werden die üblichen Kommissionen gewählt. Sodann wird ange-sichts der Geschäftslage der zwei anderen Verbände beschlossen, dieBeratung der oruen Statutcnvorlage eines deutschen Keram-arbeiterverbandesals ersten Punkt der Tagesordnung in Angriff zu nehmen. Voneiner Reihe Delegierter, die Anhänger eines Anschlusses an denBauarbeiterverband sind, wird hierzu verlangt, auch die Ver°schmelzungsfrage dahin zu diskutieren, welcher Organisationsich die Töpfer anschlichen sollen. Außerdem wird die Ladung einesVorstandsmitgliedes vom Bauarbeiterverband verlangt.Die Freunde des Zusammenschlusses mit dem Keramarbeiter-verband widersprechen diesen Anschauungen und betonen, dah dieFrage, mit w e m ein Zusammenschluh stattfinden solle, längst ent-schieden sei. Bereits zwei voraufgegangene Generalversammlungenhätten in dieser Richtung den Weg gewiesen, die letzte habe gegenwenige Stimmen eine Verschmelzung zu einem Keramarbeiter-verbände als erstrebenswertes Ziel bezeichnet und die Schaffungeines gemeinsamen Statuts verlangt, das nunmehr seine end-gültige Fassung erhalten solle.Nach längerer und teilweise lebhafter Debatte, die sich bis indie Nachmittagssitzung hinüberzieht, wird beschlossen, die Frage,mit welchen Organisationen eine Verschmelzung zu erstreben sei,nicht mehr zu behandeln, sondern nur den oorliegeden Statuten-entwurf zur Schaffung eines Keramarbeiterverbandes zu dis-kutieren. Die Ladung eines Vertreters vom Bauarbeiterverbandewird abgelehnt. Nach Festsetzung der übrigen Tagesordnung wirdzur Bureauwahl geschritten. Sie ergibt als VorsitzendenDrunsel-Berlin und Bossog-Breslau, als Schrift-führer John-Meitzen, Lehmann-Berlin, Wolff-Berlin und Döring-Danzig.Hierauf referiert der Vorstandsvertreter Bartsch-Berlinüberdie neue Statutenvorlageeines deutschen Keramarbeiterverbandes. DerRedner erinnert an die Opposition in den früheren Jahren, so beiSchaffung des Verbandes 1892 und in jener Zeit, als der Verbandim Jahre 1991 das Gebiet der Unterstützungseinrichtungen betrat.Tie Organisation sei über diese Opposition zur Tagesordnungiibepgegangen und trotz aller gegenteiligen Behauptungen undProphezeiungen erstarkt. Die heutige Situation ähnele jenenfrüheren. Trotz der Dresdener Generalversammlung von 1919,die durch Annahme der Resolution Schmit in der Verschmelzungs-frage als einziges Ziel den Weg zur Verschmelzung zum Keram-arbeiterverband gewiesen habe, habe eine Minorität gegen diesenBeschluß in einer Weise gearbeitet, die terroristisch genannt werdenmüsse. Ein solches Verfahren würde sich die Partei nicht gefallenlassen, sie würde denen, die gegen ihre Beschlüsse Front machen,ganz energisch den Standpunkt klarmachen. Sich der Statuten-vorläge zuwendend, erläuterte der Redner die darin enthaltenenBestimmungen und verbreitet sich dahin hauptsächlich über die darinvorgesehene Ausnahmebestimmung der Ofensetzer bei der Arbeits-losenunterstützung. Diese sei angesichts der großen Arbeitslosigkeitder Ofensetzer als Saisonarbeiter notwendig. Die Statistik be-weise, daß trotz niedrigerer Sätze die Ofensetzer im Durchschnittmehr als die anderen Berufe beziehen würden. Die weiteren Be-stimmungen des Statutenentwurfes eingehend erläuternd, schließtder Redner mit dem Wunsche, daß die jetzigen Beratungen diebesten Erfolge bringen mögen. Auch die Opposition werde nochzur Erkenntnis kommen und einsehen lernen, daß die Ver-schmelzung zu einem Keramarbeiterverbande für die Töpfer unddie anderen daran beteiligten Berufe von bestem Vorteil sein wird.