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Wenn wir Abgeordnete mit den Schriftführern zu tun haben, bitten wir sie höflich.(Sehr gut! links.) Die Beamten des PräsidiuuS erhalten von Ihnen nicht Aufträge, sondern sie killen die Interessen deS ganzen HnuseS vertreten.(Sehr gut! links.) Im übrigen will ich konstatieren, daß, al» ich mich zum Z 4 zum Wort meldete, mir vom Schriftführer erklärt wurde, r« sei überhaupt noch niemand gemeldet.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Herr v. Pappenheini, Sie müssen also Ihre Beauftragten schon noch ein bißchen besser drillen, sonst werden Ihre Aufträge nicht ausgeführt, und wir können Ihre Angaben als unrichtig be- zeichnen. Ich stelle also nochmals vor dem Lande fest, daß hier tatsächlich gegenüber der Minderheit, die die Mehrheit der Wähler vertritt, eine schnöde Vergewaltigung geübt wurde.(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten. Präsident». Kröcher: Für den Ausdruck»schnöde Bergewal- tigung" rufe ich Sie zur Ordnung. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Auch mir wurde, als ich mich zum Wort meldete, ausdrücklich mitgeteilt, daß zu§ 8 noch niemand gemeldet war. Auch auf meine spätere ausdrückliche Anfrage bei dem Schriftführer wurde mir mitgeteilt: zu 88 4, S und 8 ist außer Ihrem Parteigenossen noch niemand gemeldet. Herr v. Richthofen hat also offenbar etwas objektiv Unwahres gesagt. Seine Ausführungen werden im Lande nur ein Hohngelächter hervorrufen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Friedberg(natl.): Wenn Herr v. Pappenheim   von Ausnahmefällen gesprochen hat, in denen das HauS das Bedürfnis fühle, keine Debatte stattfinden zu lassen, so ist doch die stillschweigende Voraussetzung, daß zum mindesten die größeren Parteien deS HaufeS sich darüber einig sind. Herr v. Pappenheim   scheint zu meinen, daß fchon eine große Partei oder vielleicht in Verbindung mit noch einer zweiten derart vorgehen kann. Ein solches Verfahren gegenüber einer vielleicht vorhandenen starken Minorität könnte allerdings dazu führen, die Verhandlungen in diesem hohen Hause überhaupt tot zu machen.(Sehr wahr! links.) Ich möchte also bitten, daß Herr v. Pappenheim   diesen Teil seiner Ausführungen revidiert. Schriftführer Abg. Jtfchert(Z.): Ich habe die Auskunst ge- geben, daß keiner außer den Sozialdemokraten zum Wort gemeldet war, weil ich gehört hatte, die Herren Konservativen wollten ge- strichen werden. Das hat sich nachher als ein Irrtum her- ausgestellt. Uebrigens hat keiner von den Herren Sozialdemo» kraten seine Meldung schriftlich eingereicht, wie eS die Geschäftsord­nung verlangt.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Nichthofcn(k.): Man kann Aufträge erteilen in Höf- lichcr und unhöflicher Form. Herr Liebknecht wird mir eine ob- jektwe Unwahrheit nicht nachweisen können, ich habe gesagt, daß ich mich zu verschiedenen Paragraphen habe zum Wort melden lassen und mir vorbehalten habe, ob ich das Wort ergreifen würde. Wenn die Sozialdemokraten Anträge gestellt hätten, hätte man noch eher Grund gehabt, ihnen das Wort zu verstatten. So aber lag gar kein Anlaß dazu vor. Schriftführer Abg. Schulze-Pelkum(k.): Ich habe Wortmel- düngen der Herren Sozialdemokraten entgegengenommen, aber gleichzeitig und vorher hatten sich zu den einzelnen Paragraphen meine politifcken Freunde gemeldet. