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i!jn und erzählten geradezu haarsträubende Geschichten, in welch fürchterlicher Weise dieser Mensch sie bedrücke, wie grauenhafte Scheusäligkciten er sich zuschulden kommen lasse, ganz in der Art orientalischer Despoten. Nun hat freilich der Marsch auf Fez unsere deutschen   Kolonial- Patrioten in höchstem Matze beunruhigt. So äutzerte diePost" bereits am 21. März, sie setze ihre Hoffnung auf den Staatssekretär, der Mulay Hafid   klarmachen solle, er könne sich aufdie Unter- stützung Deutschlands   verlassen.(Hört! hört! bei den Soz.) Damals ahnte allerdings dieRheinisch-Westfälische Zeitung" noch nicht, datz die Franzosen bereits Mulay Hafid   an der goldenen Kette hatten, datz sie ihm 80 Millionen gepumpt hatten, und datz Mulay Hafid   bereit war, für Geld seine sämtlichen Souveräuitäts- rechte an die Franzosen zu verkaufen.(Lebhaftes Hört! hört!) Auch dieRheinisch-Westfälische Zeitung" meinte im April, wenn die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit des Landes unmöglich sei, so mutzten wir unseren Anteil an dieser Ländergruppe fordern. Hier taucht zum erstenmal das Wer- langen auf, datz wir in Marokko   kolonialen Besitz erwerben sollen. DieRheinisch-Westfälische Zeitung" erklärte am 26. April, die Re- gierung würde bei einem Vorgehen gegen die ungerechten Macht- gelüste der Franzosen   das ganze Volk hinter sich haben, und wenn Deutschland   mit seinen 6 Millionen Bajonetten etwas wolle, so möge Frankreich   sich gesagt sein lassen, es sei gefährlich, Deutschland   herauszufordern. Es wird also geradezu mit einem Kriege gedroht.. Auch in anderen, sehr einflußreichen, bürgerlichen Blättern heitzt es, daß Deutschland   nötigenfalls in einen Krieg wegen Marokko   eintreten werde. Gegen das Vorgehen Frankreichs   wendet sich ja nunmehr das Auswärtige Amt. Es soll angeblich in Paris   protestiert haben, aber dort sei man schwerhörig gewesen, und da habe man zu der Demonstration der Entsendung desPanther" nach Agadir  gegriffen, nicht um Land zu erwerben, sondern um den Franzosen zu zeigen, daß man zu Verhandlungen sehr ernst gestimmt sei und unter allen Umständen Gehör verlange. Dieser Panther"-Spaziergang nach Agadir  hat nun mit einem Male der Frage ein ganz anderes Gesicht ge- geben. Die gesamte deutschnationale, alldeutsche und Kolonial- presse jubelte,endlich eine Tat!". Endlich hätte die Stagnation der äußeren Politik aufgehört, endlich zeige man dem Auslande, daß man noch da sei und seine gebührende Stellung in der Welt fordere usw. Die Regierung selbst erklärte allerdings am 3. Juli, daß in Agadir   und Umgegend wohnende deutsche Firmen sich durch eine Unruhe unter den Eingeborenen bedrückt fühlen, und datz das Schiff nach Herstellung der Ruhe und Ordnung den Hafen von Agadir   wieder verlassen werde. Zn der offiziösen Presse aber wenigen Tagen wurde in denLeipziger Neuesten Rachrichten' i niemand«oreingenommenhei? gegen Re Kolons«» tOtUeifen fem, erklärt, derPanther" ging nach Agadir  , weil wir einen Teil von""""..... Marokko   wollten, alles andere sei feierliche Lüge.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wir haben zu gleicher Zeit auch erfahren, was man mit der Kriegshetze noch hezweckte. So äußerte sich dasDeutsche Armeeblatt", für die inneren deutschen   Verhält nisse wäre ei« großzügiger Waffenkampf recht gut, wenn er auch in einzelne Familien Tränen und Schrecken bringt. Man brauchte eben eine Wahlparole (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Man weiß nicht mehr, wie man mit der Sozialdemokratie fertig werden soll und da wäre ein auswärtiger Krieg ein vortreffliches AblenkungS. mittel gewesen. DiePost" schreibt am 26. August, datz ein Krieg nur vorteilhaft sein kann, und datz er die Gesundung vieler politischen und sozialen Zustände herbeifuhren könne.