Igeringsten einen anderen Zweck. Die zehn Sozialdemokraten sollenund müssen niedergeschrien werden, damit nicht etwa ruhigeSitzungen den Beweis liefern, man könnte mit solchen Menschenernsthafte Arbeit leisten. Sie werden gereizt, verhöhnt und ge-schulmeistert, um immer wieder nach aussen hin zu zeigen, wasfür eine Rotte von Vaterlandsfeinden sie seien. Dass diese ganzeOrgie von Bereicherungsgelüsten und gedanklicher Unfähigkeit unterder Devise: Benimm dich! vor sich geht, kann einem die ostelbischeKinderstube nicht angenehmer machen; man riecht zu genau, dasssie neben dem Kuhstall lag.1913 und 1914 hat Liebknecht dasselbe Kaiserwort gebraucht.1913 wurde es von einem„entschieden" Nationalliberalen indumpfer Empörung zurückgewiesen; 1914 hat es der Präsident durcheinen Ordnungsruf gerügt. Da kann man wohl sagen: Welch eineWendung durch Gottes Fügung! Die Herren lernen zu, sie machenüberraschende Fortschritte in Vaterlandsliebe und gutem Ton, undes ist vorauszusehen, dass in Zukunft die Fürstenworte nur nochwie die Orden an Gutgesinnte verliehen werden. Bei Wilhelm ll.wäre es wohl zu spät, aber der Kronprinz könnte jetzt im holdenLenz seines Lebens einen Musterschutz auf besonders markanteWendungen und besonders interessante telegraphische Entgleisungenanmelden.' Immer noch gibt es verworfene Blätter der Opposition,die sich klangvoller Worte wie: Immer feste drauf! missbräuchlichbedienen, und es ist wohl anzunehmen, dass auch ihre Anwendungim Parlament eines Ordnungsrufs gewürdigt würde.Dass es mit den besten Lebensformen vereinbarlich ist, anti-semitische Hetzreden auszustotzen, auch das hat das unübertrefflicheAbgeordnetenhaus uns zu Gemüt geführt. Es ist nicht beranntgeworden, dass diejenigen Herren Konservativen bei dieser Redeschamvoll hinausgegangen sind, die eine Rangierung ihrer Verhält-nisse von dieser sehr geschmähten Seite ohne besondere Gewissens-bisse entgegengenommen haben und die von der Kuh im Stall biszum Sohn in der Garde alles für jüdisches Geld feil haben. Auchhier scheint also ein Gebiet zu sein, dessen Brot man essen kann,ohne sein Lied singen zu müssen und das wahrscheinlich zu den-jenigen gehört, worauf ein Konservativer dank seiner Erziehungnicht eingehen kann. Das wird aber keinen der Herren abhalten,nächstens wieder die Redekanzel königstreuer Analphabeten zubesteigen und von der Demokratie zu reden, als handle es sich umeine besonders gefährliche Viehseuche. Sie werden sich wie einMann um die Kommandogewalt scharen, von der sie mit Recht eineKabinettsorder zur Erhöhung der Viehpreise erwarten, denn fürsie ist der allerhöchste Kriegsherr zwar nicht jeder Zoll ein König,aber jeder König ein Zollwächter.Der Hurrarufer.Vor einigen Tagen glaube ich eine Entdeckung gemachtzu haben, die mich überraschte. Ich geriet in eine der üblichenMenschenmassen, die vor dem Potsdamer Bahnhof«in halbesDutzend leerer Hofkutschen beharrlich und ehrfürchtig anstarrte.Ab und zu flötete jemand,„im Vorgefühl von solchem hohemGlück",„Ta— ti— ta— ta". Ich wußte nun also, dass man Wil-Helm II. erwartete.Bewegung. Die Schutzleute schütteln den gutgenährten Korpusstramm. Und da, irgendwo vorn in'der ersten Reihe ein scharfes„Hurra!", wie