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Gegenüber Herrn Jtfchert bemerke ich, daß ich bereit war, meine Wortmeldung schriftlich niederzuschreiben und er aus» drücklich erklärt hat. das mache ich für Sie.(Hört! hörtl) Nach den Ausführungen de» Herrn Jtfchert ist, eS klar, da die Herren Schriftführer sicherlich nicht ohne jede Verständigung mit den Konservativen die Streichung der Wortmeldungen vorge- nomine» haben, daß die Herren Konservativen von vornherein die Absicht halten, das Manöver auszuführen, was nachher ausgeführt worden ist. Es ist ihnen wahrscheinlich der Auftrag erteilt, die Wortmeldungen zu löschen, und als dann die Sozialdemo- kraten sich meldeten, haben eS die Herren für gut befunden, zu erklären, daß die Löschung erne irrtümliche war. Also meine Behauptung, daß vorher kon. servative Wortmeldungen vorgelegen haben, halte ich aufrecht. Herr v. Richthofen meinte, er habe nur dann das Wort nehmen wellen, wenn Anlaß zu Erwiderungen vorlag. Ist er denn ein Prophet, der wissen kann, was etwa von uns gesagt worden wäre? Nachdem er inzwischen durch unsere Zurufe gemerkt hat, daß er vorhin etwas Verkehrtes gesagt hat. hat er sich daraus zu- rückgezogen, daß er Anträge von uns erwartet. Muten Sie doch unserer Leichtgläubigkeit nicht allzuviel zu.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) ÜnS kann ja nichts erwünschter sein, als wenn Sie durch Ihr Verfahren dazu beitragen, dies» Vorlage vor der gesamten anständigen Oeffeiitlichkrit zu diskretieren.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Müller-Sagan(Fortschr. Bp.): Ich konstatiere, daß hier, wo«S sich um eine brutale Knebelung der Minderheit handelt, von den Herren vom Zentrum, die unter Windhürst, Mallinckrodt und den beiden Reichensperger in der Minderheit waren, niemand das Wort ergriffen hat.(Lebhafte Zustimmung links.) Abg. Strosser(k.): Ich muß gesteh«?, daß ich nach der Ver° gangenheit des Herrn Müller-Sagan gar nicht gewöhnt bin, daß er für die Sozialdemokratie solche Kraftworte braucht. Die Minderheit ist hier noch niemal» geknebelt worden. Die Sozial- bcrnokraten machen nur von ihrer Redefreiheit einen Gebrauch, wie keine andere Partei, und einen oft genug ungehörigen Gebrauch. (Bravo  ! rechts; Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Porsch(Z.): Die Ausführungen des Herrn Müller- Sagan weife ich als Ueberhebungen zurück. Nachdem die Sozial» dcmokraten in der Generaldebatte sachlich nicht? Neues vorgebracht hatten und nur die zum Ueberdruh gehörten Beschimpfungen der Zentrumspartei   wiederholten(Sehr wahr! im Zentrum; Zurufe bei den Sozialdemokraten.), und nachdem bei der Spezialberatung keinerlei Anträge angekündigt waren, sahen meine Freunde kein sachliches Bedürfnis, die Debatte weiterzuführen. Abg. Schulze-Pelkum(k.): Ich habe die Wortmeldung deS Herrn Liebknecht angenommen und habe erklärt: Ich werde Ihre Meldung so zur Kenntnis nehmen. Das ge- nügt nach meiner Bkeinung vollkommen. Im übrigen möchte ich konstatieren, daß von einem direkten Auftrag deS Herrn v. Pappenheim   an die Schriftführer überhaupt keine Rede gewesen ist. Er hat mir den Auftrag gegeben, nicht in meiner Eigenschaft als Schriftführer, soiwern als Privat- mann, als Abgeordneter.