(Beifall.)'Hierauf werden nach 5 Uhr die Verhandlungen auf Dienstagvertagt.1l. Generalversammlung der Glasarbeiter.Leipzig, 39. Juni.Die Generalversammlung tagt ebenfalls wie die der Töpferund der Porzelliner im Volkshaus. Sie ist von 94 Delegierten,6 Vorstandsmitgliedern. 4 Gauleitern, dem Ausschußvorsitzendenund dem Redakteur des Vorstandsorgans besucht. Als Gast istein Vertreter der österreichischen Bundesorganisation anwesend.Tie Generalkommission vertritt bei allen drei Tagungen Um-breit- Berlin. Die vorgesehene Tagesordnung wurde hestätigt.Sie weist nur vier Punkte auf: 1. Die Verschmelzungsfrage;2. Geschäftsbericht; 3. Tarifverträge und Arbeitsnachweise in derGlasindustrie; 4. Ter nächste internationale Glasarbeiterkongreß.Das Referat zurVerschmelzungsfragehielt G r ü n z e l- Berlin. Er hob im ersten Teil seines Vor-rrageS nochmals all die Vorteile, die eine Verschmelzung für deneinzelnen Verband bringt, hervor. Es müsse vor allem berücksichtigtwerden, daß man sich verschmelzen wolle, um kampfesfähigerzu werden. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß in den nächstenJahren größere Kämpfe zu erwarten seien, da heiße es, sich zurüsten und zu wappnen. Bei einer Vereinigung könnte man dieKämpfe ganz anders führen, als wenn der Verband allein dastehe.Für die Agitation werde die Verschmelzung außerordentlichgünstig sein. Die Bezirke würden kleiner, die Agitationsmöglich-teit viel größer.Der Redner kam dann zur Besprechung des Statuten-entwurfs. Den Vätern des Entwurfs sei es nicht leicht ge-lvorden, diesen fertig zu stellen. Ganz ungeheure Schwierigkeitenbätten sich bei der Beratung gezeigt. Die Kommission habe mitden verschiedenen Einrichtungen in den drei Verbänden rechnenmüssen. Alle Verbände hätten das Bestreben gehabt, das zu halten,was sie bisher haben. Bei Erörterung der Vorlage in den Mit-glicderkreisen habe man an dieser kein gutes Haar gelassen. DieKollegen hätten dabei die Schwierigkeiten verkannt, die zu über-winden waren. Am meisten sei gegen die hohen Beiträge oppo-niert worden, da müßte aber gesagt werden, was die Töpfer be-zahlen können, das muß auch den Glasarbeitern möglich sein. Dannsei der Vorwurf gemacht, der Entwurf biete den Mitgliedern zuwenig. Der Referent weist ziffernmäßig nach, daß im vorgelegtenStatut den Mitgliedern weit mehr an Unterstützungen gewährtwird wie im Glasarbeiterverband. Ein weiterer Eintvand derMitglieder sei, man verletze die Demokratie, wenn dem Vorstanddas Recht gegeben werde, cvent. einen Streik abzubrechen, wiees der Entwurf vorsehe. Die betreffende Bestimmung sei jedochkeine Verletzung der Demokratie. Die Mitglieder sollten wohlbestimmen, aber dies Recht könne nicht so weit gehen, daß vielleicht50-199 Mann über das Schicksal von 19 999 bestimmen. Das seidas Gegenteil von