Kr. 128. 27. Zahrgasg.ijtilgt drs ArMs" Kerlim WIksMSonnabend, i. Inn! 1910.Mbgeordnetenhaiiö»77, Sitzung vom Freitag, den 3. Juni,vormittags 11 Uhr.Am MImstertisch: Finanzminister Freiherr b. Rheinhaben.Nach debatteloser Erledigung der Gesetze betreffend das Höfe-recht im Kreise Grafschaft Schaumburg sowie betreffend die Aenderungder Landgerichts bezirke 5krefeld-Kleve und München-Gladbach indritter Lesung, folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs betreffenddie Reisekosten der Staatsbeamten.Nach der Vorlage sollten an die Staatsbeamten bei DienstreisenTagegelder von 35 M. für aktive Staatsminister, von 28 M. fürBeamte der ersten Rangklasse und 22 M. für Beamte der zweitenund dritten Rangklasse gewährt werden. Die Kommission hat dieseSätze auf 30, 25 und 20 M. erinähigt.Die Abgg. Dr. Lohmann snatl.) und Freiherr v. Maltzan(k.)beantragen Wiederherstellung der Regierungsvorlage in diesenPunkten.Nach längerer Debatte, in welcher Finanzminister Freiherrv. Rhcinbaben für den Antrag Maltzan eintritt, werden unterAblehnung des Antrages Maltzan die Kommissionsbeschlüsse an-genommen.Im ß 3 wird bestimmt, daß die Beamten bis zur 5. RangklasieN Pfennig pro Kilometer erhalten, wenn sie 1. Klasse fahren, sonst7 Pfennig.Abg. v. d. Osten(l.) beantragt, den früheren Zustand wiederherzustellen, wonach diese Beamten S Pf. pro Kilometer ersetzt bekamen, aber berechtigt waren, in einer niedrigeren Klasse als derersten zu fahren und die Differenzen zu ersparen. Man sollte nichtin dieses wohlerworbene Recht der Beamten eingreifen.Finanzminister Freiherr v. Rheinbabcn bekämpft den Antrag.Es handele sich keineswegs um wohlerworbene Rechte und legitimeNebeneinnahmen. Die Bestimmung bedeute eine Ersparnis vonMillionen, sie entspreche den früher geäußerten Wünschen des Hauses.Ohne diese Bestimmung sei.die Vorlage füv die Regierung unan-nehmbar.Der Antrag v. d. O st e n wird gegen die Stimmen eines Teilsder Rechten und einiger Nationalliberaler abgelehnt, derKommissionsbeschlust angenommen.In§ 6 hatte die Kommission eine Bestimmung neu hinzugefügt,wonach bei Reisen von 2—8 Kilometern, die nicht per Eisenbahnoder Schiff gemacht werden können, die Fahrkosten für 8 Kilometerzu gewähren sind.Ein Antrag Dr. Loh m�a n n snatl.), diese Bestimmung wiederzu beseitigen, für den sich auch der Finanzminister ausspricht, wirdabgelehnt; es bleibt bei dem Kommissionsbeschlust.Auch im übrigen werden die KommissionSbeschlüffe an»genommen.Ein Antrag v. Savignh(Z.), die Regierung zu ersuchen, ander Universität Berlin das bestehende Extraordtnariat fürKolonialrecht in ein Ordinariat spätestens im nächstenEtatsjahr umzuwandeln, wird unter Streichung der Worte»spätestensim nächsten Etatsjahr' angenommen.Es folgt die Beratung eines Antrages Prinz zu Löwen»pein-Wertheim- Freudenberg(Z.) und Hammers!.),wonach das bedingte Borschleuserecht nur solchen Fahrzeugen ge»währt werden soll, welche als Hauptladung Güter erster und zweiterKlasse des Gütertarifs an Bord haben, in ganz dringenden Fällenauch anderen Schiffen gegen Bezahlung der Gebühr von Schiffen mitLadung erster Klasse.Abg. Prinz zu Löwenpem sZ.) bittet um Annahme des Anträges im Interesse der klemen Schiffer, die noch treue Untertanenseien.Die Abgg. MathiS snatl.), Dr. Wagner sfk.) und Schepp(Vp.)unterstützen den Antrag.Ein Regierungskommissar sagt eingehende Prüfung der Frage zu.Ein konservativer Schlustantrag gilt nach der Geschäfts-ordnung als a b g e l e h n t, da das Bureau über das Resultat derAbstimmung zweifelhaft ist.Abg. Lemert sSoz.): Sie haben durch Ihren Schlustantragwieder bewiesen, dost Sie die Geschäftsordnung des HauseS lediglichnach den Grundsätzen der Gewalt handhaben wollen.