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist doch deutlich Es ist dieselbe Taktik, die Napoleon III.   zu beachten pfle. wenn er in inneren Verlegenheiten nicht ein und aus wußte.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Noch Ende Oktober und Ansang dieses Monats klang es in derMagdeburger Zeitung" genau wie heute bei Herrn v. Heydebrand im grimmigen Ton gegen England. Da heißt es:Und Ihr im Reichstag fragt uns, wieviel Schiffe Ihr braucht, fragt, was sie kosten I Wir sind bereit, die Mittel dazu herzugeben." Eine größere Lüge und eine größere Heuchelei ist noch nie dagewesen. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Die besitzenden Klassen sind nie bereit, bei einem Kriege die materiellen Opfer zu tragen. Ich hoffe ja, daß die Erfahrungen des Jahres 1870 mit der ersten Kriegsanleihe sich nicht wiederholen, sondern daß die deutschen   Bourgeois etwas mehr Opferwilligkeit zeigen würden. Ob aber die materielle Opserbereitwilligkeit für einen solchen Krieg ausreicht, ist mir speziell nach dem, was wir in diesem Reichstage erlebt haben, seljr, sehr zweifelhaft. Das Reich, das wir heute haben, ist ein Reich der Reichen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die ganze Steuer- behauptete man im Gegenteil, derPanther" sei nach Agadir   ge- .sandt, um gleichsam einen Vorposten abzugeben und die Jnanspruch- nähme von Sus für Deutschland   zu erreichen. Im Auslande erregte das natürlich das größte Aufsehen, vor allem in England. Schon am 6. Juni hatte der Minister  - Präsident A s q u i t h gesagt, die Marokkofrage nehme ein sehr bedenkliches Gesicht an. Am 27. Juni, 5 Tage nach der Rede von Lloyd George  , sprach er sich dahin aus, man habe Auf- klärung verlangt und zu erkennen gegeben, daß, wenn es sich darum handele, in Marokko   festen Fuß zu fassen, in hohem Grade englische Interessen ins Spiel kämen. Ich möchte den Staatssekretär fragen, ob er sich denn nicht darüber klar geworden ist, welchen Eindruck die Anwesenheit desPanther" auf England machen mutzte, und nicht et allein, denn das Programm soll ja schon am 15. Mai zwischen dem Kaiser, dem Reichskanzler und ihm ver- einbart worden sein. Um uns die Situation klar zu machen, müssen wir fragen, was würden wir denn an Englands Stelle gesagt haben.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) England konnte von seinem Standpunkt gar nicht anders handeln. Aller- dinas meine ich auch, datz wir gar keine größere Dummheit hätten machen können, als wenn wir uns ernsthaft in Sus fest- legen wollten.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Hafen von Agadir   hätte für uns bedeutet, datz wir 40, 50, '60 Millionen in die Befestigung und den Ausbau hätten stecken müssen, datz wir 1 bis 2 Armeekorps beständig in Afrika   hätten n präsent halten müssen, datz unserer Flotte im Falle eines Krieges jede Möglichkeit genommen war, einzugreifen, denn jedes deutsche  Schiff hätte zwischen England und Frankreich   den Kanal durch- fahren müssen und wäre unrettbar ein Opfer dieser beiden Feinde geworden. Deutschland   hätte also keinen größeren Fehler in seiner ganzen Politik begehen können, und in der deutschen   Presse war die Auffassung verbreitet, datz derPanther" nach Agadir   geschickt sei lediglich zu dem Zweck, dort festen Fuß zu fassen.