auf dem Exerzierplatz geübt. Die Menge klappertdünn und fchüttrig nach:„Hurra! hurral Hurra!"Jenes erste Hurra klappte so sinnfällig, zeugte von einer solchenGeistesgegenwart, Schulung und stimmlichen Uebung, dass eS mirblitzartig aufging: Dieses Hurra ist bestellt, dieser„Publikus", dieser patriotische„Mann aus dem Volke" ist von derPolizei oder irgendeiner anderen Behörde angestellt!Und nun weiss ich, weshalb nie und nirgends, vor leeren undvor besetzten Hofkutschen die bekannte„stürmische Begrüßung"ausbleiben kann. In der ersten Reihe steht sicher immer, im up-auffälligen Bürgerrock, der bezahlte Stimmangeber, der schneidigeHurvaschreier von Profession.Kleine weist sie mich.„Die soll Ihnen die Wohnung zeichen."Dann klappt sie daS Fenster zu.„Wo wohnst Du?"„Zwei Treppen hoch."„Na, dann führe mich mal."„JJch weess aber«ich, ob Muttern daheeme ist."„Wir wollen mal sehen."Schon stolpern wir die eingetretenen Holztreppen hinauf undvor einer Türe macht sie Halt und reißt mächtig an dem Klingel-zug. Niemand öffnet. Sie dreht sich mit dem Rücken gegen dieTüre und trommelt mit den Fersen an sie.„Tust Du das immer so?"„Tja!" ist ihre kurze Antwort.Eine Nachbarin kommt heraus. Ich plaudere mit ihr— dieKleine ist indes fort, den Führergroschen in Süßigkeiten um-zusetzen, da poltert es schwerfällig über der Treppe herauf. Einetwa � 35jährigcr erscheint schliesslich auf dem Treppenabsatz— ein Untermieter der Mutter meiner kleinen Führerin. Ersperrt auf und gewährt mir gerne den erbetenen Blick in dieWohnung. Ein Massenquartier. 35 Pf. für eine Nacht. ZweiStuben und eine Küche. In der ersten Stube stehen zwei, in dergrossen, zweiten Stube, die in der Mitte durch einen alten Lumpen-Vorhang in zwei Teile getrennt ist, stehen sechs Betten.„Wo schläft die Frau?"„In der Küche."„Und die Kinder?"„Kinder?? Hat sie keene!"„Aber es hat mich doch eben ein Mädel heraufgeführt, eineTochter der Frau."„Nee, die Frau Müllern hat keene Tochter."Im selben Augenblick steht die Kleine wieder da und hält demSchlafburschen ihre Tüte mit„Bonbongs" hin, in die sie denGroschen gewandelt hatte.„Da ist sie ja."„Ach nee, die ist aber doch nur zu Besuch bei Tante Müllern."„Da hast Du mich also angelogen?"„Die lücht gerne," sagt der Mann und nimmt seinen grünen,alten Plüschhut, der ihm etwas seitlich aufsaß, ab.„Sie hat mir erzählt, Muttern wohne hier und der Vater.Dieser sei Maurer und ihre Brüder seien alle in Stellung andwohnten auch hier und sie seien erst vor vier Monaten vonDresden hierher v-rzogen."„Alles Romane!" sagte der andere geärgert und erzählt mirdann— die Kleine ist längst schon wieder bei der Tür« draußen—von seinem Leid. Er ist invalider Arbeiter, Anstreicher. Er fielvon einem Gerüst aus Stockwerkshöhe und riß sich das Bein auf— seither geht es nicht mehr recht und er malt Ansichtskarten—die märkische Landschaft: Wasser, Wicsengrün, einige Föhrenund einiges fliegendes Zeug— die Windmühle am See, Schiffe,Wolke und wieder Vögel— das Häuschen im Schnee, wiederFöhren und Vögel. Diese vertreibt er als„Kunstkarteu" inWirtsstuben— das Stück zu„fünfzehn Fenniche".Ein Lützower.Wenn man nur nach den patriotischen Musterfibelnurteilen will, bestand„Lüssows