(Sehrwahr! bei oen Sozialdemokraten.) Für den Antrag werden wirstimmen, obgleich wir im Grunde genommen das Borschleuse-reckt überhaupt beseitigt wissen wollen. Das Grohkapitalmacht stch die Borteile dieses Rechts zu nutze und die kleinenkleines feuilleton.Charlottenburg, 3. Juni.(W.jT.B.) Der Dichter Professor Julius Wolff ist heute früh 8 Uhr gestorben.JuliuS Wolff ist 75 Jahre alt geworden, und bis zuletzt hat ersich eine gewisse Fruchtbarkeit bewahrt, eine Fruchtbarkeit, der gutgedrechselte Rhythmen, saubere Reimlein, wohlgesetzt« Worte ent»sprossen, wohingegen eS mit dem, was man poetische Erfindungsgabenennt, bei Wolff nicht gerade weit her war. Und der Dichter istklug genug gewesen, keinen grosten Wert aufS Finden eignerStoffe zu legen— weise beschränkte er sich im allgemeinendarauf, zu verdichten, was deutsche sund wohl auchfremde) Ueberlieferung und Sage in ihrer reichen Schatz-kammer birgt: Rattenfänger von Hameln. Till Eulenspiegel,Loreley, Tannhäuser, fliegender Holländer, wilder Jäger.... SeineLyrik ist und blieb das, was unsere.höheren Töchter'— Wolffsbesondere Verehrerinnen— als.einfach füst' zu belobigen pflegen;seine Romane sind nicht schlechter, teilweis sogar besser als derdeutsche Durchschnittskram, und wenn man dieien oder jenen etwaam Spielplatz der Handlung liest— auf den Bergen des Harzes,im wilden Wald—, so könnte man für ein paar Stunden meinen,WolffS Dichterkraft sei doch vielleicht grost und echt gewesen. Legtman aber sein G e s a m t w c r k auf die Wage, dann must er als zuleicht befunden werden, weil all' sein Klingen, Singen und Springensich und uns doch über unwahre Romantik nicht hinaushebt,weil all' das fahrende Ritter- und sausende Reitertum, all'das Landsknechtswesen, die geleckten Schlösser und Burgen undvollends die Pvesei der Bauernkriege flittrig und unwahr zuiammen-geraspelt ist. Dast Wolffs Bücher— der Dichter sang ja nicht nur.süst', sondern auch.vaterländisch'— dast Wolffs Bücher undBcrleger viele Auflagen machten, daß Hunderttausende von.Wölffen'auf das deutsche Volk zwar nicht, aber doch aufs deutsche.Publikum' losgelassen worden sind, das ändert ganz gewiß nichtsan unserem Urteil über den Mann, der jetzt dahingegangen ist. Erkam aus dem Berufe des ehrsamen Tuchhändlers in die Dichtkunst,und er hat nach wie vor, hier wie dort von Saison zu Saison seineWare auf den Markt gebracht, nur daß die Stoffe, die derFabrikant Wolff fertigte, dauerhafter gewesen sein dürften alsjene, die der Dichter Wolff geschaffen bat; denn eigentlich istschon die Generation von heute über ihn zur Tagesordnung über-gegangen, und für Leute von literarischem Geschmack bedurfte eSgar nicht erst des Zorns der Stürmer und Dränger aus den 80erund SO er Jahren des 19, Jahrhunderts, die den Alten mit ganzüberflüssiger Erbitterung unter die Räder warfen. Paul Heyse hatgegen Julius Wolff und seinesgleichen die Worte gegrägt:.Der Maskcntrödel, guter alter ZeitEntlehnt, birgt nun moderne Nichtigkeit.Da schleift und stelzt ein blöder Mummenschanz,Ein Landsknechtminnespiel und.Gowenanz'Mit Hei! und Ha I und