Einzelbild herunterladen
 

Nr. 217.

30. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner   Volksblatt. Sonnabend, 23. Auguf 1913.

Gewerkschaftliches.

Zur Gewerbegerichtswahl in Spandau  . Von den Gegnern wird in der verwerflichsten Weise gearbeitet, um für die Gelben Mandate zu erhaschen.

Der Vorstand des gelben Unterstützungsvereins hat in der " Spandauer Zeitung" ein Inserat losgelassen, wo von rotem Terro­rismus und Gewaltherrschaft die Rede ist. Durch dies Geschrei wollen die Gelben ihre Schandtaten verdecken. Der Vorstand des gelben Vereins hat es fertig bekommen, Streitbrecher auf die gelbe Kandidatenliste zu sehen. Dadurch wird die Liste Nr. 3 zur Genüge gekennzeichnet.

-

niederzulegen. Man sieht hieraus, daß der Reichsbote" von seinem Gewährsmann gründlich düpiert worden ist.

Ein Aufruf, den der Unternehmerverband verbreitet, zeigt deut­lich, daß von dieser Seite ein Kampf heraufbeschworen wird; nicht weil die von den Gehilfen gestellten Forderingen zu weitgehende Zur Bewegung der Friseurgehilfen. find; nein, die Unternehmer wollen das Zustande­Dentist Paul Arndt  , Besizer der Friseurgeschäfte Alexanderplatz 2 tommen eines Tarifes überhaupt verhindern und Bergmannstr. 112 befundet eine ausgesuchte Höflichkeit gegen- und die Organisation der Gehilfen vernichten.- über den Organisationsvertretern, verspricht bis zu einem bestimmten Die Gehilfenorganisation wird diesen Schlag zu parieren wissen, Termin alles was sie fordern zu erledigen, rüdt dieser heran, so wobei sie wohl auf die weitgehendste Solidarität der Arbeiterschaft Das Kampfmittel rechnen darf. hat Herr Arndt immer wieder neue Ausreden. ursacht stets eine Verminderung der Einnahmen der bestreiften der Organisation, die Errichtung einer fliegenden Rasierstube, ber Glasschleiferstreik in Forchheim  ( Oberfranken  ). Geschäfte, so auch für den Betrieb Bergmannnstr. 112. Herrn Arndt In der optischen Glasschleiferei der Firma A. Schweizer wurden soll das aber wenig Abbruch machen, da er neben den genannten plötzlich 14 Arbeiter entlassen, die seit langen Jahren bei der Firma Friseurgeschäften auch noch eine ausgedehnte Praris als Zahntechniker beschäftigt sind. Seit einiger Zeit gelang es, die gesamten Arbeiter in Groß- Lichterfelder  - Dahlem  , Unter den Eichen 94a, betreibt. Mit des Betriebes dem Verbande der Glasarbeiter zuzuführen, so daß der Ueberzeugung doch zum Ziele zu gelangen, harren die streitenden die Entlassung nur darauf zurückzuführen ist, daß die Arbeiter organi­der Arbeiterschaft, welcher es für richtig hält, nur die Rasierstube keineswegs mustergültig; Wochenlöhne von 20 M. find als hoch zu Kollegen aus. Sie werden hierbei unterstützt von denjenigen Teil fiert sind. Die Arbeits- und Lohnverhältnisse in dem Betriebe sind der Streifenden in der Belle- Alliance- Straße 75 zu besuchen. Um bezeichnen. jo mehr, da der Pächter" Martini, beschäftigt Bergmannstr. 112, ganiſation angebahnt wurden, abgelehnt. Auch für die Vermittlungs­Die Firma hat alle Vermittelungen, die von der Dr­erklärt: Wir sch..... auf die Groschen der Arbeiter!" versuche des Gewerberats, Dr. Hörger- Bayreuth  , hatte sie kein Ver­Das Geschäft Luisenufer 21 befindet sich jetzt im Befiz eines ständnis. Am 20. August legten deshalb sämtliche Glasschleifer, Herrn Sidow; der vorgelegte Tarifvertrag wurde bis zur Stunde etwa 90 Mann, die Arbeit nieder. Da die Firma versuchen dürfte, noch nicht anerkannt. Glasschleifer in anderen Drten zu suchen, so werden alle Glas­Auch die Spandauer   Polizei zeigt sich in besonderem Lichte. Auf Ersuchen der Vereinigung der Barbier- und Friseurgehilfen, schleifer und ungelernte Arbeiter besonders auf die Firma aufmerksam Personen, die ihre Wahllegitimation auf den Polizeibureaus zur Be- Nachweis Waßmannstr, 28, teilen wir mit, daß der Verein, der von gemacht. glaubigung vorlegten, wurden Schwierigkeiten gemacht. Denen, die der Firma Arndt um Arbeitskräfte ersucht wurde, es ablehnt, dem Verband bei seinen wirtschaftlichen Kämpfen hindernd im Wege zu in Berlin   arbeiten aber in Spandau   wohnen, wurde erklärt, daß sie stehen. Die Hartnäckigkeit des Unternehmers Arndt und den nicht wählen dürfen. Diese Behauptung von Polizeibeamten wider schmutzigen Anwürfen feiner Helfer trogen wir durch Beibehaltung spricht den gesetzlichen Bestimmungen. Der Spandauer   Magistrat des Rafierladens Belle- Alliance- Str. 75, im Houſe der Kreuzberg­Apotheke. Verband der Friseurgehilfen.

