it. 124. 29. Zahtgssz.2. KcilU Ks Jotrirls" Inlinre PolMlilt.ItfttHJ, 31. W«i 1912.Strtlhiufflz und ftetn Ende.kluZ Dortmund wird uns geschrieben: T"*-!-"Vor toi» noch klappert die Mühle der Streikjustiz im Ruhrrebier. Es ist ja selbstverständlich, daß auch das letzte Opfer erstnoch herangeschleppt werden muß. ehe die Justiz wieder zu Atemkommt.In letzter Zeit wurden vom Dortmunder Landgericht wiedereine Anzahl Urteile des Schöffengerichts in Kastrop nachgeprüft.Das Kastroper Gericht hat, wie schon verschiedentlich erwähnt wor-den ist. für einfache Worte ganz ungeheuerlich hohe Strafenfestgesetzt. Die Strafkammer setzte die Strafen von vier Wochenauf ein bis zwei Wochen Gefängnis herab. Der DortmunderRechtsanwalt Frank I hat schon einmal an Hand der KastroperUrteile auf die Gesetzwidrigkeit einer formularmätzigen Urteils-begründung hingewiesen. In den neuerlich zur Nachprüfung an-stehenden Kastroper Sachen hieß es wieder:„Mit Rücksichtauf den unglaublichen Terrorismus, der nur einGlied ist in der Kette" usw.. mochte auch diese beliebteFormel auf den Einzelfall passen wie die Faust aufs Auge. Sohatte das Kastroper Gericht wegen eines Wortes auf vier WochenGefängnis erkannt...mit Rücksicht" usw.. die Strafkammer hielteine Beleidigung überhaupt nicht nachgewiesen und sie hob dieseStrafe auf.Oft wirkt sogar die Stellungnahme des Strafkammer»borsitzenden wie eine Jronisierung der Arbeit der Anklagebehörden.So in den Fällen, wo nach den Anklageschriften auch Steiger undandere Zechenbeamten zur Niederlegung der Arbeit genötigt wordensein sollen oder wo wenigstens der„Versuch" bestraft werden soll.Oder auch, wenn die Anklageschrift blindlings noch einen Nötl-gungsversuch annimmt, wo der Streik schon zu Ende war. So riefein Landgerichtsdirektor aus:„Das ist ja geradezu wider»sinnig, daß Sie noch am 2 0. März genötigt seinsollen, am Streik teilzunehmen. Sollten Sie dennda allein den Generalstreik durchfechten!!" Natürlich läsit sich dieStreikjustiz im allgemeinen durch solche Nackenschläge nicht«beirren".Auch andere Kuriositäten kommen immer noch vor. So warwegen eines Vorfalles zweimal Anklage erhoben worden. Eslagen zwei Strafanträge vor und zwei Eröffnungsbeschlüsse.Und das Schönste war. daß die beiden Protokolle überdenselben Vorfall grundverschieden waren! Ueber denInhalt eines der Protokolle lachte der„beleidigte" Streik-brecher selbst, obschon er es doch unterschrieben hatte!Es wurde festgestellt, daß eins der Protokolle die Frau desWilligen diktiert hat. während der„Beleidigte" draußen das Pferddes Gendarmen festhalten mußte! Der Verteidiger beantragte,wegen der entstandenen Kosten bei der einen Anklage das Ver-fahren einzu st eilen. Das gabs aber nicht, das Gerichtzog die Sachen zusammen, und es hieß in der Urteilsbegründung,der verknaxte Streiksünder„könne sich ja an dem etwaschuldigen Beamten schadlos halten"!In dem Dorfe Scharnhorst bei Dortmund entstanden aneinem der Streiktage Ansammlungen von Menschen. Die Gen-barmen haben anscheinend gewaltigen Respekt vor der Masse derStreikenden bekommen, die noch ihren Angaben„wie eine Mauer",„alles schwarz voll Menschen", standen. Schließlich arbeiteten dieSäbel der Gendarmen„wie im Feldzug", wie sich ein Zeuge aus-drückte. Schon vor einigen Wochen standen aus diesem Anlaß16 Angeklagte vor der Streikkammer, ein Teil davon bekam Strafenwegen„Beteiligung an einem Auflauf". Von einem Nachschub vonweiteren sieben Angeklagten wurden drei freigesprochen(zweidavon wurden auch die persönlichen Auslagen ersetzt), die übrigenbekamen Gefängnisstrafen. Der Staatsanwalt hatte„nur" Geld-strafen von 30 und 60 M. beantragt.Sieben Monate Gefängnis bekam ein Bergmann,weil er mit Steinen geworfen und drei Arbeitswillige getroffenund weil er einen anderen Willigen mit einem Stock über den Kopfgeschlagen haben sollte.11. Verbandstag des Zentralverbandes der Maschinistenund Hetzer nvd versandter Kernfsgenoffeu.München. 