Phrasenspuk verbrämt,Der totem Kunstgebrauch sich anbequemt.Existenzen gehen dabei zugrunde. Hier zeigt sich wiedereinnial, daß nicht die Sozialdemokratie eS ist, diedie kleinen Leute vernichten will, sondern das von der Regierungunterstützte Großkapital. Das ist zynisch in einer Eingabe derZiegeltransportgesellschaft zugegeben. Den kleinenSchiffern ist nicht zu helfen durch schwimmende Kirchenund Kinderheime, wie man es versucht hat. Wir haben denEindruck, daß der Antrag in dem jetzigen Zeitpunkt sehr nach Wahl-Politik aussieht.(Oho! rechts; Sehr wahr! bei den Sozialdemokr.)Die Regierung erklärt, sie werde die Sache eingehend würdigen.Das habe ich schon im vorigen Jahre von dem Minister gehört. DieRegierung braucht also ein ganzes Jahr, um zu prüfen,ob sie für die kleinen Leute in der Schiffahrt ein-treten so I l. Mit solchen Anträgen wird es Ihnen doch nichtgelingen, die kleinen Schiffer zu sich hinüberzuziehen. Prinz Löwen-stein nannte sie bezeichnenderweise gute„Untertanen', während wirdoch heute nur gleichberechtigte Staatsbürger haben. Die kleinenSchiffer sind zur Sozialdemokratie gekommen, weil alle anderenParteien dieses HauseS das Großkapital begünstigen, das ihre Existenzvernichtet.(Sehr wahr I b. d. Soziald.) Trotzdem wir uns alsovon dem Antrag keine besondere Wirkung versprechen, werden wirdafür stimmen, um unseren prinzipiellen Standpunkt zum Aus-druck zu bringen, dast wir die Beseitigung des Privilegs für dasGroßkapital wünschen.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Abg. Dr. Wagner(frk.): Ich bewundere die Fähigkeit meinesHerrn Vorredners, über eine rein wirtschaftliche Sache eineWahlrede zuhalten.(Sehrqut! rechts; Lachen b. d. Soz.) Das hättenwir auch tun können. Die kleinen Oderschiffer stehen uns sehrfreundlich gegenüber.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Haben Siedie geheime Wahl kontrolliert?) Ich protestiere gegen den Vorwurfder Wahlpolitik.(Bravo! rechts.)Ein erneuter Schlustantrag wird angenommen;ebenso einstimmig der Antrag zu Löwenstein. Darauf vertagtsich das Haus. Nächste Sitzung: Sonnabend 12 Uhr.(KleinereVorlagen, Anträge, Petitionen.) Schluß i'/o Uhr.InterDalioDakr Nohmingsstongrelj.Wenn ernstes Streben an die Lösung sozialer Problemeherangeht, gerät es immer in Widerspruch mit kapitalistischenInteressen. Und will man diese nicht verletzen, kommt man mitdem besten guten Willen und sozialem Gefühl in der' Bekämpfunggesellschaftlichen Schäden nicht weit. Das zeigte sich auch aus demin den Tagen vom 30. Mai bis 2. Juni in Wien abgehaltenenInternationalen Wohnungskongreß, der sehr zahlreich beschickt war.Deutschland allein hatte 70 Vertreter entsandt. Die Bedeutungder Tagung liegt auf kritischem Gebiet. Vieles von dem wasgesagt wurde, können wir vollinhaltlich unterschreiben, besondersdas, was einzelne Redner über die physischen und moralischenSchäden des Wohnungselends ausführten und was Dr. Mangoldvon dem preußischen Dreiklassenwahlrecht als größtes Hemmnisauch auf dem Gebiet der Wohnungsresorm sagte. Nachfolgendgeben wir den Hauptinhalt der Referate wieder. Der öfter-rcichische Minister der öffentlichen Arbeiten Aug. Ritt sprach überdie formal rechtliche Seite der Frage. Er bemerkte dazu:DaS Charakteristische der Wohnungsfrage scheint mir darinzu liegen, daß zwar die schlechten Wohnungsverhaltnisse einanderdurchaus gleichen von Land zu Land, von Stadt zu