Aus dem Betriebe der Firma Siemens wird mitgeteilt, daß man versucht, den besser gestellten Arbeitern das Wahlrecht zu nehmen. Ein Anschlag der Firma besagt, daß diejenigen, welche einen Jahresverdienst von über 2000 m. haben, nicht wahlberechtigt find.- Demgegenüber stellen wir fest, daß eine solche Beschränkung von seiten der Firma Siemens keine Gültigteit hat. Es soll sich durch solche Maßnahmen niemand beirren lassen, sondern auf jeden Fall von seinem Rechte Gebrauch machen.

hätte alle Veranlassung, an die Polizeireviere die notwendigen An­weisungen zu geben, um den Wählern Scherereien zu ersparen.

Wir weisen nochmals darauf hin, daß jeder mindestens 25 Jahre alte Arbeiter, der in Spandau   wohnt oder arbeitet, wahlberechtigt ist. Auch Arbeitern der Firmen, deren Bureaus sich in Berlin   befinden und auf Spandauer   Gebiet Arbeiten ausführen lassen, dürfen wählen. Letzteres trifft besonders auf die Arbeiter der Bau­industrie zu. Laffe sich niemand durch falsche Angaben der Gegner oder gelben Interessenten düpieren, sondern sorge jeder dafür, daß keine Streit brecher als Beisiger gewählt werd.

Deutfches Reich.

-

-

Ausland.