29. Mai ISIS.Die Uebernahme der Lokalbeomten auf die Hauptkasse wurdeauf Grund deS VorstandSantrageS beschlossen. Entsprechendden Beschlüssen der Kommission wurde folgende Gehaltssiala be-schlössen: Für Hilfsarbeiter lm Zentralbureau und in Gauleitungenein Anfangsgehalt von 1900 M., steigend jährlich um lvv M. biszum Höchstsatz von 2300 M.: Geschäftsführer AnfangSgehalt 2000Mark, steigend bis zu 2S00 M.: Redakteur. Hauptkassierer, Sekre-tär, Gauleiter und die ersten Geschäftsführer der Zahlstellen, dieüber 2000 Mitglieder zählen, AnfangSgehalt 2000 M.. jährlichsteigend um 100 M. bis zu 2700 M. Der Verbandsvorsitzendesoll ein AnfangSgehalt von 2500 M. erhalten, ebenfalls steigend um100 M. bis zu 3000 M.— Der Vorstand wird ermächtigt, eineweitere Kraft(Sekretär) für das Hauptbureau und für Gau- undLokalverwaltungen anzustellen.— Entsprechend den Vorschlägen derStatutenberatungskommission wurde die Er-h ö h u n g des Beitrags um 10 Pf. beschlossen. Der Wochenbeitragbeträgt jetzt 60 Pf. pro Woche und sind davon bv Pf. an die Ver-bandskasse abzuliefern; solche Zahlstellen, die von der Hauptkassebesoldet« Angestellte haben, führen pro Mitglied und Woche bb Pf.und die Schiffahrt den vollen Beitrag an die Hauptkasse ob. DasVerbandsvermögen muß mindestens 6 M.(bisher 3 M.) pro Mit-glied betragen, andernfalls der Verbandsvorstand Extrabeiträge zuerheben hat.— Die Bestimmungen über den Ausschuß wurden neu-gerogelt und wird der Vorsitzend« des Ausschusses nicht mehr aufder Generalversammlung, sondern von den Mitgliedern des Aus-schusses gewählt.— Einstimmig wurde die Einführung der Um-zugSunterstützung beschlossen. Die Höhe der Unter-stützung richtet sich nach der Entfernung und beträgt 10— 1B M.—Beim Streikrcglement wurde die Aenderung beschlossen, daß größereAngriffsbcwegungen mindestens 3 Monate vor Einreichung derForderungen beim Vorstand angemeldet werden müssen.Das neue Statut tritt am 1. Juli in Kraft. Der Sitz desAusschusses bleibt wie bisher in Hamburg, der deS Vorstandesiv B e r l i n.— Die bisherigen VorstandSmitglt-der wurden wieder-gewählt.Damit waren die Arbeiten der Generalversammlung beendet.— Die nächste Generalversammlung findet 1914 in Leipzig statt.2. Gevkralvkrsammlvug der Sattler rntd{Mfritillrt.München, 29. Mai 1912.Im Saale der alten Schiehstätte wurde heute die zweiteGeneralversammlung mit den üblichen Begrüßungen eröffnet. An.wesend sind B2 Delegierte 3 Vorstandsmitglieder und 7 Gauleiter.Den Ausschuß vertritt Hack elbusch. Berlin, die Generalkom-Mission S a s s e n b a ch- Berlin. Die ausländischen Bruderorgani-(atienen sandten Klaper, und Oberndorser-Wien(österx.Sattler-Verband), S t r u a d- Wien(Galanteriewarenvereinigung)und Jausen- Dänemark als Gäste. Der schweizerische Leder-arbeiter-Verband sandte telegraphisch seine Wünsche zum guten Ge-deihen tic Verhandlungen.In der mündlichen Berichterstattung über denGeschäftsberichtwies der Verbandsvorsitzende Blum darauf hin, daß der Mit-gliederzuwachs seit der Kölner Generalversammlung 3467 betrage,daß Vorstand und Ausschuß mit dieser EntWickelung außerordent-lich zufrieden sind. Wenn auch die Fluktuation gegen früher abge-nommen habe, so sei sie immer noch groß. In der heutigen Organi-sation komme mehr der Industriearbeiter zum Ausdruck,die