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Spielart von jeher mit am weitesten rechts marschierte, selbstver- ständlich. Bliebe schließlich noch zu untersuchen, von welchen Gesichts- punkten sich bei den eventuellen Stichwahlen die F o r t s ch r i t t l e r leiten lassen lönnten. Nun, wer diese SorteFortschritt" kennt, wird sich darüber keinen Augenblick einem Zweifel hingeben. An der Spitze der fortschrittlichen Achtmännerfraktion im Sächsischen Landtag standen die Abgeordneten G ü n th e r- Plauen und B r o d a u f- Chemnitz. Diese beiden Leuchten des deutschen Frei- sinns unterscheiden sich von ihren Nachbarn zur Rechten höchstens durch ihre größere Demagogie. Es genügt zu ihrer Charakteristik, daß beide aus ihrer Sympathie für die Konservativen nie ein Hehl gemacht haben. Gelegentlich einer Interpellation über die Fest- setzung des Stichwahltermins im 23. sächsischen Reichstagswahlkreis. dem früheren Kreise seines Parteifreundes Günther, sprach es der Abg. Brodauf im Landtage offen aus, daß er das Stichwahlabkom- inen der fortschrittlichen Berliner Parteileitung mit der Sozialdemo- kratie nicht billige, und daß, wenn die Entscheidung bei ihm gelegen hätte, er die Parole fürdieKonservativen ausgegeben hätte. Getreu diesem Bekenntnis handelte er auch, als er im Einverständ- nis mit seinem Busenfreunde Günther im März d. I. die Fort- schrittler im Wahlkreise Borna-Pegau zur Stimmabgabe für den Reichsverbändlcr v. Liebert aufforderte. Angenommen, das Wahlabkommen würde, was vorläufig noch höchst unwahrschcilnich ist, die gewünschte liberale Mehrheit in der Zweiten Kammer ergeben, was dann? In naiver Hoffnungsselig. keit schreibt dasBerliner Tageblatt": -Es gilt, 1S15 zu vollenden, was 190g begonnen wurde: den Liberalismus so zu stärken, daß er der maßgebende Faktor wird. Dann wird auch die Regierung mit ihrem ewigen Nein nicht mehr so rasch zur Stelle sein wie bisher. Ist erst einmal die Zweite Kammer in ihrer Mehrheit liberal, dann werden die Reformen der Ersten Kammer, des Volksschulgesetzes, des Einkommensteuergesetzes mit seiner Bedrückung der Äermsten sehr schnell zustande kommenwenn die liberale Mehrheit verstehen wird, ihre Macht rücksichtslos zu gebrauchen." Ja wenn! Für eine volksfreundliche, wirklich liberale Politik bestand bisher schon eine Mehrheit in der sächsischen Volks- kammer wenn die sogenannten L-iRralen überhaupt den Willen gehabt hätten, solche Politik zu treiben. Unter der vomBerliner Tageblatt" genannten Reform der ErstenKammer verstehen die Mannen um Hettner und Günther nichts weiter, als die Verpflanzung einiger industrieller Schars- macher und mittelständlerischen Jnnungszöpfe in das Pairsparla- ment, dessen volksfeindliche Macht gegenüber der Volksvertretung da- durch nicht geschwächt, sondern nur noch stärker befestigt würde. Für eine solcheReform" bedankt sich allerdings die Sozialdemo- kratie bestens mag dies den Neunmalweisen desBerliner Tage- blatts" auch zehnmal alsVerbohrtheit" erscheinen. Nicht viel an- ders verhält es sich mit der V o I k s s ch u l r e f o r m und der Revision des Einkommensteuergesetzes. Die säch- stschen Nationalliberalen waren bei den Verhandlungen um das Volksschulgesetz bis zum letzten Augenblick bereit, ihr eigenes Kind preiszugeben, und wenn bei diesem Hin und Her schließlich noch ein kümmerlicher Wechselbalg zustande kam, so war dies wahrlich nicht der Mannhaftigkeit dieserSchulfreunde", sondern dem