Demokratie. Lediglich von dem Grundsatz auS,daß, wenn eine Wetterführung eines Kampfes für die Gesamt-organisation schädlich ist, soll der Hauptvorstand von seinemRechte Gebrauch machen und den Streik evcnt. aufheben können.Das sei keine Diktatur, sondern die Wahrung der Interessen der Ge-samtorganisation. Die Weglassung der Institution des Aus-s ch u s s e s babe viel Staub aufgewirbelt. Redner ist der Ansicht, daßdaran die Verschmelzung nicht scheitern wird. In der Kommissionsei in dieser Frage keine Einigung erzielt worden. Die Töpfer hättenbisher keinen Ausschuß, die Porzellanarbeiter nur eine Beschwerde-kommission. Die größte Zahl der vorliegenden Anträge könntenicht akzeptiert werden. Es werde nicht möglich sein, an dem,was die Kommission vorgeschlagen, eine große Umwälzung vor-zunehmen. Schaffe man das Werk nach dem Vorschlage der Kom-Mission, dann hahe man für die Mitglieder etwas Großes undGutes geleistet.(Bravo!)~is Debatte gestaltete sich sehr lebhaft. Fast alle Rednerwandten sich gegen das Statut in der vorgeschlagenen Form. Inder Hauptsache sind es folgende drei Punkte, die von den Tele-gierten bekämpft wurden: die erhöhten Beiträge(die Er-höhung beträgt in der höchsten Klasse 49 Pf.), die hohe Kranken-Unterstützung und die Nichteinsetzung eines Ausschusses. Ein Ber-liner Delegierter meinte, die Verschmelzung sei keine Existenz-frage für den Verband. Sie hätten sehr wenig Berührungspunktemit den Töpfern. Die Mitgliedschaft Berlin stehe der Verschwel-zung sehr skeptisch gegenüber. Die Beitragserhöhung sei zu hoch.Verbandsvorsitzender G i r b i g- Berlin betonte, bei der Kranken-Unterstützung hätte man den Porzellinern Konzessionen machenmüssen. Auch die Glasarbeiter könnten den sestgesetzten Beitragbezahlen.— Der Vertreter der Generalkommission, Gen. Um-breit, trat ebenfalls für die Verschmelzung ein. Er hofft, daßein Weg gefunden wird, der zum Ziele führt.Die Debatte wurde dann vertagt.Außerordentliche Generalversammlung der porzellau-arbeiter.Leipzig, den 39. Juni.An der Generalversammlung nehmen 59 Delegierte, darunter19 Frauen, 4 Vorstandsmitglieder, 4 Gauleiter und Vertreter der, Redaktion, der Revisoren und der Beschwerdekommission teil. DiePorzellanarbeiter Oesterreichs vertritt deren Vorsitzender Palme.Ueber dieBerschmelzuvgsfragereferiete Verbandsvorsitzender W o l l m a n n- Charlottenburg, dereingangs die Bedeutung der Verschmelzung, die Vorteile für diedrei Verbände hervorhob und dann die Gründe der Verschmelzungs-gegner widerlegte. Man wolle sich verschmelzen, nicht um dieUnterstützungseinrichtungen weiter auszubauen, sondern um dieOrganisationen kampffähiger zu machen. Es sei daher notwendig,alle Anträge, die auf eine Erhöhung der Unterstützungen hinzielen,abzulehnen. Die Streikunterstützung sei etwas heraufgesetzt wor-den. Zum Schlüsse betonte Redner, zusammenkommen müsse man,wenn man nicht die beste Gelegenheit, den Mitgliedern zu helfen,verpassen wolle. Komme die Verschmelzung jetzt nicht, dann wohlnimmer.In derGeneraldebattesprachen zahlreiche Redner für den Verschmelzungsgedanken, wieer in der Vorlage Ausdruck gegeben wurde. Es wurden jedoch eineReihe