(Stürmische Heiterkeit links.) Abg. Müller-Sagan(Fortschr. Bp.): Herrn Strosser erwidere ich. daß ich nicht für eine Partei gesprochen habe, sondern gegen die Knebelung der Minderheit.(Lärm rechts.) Wir haben solche KnebelungSversuche auch dem Zentrum gegenüber erlebt, und ich habe nur mein lebhaftes Bedauern darüber aus- gedrückt, daß die Partei, die einst für die Rechte deS Parlaments eingetreten ist, bei einer Debatte, wie der heutigen, vollständig versagt hat.(Sehr wahr! links.) Damit schließt die Geschäftsordnungsdebatte. Die WahlrechtS- vorlagc wird in der Gesamtabstimmung gegen dir Stimmen der Sozialdemokraten, Freisinnigen, Polen  , Nationalliberalen und Freikonservativen angenommen. Hierauf wird die zweite Lesung des Eisenbahnetats bei der allgemeinen Besprechung über die wirtschaftliche Seite des Etats fortgesetzt. Abg. Graf Moltke(fk.) tritt für eine Herabsetzung der Güter- tarife ein. Es müsse ein Ausgleich gefunden werden zwischen den finanziellen Interessen des Staates und den Interessen der Land- Wirtschaft und Industrie an dieser Tarifermäßigung. Eisenbahnminister». Breitrabach betont, daß ein erheblicher Prozentsatz der Güter heute schon zu AuSnahmetarifen befördert werbe. Es werde stets vorher die Tariskommission gehört. Abg. Wallenborn  (Z.) begrüßt es, daß bei der schlechten Kon» junktur keine Arbeiterentlassungen stattgefunden haben. Ein« generelle Herabsetzung der Tarife halten wir für nicht angebracht. Abg. Macc»(natl.) hofft, daß der Minister die berechtigten Wünsche des Publikums auf Verbesserung des Personenverkehrs berücksichtigen werde. Eine Hauptaufgabe der Eisenbahnverwal- tung ist die Förderung des Jndustrieerports, Ermäßigung der Tarife schmälert die Bahneinnahmen nicht, weil sie zur Ver- inchrung der Transporte führt. Minister v. Brcitenbach: Gegenüber der gestrigen Anfrage deS Herrn Borgmann über die Schließung des Bahnhofs Treptow am 6. März habe ich mitzuteilen, der Bahnhof Treptow   ist im Umbau. Unter dem Bahnhof führt ein Tunnel hindurch, der in den Trep- tower Park und nach der Berliner   Seite führt. Der Tunnel wurde an dem Tage geschlossen, weil man befürchtete, das Publikum werde im Gedränge das im Tunnel aufgestellte Gerüst umwerfen. Am Nachmittag war der Bahnhof gepreßt voll und der Zugang zu der Abfertigungsstelle völlig gesperrt. In solchen Fällen ist es allgemein üblich, eine Absperrung vorübergehend vorzunehmen. Und so ist es auch an jenem Sonntag dreimal d bis lv Minuten zur Absperrung gekommen. Daß dabei die Polizei mitgewirkt hat, ist selbstverständlich. Ein unzulässiges Eingreifen des Berliner  Polizeipräsidenten hat nicht vorgelegen. Die Anordnung, daß die Ausstellung von Arbeiterrückfahrkarten über öl) Kilometer der Ge- nehmigung des Ministers bedarf, hat stets die Zustimmung dieses Hauses gefunden. Hierauf vertagt das Haus öie Weiterbcratung auf Mitt- wcch, n Uhr. Außerdem kleinere Vorlagen. Schluß S Uhr_ An die sozialdkmokratischen Aersie und Aeritinnen des Deutschen Reiches! Mehrfachen Wünschen zufolge findet am Sonnabend, den lS. April, abends 7Va Uhr, im Gewerkschaftshause, Engelufer 14/15, eine Besprechung zwischen den sozialdemokratischen Lerzten und Arbeitervertretern statt Über das Thema: Reichs- Versicherungsordnung, Aerzte und Krankenkassen. Einleitende Referate: 1. ReichSversickierilngSordnung und Krankenkasse: Albert Cohn- Berlin. 