bru- talen Egoismus der Herrenhäusler zu danken, die lieber die ganze Reform scheitern ließen, als daß sie dem Volke einige Konzessionen machten. WaS über endlich das liberale Flennen über dieBedrückung der Äermsten" durch das Einkommensteuergesetz betrifft, so braucht man nur an die Tatsache zu erinnern, daß bei der vor zwei Jahren beschlossenen Gemeindestcuerreform es gerade die Brodauf und Günther waren, die mit geradezu fanatischer Wut für die Jnter- essen der Hausagrarier kämpften, wodurch sie selbst die konservativen Berufsagrarier an schmutzigem Eigennutz beschämten. So gilt auch für das sächsische Volk bei den bevorstehenden Landtagsneuwahlen der alte Grundsatz:An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!" Es wird gegenüber den liberalen Rodomontaden sich der Lehre erinnern, daß man den Gegnern nicht auf die Mäuler, sondern auf die Fauste sehen soll, und dabei auch der Tatsache gedenken, daß diese Fäuste es vor allem waren, die ihm soeben erst die neue, von den Scharfmachern in Nord und Süd-ftür- misch begrüßte Streikpostenverordnung bescherten. politische Ueberslcht. Ein neuer Rückzug! Die Ergebnisse des Luxemburg -Prozesses scheinen doch auf die Behörde sehr ernüchternd gewirkt zu haben. D i e Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen unseren Kollegen Dr. Ernst Meyer wegen eines Artikels über Soldatenmißhandlungen eingestellt. Wir vermuten, daß dem Kriegsministerium die Lust, das Thema der Soldatenmißhandlungen vor einem Zivil gericht verhandeln zu lassen, gründlich ver­gangen ist._ Wertlose Bestreitung. Auf den ArtikelNeue Steuern" in unserer gestrigey Nummer antworten dieVerl . Pol. Nachr." mit einer laugen Litanei, in der in mehrfachen Variationen wiederholt wird, daß baldige neue Steuervorlagen nicht zu erwarten seien, da von solchen an den betreffenden Re­gierungsstellen noch nichts bekannt wäre. Zum Schluß heißt es im bekannten Amtsstil: Für eine planmäßige Ausarbeitung solcher Vorlagen ist auch kein Anlaß vorhanden, weil, wie gesagt, an Neuauf- Wendungen für Armee und Marine, die die Beschaffung neuer großer Reichseinnahmen erforderlich machen würden, überhaupt nicht gedacht wird." Irgendwelchen Wert hat nach den bisherigen Erfahrun- gen diese schöne Versicherung nicht sie hätte ihn selbst dann nicht, wenn die Notiz im amtlichen Teil derNordd. Allqem. Ztg." stände, statt in denVerl . Pol. Nachr.", für deren Geschreibsel keine Behörde die geringste Verantwortung trägt._. DerDeutschen Tageszeitung" ins Stammbuch. In der Schweiz soll ein Mann Landesverrat zu begehen ver­sucht haben. Angeblich ist er Mitglied des Textilarbeiterverbandes. Folglich, so stellt dieDeutsche Tageszeitung" fest, trifft die Sozial­demokratie der Vorwurf der Mitschuld an dem Treiben des Ver­brechers. Wollten wir uns die Logik derDeutschen Tageszeitung' zu eigen machen, so wären wir berechtigt, der konservativen Partei Teilnahme am Landesverrat vorzu- werfen. Bis zum Jahre 1886 wirkte in Kiel als Redakteur eines konservativen Blattes und führendes Mitglied der konservativen Partei, ein Herr P r o h l. Er führte eine schneidige Klinge gegen die reichs feindliche Freisinnige Partei und die vaterlandslose Sozial­demokrat»«. A« Sedantags und anderen patriotischen Festtagen hielt er die schwungvollsten Reden für Kaiser und Reich und gegen die Parteien der Opposition, denen er die schwersten Pläne gegen den Bestand und die Sicherheit des Reiches nachsagte. Das patriotische