wilde verwegene?sagd" Anno1813 nur aus hochgemuten blondgelockten Wnglingen, dieglühender Patriotismus in die Reihen der Freischar getrieben.Wie aber die militärischen Leistungen des Lüssowschen Frei-korps recht minderwertig waren, so bildete auch nicht dervaterländische Idealismus die einzige Triebfeder seinerMitglieder. Wenn man es noch nicht gelvutzt hätte, erführeman es aus den Erinnerungsblättern, die ein ehemaligerLützower Jäger hinterlassen hat und die vor kurzen; in derbekannten Memoircnbidliothek von Robcr u. Lutz unter demTitel: Wenzel Krim er, Erinnerungen einesalten Lützower Jägers, in zwei Bänden erschienensind.Allerdings bildet die Dienstzeit K r i m e r s bei denLüssowern nur eine kurze Episode seines Werkes, denn als ersich den schwarzen Tschako mit dem silbernen Totenkopf auf-setzte, war er, obwohl erst achtzehnjährig, schon das, was maneinen ausgekochten Jungen nennt und hatte schon den ganzenBuckel voll abenteuerlicher Erlebnisse. Nicht in Preußen,sondern in Datschitz in Mähren war Wenzel K r i m e r zurWelt gekommen, einer von zswölf Kindern einer Familie, dieihren Ursprung auf em magyarisches Adclsgeschlecht zurück-führte. Seine„Erinnerungen" erzählen frisch und lebhaft,wie sie auf jeder Seite sind, von übermütigen und tollenJugendstreichen und von der Schulzeit in dem Prämon-stratenserkloster Neurcusch, in dem Mönche, die in„Unzucht,Päderastie, Betrug, Lüge, Verleumdung, Heuchelei. Rachsucht,Tücke und allen möglichen Lastern" schwelgten, vierhundertKnaben in die humanistischen Wissenschaften einzuführenhatten. Der Vierzehnjährige schon trägt als k. k. feldärztlicherPraktikant einen Degen an der Seite und niacht den Feldzugvon 18V9 mit. Dann tritt K r i m e r in die militärärztstchcAkademie in Wien em. Während er sich in der Medizin ge-diegene Kenntnisse erwirbt, führt er doch zugleich ein wüstesLeben, das jenem renonnnistischen Zeitalter entsprach: Weiber-geschichten, Saufereien, Raufereien— Halli und Hallo!Zwischendurch soll er an einer Studienexpedition nach demOrient teilnehmen, wird aber in Belgrad krank und mußzurückbleiben und zurückkehren. Er erfreut sich aber einerwahren Pferdenatur und hilft sich darum gern mit einerPferdekur. Wie er im Feldzug von 1809 einer Krankheitniit unbändigen Mengen von Salamiwurst und Rotwein bei-kommt, bringt er sich in Belgrad mit einer gewaltigenQuantität Punsch auf die Beine.Als aber im Frühjahr 1813 die Flügelhörner aus Preu-ßen nach Oesterreich hinüberschmetterten, hält es den stetsnach Abenteuern Lüsternen nicht in Wien und statt Wundenzu heilen, macht er sich auf, Wunden zu schlagen: er brichtüber die österreichische Grenze, gelangt nach Breslau und reihtsich in die Lützower ein. Das war ein Korps so recht nachseinem wagelustigen Sinn Die Abteilung der reitenden Jägerwar nach Zusammensetzung und Ausrüstung noch grade leid-lich, aber bei den nichtberittenen Lühowern fand man„Men-schen von allen Nationen. Charakteren. Ständen, Sitten-schattierungen, in den seltsamsten Kleidungen und Waffen.Leider, mitunter auch einiges Gesindel. Man hat zwar dieser„wilden verwegenen Jagd" gar vieles Böse zu llnr«"� nachgesagt, aber das ist wahr: schlimm ging es denjenigen Orten,wo sie durchkamen oder gar denjenigen, die Feindseligkeit ge-zeigt. Wir mußten in der Regel den Einwohnern eineSchutzwache gegen unsere Kameraden abgeben." Dabei fiihltsich K r i m e r bei dem Leben, das„so einen Anstrich vonRäuberbandenleben hat", kannibalisch wohl und nimmt auchseelenruhig am Plündern und Beutemachen teil, ja, er führtEin armselig Brot.