-

Die

Neue Bewegung der englischen Eisenbahner. bahnangestellten zu einem gewaltigen Verbande von 200 000 hat Die Zusammenfassung der verschiedenen Verbände der Eisen­der Bewegung dieser Arbeiterschicht neuen Anstoß gegeben. Am 17. August fanden in allen Teilen des Landes große Kundgebungen zur Erinnerung an den Beginn des großen Eisenbahnerstreits Die Situation auf den Werften. von 1911 statt, bei denen ein neues Programm: Achtstundentag Bürgerliche Blätter geben der Ansicht Ausdruck, daß durch die Mindestwochenlohn von 30 Shilling Reform des Schieds­Schließung der Arbeitsnachweise die Situation geklärt sei, es würden amtswesens Verpflichtung der Unorganisierten zum Anschluß teine Arbeiter mehr eingestellt. Wir vermögen die Situation nicht 30 000 Mann zusammen, die nach einem Marsch von über 3 Kilo­an den Verband, angenommen wurde. In London   kamen an als geklärt anzusehen. Teilt doch das" Hamburger Echo" mit, daß metern Länge eine Versammlung im Hydepark abhielten. trog Schließung der Arbeitsnachweise Neueinstellungen auf den Ham- Forderungen stimmten an den im Zuge verschiedenen Orten nicht burger Werften vorgenommen werden, allerdings sind es nicht ganz überein. So wurde hier die 48-, dort eine höchstens 56 stündige Streifende, die eingestellt werden. Vom Arbeitsnachweis der Gelben Arbeitswoche, hier die Abschaffung, dort nur die Fortbildung der find einige Hundert Arbeiter eingestellt worden unter der Be- Schiedsämter verlangt. In Vort erklärte der Generalsekretär des bingung, den gelben Werkvereinen beizutreten. Die Werft von Blohm Landesverbandes, J. G. Williams, man habe früher zu viele u. Voß sucht im Rheinland   Maschinenbauer und Nieter anzuwerben, Forderungen aufgestellt und sich dadurch auf Nebendinge ablenken was aber bis jetzt nicht gelungen ist, da die unter falscher Flagge fonzentrieren; vor allem auf die erstere, da die Einführung des lassen. Künftig müsse man sich auf die Zeit- und die Lohnfrage Angeworbenen nicht in Arbeit traten, als sie sahen, daß sie die Stellen Achtstundentages durch das Erfordernis einer größeren Angestellten­Das fromme Blatt Der Reichsbote" stimmt bewegliche Magen der Streikenden einnehmen sollten. zahl von selbst eine Steigerung der Löhne bringen werde. Heute darüber an, daß es trotz der gegenwärtig herrschenden Arbeitslosig Diese Maßnahmen der Unternehmer deuten darauf hin, daß werde in 8 Stunden mehr Arbeit geleistet als vor 15 Jahren in 12. feit immer noch Arbeiter gebe, welche in frevelhaftem Uebermut fie was ihnen ja nicht gelingen wird die Betriebe mit ge- Sollten die Gesellschaften sich außerstande erklären, die Forde­streiken und dabei selbst vor dem Bruch von Tarifverträgen nicht fügigen Arbeitskräften füllen und die alten, organisierten Arbeiter rungen zu erfüllen, so bleibe nur ein Ausweg: die Verstaat­zurückschreden. Welchen Wert die Angaben des Reichsboten" haben, draußen lassen möchten. Ist es so, dann werden die Werftgewaltigen Ii chung der Bahnen, eine Forderung, der die Arbeiter ein Haupt­dafür wollen wir nur zwei Beispiele aus seinem Beweismaterial" augenmerk zuwenden müßten. Ein Vorstandsmitglied erklärte, in anführen. Nach dem Reichsboten" hat ein Teil der Werftarbeiter auf Frieden nicht rechnen tönnen, denn sie selbst stören ihn ja. 10 Jahren sei die Zahl der Arbeiter um 40 000 verringert worden, während die Einnahmen der Bahnen aus dem Verkehr und dem Drohende Aussperrung im Karlsruher   Fleischer. Kohlengeschäft um nahezu 1730 Millionen Mark gestiegen seien. gewerbe.

Die Liste der freien Gewerkschaften hat die Nr. 1. Die Wahl findet am 25. August statt.

-

-

Berlin   und Umgegend.

Die übermütigen" Arbeiter.

-

"

-

-

aus reinem Uebermut natürlich · die Arbeit noch nicht wieder aufgenommen. Daß die Werft unternehmer ohne ausreichenden Grund die Arbeitsnachweise geschlossen haben und zurzeit feinen Streifenden mehr einstellen, To daß also beim besten Die Aussperrung in den zwei größten Wurstfabriken erscheint Willen kein Werftarbeiter in Arbeit kommen kann, davon unvermeidlich. Auf die schriftliche Antwort der Beschäftigten, daß sie scheint der Reichsbote" nichts zu wissen. Ferner be gewillt find, auf Grund ihrer Tarifvorlage und des Arbeitsvertrages hauptet das fromme Blatt: Jn Berlin   liegen mehrere der Firmen Verhandlungen mit diesen zu führen, antworteten bie große Bauten stin, weil die Arbeiter höhere Löhne verlangten, die Firmen, daß sie die Angelegenheit dem Arbeitgeberschutzverbande ihnen mit Rücksicht auf den bestehenden Tarifvertrag nicht bewilligt übertragen hätten, an den sich die Gehilfen wenden sollen; daß dieser werden konnten.' Diese Behauptung ist eine trasse unwahrheit. überhaupt nicht geneigt ist, auf die Firma einzuwirken, um diese zu Mitteilungen ging hervor, daß der Durchschnittslohn heute nur Wie uns die Leitung des Deutschen Bauarbeiterverbandes mitteilt, Bugeständnissen zu veranlassen, hatte er bereits in bürgerlichen Bei­Iiegt gegenwärtig nicht ein einziger Bau in Berlin   tungen zum Ausdruck gebracht. Die Beschäftigten haben daher kein wegen Lohnforderungen der Arbeiter still. Es denkt Vertrauen zu Verhandlungen mit dem Unternehmerverband, fie be­auch kein Bauarbeiter daran, mehr zu verlangen als ihm der Tarif stehen darauf, mit den Firmen selbst zu verhandeln, wie das bisher zuspricht oder gar wegen übertariflicher Forderungen der Arbeiter stets geschehen und zu friedlichem Verlauf geführt hat.