(Sehr richtig! bei den«ozialdemokrateu.) Als der Kaiser von der Nordlandreise zurückkehrte, und es nach seiner Zusammenkunft mit dem Reichskanzler verlautete, man wolle keinen Krieg wegen Marokko   anfangen, ging ein allgemeiner Schrei der Entrüstung durch eiueu Teil der deutschen   Presse, die Person des Kaisers wurde in einer Weise angegriffen, datz, wenn ein sozialdemokratischer Redakteur sich der artiges erlaubt hätte, er unfehlbar mit Jahren Ge fängnis be st rast worden wäre.(Sehr wahr! bei den So zialdemokraten.) Diesmal hat sich selbstverständlich kein Staats anwalt gerührt. Es wird da behauptet, der Kaiser habe bewirkt, datz Deutschland   ein neues Olmütz   drohe. Es wird gefragt. ist daö alte Prcutzentum zugrunde gegangen, sind wir ein Geschlecht von Weibern   geworden? Was ist mit den Hohenzollern ge- fchehen, aus denen einst ein großer Kursürst, ein Friedrich der Große  , ein Kaiser Wilhelm I.   hervorgegangen ist? Der Kaiser solle die stärkste Stütze der englische türkischen   Politik sein(hört! hört! bei den Sozialdemo kratenj, er solle die Hoffnung Frankreichs   sein(erneutes hört! hört!), in Frankreich   gehe das Wort:Guilleaume k tirnide, valeureux et poltron."(Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten.) Ich wiederhole, würde ein sozialdemokratischer Redakteur ähnlich gesprochen haben, es wäre ihm sehr schlecht gegangen. Am 14. August verösfentlichte diePost" eine ganze Reiht von Zu. stimmungserklärungen zu ihrem Artikel. An> hrer Spitze steht ein övjähriger Generalleutnant a. D.(hört! hört! bei den Sozialdemokraten), der den Artikel mit innerem Jubel begrüßt hat. ähnlich spricht sich ein H o f p r e d i g c r a. D. aus. Wir haben ja in diesen Monaten erlebt, wie insbesondere ei» Teil der protestantischen Geistlichkeit an der Spitze der Kricgshelier gestanden hak. DieEvangelische Kirchenzeitung" schloß einen Artikel mit den Worten:Wann marschieren wir?" (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), das sind die Diener der christlichen Bruderliebe. Endlich am 24. August, 20 Tage nach dem Artikel, erklärte dann der Chefredakteur der Post", der Artikel sei ohne sein Wissen und Willen aufgenommen, er sei eine Fericnentgleisung. Beiläufig ist er bereits am 6. August in Berlin   angekommea und hat also 2» Tage gebraucht, um dies Pater peccavi zu sagen. In derRheinisch-westfälischen Zeitung" wurde behauptet, Ende Juli habe der Staatssekretär eine ganze Reihe von Redakteuren und Führern der politischen Parteien in Berlin   zusammenkommen lassen und dabei sei ganz deutlich von den Vertretern des Aus. wältigen Amtes die Erklärung abgegeben worden, die Sendung desPanther" nach Agadir   habe keine andere-Bedeutung gehabt. als daß man dort festen Fuß fassen wollte. Diese Prctzäutzerungen können doch dem Staatssekretär nicht unbekannt sein, und die vielen weiteren Aeutzerungcn, er sei wankel- m ü t i g und besäße keinen Charakter; auch in der Rede des Slbgeordneten B a s s e r m a n n auf dem Sommerfest der Na- tionalliberalen, ist dies zum Ausdruck gekommen. Damals sprach sich Bassermann lobend über die agressive Politik aus. Ein paar Wochen später klang es freilich anders. Da hatte sich herausgestellt, daß alle die schönen Hoffnungen, die man auf den Minister in bezug auf ein Stück Marokko   gesetzt habe, ins Wasser ge- fallen seien. Wie können solche Behauptungen in die Welt gehen, ohne datz auch nur das Geringste wahr ist? Noch vor g e s e tz g e b ü n g. die ganze Zollgesetzgebung, die L i eb esg ab e n po l i t i k, kommt sie den Arbeitern, kommt sie den kleinen Leuten zugute? Nein, sie kommt nur den B e s i tz e n d e n zugute.