Stadt; daßauch im einzelnen stets dieselben beklagenswerten Mängel wieder-kehren, daß aber anderseits die Mittel, diesen Schäden beizukommen,in ihren Formen so vielgestaltig sind, als eSRechtssystemegibt. Den Begriff Jurisprudenz selbstverständlich hierim weitesten Sinne des Wortes gefaßt als die Lehre, die nichtnur die abstrakten Rechtsnormen, sondern auch die lebendigen Or-ganisationsformen für das neue Recht schafft. Der Architekt wirdden Forderungen der Heilwissenschaft zu folgen haben. DieseForderungen erschöpfen sich in dem Begehren nach Luft undLicht. Als erschwerend kommt noch hinzu, daß auch die heimi-schen Wohnsitten beachtet werden müssen. Die Schwierigkeiten sindtatsächlich so bedeutend, daß das scheinbar Selbswerständliche mitRecht zu einer Forderung im Namen des Gemeinwohls erhobenwerden konnte, eine Forderung, die zu lösen die Architekten allerKulturstaaten mit vereinten Kräften dauernd bemüht sind.Justizminister a. D. Dr. Klein sprach über dieZiele der internationale» WohnungSfllrsorge.Unsere Versammlung ist ein Protest dagegen, daß daS furchtbareWohnungselend, das man kennengelernt hatte, als die selbstver-ständliche Unterschicht des Glanzes und der Regsamkeit der großenStädte angesehen und hingenommen wird. Charakteristisch fürdie gegenwärtige Phase der Reformbestrebungen sind zwei Dinge:das Prinzip der Wirtschaftlichkeit und eine ganz eigenartige Ver-Bindung von Selbsthilfe und Beistand Dritter. Die Selbsthilfebietet so viele Vorteile, daß es nicht ratsam wäre, darauf zu ver-zichten, wobei wir unter Selbsthilfe natürlich auch die Geniein-nützigkeit verstehen. Zur Wohnungsreform ist bor allemBauland und Kreditnötig. Die gemeinnützige Bautätigkeit kann nicht immer die Be-wegungen des Marktes mitmachen, sie muß Grund und Boden undKredit für Volkswohnungen zu Bedingungen suchen, die der spekula-tiven Steigerung entrückt sind, weil sie nicht selbst spekuliert undgegen die Preissteigerung sich nicht bei ihren eigenen Abnehmerndecken kann. Gegenüber dem Markt- und Preistreibcn ist die fürdie bescheidensten Budgets arbeitende Selbsthilfe mit ihrem Lateinbald zu Ende. Findet sie dagegen keinen Schutz, so werden ihrebesten Absichten 90 unter lOOmal zunichte werden. Es gibt keinAusweichen, kein Vorbeidrücken. Man muß sich dafürerklären, oder man ist dagegen. Wir fordern für uns nicht dasgeringste, alles nur für die Gemeinschaft. Auf die Dauer kannkein Staat zurückbleiben, er wird von dem Beispiel der anderenfortgezogen.Auf die Eröffnungssitzung folgte die erste Arbeitssitzung. Vonden vier Verhandlungsgegenständen gelangte an erster Stelle dieFrage zur Beratung:„Kommunale Wohnungspolitik".Es sind hierzu zahlreiche Gutachten und Referate eingeholtworden, darunter auch eins von Dr. Altenrath- Berlin,Dezernent der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, über die Fort»schritte auf dem Gebiete des Wohnungswesens in Deutschland.Die Wohnungsaufsicht ist nur in ganz kleinenTeilen Deutschlands wirklich durchgeführt, in anderen:m Werden begriffen, im größten Teile aber überhaupt noch nichtin Angriff genommen. Die gemeinnützige Bautätigkeit ist zwarin Fluß gekommen, aber zu tiefer greifenden Wirkungen noch nichtgelangt. Die Lösung der Kreditfrage für den Kleinwohnungsbauüberhaupt ist noch garnicht in Angriff genommen.Oberbürgermeister Dr. v. Wagner- Ulm führte auS: Wenndie Gemeinden eine gesunde Wohnungspolitik