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Ar. 190, 31. Iahrgasg. 1. ßrilME desKrmrts" letlinn ÜPlMIntt Mitw-ch, 15. Juli 1914. Gewerkphastliches. Liberalismus und Angestellte. .Ich möchte hier ein für allemal erklären, daß der deutsche   Handlungsgehilfenstand, wie ich ihn kenne, feststeht auf nationalem Boden und auf diesem Boden feststehen bleiben wird. Wir sind von Freude und von Stolz erfüllt über unser Deutsches Reich  , das uns den Boden und den Schutz gibt für unsere Wirtschaft- Itche Machtentwickelung, und die Handlungsgehilfen sind stolz darauf, daß sie auf dem Boden dieses Reiches mitarbeiten können an der kraftvollen EntWickelung unseres herrlichen deutschen   Handels und unserer deutschen   Industrie." Also sprach am 4. Mai dev nationalliberale Handlungs- gchilfenführers Marquart im Reichstag, um damit zu dokumentieren, daß die Angestellten Nieder bisher noch künstig als Anhänger der Sozialdemokratie in. Frage kämen. Diese nichtssagenden Hurraphrasen haben Herrn Marquart selbst so sehr berauscht, daß er sich bis heute noch nicht erholen konnte und mm zu seinem eigenen Ruhm diese Reichstagsrede in einem Artikel derLeipziger Neuesten Nachrichten" wieder- holt, der unter der Ueberschrift:Die Handelsangestellten und die Sozialdemokratie" die Runde durch die übrige national- liberale Presse macht. In diesen Betrachtungen gibt der sonderbare Angestelltenvertreter selbst zu. daß die Miß- stimmung seiner Berufskollegen über die Verschlechterung der neuen Konkurrenzklauselbestimmungen wie über das Ergebnis der abgebrochenen Sonntagsruheberatungen berechtigt sei, ohne natürlich zu erwähnen, daß lediglich die sozialdemo- kratische Reichstagsfraktion bereit wat, die von ihm selbst in beiden Fragen vertretenen Forderungen zu unterstützen. Dennoch", so lautet seine nationalliberale Logik,führt auf politischem Gebiete der Weg der Angestellten nicht zur Sozialdemokratie." Als Grund für diesen Unsinn wird an- gesühnt, daß die Angestellten ein Teil des Kaufniannsstandes seien und dieser wiederumfühlt sich mit dem Nationalstaat, mit Kaiser und Reich verbunden". Es hat bis jetzt noch kein Sozialdemokrat bestritten, daß die Handlungsgehilfen ein Teil des Handelsstandes sindit nur vermissen dieselben bis heute den Anteil am Ertrag der von Marquart so begeistert beschriebenen EntWickelung des Handels. Wir verurteilen es, daß die Parteifreunde des Herrn Marquart restlos im neuen Kon- kurrenzklauselgesetz den Angestellten dieselbe Gewerbesteiheit vorenthalten, die doch die Voraussetzung für den ganzen Auf- schwung des Handels gebildet hat. Wenn aber der von nationaler" Kriegervereinsbegeisterung geradezu über- sprudelnde Herr Marquart glaubt, daß die Angestellten auf die Dauer auf ihre Persönlichkeitsrechte verzichten sollen, nur um die Harmonie des Kaufmannsstandes nicht zu stören und national" im Sinne der Bassermänner zu sein, dann werden sich die Privatangestellten für diese Einschätzung ihres geisttgen Nweaus bestens bedanken. Wie wenig Marquart die wahre Stimmung in Hand- lungsgehilfmkreisen kennt, mußte er neuerdings sogar in einem seiner eigenen Verbandsorgane erfahren. Im all- gemeinen vermeiden es die Organe dsr bürgerlichen Verbände nach Möglichkeit, an den liberalen Parteien ernsthafte Kritik zu üben. Angesichts des Verrats der Liberalen in der Kon- kurrenzklauselfrage scheint indes auch den vonnationalenm Stolz" erfüllten Mitgliedern des Leipziger   Verbandes der Geduldfaden zu reißen und das Berliner   Kreisdereinsblatt, dieBerliner Handels-Rund schau", bringt einen Artikel, der mit erfreulicher Deutlichkeit zeigt, daß die Nationalliberalen für die Handlungsgehilfen längst erledigt sind und daß auch I die Fortschrittliche