(Sehr wahr! bei den So- zialdemokraten.) Was will es denn heißen, wenn die Liberalen bereit gewesen wären, bei der Steuerreform neben 400 Millionen indirekter Steuern bloß 100 Millionen direkter zu bewilligen. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Nachdem man Hunderte und Tausende von Millionen auf die Schultern der armen Leute gewälzt hat. wollte man noch 4� den armen Leuten und nur 1/n den reichen Leuten aufbürden. Nun ist ja jetzt England der Hauptfeind, der angeblich hin- dert, datz wir nicht bekommen, was wir wollten. Die Regierung hat ja vor einigen Tagen eine Erklärung abgegeben, von englischer Seite sei in keiner Weise Einspruch gegen die Verhandlungen Deutschlands   mit Frankreich   erhoben. Ganz stimmt das ja nicht insofern, als die bekannte Rede von Lloyd George   nicht aus der Welt gebracht werden kann. Wir sind keine Englandfeinde, aber wir haben ganz außerordentlich bedauert, datz ein englischer Minister in dieser Weise sich in die Sache hineingemischt hat.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das hat aber auch auf unserer Seite böses Blut gemacht. Ich habe stets hier im Hause, speziell in den 90er Jahren, ausgeführt, datz wir gar nichts Klügeres tun könnten als uns mit England zu verständi- gen und England als viertes Glied in den Dreibund aufzunehmen. Als Vierbund hätte der Bund den Frieden für die Welt gesichert. Unsere deutsche Politik hat Wege gewandelt, die einer derartigen Verständigung aus dem Wege gegangen sind. Die Folgen werden ja in der Zukunft zutage treten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Selbstverständlich hat denn auch die ganze Politik dazu bei- getragen, den Flottenverein wieder auf die Bühne zu bringen. Der Flottenverein hat sofort die Situation erkannt und hat mit aller Energie dahin gearbeitet, datz eine neue Flottenvorlage kommt. Hab« ich die Schlutzworte des Herrn v. Hertling richtig ver- standen, dann hat er allerdings indirekt bereits im voraus seine Bereitwilligkeit zugesagt, neuen Rüstungen zu- zustimmen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten; Zurufe im Zgntrum: Kein Wort!) Jedenfalls wird eine neue Flottenvor- läge, wenn sie kommt, vom Zentrum genau so bewilligt werden wie die früheren, ebenso wie das Zentrum auch eine neue Militarvorlaae und neue Steuern be- willigen wird.(Zurufe bei den Sozialdemokraten: Nach den Wahlen!) Jetzt mögen Sie(zum Zentrum) es bestreiten, die Wahlen stehen ja vor der Tür, da ist eS sehr unangenehm, derartige Zugeständnisse zu machen. Aber die Vergangenheit bürgt m:r dafür, was in Zukunft möglich ist. Sie sind nicht vorwärts ge« gangen, sondern immer mehr rückwärts. Wir haben heute Reaktion auf allen Gebieten. Die Ankündigung einer neuen Flottenvorlage hat natürlich den englischen Marineminister auf gerufen, er hat eine sehr deutliche Antwort gegeben, datz jedes Schiff, das Deutschland   baue, selbstverständlich England zur Vermehrung seiner Flotte veranlassen w,rd. Wenn Deutschland   10 Dreadnoughts baue, so werde England 2 0 bauen. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß trotz der Verträge die Rüstungen weiter gehen werden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Was den Vertrag selbst anlangt, so hat Herr v. Heydebrand zwar sehr absprechend über ihn geurteilt, er konnte aber nicht sagen, nach welcher Richtung er Aenderungen und Verbesserungen wünscht. Wir sind ja in der angenehmen Lage, datz wir uns darüber die Köpfe nicht zu zerbrechen brauchen. Ich habe aber den Eindruck, daß das, was herausgeholt werden konnte, im Ver trage herausgeholt worden ist. mehr zu erreichen war angesichts der ganzen Situation kaum möglich.(Hört! hört!) Die drei ersten Artikel des Vertrages geben Frankreich   Marokko   voll' ständig in die Hand, und man hatte viel offener und ehrlicher gehandelt, wenn man direkt von der Annexion gesprochen hätte, denn sie ist die notwendige Folge des Vertrages. Der Sultan  erhält zwar die Mittel, einen Harem zu halten, das ja für ihn die Hauptsache ist.(Heiterkeit.) Aber im übrigen hat Frankreich  alles in der Hand, um die inneren Einrichtungen in Marokko   so zu gestalten, wie es ihm gefällt. Der Sultan   ist einfach eine Puppe,» seiner Hand. Ob freilich die Franzosen   Ursache haben werden, sich dieses, ihres scheinbaren Steges zu erfreuen, ist eine andere Frage. Man hat davon gesprochen, daß sie in einem Kriege mit Deutschland   5060 000 Araber nach Deutschland   werfen könnten. Nun daran ist vorerst nicht zu denken, zunächst werden sie 50 bis 60 000 Franzosen nach Marokko   werfen müssen, um das Land ruhig zu halten; das kann Jahrzehnte dauern.(Sehr richtig! links.) Für die auswärtige Politik Frankreichs   möchte ich behaupten, be- deutet der Vertrag eine Schwächung. Dazu kommt noch ein anderes. Namentlich wenn es Italien   gelingt, sich Tripolis  zu unterwerfen, so ist das gesamte Afrika   durch europäische Mächte beherrscht, ganz Nordafrika   hat dann den gleichen Feind, und ich fürchte, daß diese Gemeinsamkeit der Feinde auf der anderen Seite auch die Gemeinsamkeit der Bevölkerung Nord- a f r i k a  § herbeiführen wird, datz wir mit gewaltigen Aufständen der einheimischen Bevölkerung gegen die Europäer zu rechnen haben werden, wie sie den Engländern in Südafrika  , in Aegypten  , in Kanada   sicher auch in einiger Zeit blühen Was die Kongocrwerbnng betrifft, so wissen Sie ja alle, wie wir zur Kolonialpolitik stehen und nun sollten wir uns gar herbeilassen, für eine neue Kolonial- erwerbung zu stimmen, die sogar verworfen wird von einem der ersten Sachkenner der Kolonialpolitik, wie von Herr» v. Linde- quist. Wenn ich nicht von jeher ein Gegner dieser Kolonial- erwerbung wäre, die Haltung des Herrn v. L i n d e q u i st hätte mich darin felsenfest bestärkt. Wenn dieser Mann, dem doch dieser Mann, der bisher Leiter der Kolonialpolitik war, uttd der selbst von uns als ein solcher anerkannt wurde, der sich ehrlich bemüht hat, die Kolonien gerecht zu regieren, der sich bemüht hat, möglichst menschlich in den Kolonien aufzutreten, wenn ein solcher Mann in der Weise, wie der Herr Reichskanzler eS uns vorge­führt hat, diese ganze koloniale Erwerbung verwirft, dann haben wir erst recht keinen Grund, auch nur ein Wort zu deren Gunsten auszusprechen.(Sehr richtig! b. d. Soz.) Der Kolonialbesitz wird kommen, er wird uns enerme Lasten auferlegen, er wird enorme Opfer an Menschen kosten, er wird möglicherweise auch neue Reibungsflächen schaffen, trotzalledem und alledem. Jedenfalls ist mir aufgefallen, daß Minister Caillaux  am 5. November in Calais   gesagt hat: in Zentralafrika  kann unsere Stellung nicht als endgültig betrachtet werden.