treiben wollen, soist unerläßliche Voraussetzung, dieWohnungsinfpektion»die vernünftige Erschließung von Bauland und die Erwerbung vonGemeindegrundeigentum. Die Erkenntnis bricht sich immer mehrBahn, daß die Gemeinden möglichst viel Bodenflächen zu erwerbensuchen müssen, dann wird die Gemeinde auch ganz allgemein Wirt»fchaftliche und finanzielle Vorteile davon haben. Der Vorteil-derStädte ist es, daß sie dabei Herrin ihrer Gemarkungen sein kön-nen, daß sie Bauordnungen erlassen können und Bauland er-fchlietzen können. Redner verweist darauf, daß in der Stadt Ulmdie Sterblichkeit in der Altstadt 15 bis 16Proz. betrage, inden neuen Arbeitervierteln nur 5 bis 3 Proz.(Hört! hört!)!Die Gemeinde ist in erster Linie dazu berufen, und imstande, dieBefriedigung des Wohnungsbedürfnisses unter den Volksschichteninsbesondere im Sinne der Schaffung von Arbeitereigenhäusernnach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse so zu vollziehen.Die Besteuerung des Konjunkturgewinns der Liegenschaften unddie Steuer auf unverdienten Wertzuwachs ist das Vorrecht derGemeinden.(Beifall und lachen.)Oberbürgermeister Marx-Düsseldorf: Unentbehrlich für dieLösung der Frage des Wohnungsbaues ist die private Bautätigkeit.Jede Belastung des Verkehr? muß notgedrungen die Bautätigkeitvermindern. Ich bin darum zwar ein Freund der Boden-besteuerung, aber niemals der Bodenverkehrsbesteuerung.(Leb-hafter Beifall eine? Teiles der Versammlung.) Diese wird woh-nungspolitisch niemals von Vorteil sein können. Von diesem Ge-sichtspunkt verwerfe ich nicht nur die Umsatzsteuer»sondern auch die Wertzuwachs st euer.(Demon-ftrativer Beifall eines Teiles der Versammlung.) Schon heute istdie Klage über die Abwanderung des Kapitals vom Immobilien-besitz zu den Jndustriepapieren allgemein.!Bürgermeister Weißenborn. Halberstadt wendet stch gegenOberbürgermeister Marx, um nicht die Ansicht aufkommen zuO wie den Herr'n, die nichts zu sagen hatten,Die fremde Schnörkelrede kam zu statten I'Die Nachwelt wird Julius Wolff— wenn überhaupt— unterden Sternen nennen, die nur mit bewaffnetem Auge zu sehen sind.G. D.Theater.Kammerspiele(Sommerdirektion Geher).»Jakobund Kri st offer'. Komödie von Peter Egge.— Derwuchtigen Bjönisontragödie„lieber unsere Kraft', mit der Geher imDeutschen Theater seine Aufführungen eröffnete, ließ er in denKammerspielen die anspruchslose, doch sauber gearbeitete Charakter-komödie eines jüngeren norwegischen Autors folgen. DaS Stückchenhat keinen Ueberfluß an amüsanten Einfällen, aber dafür vermeidetes auch alle gewaltsamen Verrenkungen und Purzelbäume der Logik.Die angesponnene Situation wird gemächlich langsam unter klugerKombination von allerhand wohl möglichen Zufälligkeiten folge-richtig zur Lösung fortgeführt. AchnlichcS gilt von den Charakteren;sie haben keinerlei Finessen, die sonderlich interessieren könnten, stehenaber solid in volkstümlicher Einfachheit auf ihren Füsten.Der ebenso eigensinnige als gutmütige Jakob, ein kleiner ver»witweter Hosbesitzer, ist seiner verschlagenen, ränkesüchtigenMagd, die sichs in den Kopf gesetzt hat, Bauersfrau zu lverden, insGarn gelaufen. Daß er sie mit ihrer Härte, ihren boshaftenZänkereien im Grunde nicht ausstehen kann, hilft ihm nicht dasgeringste. Auf schüchterne Versuche, Eli abzuschieben, reagiert sieals verfolgte, von der bitterbösen Welt und Jakobs Verwandtenschnöd behandelte Unschuld