Beifall wäre noch spontaner zum Ausdruck gekommen. Man bedauert es bei dieser Gelegenheit wieder so recht von Herzen, daß Direktor Gregor nicht planmäßiger, als er es bisher getan, aus der unerschöpflichen Schatzgrube der Opera-comique des 18. Jahrhunderts die Kleinodien hervorholt. Ein solcher Zyklus von Buffoopern würde nicht im mindesten lehr- hast wirken und würde vielleicht den modernen Komponisten mehr Lust und Laune machen, auf daß wir wieder eine deutsche komische Oper erhalten... Mit wirklicher Liebe zur Sache sang und spielte eigentlich nur Herr M a n t l e r die Hauptrolle des pensionierten Stierkämpfers. Man gedachte alter Buffomstendarstellungen, wenn sich dieser traurige Ehemann mitten im ärgsten Renommieren von seinem Mannesmut und von seinem Glück bei den Frauen in rheu- matischen Stichen wand; ganz köstlich brachte er die dummeitle Ver- trauensseligkeit des gehörnten Ehekrüppels zur Geltung. Dagegen blieb Bernhard Bötel  , des berühmten Kutschertenoristen weniger begabter Sohn, der Psiffigkeit des Flötistengalan Tracolin darstelle- risch so ziemlich alles schuldig. Diese Figur bezeichnet ja den eigent- lickcn Angelpunkt der Handlung. Er ist es, der der lüsternen Frau Coraline das Liebesbrieschcn zusteckt, das in überaus geschickter Weise als Perlegenheitsmomcnt für alle drei Personen zu dienen hat und er muß ja zuletzt ein echt französischer Librcttistengedanke, der sich bis in die heutigen Ehebruchsschwänle fortgeerbt hat für die das Deutschland   mit Oesterreich-Ungarn   jetzt gemeinsam repräsen- tieren. Ich habe ein höhnisches Wort über unsere Vasallenschaft zu Oesterreich-Ungarn   gelesen. Das ist einfältig.(Lebhafte Zu- stimmung.) Es gibt zwischen uns keinen Streit über den Vortritt wie im Nibelungenliede, aber die Nibelungentreue wollen wir nicht ausschalten!(Lebhafter Beifall.) Zugleich ist diese unsere Haltung eine eminente Friedenssicherung.(Lebhafter Bei- fall.) Wir Deutschen   bedürfen der Ueberzeugung, an der Seite einer gerechten Sache zu stehen. Und wir halten die schwache Seite' leicht für die gerechte. Daß aber Oesterreich-Ungarn  in seinem Konflikt mit Serbien   das Recht auf seiner Seite hat, unterliegt gar keinem Zweifell (Lebhafter Beifall.) Die Annexion der beiden Provinzen war kein zynischer Länderraub, sondern der letzte Schritt auf der Bahn einer seit 30 Jahren betätigten kul» turellcn und wirtschaftlichen Politik. (Lebhaftes Sehr richtig!) Die Besetzung der beiden Provinzen war seinerzeit nötig, weil der derzeitige Besitzer die Aufstände nicht unterdrücken und Oesterreich dauernde Ausstände an seiner Grenze nicht dulden konnte. Was Oesterreich seit der Besetzung in kultu« rellcr Beziehung für die Provinzen getan, wird von jedem Sach- verständigen anerkannt. Und die Früchte dieser Tätigkeit konnte es sich nicht entgehen lassen.(Sehr richtig!) Wir haben zwischen Wien  , Könstantinopel und Petersburg   eine vermittelnde Tätigkeit geübt, wobei wir uns freilich der Grenzen einer solchen betvußt blieben. Unsere Geschichte mahnt uns zur Borsicht auf dem Gebiete der ehrlichen Maklertätigkeit. Auf dem Berliner   Kongreß erhielten wir den Frieden Europas  , trugen aber im gewissen Sinne die Kosten des Verfahrens. Die Unzufriedenheit der Streitenden richtete sich nach dem Kongreß mehr gegen uns als gegen die bisherigen Gegner, und Deutschland  , das den Frieden für andere erhalten hatte, schwebte bald nach dem Kon- greß selbst in Kriegsgefahr. Indem wir fest zu Oesterreich-Ungarn   stehen, sichern wir auch unser Interesse und tragen dadurch am meisten bei zur Erhaltung des europäischen   Friedens, dessen Wahrung aufrichtig gewünscht wird von diesem hohen Hause und vom deutschen   Volke.(Bravo  ! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalcn.) Abg. Frhr. v. Hertling(Z.): Bezüglich Marokkos   hatten wir alle früher ein etwas unbehag- liches Gefühl. Wir wünschen, daß unsere Interessen dort vertreten werden, aber einen Krieg um Marokko   wollten wir nicht führen. Unsere wirtschaftlichen Interessen in Marokko   waren die unange- nehmen Nebenwirkungen in unseren Beziehungen mit Frankreich  nicht wert.(Sehr richtig! im Zentrum.) Wir freuen uns deshalb über das Abkommen mit Frankreich  , das vielleicht schon einige Jahre früher zu erreichen gewesen wäre.