2. ReickSverstcherungSordnung und Aerzte: Epstein» München  . 8. Aerzte und Krankenkasse: Z a d e k» Berlin  . Die ReichStagSfraktion ist eingeladen. Zu dieser Besprechung lade ich olle der Partei zugehörigen Kollegen hiermit ein und bitte um zahlreiches Erscheinen. Mit Parteigruß Dr. Zadel. Tel. IV. öSSV. s. 14, Dresdener Str. 109. Versammlungen. Die Lohnbewegung i« der Herrenkonfektion. Am Montag fand im großen Saal desElysium" in der Landsberger Straße eine zahlreich besuchte Versammlung der Herrenkonfektionsschneider und-Schneiderinnen statt, in der Kunze über den Stand der Bewegung berichtete und die Grund- sätze darlegte, die für die weitere Einführung und strikte Durch- tührung der Tarife maßgebend sein müssen. Abgeschlossen sind die Tarife bis jetzt bei 13 Firmen, die ungefähr 2000 Arbeiter beschäftigen; schon in Kraft getreten sind sie bei den Firmen S. Adam, Bender u. Gattmanu, Machol u. Lewin, S. Reichmann und Schulmeister. Bei Elsbach Nachf., Hugo Herrmann  , Stern Gebr. und Adalbert Stier treten sie am 15. April in Kraft, und bei C o h n u. S o h n gilt der Tarif vom 1. Mai ab. Dem Abschluß nahe sind die Tarife bei Alb. G r a e tz und Pohl u. S ch m i d t. wo sie am 15. April in Kraft treten sollen, ebenso bei Max L e s s e r und bei Kaufmann u. Co. Von der Firma Jean Popper steht die Antwort noch anS. Im übrigen sind die Tarife noch bei mehreren anderen Firmen eingereicht. Bei der Einreichung der Forderungen wird jetzt immer darauf gedrungen, daß der Tarif spätestens innerhalb vierzehn Tagen durchberaten und endgültig abgeschlossen sein muß. Häufig wird von den Arbeitgebern bei Tarifverhandlungen be- hauptet, daß sie bei den verlangten Löhnen überhaupt kein Ge« schäft mehr machen könnten, daß die ganze Konfektion aus Berlin  verdrängt würde usw. Gleichzeitig klagen die Konfektionäre jedoch über Arbeitermangel, wünschen sehnlichst, daß man ihnen nur recht viel Arbeitskräfte heranschafft, und erklären sich bereit, Reisegeld und anderes zu bezahlen, wenn sie nur Leute genug erhalten. Demnach muß die Konfektion doch noch immer gewinnbringend sein. In allen Tarifen für die Herrenkonfektion Berlins   ist der Ablaufstermin auf den 1. März 1913 festgesetzt. Es ist jedoch da- für gesorgt, daß jederzeit Ergänzungen und Nachträge zum Tarif durchgeführt werden können, so daß, wo in den Tarifen bestimmte Arbeitcrgruppen, weil sie bisher noch nicht das nötige Interesse gezeigt hatten, nicht mit einbezogen wurden, ihre Lohn- und Arbeitsverhältnisse nachträglich regeln können. Der Schneider- verband befolgt bei der ganzen Bewegung den Grundsatz, nicht? zu unternehmen, wozu er nicht von den Beteiligten selbst auf- gefordert wurde, und wenn in einem Geschäft eine bestimmte Gruppe von Arbeittern oder Arbeiterinnen sich nicht um die Be- wegung kümmert, so ist eS ja auch bei der Verschiedenheit der Arbeit in den verschiedenen Geschäften unmöglich, für sie den Tarif zweckentsprechend auszuarbeiten.»