(Hört! hört! b. d. Soz.) Also es scheint keine Rede davon zu sein, datz der Vertrag mit Frankreich   einen befriedigenden Zustand herbeigeführt hat. Ich glaube, man wird in Frankreich  nicht vergessen, datz mitten im Frieden durch einen Vertrag ein Stück Kolonialland von dieser Größe ihm abgeknöpft worden ist. Die deutschen   Chauvinisten werden wieder nicht vergessen, daß ihnen die gehoffte Beute in Marokko   entgangen ist. Sie machen England dafür verantwortlich. So wird man eben von allen Seiten rüsten unb wieder rüsten bis es eines Tages heißen wird: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.(Sehr wahr! b. d. Soz.) ES kann kommen, wie es zwischen Japan   und Ruß- land gekommen ist. Eines TageS kann die eiue Seite sagen: Das kann nicht so weiter gehen oder sie wird sagen: Wenn wir länger warten, dann geht eS uns schlecht, dann sind wir der Schwächere und nicht der Stärkere, Dann kommt die Katastrophe, dann wird in Europa  der große Generalmarsch geschlagen. (Bewegung.) 16, 18 Millionen Männer, die Waffenfähigen der ver» schiedenen Nationen, werden mit den besten Mordwerk- zeugen ausgerüstet und gegenseitig ins Feld geführt. Aber nach meiner Ueberzeugnug kommt mit dem großen General- marsch der große Kladderadatsch.(Große Heiterkeit rechts.) Er kommt nicht durch uns, er kommt durch Sie selber. (Sehr wahr! b. d. Soz.) Sie treiben die Dinge auf die Spitze. Sie führen eS zu einer Katastrophe. Sie werden ernten, was Sie gesät haben, die Götterdämmerung   der bürgerlichen Welten ist im Anzug. Sie sind heute im Begriffe. Ihre eigene Staats- und Gesellschaftsordnung zu untergraben, ihr das Totenglöck- lein zu läuten. Hinter einem solchen Kriege steht der Massenbankerott, steht das Massenelend, steht die Massenarbeitslosigkeit. DaS kann niemand bestreiten, der die Dinge objektiv übersieht. Was hat denn daS bitzchen Streit in diesem Sommer erzeugt? Den bekannten Run auf die Spar» lassen, den Sturz aller Papiere, die Aufregung bei den Banken, das war erst ein kleiner Teil des Anfangs.(Sehr wahr! b. d. Soz.) Wie wird es erst werden, wenn die Sache ernst wird? Dann werden Zustände hervorgerufen werden, die Sie allerdings nicbt haben wollen, die aber mit Notwendigkeit kommen ich wiederhole: Nicht durch unsere Schuld, durch Ihre Schuld. Discite rnoniti!(Lernet, Ihr seid gewarnt!) (Lebhafter anhaltender Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Basserman«(natl.): Herrn Bebel möchte ich erwidern: Alle Kulturvölker sind darauf angewiesen, Weltpolitik zu treiben und zu kämpfen um die großen ausländischen Märkte. DaS führt u unvermeidlichen Reibungen und daran werden auch die Lehren er Sozialdemokratie nichts ändern. Der Ueberweisung des Abkommens und der Anträge an eine Kommission stimmen wir zu. Sehr unzureichend ist die ganze Vorbereitung dieser Debatte.(Sehr richtig! links.) Das Gutachten des Reichsjustiz. amts soll durch uns zur Kenntnis gebracht werden; in der Mangel- haften Vorlegung von Material zeigt sich eine gewisse Miß, Vorlegung von Material zeigt sich eine lehr wahr! (<s links.) Verantwortlicher Redakteur: Richard Barth  , Berlin  . Für den� achtung des Reichstages. ES hat sich auch bei dieser Gelegenheit die Reformbedürftigkeit beS JnterpellationSeecht» des Reichstags erwiesen. ES kann nicht mehr so weiter gehen, datz es bollständig in der Hand der Regierung liegt, ob und wann sie eine Interpellation beantworten wird. Sache des kommenden Reichs- tags wird es sein, den nach dieser Richtung gegebenen Anregungen zu folgen. Was die Mitwirkung des Reichstages anlangt, so erscheint