Volkspartei   in Angestelltenkreisen an �Kredit nicht mehr viel zu verlieren hat. Auf eine Mahnung ider NaumannschenHilfe", die Interessenvertretung nicht zu überspannen, lautet die Antwort der Angestellten in dem Artikel: Nun aber die fortschrittliche Fraktion und ihre Vertretung in Sachen der Konkurrenzklaufel, besonders aber in Sachen der Sonntagsruhe so wenig Sinn für die berechtigten Forderungen der Handlungsgehilfen zeigte, sollen wir uns mit den Erwä- gungen fraktioneller Parteischwierigkeiten genüge sein lassen? Das wäre ein bißchen viel verlangt...." Es wird dann das klägliche Umfallen� der Liberalen in seinen Einzecheiten geschildert und über die Behandlung der Angestelltenfragen innerhalb der liberalen Fraktionen folgende treffliche Kennzeichnung gegeben: Bei unseren Angelegenheiten legen sich aber die Klein- krämer-Wähler ins Mittel und bringen Parteiführer wie den Abgeordneten Fischbcck mit einer einzigen Versammlung in Berlin   zur Erklärung, daß die fortschrittliche Fraktion von allen Berbesserungsanträgen anderer Parteien absehen und aus den Boden der Regierungsvorlage zurücktreten werde." Der Artikelschreiber, der sich selbst noch alsfortschritt- sicher" Handlungsgehilfe bezeichnet, fordert schließlich zur politischen Organisierung der Angestellten aus und schreibt: Daß wir als Handlungsgehilfen nach alledem, was vorge- fallen, den Anschluß an die fortschrittliche Volkspartei nicht unbesehen empfehlen können, tut uns selbst sehr leid, ist aber einzig und allein die Schuld der heute noch maßgebenden Herren in der Fraktion..." Wenn organisierte Mitglieder der liberalen Parteien sich schon mit solchem Notschrei in die Oeffentlichkeit flüchten, dann wird Herr Marquart mit seinen nationalen Mittelchen die natürliche politische Entwickelung der Angestellten auch nicht mehr aufhalten können. Freilich befindet sich auch der Artikel- schreiber des Kreisvereinsblattes insofern in einem Irrtum, als die unsoziale Haltung der liberalen Parteien nicht nur auf die Gesinnung einiger Führer zurückzuführen ist, sondern auf die ökonomische Struktur des Liberalismus überhaupt, der als Interessenvertretung des Kapitalismus immer wieder gegen die berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer Front machen wird. Indes ist der Unmut unter den libemlisierenden An- gestellten schon soweit gediehen, daß sogar, das Organ des Reichsvereins liberaler Arbeiter und Angestellten" in seiner Ausgabe vom 11. Juli ebenfalls eine Mitgliederzuschrift ver- öffentlichen muß, in der die Potthoffsche Schaukelpolitik der Fortschrittler gegenüber den Angestelltengewerkschaften ge- bührend gekennzeichnet wird: Wenn das Liberalismus ist," so heißt eS in der Zuschrift, daß man den Mantel nach dem Winde dreht, dann ist mir konservativ bedeutend sympathischer." Die Haltung Potthoffs gegenüber den Verbänden ist aber nur symptomatisch für die Unzuverlässigkeit der liberalen Parteien überhaupt: das kommt in der Zuschrifft ebenfalls zum Ausdruck, indem gesagt wird: Es wäre nun immerhin tröstlich, wenn der Fall vereinzelt dastände, aber ist es nicht in Arbeiter- und Angestelltenstagen im Parlament ebenso? Das Verhalten der bürgerlichen Parteien bei sozialpolitischen Gesetzentwürfen liefert den besten Beweis. Auf der einen Seite will man den vom Arbeitgebertum hart bedrängten Massen helfen und auf der anderen Seite es ja nicht mit dem Arbeitgeber verderben...." Noch zutreffender freilich wäre es. zu sagen:Die Liberalen wollen den Arbeitgebern helfen, ohne es mit den Angestellten als Wählermasse ganz zu verderben." Immerhin zeigt sich in all diesen Stimmen aus bürgerlichen Angestellten- kreisen, daß die Privatangestellten in ihrer Masse vom Liberalismus