- Manche Arbeitgeber haben sich dem Glauben hingegeben, daß sie von der Tarifbewegung überhaupt verschont bleiben würden, und manche glauben das jetzt noch. Der Redner ließ keinen Zweifel daran, daß auch die gegen» wärtig noch nicht erfaßten Geschäfte alle zum Tarifabschluß heran» gezogen werden, und zwar so. daß in jedem Fall auf schleunige Erledigung gedrungen wird. Ferner machte der Redner ganz be- sonders darauf aufmerksam, daß auch in solchen Geschäften, wo der Tarif bereits abgeschlossen ist, Konflikte zu erwarten sind. Jetzt schon sind in mehreren dieser Geschäfte Differenzen und Konflikt« über die Auslegung und Anwendung des Tarifs vorgekommen. Im Referat sowohl wie in der Diskussion wurden verschiedene solcher Fälle angeführt, die bewiesen, wie sehr es notwendig ist. daß die Arbeiter jederzeit auf dem Posten sind und daß in strittigen Punkten nicht der einzelne allein entscheidet, sondern seine Kollegen und eventuell die Kommission zu Rate zieht. Bei jeder Lohnzahlung hat der Arbeiter genau nachzurechnen, ob alles mit dem Tarif übereinstimmt, und wenn es nicht der Fall ist, sofort dafür zu sorgen, daß der Tarif voll zur Geltung kommt. Nament- lich ist darauf zu achten, daß keine Verschiebungen von einer Serie in die andere stattfinden. Eine Lohnberechnung, die sich zwischen zwei Serien bewegt, ist nickt zulässig, da sonst die strikte Durch. sührung der Tarife unmöglich gemacht wird. Die Tarife liegen jetzt für sieben Firmen gedruckt vor und kamen in der Persamm- lung zur Ausgabe. Für die übrigen Firmen werden sie bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens ebenfalls gedruckt vorliegen. Bei den Geschäften, die bis jetzt von der Tarifbcwegung erfaßt sind, handelt es sich hauptsächlich um die bessere Herrenkonfektion. Die Stapelkonfektion ist jedoch keineswegs von der Be- wegung ausgeschlossen. Ein Tarif, der für die allgemeine Rege- lung der Lohnverhältnisse in der Stapelkonfektion als Grundlage dienen wird, ist bereits abgeschlossen. Serickts- Leitung. May wider LebiuS  . Der Schriftsteller Karl May   aus Dresden   klagte gestern bor dem Charlottenburger   Schöffengericht gegen den Redakteur Rudolf Lebius   wegen Beleidigung. Gegenstand der Beleidigungsklage bildete ein Brief, welchen der Beklagte an die Kammersängerin Fräulein vom Scheidt gerichtet und in welchem er den Kläger als einengeborenen Verbrecher" bezeichnet hatte. In der Verhandlung trat Rechtsanwalt Paul Bredereck   als Vertreter des Beklagten einen Wahrheitsbeweis an, in welchem er unter anderem folgendes zum Vortrag brachte: Karl May  , welcher in Hohenstein-Ernstthal   im sächsischen   Erzgebirge   als Sohn einer Hebamme geboren ist, habe schon von Jugend auf einen starken verbrecherischen Trieb an den Tag gelegt. Wegen verschiedener Diebstähle in einem Lehrerseminar sei er das erste­mal zu sechs Wochen Gefängnis bestraft worden. Bald darauf sei er wegen eines Einbruchs in einen Uhrmacherladen zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Er habe sich dann mit einem Deserteur namens Krüpel, der aus der Regimentskasse IM Taler gestohlen habe, verbunden und habe mit diesem eine Räuberbande gebildet, in der er der Oberführer war. Diese Bande sei bald der Schrecken der ganzen Gegend geworden, habe Marktfrauen überfallen und zahllose Einbrüche begangen� so daß schließlich die beteiligten Städte um Abssndung von Militär baten. An dieser May-Jagd hätten sich unter anderem auch die Hohensteiner Feuer- wehr und mehrere Turnvereine beteiligt. Der Schlupfwinkel der Mayschen Räuberbande sei eine mit MooS und gastohlener Leine- wand austapezierta Höhle in dem Waldenburgischen Walde ge- wesen. May und Krüpel seien der militärischen Razzia damals durch folgende List entgangen. May