Grenze zwischen Portefeuiller und Sattler sei verschwunden, dieKollegen haben sich mehr aneinander gewöhnt und kennen nur nochdas gemeinsame Ziel: die Verbesserung der Lohn- und ArbeitSver-Hältnisse. Die Abnahme der Fluktuation beweise, daß unter denMitgliedern eine gewisse Seßhaftigkeit eingetreten sei. Bei derUnsicherheit in der Berliner Geschirrbranche und der hierüblichen großen Lehrlingszüchterei sei es sehr schwer, hier vorwärtszu kommen. In der Geschirrbranche auf dem flachen Lande kommendie Kollegen nur noch als Flickgesellen in Betracht. Die Kollegen,die früher in der Geschirrbranche beschäftigt waren, seien heute inder Automobilbranche und man sei auf dem besten Wege, innerhalbder Organisation eine besondere Gruppe zu bekommen. In denGauen Berlin und Görlitz, wo man außerordentlich zukämpfen habe, vorwärts zu kommen, habe der Hauptvorstand keinebesondere Agitation entwickelt, weil die Kosten und Erfolg« nichtim Einklang zu bringen waren. Leider sei es nicht möglich go-Wesen, auf dem Verbandstag die Fortschritte der Organisation be-rufsweise feststellen zu können. Es stehe aber unbestritten fest, daßdurch die Automobilbranche eine außerordentlich hohe Zahl vonKollegen für die Organisation gewonnen wurde. Besonders her-vorgehoben muß werden, daß eS in Berlin geglückt ist, eine größereZahl Portefeuiller für die Organisation zu gewinnen. In derTarifbewegung, die fast alle Branchen umfaßt, sei escharakteristisch, daß auch hier die Automobilbvanche an erster Stellestehe. In der T re i b r i e m e n b ra nch e, in der noch schlechteVerhältnisse anzutreffen sind, war man ebenfalls bestrebt, die Lohn-und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Auch die übrigen Branchenblieben von den Kämpfen nicht verschont. Doch müsse konstatiertwerden, daß die Kollegen gerade durch die Verschmelzung besser ab-schnitten; die Situation für die Kollegen wäre viel schlimmer ga-Wesen, wenn die Organisation nicht vereinigt gewesen wäre.Redner sprach die Ueberzeugung aus, daß es in der Lederwaren-brauche infolge handelspolitischer Komplikationen nicht ohne schwereKämpfe abgehen wird.— Der Gedanke eines Reichstarifs ge-Winne bei den Unternehmern immer mehr an Raum; der Reichs-tarif wird jedenfalls innerhalb der Organisation noch ein schweresKampfobjekt werden. Der Vorstand wünscht etwas mehrVor-s i ch t bei Abschluß von Tarifverträgen; es müsse nicht immer unterallen Umständen ein Tarif abgeschlossen werden. In erster Liniemüsse die prinzipielle Forderung, die Verkürzung derArbeitszeit im Auge behalten werden. Wenn in den letzten Jahrenmehr Gewicht auf die Lohnhöhe gelegt wurde, so sei dies als eineFolge der eingetretenen Teuerung aller Lebensmittel erklärlich.Die prinzipielle Forderung auf Abschaffung der Akkord-arbeit werde heute nicht mehr erhoben, weil unter den heutigenVerhältnissen an der Abschaffung der Akkordarbeit nicht mehr zudenken sei und die Akkordarbeit innerhalb der einzelnen Branchenimmer größere Bedeutung gewinnt. Andererseits sei aber dieOrganisation nach wie vor bestrebt, die Auswüchse desAkkordsystems(die sogenannten Akkordwühler) entschiedenzu bekämpfen, da diese Auswüchse geeignet seien, die Lohn- undArbeitsbedingungen im Berufe zu verschlechtern. Gegen diese Aus-wüchse werde der Vorstand die Kollegen nach wie vor zu schützensuchen. Ebenso sei die prinzipielle Forderung nach Abfsihafsungder Heimarbeit sehr schwierig. Durch den Zusammenschlußmit den Portefeuillern, die hauptsächlich in der Hausindustrie ver-treten sind, habe man sich daran gewöhnt.