Abänderungsvorschläge gemacht. Einen weiten Raum inder Diskussion nahm die Frage bezüglich der Ofensetzer ein. Be-zweifelt wurde, daß bei den vorgesehenen Sätzen für die Ofensetzernoch Mittel für den Kampf übrigbleiben. Die Ofensetzer hätten93 Proz. der Gesamtunterstützung bei Arbeitslosigkeit gebraucht.Da sei zu befürchten, daß sie auch ein Bleigewicht für die neueOrganisation werden. Das beste wäre, wenn die Ofensetzer sichdem Bauarbeiterverbande anschließen würden. Fraglich sei auch,ob die Glasarbeiter geneigt wären, den I-M.-Beitrag zu zahlen.Bon vielen Rednern wurde zum Teil sehr scharf die Art derAgitation der Fabrikarbeiter gegenüber dem Porzellanarbeiter-verband kritisiert.— Der Vertreter der Generalkommission be»dauerte die scharfen Angriffe auf die Fabrikarbeiter. Der Zu-sammenschluß der drei Verhände sei aus strategischen Gründennotwendig. Hinter dem großen Gesichtspunkte, bei Kämpfenleistungsfähiger zu sein, müßten alle kleinlichen Fragen, wie dieAusgestaltung der Unterstützungen, zurücktreten.Die Verhandlungen wurden vertagt.Induftne und FtandeLDer ArbeitSmarkt im Baugewerbe.Die Ungunst der allgemeinen Lage des deutschen Arbeitsmarktesfindet ihre Erklärung hauptsächlich in der schlechten Baukonjunktur.Vom Arbeilsmarkt der verschiedenen Gruppen der Bauarbeiter greiftdie Depression natürlich auch auf den Arbeitsmarkt zahlreicher an-derer Gewerbe über. Besonders stark werden die Klempnerei, dasSchlosser-, Holz- und Malergewerbe, die Gärtnerei, Baustoff«industrie. verichiedene Zweige des Transportgewerbes und vor allemder Arbeitsmarkt der ungelernten Arbeiter in Mitleidenschaft ge-zogen. Die Bausaison 191S hat anscheinend zunächst nochschlechter eingesetzt wie die vorjährige, obwohl nicht zu leugnen ist,daß sich hier und da Anzeichen einer leichten Besserung den kommen-den Monaten bemerkbar machen. In den Monaten April und Maider Jahre'1996 bis 1913 kamen auf je 199 offene Stellen fiir Bau-arbeiter durchschnittlich Arbeitsuchende:Demnach ist die Situation im laufenden Jahre weit ungünstigerals in den Jahren 1998, 1919 und 1912, die sich ebenfalls durcheine starke Belastung de« Arbeitsmarktes auszeichnen. Die Betrach-tung der Arbeits Marktlage in den verschiedenenLandesteilen lehrt, daß es in der Hauptsache der spekulativeWohnungsbau in den Städten ist, der völlig daniederliegt. Inmehreren vorwiegend ländlichen Bezirken sowie auch in einigenIndustriezentren wird noch ziemlich flott gebaut. Hier bestimmteben hauptsächlich der Bedarf das Tempo der Baukonjunltur, währendam städtischen Banmarkt neben der Lage des Wohnungsmarktes vorallem die Geldmartlverhältnisse von großem Einfluß sind.Krupp und der Krieg. Die Handelskammer für die KreiseEssen, Mühlheim-Ruhr und Oberhausen gibt jetzt den zweiten Teilihres Jahresberichtes heraus und widmet darin wie gewöhnlichder Firma Fried. Krupp A.