-

Kleines feuilleton.

Die Juryfreien. Diesmal haben sie das Haus der Sezession. Das war ein fluger Trid; denn wenn man auch weiß, daß nur die Torkeltrise den Juryfreien zu diesem historisch geweihten Lokal berhalf, so gewinnen sie doch immerhin einen Schein von dem fieghaften Schlachtfeld, auf das ein Zufall sie führte. Es ist aber anzuerkennen, daß der würdige Ort einen würdigen Gast fand. So haben sie schon gewonnen; fie haben nicht nur den offenbaren Dilettantismus in die fernsten Winkel gewiesen, sie haben auch ( mögen sie es immerhin leugnen) irgendwie gefiebt. So kam es, daß das Niveau dieser vierten Ausstellung ganz annehmbar ist. Man trifft ganze Scharen junger Leute, die gern das Neue" möchten. Man begegnet Künstlern, die genau wissen, worauf es der Kunst der nächsten Jahre vor allem ankommen wird. Man steht hier vor Menschen, die wieder ein Programm haben und ins­gesamt mit den Programmen auch der anderen vortrefflich Bescheid wissen. Es ist sehr viel Wollen in dieser Ausstellung, sehr viel Streben, sehr viel Ausblick. Nur: das Können vermag noch nicht dem hohen Flug der Absichten zu folgen. Dieser Zustand ist ein so allgemeiner, daß man es sich eigentlich sparen könnte, zu seiner Illustration mit Namen aufzuwarten. Immerhin seien einige dieser Kedlinge genannt.

Nicht alle sind völlig neue Männer. Tappert und Cäsar Klein zum Beispiel kennen wir seit langem; sie gehören beide zur Bechstein  - Gruppe, sie mühen sich um den dekorativen Aft. Sie sind beide am besten, wenn sie das Format möglichst bescheiden wählen. Bürgerlicher ist Harold T. Bengen; er strebt auf den Spuren Ludwig von Hofmanns zum durchlichteten Wandbild, Es haftet an der Wildheit seiner Amazonen ein Rest des Schul­mäßigen; zugleich eine Stärke wie eine Schwäche. Aehnlich steht es um eine ganze Gruppe von Malern, die Schüler des Stuttgarters Hölzel sind. Diese Leute komponieren nach dem Rezept ihres Meisters im System des Dreieds. Man merkt's nur gar zu sehr und ärgert sich über diese billige Methode, aus Körpern Gruppen zu bauen.

Da ist denn doch Willy Jädel ein anderer Kerl. Alle Wetter. Der geht drauflos, läßt Akte gegeneinander springen, zu sammenbrechen, zerbersten. Ein starkes Talent; und doch eigent­lich ein Akademiker. Morgner ist nicht so einfach zu bestimmen. Seine Bilder sind wie ein Hochofen; erfüllt von schlagenden Flammen. Ob aber, wenn die Lohe verweht, nicht graue Asche zurückbleiben wird, wer möchte das bestreiten. Seine schwarz­meißen Blätter scheinen am ehesten für eine hoffnungsvolle Ent­widelung dieser stürmenden Triebe zu sprechen. Ein merkwürdiger Gesell ist Hans Richter; der malt centripetal. Auf allen seinen Bildern kreisen die Gegenstände elliptisch und haben dabei die Tendenz, nach außen fortzufliegen. Das gibt den Tangbeinen einer Chansonette fein übles Leben; es wirkt aber maniriert, wenn auch Häuser und Bäume von solcher Beseffenheit ergriffen scheinen. Ganz unmöglich ist ein Herr, der fich Gamahu nennt; er malt mit Gips, fnetet dide Massen als Nase und Busen auf die Leinwand. Das erinnert gar zu sehr an die Kuchenmänner provinzialer Weihnachtsmärkte.

Recht interessant ist das graphische Kabinett; wir treffen bte hoffnungsvolle Jugend unserer Schwarzweißfunft: Feigl, Defterle, Hans Keller und den bisher unbekannten Kolbe, r. br.