zog sich eine sächsische Ge- sangenaufseheruniform an, fesselte dann seinem Freunde Krüpel die Hände und passierte so die Militärkette. May habe sich in seiner Räuberhauptmannsrolle so gefallen, daß er wiederholt, um dem Leuten einen Schrecken einzujagen, auf die Wirtshaustische ganz 4 la Schinderhannes geschrieben habe:Hier haben May und Krüpel gesessen und haben Brot und Wurst gegessen. Karl May  . Räuberhauptinann." Krüpel wurde seinerzeit dann er- wischt und zu 22! Jahren Zuchthaus verurteilt. May selbst wurde erst später gefaßt und erhielt nochmals vier Jahre Zuchthaus, die er bis zum Jahre 1874 in Waldheim   verbüßte. Als May aus dem Zuchthause herauskam, sei er auf den Gedanken gekommen, seine Verbrechererinnerungen in Form von Kolporta�eromanen heraus- zugeben; gleichzeitig habe er für den katholischen Verlag von Pustet in Augsburg   fromme katholische Erzählungen geschrieben, obwohl er selbst Protestant ist. Hierdurch habe er Eingang in höhere Kreise erhalten und sei bald zum berühmten Weltreisenden geworden. So habe ihn unter anderem die sehr fromme Fürstin von Waldenburg mahrmals auf ihr Schloß eingeladen und ihn in ihrem fürstlichen Wagen vom Bahnhofe abholen lassen. Später habe sich May sogar auf Grund einer gefälschten Urkunde den Toktortitel beigelegt und habe es sogar fertig gebracht, zu den näheren Bekannten der Schwester des jetzigen Königs von Sachsen  zu zählen. Für diese Angaben beantragte Rechtsanwalt Bredereck die Hinzuziehung der Gerichtsakten gegen May und die Ladung mehrerer Zeugen aus Hohenstein-Ernstthal  , München   und Dresden.   Der Kläger May erklärte: Wenn alles wahr wäre, was mir hier eben vorgeworfen worden ist, so würde ich nicht mehr leben, sondern wäre längst ein toter Mann, da dann eine Revolverkugel gut genug ist. Ich habe allerdings Strafen ver- büßt, aber nicht diese, die mir hier vorgeworfen werden. Im Interesse eines Prozesses, den ich führe, will ich mich hierüber nicht äußern." Der Beklagte LebiuS   führte zur Charakterisierung des Klägers folgendes an: Die Redaktion deS Dresdener Adreßbuches habe vor einiger Zeit bei dem Polizeipräsidenten von Dresden  angefragt, ob May tatsächlich der Doktortitel zustände. Der Polizeipräsident habe darauf erwidert, daß die ganze Sache Schwindel sei. May selbst sei ein literarischer Hochstapler und gefährlicher Verbrecher. Wenn dies selbst ein Polizeipräsident wörtlich antworte, so habe er nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, die wahre Persönlichkeit deS May an die breiteste Oeffent- lichkeit zu ziehen. Die Bücher des Klägers, welche nicht nur von der deutschen Jugend verschlungen würden, seien die Vorläufer der jetzigen Schundliteraturseuche und der Nick Carter, und ähn- lichen Geschichten. Dieser tiesgehenden Einwirkung eines solchen Mannes auf die deutsche Jugend müsse mit aller Schärfe ent» gegengsarbeitet werden. Nach diesen Erklärungen der Parteien zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Der Vorsitzende verkündete dann ein auf 15 M. Geldstrafe lautendes Urteil. Rechtsanwalt Bredereck protestierte energisch gegen diese Urteilsfällung, da sich der Vorsitzende offenbar in einem Irrtum befunden habe. Seine Erklärungen hätten lediglich einen Bs- weisantrag dargestellt, während er zur Sache selbst überhaupt noch nicht gesprochen habe, und er außerdem