-G. in Essen einen besonders weitenPlatz. Nach den Begebenheiten der letzten Monate sind aus demKruppberichte der Handeskammer speziell die Angaben von Jnter-esse, die sich auf die Beteiligung der Gesellschaft an Krieg undRüstung beziehen. So spärlich diese Angaben sind, so geben siedoch ein Bild, in welch starkem Maße das Unternehmen daran in-teressiert ist, daß das Maß nicht einschläft. Unter den Hauptfach-lichsten Erzeugnissen der Gußstahlfabrik in Essen werden in demBerichte genannt: Geschütze, Geschosse mit Zündern und Zündungen,Getoehrläufe, Panzer in Form von gewalzten Platten oder inStahlguß, gehärtet und ungehärtet, sowie in Blechen für alle ge-schützten Teile der Kriegsschiffe, für Lafettenschutzschilde und fürFestungen und Küstenwerke. Ueber die Schießversuche auf denSchießplätzen der Gesellschaft, die der Prüfung der abzunehmendenGeschütze und Gewehre dienen, findet man in dem Bericht folgendeAusführungen:„Aus dem Schießplatz bei Meppen, der eine Aus-dehnung von 25 Kilometer Länge und 4 Kilometer Breite hat,wurden im Jahre 1912 1379 Schicßversuche durchgeführt. Hierzuwurden auf 287 verschiedenen Geschützen 9919 Schuß abgegebenund 141 629 Kilogramm rauchschwaches Pulver sowie 754 999 Kilo-gramm Geschoßmaterial verbraucht. Das beschossene Panzerplatten-Material repräsentierte ein Gesamtgewicht von 847 999 Kilogramm.Auf dem Schießplatz in der Gußstahlfabrik selbst wurden im Jahre1912 14 539 Schuß teils zu Versuchszwecken, teils zum Anschießenabnahmebereiter Geschütze abgegeben und dazu rund 29 999 Kilo-gramm Pulver und 179 999 Kilogramm Geschoßmaterial ver-braucht. Auf dem Schießplatz Tangerhütte, der 11 Kilometer langist, eine Breite bis zu 2.5 Kilometer hat, wurden im Jahre 1912556 Schietzversuche durchgeführt. Hierzu wurden aus 196 ver-schiedenen Geschützen 11969 Schuß abgegeben und 8959 Kilogrammrauchloses Pulver sowie 153 999 Kilogramm Geschoßmaterial ver-braucht. Ferner wurden 12 669 Schuß aus Gewehren und Ma-schinengewehren für wissenschaftlich-technische Untersuchungen ver-feuert. Auf den drei Schießplätzen zusammen wurden also imJahre 1912 rund 35 999 Schuß aus 4375 Geschützen abgegeben unddazu etwa 169 679 Kilogramm Pulver und etwa 1 977 999 Kilo-gramm Geschotzmaterial verbraucht."Soziales.„Mit den Augen totgeschlagen."Vor dem Gewerbegericht klagte gestern ein Fensterputzer gegendas„Blitz-Blank-Reinigungsinstitut" auf Auszahlung von S M.«1,59 M. verlangte er als tariflich festgesetzten Zuschlag für 3 Stun-den gefährlicher Arbeit. Die Beklagte wollte das Putzen eines dreiStockwerk über dem Erdboden befindlichen Glasdaches, unter wel-chem kein Schutznetz angebracht war, nicht als gefährliche Arbeit an-sehen. 4,59 M. ferner beanspruchte der Kläger als Entschädigungfür einen Tag. Die Firma habe vom Arbeitsnachweis eine be-stimmte Anzahl Leute verlangt. Unter diesen habe er sich be-funden, er sei jedoch zurückgewiesen worden. Dadurch sei ihm derArbeitstag verloren gegangen. Hiergegen wendete der Geschäfts-führer der Beklagten ein, der Kläger habe„gemurrt", als einemandern„nahegelegt" wurde, die Mütze vom Kopf zu nehmen. Aufeinen daraufhin erfolgten Verweis habe sich der Kläger derart be-nommen, daß er ihn, den Geschäftsführer,„fast mit den Augen tot-geschlagen hätte!" tDas Gericht verurteilte die Firma zur Zahlung der geforderten6 M. an den Fensterputzer mit den totschlagenden Augen.Eine Pauke gegen Notstandsaktionen.Am Montag hat in Hannover auf dem 2. NiedersächsischcnMittelstandstag