„Für heut« habe ich nicht einmal noch mein Schlafgeld bei-sammeil. Da muß ich Frau Müllern man bitten..*Der nächste Morgen findet mich in der Alten Jakobstraße. Ichsitze in der Aufnahmekanzlei des Waisenhauses und wieder hat essein Gutes, dass der Hausdirektor Schuster gerade seinen Rund-gang durch den weitläufigen Bau macht und daß ich warten mutz.Ich werde Zeuge des Amtslebens in diesem Hause. Mütterkommen und bringen ihre Kinder. Pflegemütter kommen mit denihnen anvertrauten Pfleglingen zur ärztlichen Untersuchung.andere wieder, um Kinder in Pflege zu übernehmen, Schwesterngehen ein und auS, bringen Kinder im Weissblauen Hauskittel oderführen sie weg. zum Arzt, zur Einkleidung. Ein grosser Tauben-schlag. Die DurchzugSstation für die Kinder, die der städtischenWaisendeputation zur Obsorge anvertraut sind oder eben werden.Wieder öffnet sich die Tür und eine rundliche, gutgenährteFrau schiebt ein Mädel vor sich her, angetan mit dem bestenStaat des Waisenkindes, einem Wintermantel und einem grau-braunen Kapotthütchen auf dem Kopf. Auf dem Rücken die Schul-tafche.„Du hier?"Wir haben uns gleich erkanut, die Kleine vom Kröge! und ich.Sie gibt keine Antwort, dafür aber Muttern.„Ja. ich bring sie zurück. Ich mach sie nich mehr. Sie hatmir 12 M. gestohlen und jestern ist sie erst um 11 heeme jekomm'n."Ohne es zu wollen, werde ich zum Ze-ugcn wider das Kind.Alles ist nun klar, alles war erlogen. Sie hatte vielleicht garkeine Mutter, war städtisches Waisenkind und hatte der Pflege-mutier so schwere Sorgen bereitet, dass sie sie nun wieder zurück-bringt. Ich erzähle von meiner Begegnung— der Pflegemutterund dem Beamten.Der ist indes an das Kind herangetreten und hatte einigegütig-ernste Worte der Mahnung an die Kleine gerichtet:„ESwird schlimm werden mit Dir, wenn Du's so fortmachst. Sogeht'S nich..«Wo fachen Sie, haben Sie die Kleene gesehen— am Kröchl?Um Jotteswillcn, da war sie wieder bei Tante Müllern. Das iSjar nich ihre Tante. Nur bloss eene Freundin von ihrer Mutter.Am Kröchll Dat ist mehr denn eene Stunde Wegs von unsermLoschiS. Da hab'n Sie'S. Ich bin nicht mächtich genuch, sie zubehalten..."Die Kleine wird von einer Silvester übernommen und ver-schwindet.„Na, da bist Du ja wieder, Erna," hatte sie diese inEmpfang genommen. Eine alte Bekannte also. Auch die Pflege-mutier geht.*Nachmittags führt mich ein Arzt durch das ganze HauS.Waisenstation— Säuglingsstation— Kinderasyl. Lang«, langewandern wir schon durch die prächtigen, stillen Räume, in denenman eS oft gar nicht merkt, dass hier Hunderte von Kindern zudie— in Wirklichkeit allerdings, wie schon gesagt, rechtzweifelhaften— militärischen Eigenschaften der Freischar ansdie Tatsache zurück, daß es neben begeisterten Freiheits-schwärmern aus„durchtriebenen Schlauköpfen" bestand,„dienichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen hatten", und daßsie ungeschmälert Beute machen konnten.Wer auch bei den disziplinierteren Truppen wir dasBeutemachen an der Tagesordnung. Nachdem die Lützower durchden berüchtigten Ucberfall bei Kitzen ausgerieben sind, wirdK r i m e r gezwungen— lieber hätte er die OssizierSlaufbahneingeschlagen—, als Oberarzt bei dem 6. Reserve-Jnfanteric-regiment einzutreten. In der Schlacht bei Kulm bleibt erverwundet und ohnmächtig aus dem Gefechtsseld liegen undwird ratzekahl ausgeplündert, aber, erzählt er mit rührenderNaivität:Ich war noch nicht weit gegangen, als ein Pferd heran-gesprengt kam, welches einen tödlich getroffenen französischenKolonel(Oberst) im Steigbügel hängend auf der Erde schleifte.Ich hielt es auf, setzte mich sogleich in feinem Besitz und m ach t emich zum Erben des Verschiedenen. Die Erb-schaft fiel ziemlich reichlich aus und entschädigtemich beinah ganz für meinen Verlust. Ich fand eine be-deutende Summe Gold, Wechsel, Uhr, Ringeund sonstige Sachen von Wert.Auch das hat„so einen Anstrich von Räubcrbaudcnleben".Unter allerhand neuen Abenteuern macht K r i m e r dieSchlacht bei Leipzig mit und zeichnet sich als Leiter einesTyphuslazaretts im Thüringischen aus. Das Jahr 1811findet ihn bei dem Feldheer in Frankreich, in Paris saust erdurch alle Strudel des Vergnügens und erhält auch das EiserneKreuz, um dann nach Thüringen zurückzukehren und sich inErfurt Hals über Kopf zu verloben und zu verheiraten. Abersein Eheglück ist nicht von langer Dauer. Die Marschtromnielruft ihn Frühjahr 1815 aufs neue. Napoleon ist von Elbazurück, nach Flandern wälzen sich die Regimenter. Aufdem Marsch dorthin lernt der junge Oberarzt in Koblenz einwahres Wallensteinsches Lager kennen, dem nichts fehlte alsder Kapuziner. Wein-, Tanz- und Hurenhäuser drängtensich eins an das andere und alle warcii mit Soldaten gefüllt.An diesem und jenem Orte sah sich K r i m e r das Treiben air.Ein wilder, verworrener Musiklärm, brüllender Gesang derunzüchtigsten Lieder, freches, schallendes Gelächter, Fluchen,Schreien, Toben, Poltern, Gläser- und Fenstergcklirr— alle?durcheinander; alle Häuser voll Menschen; freche, halbnackte undüberdies noch fast ganz durchsichtig gekleidete Dirnen, manchekaum erst 18 Jahre alt, liefen wie rasende Mänaden herum undrissen alles mit sich, ivas ihnen in den Wurf kam; andere para-dierten in phantastischem Staate vor den Türen und luden dieVorübergehenden ein zu einem Souper ä'smonr von 82 Gerichten,oder zu einer Partie Tric-trac; andere nannten diese sauberenSachen geradezu mit dem rechten Namen, mit Angabe desPreises und zeigten ohne Umstände die Artikel vor, die yicr feil-geboten wurden, damit jeder sehen konnte, was er bekomme.Von Koblenz geht's im Gclvalhnarjch nach Lüttich. woBlücher von den aufsässigen Sachsen bedroht ist. und von dortauf die Niederländisckfen Schlachtfelder. Bei Waterloo istK r i m e n wieder beim Beutemachen mitten dabei. Er atiak-kiert einen Wagen, in dem ein französischer Feldgeistlichersitzt, ersticht, ohne zu sehen wen er vor sich hat. den Gottes-mann und nimmt einige wertvolle skirchengeräte an sich, dieer nachher an einen Goldschmied losschlägt.Danach folgen noch ein