Tun des Herrn Prohl, dieser Säule der konservativen Partei, wurde durch seine Verhaftung unterbrochen. Es stellte sich nämlich heraus, daß der Edle seit sieben Jahren für ein ansehnliches Jahresgehalt, das er von einer auswärtigen Macht bezog, Geheimnisse der deutschen Marine verraten hatte. DaS Reichsgericht verurteilte den Patrioten zu neun Jahren Zuchthaus. Wir haben den Lebenslauf des Herrn Prohl nicht weiter verfolgt. Aber gewissepatriotische" Phrasen, die wir immer wieder in derDeutschen Tageszeitung" finden, und die Ehr- abschneidereien, deren sie sich fortgesetzt uns gegenüber schuldig macht, geben uns einen Fingerzeig dafür, wo der wackere Mann geblieben ist. Das sind die Waffen, die er in seinem Arsenale hatte und mit Meisterschaft zu führen wußte. Sollte Herr Prohl nach Verbüßung seiner Strafe in der Redaktion derDeutschen Tages- zeitung" ein Unterkommen gefunden haben, das es ihm ermöglicht, anch fernerhin anständigen Menschen den Vorwurf des Landes- verrat» zu machen? Oder ist sein Geist in die höchst ehrenwerten Redakteure der Tageszeitung gefahren, die so konsequente Agrarier sind, daß sie sich auch zur Herstellung ihrer Artikel der Mistgabel bedienen? Und nun, Herr Oertel, richten wir an Sie die Frage: Ist die konservative Partei an dem Landesverrat des Herrn Prohl mit- schuldig?_ Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich. Unter dieser Spitzmarke richtet der Ausschutz des schlesischen ArbeitersängerfesteS einen offenen Brief an den Minister des In- nern, in dem er Herrn v. Loebell auf folgende recht merkwürdig zueinander stimmende Tatsachen verweist: Am 1. und 2. Juni wurde von der Breslauer Polizei auf An- ordnung ihres Präsidenten jedes Kind und jede unter 18 Jahre alte Person aus den Räumen des Arbeitersängerfestes verwiesen, weil der Sängcvbund politisch sei und einzelne Lieder einen politischen Inhalt haben sollten. Am 14. Juni feierte der konservative Verein für den Wahlkreis Oels-Wartenburg einVolksfest in Bukowina ", auf dem der freikonservative Abgeordnet« Mertin eine große politisch« Rede hielt, in der er gegenFreisinn undSozialdemokratie polemisierte und die Regierung zu schärferem Kampfe gegen den Umsturz auf­forderte. An diesem politischen Feste nahmen etwa 150 Kinder und Jugendliche teil, ohne daß die Polizeibehörde dagegen einschritt. Der oberste Chef der Polizeigewalt im Kreise, Landrat v. Busse, war selbst anwesend; er tat nicht? gegen die Anwesenheit der Jugendlichen, sondern hielt selbst noch eine Rede über die Pflichten der Staatsbürger., Am 30. Juni hielt der Bund der Landwirte und der konser - vative Verein Trebnitz ein Fest ab, in dessen Mittelpunkt eine hoch- politische Rede de? konservativen Führers von der Heydebrand und der Läse stand. Der ungekrönte König von Preußen beschäftigte sich nicht nur mit der inneren Politik, indem er tüchtig gegen die Sozialdemokratie hetzte, sondern gab der Regierung auch Anweisun- gen, wie sie sich bei den zukünftigen Verhandlungen über die Handels- Verträge mit Rußland zu benehmen habe. Dieser konservativen hochpolitischen Veranstaltung wohnten über 200 Kinder und Jugend­liche bei, ohne daß die Inhaber der Polizeigewalt, Bürgermeister Goltz und Landrat v. Schulicho aus Trebnitz, die beide auf dem Fest anwesend waren, etwa? dagegen unternahmen. In seinem offenen Brief fragt nun der Ausschuß des Arbeiter- sängerfestes, ob in Schlesien das Reichsvereinsgesetz für Konser- vative anders lautet als für Sozialdemokraten, und ersucht den Minister, wenn das nicht der Fall sei, die Beamten zur Verantwor- tung zu ziehen, die den Arbeitern verwehren, was den Ritterguts- besitzern erlaubt ist. Da die Anordnungen der Polizei gegen das Arbeitersängerfest durch Beschwerde des Genossen Wolfgang Heine angefochten sind, wird der Herr Polizeiminister Gelegenheit bekommen, sich zu den peinlichenGerechtigkeiten " seines Ressorts zu äußern. DerHansi"-Prozeß. Leipzig , g. Juli.