— Der Redner meinte,die Zeit der Konzessionen sei nun vorbei!, der Verbandstag habe nundie Aufgabe, neue Mittel und Wege zu suchen, den Verband zueiner Kampfesorganisation im Sinne der allgemeinen Arbeiterbe-wegung zu gestalten.(Beifall.)Die Berichte des Kassierer«, der Redaktion und deSAusschusses haben kein öffentliches Interesse»Nach tzxn Berichten setzte eine lebhaste Diskussiog xitbSozialed.Versäumtes Zurückbehaltungsrecht.Der Metallschleifer L. hatte von der Maschinen»favrik H. Schulz u. Co. eine Arbeit in Akkord übernommen.die er auch regelrecht bezahlt erhalten hatte. Nachträglich soll sichdann, nach Angabe der Firma, herausgestellt haben, daß die Arbeitmangelhaft ausgeführt sei, und deshalb wurde dem L. bei der AuS-zahlung des Lohnes für einen späteren Akkord ein entsprechender Ab-zug gemacht. Damit war L. aber nicht einverstanden und erhobKlage beim Gewerbegericht.Die Kammer 5 unter Vorfitz deS Ma aistrat SratSW ö l b l i n g verurteilte auch die Beklagte zur Zahlung der ge-forderten Summe. Nach der herrschenden Rechtsprechung sei eS mchtangängig, einen fälligen Anspruch mit der Verweigerung einer solchenLeistung aufzurechnen, die aus einem anderen Rechtsverhältnishervorgeht: wenn die Arbeit aus dem ersten Akkord mangelhaft ge-wesen sei, dann hätte der Abzug bei dieser Lohnzahlung geschehenmüssen, aber nicht bei der Lohnzahlung für den andern Akkord, dernicht beanstandet wurde. Sei der Lohnabzug, der an sich nach§ 278 de« Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässig ist, aber in dem ent-sprechenden Falle versäumt worden, dann könne nur imWege einer Schadenersatzklage vorgegangen werden.Gegen dieselbe Firma richtete sich auch noch eine Klage deSSchlosser« G., welcher einen Alkordnachschuß von 8,60 M. be-anspruchte. Dieser Kläger hatte einen Akkord übernommen, wobeier nicht auf seine Rechnung kam, da einesteils das Material sichschwerer als vorausgesetzt bearbeiten ließ, andernteilS aber auch dasnotwendige Handwerkszeug nicht zur Verfügung stand, wodurch dieArbeit bedeutend mehr Zeit erfordert hatte.Dos Gewerbegericht entichied auch in diesem Falle zugunstende« Kläger». Wenn auch der Kläger die Arbeit zu dem über-nommenen Preise anzufertigen verpflichtet war, so war die Voraus-seyung dazu doch da» Vorhandensein der notwendigen Werkzeugeund eine« entsprechend leicht zu bearbeitenden Material«. DieseVoraussetzungen seien aber nicht vorhanden gewesen und deshalb seidie Forderung deS Kläger«, daß ihm wenigstens sein Stundenlohngarantiert werde, gerechtfertigt._Da« sächsische Him«ge>»»rie.Sachsen ist das klassische Land der Hausindustrie. Die LausitzerLeinen- und Baumwollweberei, die Annabcrger Spitzenklöppelei, dieErzgebirger Spielwarenindustrie, der Markiienkirchener Geigenbauhaben einen gewissen Weltruf erhalten. Freilich sind fast alle dieseIndustrien tödlichem Siechtum verfallen, und sie kämpfen ihren Ver-zweiflungskampf mit der kapitalistischen Industrie nur noch mit denWaffen der übermenschlichen Arbeitszeit und der untermenschlichenLebenshaltung. Nur in einigen wenigen Industriezweigen, bei denenes weniger auf Billigkeit als auf geschmackvolle und künstlerischeAusführung der Arbeit ankommt, wie bei der Verfertigung feinsterSpitzen und Posamenten oder hochwertiger Musikinstrumente, darfman der Hausindustrie noch eine längere Lebensdauer prophezeien.Aber dieselbe kapitalistische Industrie, die die selbständige HauS-industrie der Vernichtung entgegensührß ruft auf der anderen Seiteeine neue Form des Hausgewerbes ins Leben:d i e unselb-st ä n d i g e H e i m a r b e i t. In dem Maße. ,n dem die Entlmcke-lung der technischen Arbeitsteilung eS ermöglicht, einzelne