In Doncaster   sagte der Sekretär, Abgeordneter Thomas, die Arbeitsleistung sei seit 20 Jahren um 40 Proz. gestiegen. Er sprach sich gegen Abschaffung der Schiedsämter aus, die im ganzen gute Arbeit geleistet hätten. Wichtiger sei die völlige Verschmel­zung aller Verbände, die Beiseiteseßung örtlicher Gegensäße. Dins Recht auf Streik dürfe nicht preisgegeben, doch müsse der Streik als letztes, nicht als erstes Mittel betrachtet werden. Aus anderen 25 Shilling 9 Pence( 26,25 M.) beträgt und über 50 000 Arbeiter weniger als 1 Pfund Sterling( 20,40 M.) in der Woche verdienen. Durch Betriebsunfälle wurden im letzten Jahre 5562 Mann ver­legt und 686 getötet. Grund genug für eine neue, auf anständige Bezahlung und ausreichenden Schuß gerichtete Bewegung ist also Mufit.

"

Der Requiem- Dichter der Berliner   Märzgefallenen. Den Namen Titus Ulrich   hat die Zeit verweht und auch von seinen Kampf­Sommeroper( im Schiller Theater Berlin O.). Albert gedichten, geschrieben um die Zeit von Achtundvierzig, ist nichts georgings wertvollste Schöpfung ist Der Wildschüß. Zu­blieben. Sie schlummern auf vergilbten Blättern in Bibliotheken und tauchen hier und da einmal in geschichtlichen Schriften auf. nächst bekundet das nach Koßebues Rehbock" gearbeitete Libretto Jezt erinnert an sie der hundertste Geburtstag Ulrichs, des Schlesiers eine sehr glückliche Hand. Man stößt sich weder an dem landedel­aus Habelschwert in der Grafschaft Glatz  , der von philosophischen männischen Milieu", noch an dessen romantisch" anmutender Ein­und ästhetischen Studien aus ins Literatentum geriet und seit der fleidung; denn jenem sowohl als dieser wurde eine Kleinbürgerliche Mitte der vierziger Jahre, in der Blütezeit der politischen Nebenhandlung äußerst wirksam entgegengesett; und die Komik ergab Lyrit, mit epischen Dichtungen hervortrat, in denen Humanitäts- sich aus solchem Doppelspiel der Kontraste sozusagen von selbst, das gedanken und pantheistische Gefühlsbekenntnisse sich zu politischem heißt: der Dichter verstand es vortrefflich, fie gleichsam aus ihren Radikalismus auswuchsen. Die Gedichte sind in Inhalt und Form verborgensten Schlupfwinkeln hervorzuholen. Was aber um so inter­Nachklang und Austlang der Periode, die gerade mit der März- effanter erscheint, ist: die Musik erwuchs aus dieser tertlichen Unter­revolution zu Ende gehen sollte, aber sie brachten ihrem Verfasser lage vollkommen organisch. Sie behauptet sich fast durchweg auf den eine Zeitlang Beachtung ein. Ein Epos Victor verfiel furz vor Höhen einer warmflüssigen Melodit und eines fed sprudelnden Schluß des Vormärz der Zensur und wurde nach dem Berliner   Humors, die beinah Mozartsche Zauberkraft verspüren lassen. Nun, die dem Werke bereitete Wiedergabe sorgte dafür. Barrikadensiege alsbald gedruckt. Ein Landsturmlied" dieser Dichtung enthielt die Strophe: Wir haben lang gebettelt schon, Wir lagen euch zu Füßen,

Ihr stießt uns fort mit Hohn und Drohn, Das sollt ihr heut uns büßen! Heut nehmen wir mit eigner Faust, Die bald euch um die Häupter faust, Wir nehmen, was wir brauchen, Mags auch von Blute rauchen!