(Telegr. Bericht.) Vor dem zweiten und dritten Strafsenat des Reichsgerichts begann heute vormittag um 9 Uhr der HochverratSprozeß gegen den am 23. Februar 1873 in Kolmar geborenen Kunstmaler Johann Jakob Waltz , genannt H a n s i, wegen Verbrechens gegen die 8Z 86 und 81 Ziffer 3 des Strafgesetzbuches. Die Anklage vertritt Oberreichs- anwalt Dr. Zweigert. Als Verteidiger des Angeklagten fungieren die Rechtsanwälte Dr. Helmer-Kolmar und Dr. Drucker-Leipzig. Als Dölmetscher ist Professor Firmin-Dönervaud-Letpzig geladen. Der Präsident hält dem Angeklagten, der sich selbst als deutsch - feindlich gesinnt bezeichnet hatte, die bisher gegen ihn ergangenen drei Urteile des Kolmarer Landerichts vor. Gegen das letzte Urteil von drei Monaten Gefängnis hat der Angeklagte Revision eingelegt, über die erst im Oktober entschieden werden wird. Der Angeklagte ist der Beleidigung deutscher Offiziere für schuldig befunden worden, weil er einen Stuhl imZentralhof" in Kolmar auf dem kurz vorher ein deutscher Offizier gesessen hatte, durch brennenden Zuckerdesinfiziert" hatte. Rechtsanwalt Dr.D rucker bemängelt den Ueberweisungsbeschluß des Kolmarer Landgerichts, durch welchen der Angeklagte lediglich der Vorbereitung eines hoch- verräterischen Unternehmens iLoßreißung Elsaß-Lothringens vom Deutschen Reiche) für verdächtig erklärt wird. Senatspräsident Dr. Menge gibt zwar zu. daß der Beschluß mangelhaft sei. erklärt aber, eS müsse genügen, dem Angeklagten vorzuhalten, daß die Tat in der Veröffentlichung seines Buchesdlon village" er­blickt wird. DaS in Paris erschienene Buch wird darauf in deutscher Ueber- setzung verlesen und die Illustrationen erläutert. Der Anttag der Verteidigung, den Verweisungsbeschluß zu ergänzen, da er nicht die Tatsachen enthalte, auf die sich die An- klage stützte, wurde abgelehut. Der Angellagte wurde darauf hingewiesen, daß seine Tat auch unter dem Gesichtspunkte der Beleidigung und der 88 Iii) und 131 des Strafgesetzbuches be- urteilt werden könne. Sodann erfolgte die Verlesung des Straf- antrags des früheren Staatssekretärs Zorn v. Bulach wegen Beleidigung der Gendarmen und Lehrer Elsaß - Lothringens . Der Angeklagte äußerte sich hierauf über den Inhalt seiner Schrift, soweit dieser in Betracht kam, um nachzuweisen, daß ihm jede Ab- ficht der Beleidigung gefehlt habe. Der Oberreichsanwalt ließ die Anklage wegen hochverräterischer Umtriebe fallen und beantragte die Verurteilung des Angeklagten wegen Aufreizung ver- schiedener BevölkerungSklasfen und wegen B e- leidigung der Gendarmen und Lehrer in Elsaß- Lothringen zu einem Jahr sechs Monaten Gefängnis und seine sofortige Verhaftung wegen Fluchtverdachts. * Leipzig , 9. Juli. Das Reichsgericht verurteilte den Maler Johann Jakob Waltz, genannt Hansi, wegen Aufreizung ver­schiedener Bevölkerungsklassen zu Gewalttätigkeiten und zugleich wegen Beleidigung der elsässischeo Gendarmerie und der seminaristisch gebildeten Lehrer Elsaß -Lothringens zu