Teil-arbeiten so auszuschalten, daß sie auch außerhalb der Fabrik aus-geführt werden können, liebt der Unternehmer es, d» Heimarbeitheranzuziehen, die skr ihn eine große Ersparnis km Kapital fürRäume, Heizung, Maschinen usw. bedeutet, die ihm, weil nicht derGewerbeaufsicht unterstehend und meist von unorganisierten Arbeiternausaeführt, eine schrankenlose Ausbeutung der Arbeitskraft ermog-licht und die es ihm endlich erlaubt, ohne jegliches Risiko seine Pro-duktion nach Belieben auszudehnen und einzuschränken, wie eS dieZeiten und Konjunkturen erfordern. Darum gedeiht diese Form desHausgewerbes auch am besten in Industrien mit schwankendem undleichtbeweglichem Charakter, also vor allem den Saison« und Mode-industrien..„.Sachsen ist auch für diese neue Form de« Hausgewerbes, dieHeimarbeit, das typische Land geworden. Rund ein Drittel desgesamten Hausgewerbes in Deutschland entfällt auf das grün-weißeKönigreich und während im Jahre 1907 von 100 in der Industriebeschäftigten männlichen und weiblichen Personen im Reich 2.7 resp.4 2 auf das Hausgewerbe fielen, waren es in Sachsen 10,8 und 20,1.Eine Bearbeitung der Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählungender Jahre 1882, 1895 und 1907 in bezug auf das Hausgewerbe,wie sie kürzlich im Sächsischen Statistischen Landesamt ausgeführtwurde, verdient deshalb allgemeines Interesse. Freilich vermittelnuns solche Zählungen kein Bild von der sozialen und wirffchaft-lichen Lage der Heimarbeiter; wir erfahren kein Wort über dieLänge der Arbeitszeiten, die Höhe der gezahlten Lohne u. a. m.;aber ihre Ergebnisse sind nichtsdestoweniger äußerst wichtig für dieBeurteilung der Richtung und deS Tempos der ganzen EntWickelung.WaS uns allerdings wohl am meisten interessieren würde, gibtuns die Zählung nicht: eine saubere Unterscheidung zwischenden beiden Formen deS HauSgewerbeS, der Hausindustrie und derHeimarbeit. Jeder Gewerbetreibende, der in eigener Werkstättefür einen anderen fremden Meister. Fabrikanten oder Verlegerarbeitet, ist nämlich als selbständiger Hausgewerbetreibender an-gesehen worden; doch können wir die stattgehabte Entwickelung ausanderen Zahlen ableiten. Ein weiterer Mißstand ist die Anwendungverschiedener statistischer Methoden bei den einzelnen Zählungen, dieVergleiche sehr erschweren. Bei den Berufszählungen von 1832 und1907 wurden die außerhalb des Haushaltes wohnenden Hilfskräftevon Hausgewerbetreibenden überhaupt nicht als solche erfaßt. Diehier gegebenen Zahlen sind also ohne Zweifel zu niedrig. Zu ihrerKorrektur stehen uns aber glücklicherweise die Ziffern der Gewerbe«zählung zur Verfügung. Hier wurden einmal sämtliche Unternehmeraufgefordert, die Zahl der von ihnen nicht in ihren eigenen Werk-stätten beschäftigten Hausgewerbetreibenden mitzuteilen. Außerdemwurden durch Gewerbekarte die Zahl der Hausgewerbebetriebe undder in ihnen beschäftigten Personen ermittelt. Hinsichtlichder Zahl der Beschäftigten dürften die— wesentlichhöheren Angaben der Unternehmer das richttgere treffen, da siezwar einerseits Doppelzählungen enthalten, andererseits aber diedirett an Kaufleute oder Verleger liefernden Hausindustriellen häufignicht mitzählen. Uebrigens haben die zwar in ihren absolutenWerten voneinander abweichenden Ergebnisse der drei verschiedenenZählungsmethoden doch das eine gleiche Resultat, daß sie von 1882bis 1895 ein Zurückgehen, von da bis 1907 aber wieder einen Auf«schwung des Hausgewerbes erkennen lassen.Betriebe, von denen Haus-gewerblicheBetttebeJahraus Hausgewerbe«tteibende beschäftigtwerden1882.. 4 9391895.. 5 3331907.. 