der Bürgermeister des freundlichen Nossen(König-reich Sachsen) Dr. Eberle zornerfüllt sich gegen die Pflicht derStädte,Notstandsaktionen vorzunehmen, gewendet. Unter reichlichemSchwenken des roten Lappens besprach dieser Vorsitzende des Reichs-deutschen Mittelstandsverbmides gelegentlich seines Referatsüber Stadtkonkurrcnz die sogenannten Notstandsaktionen. Hierbeiführte er aus: Wir lebten heute in einer Zeit, in der es Mode sei,sich zu bücken und zu beugen vor der Arbeiterschaft. Diese Zeithabe vielen Kommunalverwaltungen Veranlassung gegeben, großeVerkäufe von Fleisch, Kartoffeln, Kohlen, Fischen und dergleichenzu arrangieren, nicht weil sie sich von solchen Maßnahmen Hilfeversprächen, sondern weil es einmal so modern sei!(StürmischerBeifall.) Im allgemeinen hätten diese Kommunalverwaltungenkeine Erfolge gehabt und vielfach nicht einmal Dank geerntet. InChemnitz hätten die Arbeiter die Abnahme der städtischen Kartoffelnverweigert, weil sie ihnen zu schlecht waren. Die Stadt Chemnitzhabe dann noch viel Aerger mit ihren Kartoffeln gehabt, wenn siediese auch zum Teil billig an die Beamten verkaufen konnte, die jaimmer zur Stelle wären, wenn cS etwas zu ramschen gäbe!(Don-nernder Beifall.) Solche gefährlichen Experimente stellten ein un-nötiges Eingreifen der Gemeindegewaltigen dar, das geeignet sei,die gegenwärtigen Auflösungsprozesse noch zu beschleunigen. DieseStadtverwaltungen— Schwächserscheinungen der kommunalenVerwaltungen— lieferten mit ihren Notstandsaktionen nur den Be-weis, daß ihnen der männliche Mut fehle, der Dummheit entgegen-zutreten!(Erneuter donnernder Beifall.) Gegenüber dem Druckevon unten fehle es an dem nötigen Gegendruck!(Stürmischer Bei-fall.) Zur Ausübung dieses Gegendruckes erwachse für das nationaleBürgertum, dem gesamten Mittelstand die Pflicht, die Reihen zuschließen, der Erfolg werde dann nicht ausbleiben.(Langanhalten-der stürmischer Beifall.)Armes Nossen, das einen Mann mit so tiefwurzelndem Un-Verständnis für soziale Erscheinungen und Pflichten zu seinemBürgermeister erkürt hat!_Befohlene Urteile.Dieser Tage waren etliche Macher von gelben Vereinen unddie respektiven Werksvertreter in Augsburg zusammen, um An-Ordnungen zu treffen. Man nennt solche Zusammenkünfte„Ver-tretertag". Bei dieser Gelegenheit beschäftigte man sich auch mitder Frage der Beitragserhebung zu den gelben Mutzvereinen. DasGewerbegericht in Oberschöneweide und in Berlin hat den Abzugder Beiträge vom Lohn dem Gesetz entsprechend für unstatthafterklärt. Das verursacht den Werksherren einige Schmerzen. EinBeamter des Kruppschen Direktoriums, als Arbeitervertreter an-wesend, beschuldigte das Berliner Gewerbegericht, nicht aus reinobjektiven Gründen sein Urteil gefällt zu haben. Das Gericht be-stünde zum großen Teil au» Sozialdemokraten, und die ließen sichvon ihrer Abneigung gegen die Gewerkvereine beeinflussen. Dafürfand man Trost in der Versicherung, daß die Gewerbegerichte imMachtbereich der Großindustrie anders entscheiden würden. Er-klärte doch Herr Halbach, so der Name des angeblichen Arbeiterver-treters: die Gewerbegerichte in unserer Gegend werden sich aufden Standpunkt