trotz eifrigen Bemühens nicht gehalten werden können. Auch für sie wird letzten Endes ihr wirtschaftliches Arbeitnehmerinteresse für die Bildung ihrer politischen Welt­anschauung ausschlaggebend sein müssen. öerlin unü Umgegenö. Zum Streik der Holzbildhauer. Während der letzten Verhandlungen mit den Holzindustriellen wurde von diesen wiederholt erklärt, es sei eigentlich noch viel zu früh zu Verhandlungen. Sie nahmen wohl an, in einigen Wochen könne der Streik sich wesentlich zu ihren Gunsten gewende: haben und lehnten jedes Entgegenkommen gegenüber der Arbeits- zeitforderung der Gehilfen grundsätzlich ab. Die ersehnten Arbeits- willigen wollen sich jedoch nicht einfinden. Die Bilohauergehilfeu sind nicht durch ungelernte Arbeiter zu ersetzen, und aus den Reihen der Streikenden findet sich niemand, der bereit wäre, der. Holzindustriellen aus der Patsche zu helfen. Sehr unangenehin muß den Unternehmern die Tatsache sein, daß ein größerer Teil der Geschäfte die vollen Forderungen der Gehilfen bewilligt Hai. Es wirkt fast possierlich, wenn der Verband der selbständigen Bild- Hauer in einem Zirkular an seine Mitglieder diese Tatsache wegdisputieren will. Es wird dort die Angabe der Gehilfen- organisation als unglaubwürdig hingestellt und behauptet, daß nur 30 Gehilfen zu den neuen Bedingungen arbeiten. Ferner wird den Unternehmermitgliedern erzählt, von denjenigen Firmen, die die Forderungen bewilligt haben, hätten Geschäfte überhaupt keine Gehilfen in Arbeit. Etwas Wahres kamt schon an dieser Geschichte sein. Es befinden sich nämlich im Streikgebiet noeli mehr als IS solcher Geschäfte, weil einfach trotz der Bewilligung die Gehilfen streiken, um die vorliegenden Streikarbeitcit nicht fertigzustellen. Aber diese Betriebe kommen für die Gehilfen nicht alsbewilligte" in Frage. Die Fachzeitung der Holz- industriellen faßt dagegen die Sache schon ernsthafter an. Sie unternimmt nicht den lächerlichen Versuch, abzuleugnen, daß eine größere Zahl Bewilligungen vorliegen, sondern droht allen Firmen, die nicht nach der Pfeife der Scharfmacher tanzen wollen, mit dem geschäftlichen Ruin. Alle Drohungen und alle persönliche Agitation der Unternehmer jedoch haben nicht verhüten können, daß die Gesamtzahl der Firmen, welche bewilligt haben, abermals gestiegen ist. Und dies, obwohl in der Zwischenzeit bei einigen Bildhauerprinzipalen wegen des Verdachtes vorliegender Streit- arbeit die Arbeit wieder niedergelegt wurde. Gestiegen ist namentlich die Zahl der Tischlereien und industriellen Betriebe, während die Zahl der Bildhauereien stabil geblieben ist. Ins- gesamt stehen jetzt 160 Gehilfen in 64 Betrieben zu den gc- forderten Bedingungen in Arbeit, also ungefähr der fünfte Teil aller für die Bewegung in Frage kommenden Holzbildhauer. Darum können die Streikenden den Wünschen der Unternehmer entsprechend in aller Ruhe noch einige Wochen abwarten, bis die Unternehmerverbände den einzig möglichen Weg zur Wiederher- stellung des Friedens finden. Dieser ist darin zu suchen, daß die Berliner   Hslzbildhauer in ihrer Arbeitszeit nicht mehr hinter anderen Städten zurückstehen, wie dies jetzt der Fall ist. Am Dienstagabend fand im Gewerkschaftshause eine von den Streikenden vollzählig besuchte Versammlung statt, woselbst der Situationsbericht gegeben wurde. Die Stimmung Anter den Streikenden ist die denkbar beste und sie sehen mit fcoller Zu­versicht der weiteren Entwickelung des Kampfes entgegen. Deutsches Reich  - Und willst du auch mein Bruder sein» Ich schlag dir doch i>en Schädel ein! Im Herbst 1S11 streikten in Elmshorn   in Holstein, einem Orte, in dem die Lederindustrie in ziemlich großem Umfange beiriebcu wird, die Lederarbeiter. Nach langem