auch noch die Widerklage erheben wollte. Der Vorsitzende erklärte, daß er eine darauf hinausgehende Erklärung des Verteidigers überhört habe. Das schon gefällte Urteil wurde deshalb vom Gericht für ungültig er- klärt. Rechtsanwalt Brederrck führte in seinem Plaidoyer aus, daß nach Lage der Sache der Wahrheitsbeweis als völlig geführt anzusehen sei und der Beklagte, der in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe, freizusprechen sei. Das Gericht Mob sich dem an und erkannte auf Freisprechung. Ein Giftmordprozetz wurde zum zweitenmal am Montag vor dem Görlitzer Schwur» gericht verhandelt. Wegen Giftmordes angeklagt war der Hütten» arbeiter August Tschammer aus Bvaunsoorf bei Muskau  . Die erste Verhandlung endete im Oktober mit her Einstellung de» Verfahrens. Die Geschworenen hatten die Schuldfrage auf Bei- bringung von Gift verneint. Es lag demnach nur einfache Kör- perVerletzung vor, zu der kein Strafantrag vorlag und in der Hauptverhandlung nicht gestellt wurde. Gegen die Einstellung legte die Staatsanwaltschaft Revision beim Reichsgericht ein, welches die Angelegenheit an das Schwurgericht in Görlitz   zu erneuter Verhandlung verwies. Der Anklage lag folgender Sachverhalt zugrunde. Die Tschammerschen Eheleute, seit 1886 verheiratet, hatten öfters Streitigkeiten. In der Nacht warf der Mann die ganze Familie auf die Straße. Später verliehen alle das Familienoberhaupt und mieteten sich anderswo ein, nahmen später den Angeklagten aber wieder bei sich auf. Am 25. Juli entstanden zwischen den Söhnen. und dem Vater Differenzen, die dazu führten, daß dieser von seinen Söhnen verprügelt wurde. Tschanimer ging fort. Bei seiner Heimkehr am Abend entnahm er einem Glase im Küchen- schrank ein etwa fingergliedlangcs Stück Arsenik  . Er hatte es mit aus der Glashütte gebracht, um in feinem Hause Ratten zu ver- giften. DaL Arsenik legte er in einen Topf mit kaltem Kaffee. der in der Küche stand und von dem er wußte, daß dieser am nächsten Morgen aufgewärmt und von seinen Angehörigen ge» trunken wird. Dieser Fall trat denn auch ein. und kurz darauf erkrankte die ganze Familie. Unwohlsein. Erbrechen und Schwäche. zustände traten bei der Frau sehr erheblich, bei den Kindern weniger stark ein. Die als Zeugen geladenen Kinder und die Ehefrau machen von ihrem Verweigerungsrecht Gebrauch. Apo- theker Manno aus Muskau  , der den vergifteten Kaffee untersucht lK»t. gibt an, daß die darin enthaltene Avsenikmenge wohl genügt hätte, auf alle Angehörigen tödlich zu wirken. Nur daß das Arsenik nicht ganz aufgelöst war, trug dazu bei, die Folgen schwächer eintreten zu lassen. Die Geschworenen verneinten die Schuld- frage auf Giftbeibringung, bejahten aber die auf lebensge- fährdende Behandlung. Der Angeklagte wurde wegen Körperverletzung mittelst einer das Leben gefährdenden Behandlung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Wegen Fluchtverdachts in Anbetracht der Höhe der Strafe wurde der Angeklagte in Haft genommen. Cingegangene vruckfckrlfren. Anselm Feucrbach-Werk. 10 Lieferungen mit je 8 Blatt?ld- bildungen ln Kunstdruckausstattung. Biographische Würdigung von Dr. Herm. Uhde-Bernay« Lieferung 2.50 M. F. Hansstungel. München  . Die Kampforgantsationen Nen-PolenS. Von M. Spatz, Staat»- anwalt in Gnejen. 8 5 Bogen. Preis 1,50 M. J. F. Lehmann» Verlag in Münch«.