einem Jahr Gefängnis._ Zum Kampf um das schleswig -holsteinsche Städtewahlrecht. Das schleswig-holsteinische Bürgertum ist sich darüber einig, daß irgendetwas geschehen muß, um zu verhindern, daß die Sozial- demokratie immer einflußreicher in den Rathäusern wird. Aber über das Wie gehen die Ansichten auseinander. Die Mehrzahl der Bürger will an der schleswig-holsteinischen Städteordnung festhalten, die außer dem gleichen, wenn auch Zensuswahlrecht, noch die Eigen- art besitzt, daß sie denselben Bürgern, die das Wahlrecht zur Wahl der Stadtverordneten besitzen, auch die Wahl der Magistratsmit- glieder in die Hand gegeben hat. Dieses Recht, den Magistrat zu wählen, das nach der altpreußischen Städteordnung nur die Stadt- verordneten haben, möchte die Mehrehit des Bürgertums nicht missen. Man weiß ganz genau, daß mit Einführung dcS Drciklassenwahlrechts der Einfluß des Klein- und Mittelbürgertums ganz zum Teufel geht, denn über die Besetzung der Stadtverord- netenmandate in der ersten und zweiten Klasse wird dann das kapitalistische Großbürgertum, über die Besetzung in der dritten Klasse die Sozialdemokratie bestimmen. Um nun einen Ausweg zu finden, wie die sozialdemokratische Flut abgewehrt, dem Bürger- tum aber doch die Vorzüge der schleswig-holsteinischen Städteord« nung erhalten bleiben können, haben schon vor geraumer Zeit der Provinzialverband der schleswig-holsteinischen Bürgervereine und der Provinzialverband der Haus- und Grundeigentümervereine eine gemeinsame Kommission eingesetzt. Diese Kommission ist schließlich mit folgendem Wahlrechtsändcrungsvorschlage hervorgetreten: Um dem Terrorismus zu wehren, den die Sozialdemokratie bei der öffentlichen Stimmabgabe auf die von ihr abhängigen Geschäfts- leute ausübt, mutz an Stelle der öffentlichen Abstimmung die ge- Heime gesetzt werden. Das Wahlrechtsalter muß von 22 auf 25 Jahre erhöht werden. Die Wahlberechtigung, die jetzt nach einer Ortsansässigkcit von einem Jahre eintritt, darf erst nach einer Ortsangehörigkeit von zwei Jahren eintreten. Damit glaubt man die Formel gefunden zu haben, die Sozial- demokratie wieder zu drücken, ohne an denGrundlagen der schles- wig-holsteinischen Städteordnung" etwas zu ändern. Der Verbands- tag der schleswig-holsteinischen Bürgervereine hat sich auch schon kürzlich mit dem Vorschlage der Kommission einverstanden erklärt. Am Sonntag tagte nun in Heide der Verbandsiag der schleswig- holsteinischen Haus- und Gruudeigentümervereine. Auch er nahm zu der Wahlrechtsfrage und dem Vorschlage der Kommission Stel- lung, aber in anderer Weise. Trotzdem er die Kommission mit eingesetzt hat, lehnte er mit geringer Mehrheit den KommissionS- beschluß ab. Es wurde beschlossen, zu gegebener Zeit einen außer- ordentlichen Verbandstag einzuberufen, der sich mit der Wahlrechts« frage beschäftigen soll. Ueber die Stellung der Hausbesitzer zur Wahlrechtsfrage kann aber nach dem Heider Verbandstag kein .Zweifel mehr sein. Die Mehrheit der Debatteredner sprach sich für das Dreiklassenwahlrecht aus. Der Vorsitzende des Provinzial- Verbandes der Hausbesitzer, Herr K ö st e r- Altona, erklärte kurz und bündig:Wenn dem Hausbesitzer daran gelegen ist, in den Gemeindevertretungen Macht auszuüben, dann kann er diese nur durchdasDreiklassenwahl- recht erlangen, weil er als Zahler von Grundsteuern ohne weiteres in die zweite Klasse kommt." Die Mehrheit der Haus- besitzer Schleswig-Holsteins wird sich also um die Fahne