(Sehr richtig! im Zentrum.) Bei der Gelegenheit möchte ich aber doch sagen, daß die Adelsfeindlichkeit unseres Bürgertums, die sich auch in der Ge- ringschätzung der Tätigkeit unserer Diplomaten zeigt, doch etwas antiquiert ist. Notwendig ist allerdings, daß unsere jungen Diplo- maten arbeiten lernen.(Sehr richtig! im Zentrum und links.) Während wir noch alle warteten, wie sich die neuen Verhält- nisse in der Türkei   entwickeln würden, überraschte uns alle die Annexion Bosniens   und der Herzegowina durch Oesterreich  . In gewisser Beziehung waren wir ja lange darauf vorbereitet, f o r- mell aber wurde der Berliner   Vertrag dadurch verletzt. Aber angesichts der Vorgänge in der Türkei   war es ein Schritt der Selbsterhaltung Oesterreichs  « sich nicht die Früchte einer dreißigjährigen kulturellen Tätigkeit entgehen zu lassen.(Sehr richtig! im Zentrum.) Dann kam der Zwischenfall mit Serbien   und die unmittelbare Kriegsgefahr, die dank der veränderten Haltung Rußlands   beseitigt ist. Aber die Probleme auf dem Balkan   sind damit noch nicht gelöst; wenn die jungtürkische Revolution Freiheit für alle bringen soll, mutz noch viel reformiert werden, dann dürfen vor allem die Türken nicht die Herren, andere Stämme die Unterworfenen bleiben. Ich denke vornehmlich an Syrien  . Die Haltung unserer Regierung zu Oesterreich   findet unsere völlige Billigung.(Bravo  ! im Zentrum.) Es handelte sich hier nicht um die Einhaltung bestimmter Para- graphen des Bündnisvertrages, sondern um eigenes politisches Ansehen, also um unser eigenes vitales Interesse.(Lebhaftes Bravo l im Zentrum.) Eintracht des Ehcbundes von Herrn und Frau Toreadorbürgen"! Auch Fräulein Linke nbach(Coraline) gab sich zwar Mühe, die Schwierigkeiten, die ihr ihre Koloraturen machen, zu verbergen, aber ganz ftei war ihre Darstellung keineswegs und ihr Gesang Ivar nicht schlackenfrci. Die Musik des alten Herrn Adam   ist aber auch durchaus nicht so harmlos, wie man es von dem Komponisten desPostillion" und derNürnberger Puppe  " erwarten sollte. Adam  war zu der Zeit, als er diese Partitur schrieb, ein reifer Könner, was sich in der Sicherheit, mit der er seine an sich schlicht harmoni- sierten Weisen mit Jiorituren zu umranken weiß, und in manchen hübscheu Einfällen der Instrumentation zeigt. Besonders rühmend muß noch des Kapellmeisters Egisto Tango   gedacht lverden, der sich den Stil Adams ganz zu eigen gemacht hat. Dies zeigte sich nainentlich in den echten Buffo-Tempis, die er bei den Arien, Duetten und Terzetten den eigentlichen Perlen der Partitur und auch in der als Zwischenakt gespielten, sehr kunstvoll gearbci» teten Ouvertüre nahm, sowie in den hübschen Steigerungen und Ri» tardandos bei den Gcsangsnummern. Auch das Orchester war an diesem Abend bemerkenswert einheitlich im Zusammcnspiel. Scharf gerügt werden muß aber die offenbar nach Pariser Matinecvor- bildern ausgeführte Idee, zur Füllung des Abends den fünften Akt aus der urmodernen Tebusshschen OperPellcaS und Melisande" anzuvergewaltigen. Man hätte wahrlich bei Adcnn nicht so lange zu suchen brauchen, um einen seiner graziösen Einakter oder eines seiner Ballets, etwa das entzückendeGiselle  ", zu finden, das sich gleichfalls zur Ausgrabung vorzüglich eignet. Demnächst sollen ja die liebenswürdigenZierpuppen angefügt Werden. Warum ge- schah dies nicht schon bei der Premiere? Arth. N. Notizen. MatkowSky zu Ehren fand Sonntag mittag im Kgi. Schauspielhause eii,e Gedenkfeier statt, bei der der Generalintendant die Gedächtnisrede hielt. DerrussischeRoman.Ssanin� von Artzibaschew, dessen deutsche Uebersetzung in München   als unzüchtig beschlag- nahmt war, ist durch Gerichtsbeschluß freigegeben worden. Das Buch, das angeblich in Rußland   eine erotische Epoche begründet hat (wie sogar einige Parteiblätter gemeldet haben), wurde von den literarischen Sachverständigen, mit einer Ausnahme, für kultur» geschichtlich und literarisch wertvoll erklärt. Wir akzeptieren dieses Urteil, insofern es die polizeilich-gerichtliche Einmischung zurückweist, sind aber im übrigen nach wie vor der Ansicht, daß das Buch weder kulturgeschichtlich und erst recht nicht literarisch das Aufsehen verdien� das man ihm verleihen möchte. Die vatikanische Pinakothek in Rom.   die ver» mehrt neu geordnet ist, wurde vom Papste eingeweiht und eröffnet. Shackletons Reisewerk über seinen Vorstoß gegen den Südpol   wird bereits ün Herbst im Verlage von W. Heineman» in London   erscheinen.