uns das Marokkoabkommen nach der Rechtslage einer Genehmigung durch den Reichstag nicht zu be- dürfen. Allerdings wäre eS richtig, trotzdem den Weg der Reichsgesetzgebung in diesem Falle zu wählen. Bei dem Kongo  - abkommen sollte sich dieser Weg von selbst ergeben. Satz jeder Erwerb und Verlust auch von Kolonialgebiet wie von jedem Reichsgebiet nur im Wege der Reichsgesetzgebung erfolgen kann, entspricht dem Sinne der Verfassung. Dazu kommt, datz das Kongoabkommen eine Reihe finanzieller Folgen für Deutschland   haben wird. Zum mindesten würde es ein Gebot der Billigkeit sein, die Grundlage solcher Kosten der Genehm i. gung des Reichstages zu unterwerfen.(Sehr richtig! links.) Nicht ausfchl, etzlich juristisch staatsrechtliche Motive dürfen hier ausschlaggebend sein, sondern man sollte dem Empfinden deS deutschen   Volkes Rechnung tragen, das gerade in diesen kolonialen Fragen sein Recht heischt.(Sehr richtig!) Eine Kritik der Hand- lungsweise der Regierung ist jedenfalls unsere patriotische Pflicht. Das Ansehen der Regierung wird durch eine sachliche Kritik auch nicht geschädigt.(Sehr richtig! links.) Es steht und fällt mit der Art und Weise der deutschen   Politik selbst. Wenn wir hier auch mit Engelszungen die Regierung lobten, im Lande würden d i e S t e i n e s p r e ch e n. ES ist auch keine Parteifrage, sondern aus allen bürgerlichen Parteien erschallt der Notschrei über das was hier zum Abschluß gekommen ist. Daß Agadir   und das jetzige Abkommen eine notwendige Folge der Bu'owschen Po'itik sei, kann ich nicht zugeben. Auch hat Herr 6. Hertling nicht Recht, wenn er sagt, die Bülowsche Politik ser rn konsequent gewesen. Sie mag falsch gewesen sein. �er sie war die konsequente Fortsetzung der ViSmarckschen Politik. Jbr Grundsatz war immer: Keinen territorialen Erwerb, die An- --rkennung des Sultans und die offene Tür für uns. Mit diesem Programm waren auch die bürgerlichen Parteien einverstanden. und dasselbe Programm wurde in feierlichster Weise vom Kaiser in Tanger   ausgesprochen. Heute ist diese Politik ausgegeben. Wir haben das Protektorat über Marokko   Frankreich   überlassen, wir haben unsere Positionen ge- räumt. Daß 1905� schon ein Separatabkommen mit Frankreich  möglich gewesen wäre, hat Fürst Bülow   ausdrücklich abgelehnt im Einblick auf die allgemeine Situation, vor ollem auf unser Per- bältnis zur Türkei. Heute hat der Reichskanzler ganz über» leben,»atz wir auch eine Orientpolitik zu treiben haben. lSehr autl links.) Das war der Sinn des Algeeirasabkommens. Diese Alg?c,ra?akte hat Frankreich   versucht, nach und nach zu durchlöchern. Daß im über das Abkommen mit Frankreich   von '909 besondere Freude geäußert hätte, ist ni«t richtig; Herr Bebel hat bier meine Aeutzernnoen nicht vollständig wieder- gegeben. Dur» die veränderte Haltung Frankreichs   in Marokko  dem Bruch der Verträge durch Frankreich   hatten wir in Marokko   freie Hand bekommen.(Sebr richtig, bei den National. liberalen.) Die neue Politik Deutschlands  , die mit der Geste von Agadir   einsetzte, erweckte denn auch die extravagantesten Hosf- nungen. �azu kam. daß die Anschauungen über den Wirtschaft- ltchen Wert von Marokko   sich inzwischen geändert batten. Sehr ssroß war. denn auch die Erregung über die Drobreden der eng- lischen Minister nach der..Panther"fabrt. Die Eingriffe hätten von der Regrerung öffentlich zurückgewiesen werden muzsen. l�ehr richtig! bei den Rationalliberalcn.) («chluß in der 2. Beilage.) T'-"5ia»T 11(Sa. B-rna«;wk