Kampfe ging der Streil schließlich verloren, weil es den Unternehmern unter Anwendung skrupellosester Mittel schließlich gelungen war, eine größere Zahl von Streikbrechern anzuwerben. Diese Leute, typische Hintzegardisten. fllbrten sich in der Stadt derartig auf, daß die ganze Bevölkerung gegen sie erbittert war. Nach der Beilegung des Streiks verließen viele von ihnen, an.regelmäßiges Arbeiten nicht gewöhnt, die Stadt, während eine Anzahl zurückblieben. Diesen errichteten die Elms- Horner Lederprotzen ausDankbarkeit" für die geleisteten Judasdienste Kleines Feuilleton. Der Berliner   SMdenten-Ausschuß hat sich am Montag konsti- tuiert. Dabei kam es zu Szenen, die für das Wesen der neu- deutschen   Studentenschaft bezeichnend sind. 2000 Studenten waren anwesend, der Rektor tat auch mit. Selbstverständlich wurde zu- nächst einmal festgestellt, daß die ausländischen Studenten, obwohl sie ein Siebentel aller Berliner   Studierenden bilden, nicht mitzu- reden haben, was man damit bekräftigt«, daß man ihren Wortsührer hinauswarf, nachdem man ihm vergebens das Wort verweigert hatte. Dann protestierten die Nichtinkorporierten, weil man ihnen weniger Stimmen im Ausschuß geben wollte, als den Verbindungsstudenten. Hierbei war es erheiternd, daß sich die Angehörigen auswärtiger Korporationen, weil sie als Nichtinkorporierte gelten, dagegen wandten, daß der Ausschuß dem kleineren Teile der Studenten größere Rechte gewähre, als dem größeren Teile. iGegen die Benachteiligung der gewaltigen Majorität der überhaupt nie und nirgends Inkorporierten hatten sie anscheinend nichts einzuwenden.) Mit ihnen verließen * auch die Freistudenten das Lokal, und nun war die reaktionäre Sippe unter sich und konnte beschließen, was sie' wollte. Vor allem, daß der Präsident immer ein Verbindungsstudent sein muß swahrschein- lich, damit er mit der bunten Affenjacke repräsentieren kann), und daß die Frauen ebenso rechtlos sein sollen wie die Ausländer. Die traurigen Nachkommen des revolutionären deutschen   Studenten haben ihre studentische Rechtlosigkeit durchaus verdient. Und der neue Ausschuß, der nur ein neues Glied in der allmächtigen Or- ganisation des deutschen   Verbindungswesens ist, wird die Sklaverei bald komplett machen. Eine Elegie auf Hosen. Die französische   Kammer hat be- schlössen, die berühmten roten Hosen in der Armee abzuschaffen, die allzu sichtbare Schießscheiben� darbieten. Ueber dieser fallende historische Hose sie ist übrigens gar nicht so historisch, wie man glauben sollte, denn die französischen   Soldaten just der rühm« reichsten Epoche, der Revolutionszeit und des Kaiserreichs, trugen sie noch nicht blutet das Herz der Kinkerlitzchen-Patrioten. So dichtet einer der gutgesinnten Redakteure desEcho de Paris" folgenden Trauergesang:Wenn ihre Farbe beim Borüberzug marschierender Truppen erglänzte, war sie ein Trost für den Blick und auch fürs Herz. Sie weckte eine fromme und stolze Empfindung, die wir nicht mehr kennen werden. Die rote Hose geht dahin wie alle Dinge, die uns mit der Vergangenheit verknüpfen. Ihr Ver» schwinden wird zu einer Trauer, die schmerzlich in allen Patrioten- herzen wiedertönen wird." Diese Patrioten haben das Herz wirklich in der Hose. Eine abgelehnte Schauspielerforderung. Bei den Borberatungen d«S kommenden deutschen   Theatergesetzes haben die Schauspieler ge- fordert, daß ein a m t li ch e r T h e a t e r in spe kt or angestellt würde, der die Durchführung der gesetzlichen und polizeilichen Vor- schrifien im inneren Theaterbetriebe zu überwachen habe. Es liegt zudem in den besonderen Verhältnissen des künstlerischen Berufs, daß der Direktor am Schauspieler selber einen Bundesgenossen finden kann, wenn er die