-

-

Vor allem stellte Direktor Leopold Sachse  , dessen Regiekunst ja bisher noch nie versagte, in eigener Person den Schulmeister Baculus prächtig hin. Da war alles von Humor durchleuchtet, von einer Komit, die trop einer gewissen Trockenheit ganz natürlich floß und in der Soloszene der fünftausend Theater" geradezu schlagend wirkte. Dieser Leistung stand- darstellerisch und gesanglich­Adolf Permanns Graf von Ebersbach sehr nahe; desgleichen Frene Fraubergers Baronin Freimann. Bei Karl Kull. in der Erscheinung kaum eine Art Pseudobaron Signe Becker, Erna Kemnitz und Anna Enghardt traten immerhin hübsche Einzelzüge Viel Widerhall fand aber erst Titus Ulrichs Requiem", das hervor. Adalbert Lieban machte aus seinem Pancratius ein so " Den Toten des 18. März" gewidmet war. Es sezt mit der eindringlich als belustigend fächselndes Männchen. Die musikalische Strophe ein: Leitung hatte Kapellmeister Oskar Braun. Sichere Fühlung be­stand Senkt die Banner! Senkt die Blicke! Brüder, laßt es euch gezüglichen Orchester und der Bühne. bon allerlei Kleinigkeiten abgesehen zwischen dem vor­Auch das Publikum war Daß wir stehn allhier zur Stunde an den Gräbern unsrer Ahnen, davon angeſtedt und applaudierte mit sichtbarem Vergnügen. e. k. Ja, der Ahnen unsrer Zukunft, die uns bringt das neue Heil, Notizen. Stommt sie nun mit goldner Palme oder ach! mit Schwert und Beil!

-

mahnen,

-

-

-

-Kunst chronit. Gegen die im Frühjahr gegründete Wirt­fchaftsgenossenschaft der bildenden Künstler Das Gedicht, das durchweg die Art dieser Strophe hat, ist be- Berlins   richteten sich gewisse Treibereien, die aus den Kreisen zeichnend für den bürgerlichen Achtundvierziger, der schmerzbestürmt der Künstlerschaft selbst herrührten. Alte Vereinsautoritäten fühlten und von heiligen Gelöbnissen bewegt an den Gräbern der März durch die neue Organisation ihr Monopol bedroht. Man schien die gefallenen steht, sich in starken Worten erschöpft und jeden Ausblick Präsidentschaft Artur Kampfs minieren zu wollen, die der nach einem Biele, das den Gelöbnissen Wert geben könnte, vergißt. Wirtschaftsgenossenschaft als Anerkennung ihrer Bedeutung natürlich Die Kleinbürgerliche Naivität Ulrichs ist vollkommen: die Gegner von nicht geringem Wert ist. Jetzt wird die Notiz in die Presse ge­werden ermahnt, sich warnen zu lassen, nicht die Ueberkühnen zu bracht, daß alle Gerüchte über Stampfe Rücktritt falsch sind. Die spielen, sondern an die Grüfte zu treten und zur Sühne Maulwürfe haben also vergeblich gewühlt. Denn gewühlt haben sie. ihrer Frebel all ihre Ränte und Bosheit, ihren Wahn und Das ist nicht wegzustreiten. Hochmut hinabzuwerfen! Das Gedicht gipfelt dann in der Prophe- Eine Ausstellung von Kunst und kunstgewerb zeiung, daß die hingesunkenen Helden die Feinde, die ihr blutiges lichen Gegenständen aus Privatbesig wird im März 1914 Opfer verleugnen, noch allesamt in des Todes Grund nachziehen geplant. Der gesamte Reinertrag ist bestimmt zum Ankauf von werden. Mit der Hingabe an solche Verkündigungen täuschte die Stadium, das den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt bürgerliche Ohnmacht sich über ihre Schwäche hinweg. Noch im werden soll. Jahre nach der Märzrevolution, als längst die Feinde Hohnlachend- Eine Gorti Büste. Gorki, über dessen Befinden be­und ohne Schwertstreich ihre alte Macht zurückgewonnen hatten, ruhigende Mitteilungen verbreitet werden, ist seiner Abneigung wurde das" Requiem" in Berlin   neu gedruckt. gegen das Modellfißen untreu geworden. Der junge tschechische Bild­Hauer Supit aus Prag   hat jüngst eine Büste des Dichters geschaffen. Ein goldgelber Edelstein, den man bisher nicht

-

Titus Ülrich ist den Weg vieler bürgerlicher Achtundvierziger gegangen. In der Redaktion der National- Zeitung", in die er nach der Revolution eingetreten war, wurde er reif für den Poften tannte, eine Spielart des Berylls, wurde in Deutsch- Südwestafrika  eines sogenannten Intendanturrats am föniglichen Schauspielhause. gefunden und Heliodor getauft. Die Deutsche Kolonialgesell­Da mußte er endlos wachsende Berge von Dramenmatulatur lefend fchaft stürzte fich sofort auf die Felder, wo der Stein gefunden bewältigen, und diese Arbeit mochte er jahrzehntelang ertragen. wurde, hat aber mit dem Suchen nicht viel Glüď gehabt.