des Drei- klassenwahlrechts scharen. Nachwahl in Heidelberg . Der nationalliberale Reichstagsabgeordnete Beck-Heidelberg ist zum Vorsitzenden der LandesversicherungSanstalt deS Großherzog' tums Baden ernannt worden. Mit dieser Beförderung erlischt das Reichstagsmandat. ES muß also im Wahlkreis Heidelberg eine Nachwahl stattfinden. Bei den letzten Wahlen entfielen auf Beck 12 139 Stimmen, auf Pfeifle<Soz.) 8142, auf das Zentrum 6836, auf die Konservativen 1111 Stimmen. In der Stichwahl erhielt Beck 16 294 Stimmen, der Kandidat des Zentrums 1438 Stimmen, nachdem die Sozialdemokraten ihre Kandidatur zurückgezogen hatten- Eine neue Partei. Um einem tiefgefühlten Bedürfnis abzuhelfen, ist eine neue Partei unter dem NamenNationaldemokratische Partei" gegründet worden. Der Gründer ist der bekannte Herr Lebius, der überall abgewirtichaflet hat, wo er sich bis jetzt bc« tätigte. Ueber die Zahl der Mitglieder der neuen Partei erfährt >nair vorsichtshalber nichts. In der Hauptsache wird es den Gründern wohl um die Beiträge zu tun sein, die jährlich mindestens 2 M. betrogen, ober in zwei Raten gezahlt werden können. Wer 100 M. auf einmal zahlt, wird Mitglied der Partei aufs Lebenszeit vorausgesetzt natürlich, daß die Partei solange existiert. Als Zweck der Partei wird angegeben, Deutschland aus der Versumpfung herauszureißen, in die es unter der Herrschaft der jetzt bestehenden Parteien gekommen ist. Herr Lebius wird durch sein schönes Tatent zweifellos dafür sorgen, daß diese neue Partei nur eine sehr vorübergehende Er» scheinung sein wird.__ MilitärischeGerechtigkeit". Im November 1913 war eines Abend» auf dem Küstenfort Stosch im Kieler Königshafen ein kleiner Aufruhr entstanden, der für vier Matrosenartilleristen schwere Folgen haben sollte. Sie wurden wegen militärischen Aufruhrs verurteilt, und zwar einer zu 3 Jahren 4 Monaten, einer zu 2 Jahren 9 Monaten und zwei zu je 2 Jahren 8 Monaten Gefängnis. Das Oberkriegsgericht der Ostseestatton hob auf die Berufung allerdings das Urteil auf und ließ das Delikt des militärischen Aufruhrs fallen: aber dennoch wurden die Angeklagten wegen Ungehorsams, Achtungsverletzung und Beleidigung eines Vorgesetzten zu der hohen Strafe von je einem Jahre Gefängnis verurteilt. Dieser beleidigte Vorgesetzte, der 22« jährige Vizefeuerwerker der Reserve, v. Thomsen, der eine Reserve- Übung ableistete, ein Sohn des früheren AdmiralS v. Thomsen, war aber der Urheber de» Dramas. Er hatte die Mannschaften deS Forts durch Maßnahmen aufgebracht, die den Charakter einer Disziplinarstrafe hatten und zu denen er, wie vor Gericht der Fortkommandant als Zeuge aussagte, in keiner Weise berechtigt war. Schon einmal hatte v. Thomsen, so sagte damals der Kommandant, einen Matrosen beim Nachexerzieren so weit gebracht, daß dieser sich hinreißen ließ, sich ungebührlich gegen seinen Borgesetzten zu benehmen und dafür besttaft wurde. Jetzt hat auch den schneidigen Soldatenerzieher, der im Zivilberuf Referendar ist und der sicherlich eine Zierde preußischer Gerichte werden wird, die gerechte Strafe für sein« Handlungsweise Aufreizung zu militärischem Auffuhr mußte man's nennen erreicht. Er wurde auf dem DiSzipli' narwcge vom B e z i r k S i o m m a n d o zu ganze« 14 Tagen Stubenarrest verurteilt. ES gibt also doch eme militärische Gerechtigkeit Oesten-eick, unck Serbien . Wien , 9. Juli. DasNeue Wiener Tagblatt" erfährt aus Ischl : Dex Kaisex genehmigte den Pom gemeinsameli