mit kunstvollen Tränenströmen, die ihreWirkung auf Jakobs weiches Herz nie verfehlen. Der Erfolg istimmer, daß er sich in noch größere Wut gegen seinen Bruder undehemals besten Freund, den energischen Selfmademan Kristoffer, derEliS diebische Schleichwege durchschaut und Jakob die Augen öffnenmöchte, hineinredet. Der zu Haus von einem stärkeren Willenniedergezwungene Eigensinn schafft sich auf diese Weise nach außer-halb hin durch blind gehässiges Zurückstoßen jeder gutgemeinten WarnungLuft. Und die Abstumpfung natürlich-rcchtlichen Empfindens ist bei demschwachen Menschen schon so weit vorgedrungen, daß er eine vonKristoffer verlorene, von der Magd gefundene Geldsumme auf ihr Drängenals HeiratSgnt zurückbehält, Mitwisser und Mithelfer einer Unter-schlagung wird. Er fühlt, wie unglücklich er sich macht, aber er wagtnicht, zu widerstehen, bis endlich der Zufall wohlwollend ihn in einederbe Kur nimmt. Der Mantel, in den Eli. um vor Entdeckungsicher zu sein, die Banknoten einnähte, gerät in die Hände einesvon Größenwahn geschwollenen ObergaunerS, mit dem sie früherunter einer Decke spielte. Die Angst vor einer Anzeige schärst Jakobdas Gewissen. Gegen einen Schuldschein, dessen Einlösung ihnruinieren müßte, erhält er von dem findigen Erpresser das Geldzurück und überbringt es seinem Bruder. Der Versöhnung folgt einvon Kristoffer launig exekutiertes Strafgericht an den Uebeltätern,das den staunend zuhörenden Jakob von allen bösen Schreckgespenstern,dem Schuldschein wie der Heirat rasch befreit.ES wurde flott gespielt. DaS Brüderpaar, der humoristisch-welt-kundige Großhändler und der dumpf-verschlossene kleine Bauers-mann, kam in der Darstellung der Herren Guido Herzfeldund T i e d t k e plastisch lebensvoll heraus. Luise Werkmeisterfand manche treffende Nuancen für die Verschlagenheit der Magd.In der Rolle deS posterenden GaunerS und ehemaligen LakeienFlock brillierte B i e n S f e l d t S originell groteske Komik. St.Humor und Satire.Bonner Korpsstudenten.Schafft der Proletar im Grimm«Sich durch Fluchen einmal Lust,Schimpft nnt wuterstickter StimmeIhn der Schutzmann einen Schuft;Schleppt den naseweisen SprecherBor das hohe Tribunal,Das ihn straft als ErzVerbrecherFeste mit Gefängnisqual.Trank zuvor er gar noch Kümmel,Winkt das Zuchthau» ihm al» LohntAnders, wenn StudentenlümmelDem Gesetze sprechen Hohn.Lümmel, die im Rauscht tatenTierisch roh, mit wüster Kraft,Was man pönt in andern StaatmMit verschärfter Kerkerhaft.Welche Milde übt dagegen,Ha. das Landgericht in Bonn!Statt die Lümmel reinzulegen,Gehn sie ungekränkt davon.Ob sie tobten gleich BerserkernOb wie RowdieS schlugen drein:Nur mit höchstens achtzig MärkernWickelt die Justiz sie ein.Denn wa» kann hier Strenge nützen?Bloß durch Milde. daS ist klar,Zieht man stch heran die StützenFür den Thron und den Altar.Außerdem, ihr dummen Arier,Ist's ein Unterschied, ihr wißt,Ob der Mensch ein ProletarierOder Korpsstudente ist! Mich«!.Notizen.— Mit einem Nagel durchbohrt hat irgend einIndividuum in der„Neuen Sezession" das Gemälde„Ein Weib'des Malers Pechstein: dasselbe Bild, das jüngst von einem Spuck»Attentäter heimgesucht wurde. Die Herren Bilderstürmer machenda— hoffentlich unbewußt— Reklame für einen Künstler, dessenSchöpfungen sonst vielleicht gax nicht beachtet würden.— Philipp Joseph Pick, der berühmte Prager Haut-und Syphilis-Forscher, ist~ 76 Jahre alt— gestorben