6 347Der bei der letzten_HauSgewerbeS gewinnt freilichBeschäftigte PersonenAngaben derUnter- Hausgewerbe-nehmer treibenden120 686 181 969 187 87394 858 126 935 108 713115 084 149 485 117 000zu konstatierende Aufschwung �deSofort einen anderen Charakter, wennwir eine Unterscheidung der Betriebe in Haupt- und Nebenbetriebevornehmen, wobei als Hauptbetriebe solche angesehen werden, indenen mindestens eine Person hauptberuflich tätig ist. Da zeigt essich nämlich, daß von den Hausgewerbebetrieben warenHauptbetriebe Nebenbetriebe1882.... 108539 121471895.... 80304 144541907.... 91984 23093Hier zeigt eS sich also, daß die Hauptbetriebe auch bei der letztenZählung noch zurückgegangen sind, während die Nebenbetriebe, indenen alle nur nebenberuflich tättgen Personen beschäftigt find, aller«dingS so stark zugenommen haben, daß sie diesen Rückgang wiederwettgemacht haben. Und die bei der Berufszählung gemachten An-gaben über den Charakter der Erwerbstätigkeit der einzelnen Per-soyen als Haupt« oder nebenberufliche zeigt dieselbe Tendenz. EShängt dies mit der Entwicklung deS HauSgewerbeS aus einerseinen Mann nährenden blühenden Industrie in die kärglichbezahlte Heimarbeit für fremde Unternehmer zusammen.Gleichzeitig damit tritt eine Aenderung in der Personen-Zusammensetzung«in. Die Männer wenden sich immermehr der lohnenden Fabrikarbeit zu, während die durch ihreHauswirtschaft und die Kinder an daS Haus gefesselten Frauen derHeimindusttie zuströmen. Von 100 im HauSgewerbe hauptberuflichbeschästigten Personen warenmännlich weiblich1882.... 53 421895.... 49 511907.... 81 69DaS Verhältnis hat sich also vollständig umgekehrt.Bon Interesse ist auch die Frage, welche Bedeutung daSHausgewerbe für die Industrie überhaupt hat. Daß inSachsen von je 100 in der Industrie beschästigten männlichen undweiblichen Personen 10,8 resp. 20,1 auf das HauSgewerbe entfallen.wurde bereits oben erwähnt. In den einzelnen Industriezweigenist dieser Anteil freilich sehr verschieden. So kamen in der Textil-industrie auf 100 überhaupt Beschäftigte 20,9 in der HausindustrieTätige, im Bekleidungsgewerbe 18,8, in der Industrie der Holz- undSchnttzstoffe 6,2, im NahrungS- und Genußmittelgewerbe 5,6 und inder Industrie der Maschinen und Instrumente 3,9. Am geringstenwar der Anteil in der Industrie der Steine und Erden und impolygraphischen Gewerbe mit je 0,3.Das HauSgewerbe ist der K l e i n b e t r i e b p»«xosUonov.Die Mehrzahl der Betriebe sind Alleinbetriebe und auch in denmeisten Gehilfenbetrieben sind nur die Familienangehörigen tätig.Wir haben oben gesehen, wie eS kommt, daß trotz der mit Riesen-schritten vorwärtsschreitenden wirtschaftlichen Konzentratton sich diesetechnisch meist rückständige Betriebsart erhalten konnte, ja sogar ge-wisse Fortschritte zeigt. Sie stellt kein gesunde» Glied, sondern ge-wissermaßen ein Abfullsprodukt der kapitalistischen Eniwtckelung dar./ins der Frauenbewegung.Frauenerwerbsarbeit in der Landwirtschast.Deutschland hat seit 1895 aufgehört, ein Agrarstaat zu sein.Die im gleichen Jahre veranstaltete Berufszählung stellte fest, daßdie Mehrzahl der ortsanwesenden Bevölkerung nicht mehr wie früherzur Berufsabteilung Landwirtschaft zählte, sondern zur Industrie.Bei den erwerbstätigen Personen der Landwirtschaft war nunzwar seit 1882 kein Rückgang zu konstatieren, doch kam jetzt die Be-schäftigungsziffer in der Industrie der in der Landwirtschaft bis aufzirka rlstausend Personen gleich und umfaßte nahezu die Hälftealler Erwerbstätigen. Gegenüber den Feststellungen von 1882wurden in der Landwirtschaft im Jahre 1895 nur zirka fünfzigtausenderwerbstätige Personen mehr gezählt.