paar Monate tollen Lebens inParis, auch sie sind gespickt mit Erlebnissen aller Art, und alsendlich Friede geschlossen ist, zieht 5k r i m e r auf die llni-versität Halle, um seine sehr problematischen medizinischen5kenntuisse durch ein systematisches Studium zu ergänzen. Erist kein politischer Kopf, aber auch er wird bclvegt von denKlagen, die die„Demagogen" der Burschenschaft anstiinmm.Er meint, man müsse sie anklagen,die sie zu Demagogen gemacht, ihren demagogischen Geistgeweckt und so lange genährt hatten, als sie ihn benutzen konnten,Gaste sind. Tollen und schreien können sie draußen auf dem Spiel-platz, im Haus ist verhältnismässig grosse Ruhe. Da aber plötzlichhinter einer Türe jämmerliches Geschrei.„Dem wollen wir nach-gehen," sagt der Arzt. Jetzt vollzieht sich die Einkleidung der Wieder-gekommenen.„Zuerst werden sie gründlich gereinigt und ge-badet und da gibts manchmal Geschrei." Wir treten in das Badein. Ein Junge konnte nicht aus der Einkleidckammcr herausund darum schrie er so. Alle anderen sind ruhig. Zur Linken ineinem Vorraum deS Bades stehen drei Mädels. Die größte istErna. Ein langes Hemd geht ihr bis über die Knie. WaS dar-unter hervorlugt, ist längst reif fürs Wasser. Eine halbe Stundespäter wird auch Erna frisch und sauber sein und mit den andernNeulingen zum so und so dielten Alalc in der Stube sitzen undsich vielleicht vornehmen, eS nun, bei der nächsten Pflegemutterdoch anders zu treiben— denn die Fürsorgeerziehungsanstalt istschon in bedenkliche Nähe gerückt.*Zwei Tage später. Stralauer Strasse. Eben trete ich ausdem Wohnungsamt der Stadt Berlin, da kommt mir der Malerüber den Weg, die Ansichtskartenmappe unter dem Arm..„Wissen Sie schon das Neueste von Erna?"„Erna? Erna?" Er grübelt.„Nun, von der Kleinen, die ich bei Ihnen traf... gesternhabe ich sie im Waisenhaus getroffen."„Im Waisenhaus? Na, da wird Tante Müllern schauen. Alsoist sie wieder im Waisenhaus... ne, nc... ES ist gut für sie.Sie vagiert herum. Ich habe sie mir mit Mühe loöjebracht. EinesSonntags kam sie zu Tante Müllern— wir lagen noch alle imBette und sie kam zu jedem und reichte ihm die Hand und mirschloß sie sich dann an, als ich mit'n Karten fortging. Ich habe sienich mitnehmen wbll'n, aber sie wollte durchaus mit— nee, sachtich, daS ist nich für Dich— Du jehörft zu Dein Papa; Wenn Dunicht hecmkommst, kriech ich dann die Nackenschläge von Dein'Papa. Ich Hab' sie wieder zu Frau Müllern geführt. ES ist een lln°glücke mit dem Kinde,'s ist een Kind der Straße. Ihr Papakann sich drum nich kümmern und die Mutier ist nach dem Spree-Walde und so streicht eS herum... Nee, nee, jetzt ist sie also wiederim Waisenhause— nee, da wird die Tante schauen. Nee, nee, mitder kanns och keen gutes Ende nehm'n...„Glauben Sie?"So'n Mächen ist jleich in schlechte Hände— sie ist man zu zu-traulich... die geht gleich mit jedem in die Wohnung. Ich habesie mir mit Mühe abjeschüttelt. Schade... schade..-'n Kindder Strasse.'n Tach, Herr,'n Tach...»Vielleicht hat er recht, der invalide Ansichtskartenmaler mitdem grünen Hut, seitlich auf den Kopf, vielleicht wächst da eine neueStrophe zu dem Kehrreim:Unter'n Linden, llnter'n Linde»Mensch' da lachste dir'n Ast.,.