stellen, dah die Werkvereine eine WohlfahrtSeinrich-tung im Sinne des§ 117 seien. Das heißt mit anderen Worten,die Gewerbegerichte werden den Abzug der unfreiwilligen Beiträgefür eine unfreiwillige Mitgliedschaft als berechtigt erklären.Bemerkenswert ist die Bestimmtheit, mit der Herr Halbach, derWerksvertretcr, mitteilen konnte, wie die Gewerbegerichte inner-halb des großindustriellen Machtbereichs urteilen würden. Kannman da von objektiven Urteilen, kann man da von einem selb-ständigen, von keiner Herrschaft, von keinen Einflüssen bestimmtenGericht sprechen? Allerdings, der Werksherr hat in dieser Be-ziehung gut voraussagen. Er weiß, wen er in die Gewerbegerichteschickt. Und sie legten schon Proben ihrer ZuVerläßlichkeit ab.Während eine Reihe nicht der Despotie des Großkapitals, nicht derWillkür der Jndustriemagnaten unterstehenden Gerichte den Abzugvon Beiträgen für eine unfreiwillige Mitgliedschaft zu einer Kasse,die den Mitgliedern gar keine fest umschriebenen, unangreifbarenRechte einräumt— WerkSpensionSkassen— als wider die gutenSitten verstoßend erklärten, sprechen Gewerbe- und andere Gerichtein den Domänen der Großindustrie dieser das Recht zu, die Bei-träge fiir die Zwangskassen vom Lohn abzuziehen. Da zeigt sichder unheilvolle, alles nach Profitinteressen modelnde Einfluß desKapitals als unsozialer Faktor. Findet sich dann ein Gericht, dasden kapitalistischen Spuren nicht folgt, dann wird eS als parteiischverdächtigt.Schließlich wurde beschlossen, sämtliche Urteile in der Frage derBeitragszahlung für die gelben Vereine zu sammeln und von einemsachverständigen Juristen prüfen zu lassen. Soll das ein Jurist vomSchlage der Professoren Ehrenberg oder Bernhard sein? Jederobjektive Beurteiler wird den Abzug für die gelben Kassen füreinen gesetzwidrigen, gegen Recht und gute Sitten verstoßenden an-erkennen.frauen-Lefeabende.Zchlcndorf(Wannscebahn). Der zum Mittwoch, den S. b, M., angesetzte Frauen-Leseabend kann umständehalber nicht statt-finden: derselbe findet aber bestimmt am Freitag, dent. d. M.,In demselben Lokal mit angesagtem Thema statt.eingegangene vruckfckrltten..Glühlichter- Nr. 13. Verlag der Wiener Volksbuchhandlung, Wien VI,Gumpendorfer Straße 18.Schule und Jugendkultur. Von G. Whnekcn. 3 M., geb. 4M.—Tie Gartentultur des SO. Jahrhunderts. Von L. Migge. 6 M.,geb. 6.59 M. E. DiederichS, Jena.Meine fünf Klosterjahrc. Von H. Siemcr. 294 S. A. Jansien,Hamburg.Therslteö, nicht Grachus. Entgegnung auf„Moderne Gründungen»von A. Grccven. 127 S. und Anhang. A. Müller, Charlotlendurg,Fritschestr. 27/28.Agnes Feuftels Sohn. Roman von F. Hollaender. 5kronen-Verlag,Berlin S\V 68. 1 M.«crhandlungen des zweiten deutschen Soziologentagcs I9lS.(schristcn d. D.(Äesellsch. f. Soziologie.) 4,49 M., geb. 6 M. J.T.B.Mohr, Tübingen.Deutscher Glaube, deutsches Baterland, deutsche Bildung.Bon P. de Lagardc. 219 S. E. Tiederichs, Jena.Hermann Bahr. Von W. Handl. 2,59 M., geb. 3,59 M.— TaSHermann>Bahr>Buch. Mit 21 Abbildungen. 1 M., geb. 1,59 M.S. Fischer, Berlin. Bülowstr. 99.Harro Tienbeck. Eine einfache Geschichte von F. Hähnel. 59 Pj.Deutschlands Großloge ll des I. O. S. T., Hamburg 30.