gesetzlichen Vorschriften umgehen will. Er gibt ihm die wirkungsvolle Rolle als Lohn für seine Verschwiegen- heit�»od hebt so bald dies« bald jene gesetzliche Vorschrift auf. Sollte es beispielsweise endlich festgelegt werden, daß der Direktor die Kosten für das beanspruchte moderne Kostüm zu tragen hat: wer könnte ihn hindern, eine kostspielige Kostümrolle einer Dame zuzuschanzen, die durch ihre körperlichen Reize besonders reich dotiert ist? EineSchiebung", die den Schein des Gesetzes wahrte, in der Tat aber das Portemonnaie der Theaterprinzessin in Anspruch nähme, wäre kinderleicht gemacht. Und wer sollte sie in diesem Fall aufdecke»? Die mit den Rollen beglückte Dame würde eS schwerlich tun. Je reicher sie von Liebhabern bedacht wird, um so weniger wird sie sich mit ihren ärmeren, aber anständigen Kolleginnen solidarisch fühlen. Im Gegenteil: Die Macht des Kostüms wird ihr eine willkommene Waffe sein. Jeder anderen Instanz innerhalb des Theaters aber wäre es unmöglich, den wahren Sachverhalt aufzudecken. Hier kann nur ein amtlicher Inspektor helfen, der vom Gesetz abhängig, dafür aber aber vom Direktor unabhängig ist. Leider hat die Regierung den geforderten Theaterinspektor zunächst abgelehnt. In derDeutschen StrafrechtSzeitung" hat nun ein Re- gierungsrat Dr. Lindenau Dezernent am Berliner Polizei« Präsidium im Anschluß an den Prozeß Schrumpf die Einführung der amtlichen Theaterinspeltion in das kommende Theateraesetz dringend empfohlen. Im Entwurf des österreichischen Theatergesetzes ist der Theaterinspektor bereits vorgesehen. Hoffentlich hilft eS den Schauspielern, daß nunmehr sogar vom Berliner   Polizeipräsidium aus ihre gerechte Forderung anerkannt wird. DieEtagenrosc". Der französische   Blumenzüchter Gennain aus Mourillon ist plötzlich ein sehr berühmter Mann geworden. weil er in seinem Garten eine ArtEiagenrose" entdeckt hat: eine Rosenblüte, aus der eine zweite Blüte herausgewachsen ist. Es handelt sich hier um einen Vorgang, der bei Gartenrosen ziemlich selten ist, aber doch auch in Deutschland   des- öfteren beobachtet werden konnte und den die BotanikerDurchwachsung"(viexstztsis) nennen. Die Blütenachse wächst über die Kapelle hinaus und erzeugt oberhalb der ersten Blüte eine neue, mehr oder weniger von der normalen abweichend« Blüte, manch- mal auch einen Laubsproß. In der Biologisch  - morphologischen Abteilung des Botanischea Gartens in Dahlem   befindet sich ein Exemplar einer grünen oder richtiger gesagt vergrünten Rosenart, der Rose, obiusnsis virickistora, bei dem in früheren Jahren mehr- fach derartige Durchwachiungen vorgekommen sind. In diesem Jahre zeigte sich aber keine durchwachsene Blüte. Auf demselben Beete aber stehen einige andere Pflanzen, bei denen man gegenwärtig derartige Blütendurchwachsungen studieren kann, so verschiedene Sltabibsvit und Exemplare der Pflanze kckouuäa didyma. In einem Falle ist die Durchwachsung sogar das Normale: bei den weiblichen Cyoa«. Der trockene Jagow. Bei den Gewittern, die letzter Tage, so auch gestern, die Berliner   Vororte heimsuchten oder vielmehr be- glückten, hat eS allgemeine Verwunderung erregt, daß es immer nur die Bororte sind, denen eine Abkühlung beschieden ist. So goß es gestern nachmittag wieder fürchterlich in den westlichen Vororten. aber Berlin   blieb trocken. Stellenweise waren die trockene und die nasse Zone haarscharf gegeneinander abgegrenzt, und die Grenze fiel merkwürdigerweise zusammen mit der Grenze jenes Gebietes, über das Herr v. Jagow sein schneidiges Szepter schwingt. Das brachte uns denn auch auf die sehr natürliche Er« klärung des Phänomens. Wir erhoben unsere Augen, und siehe, an allen Straßen, die Jagows Reich gegen die Vororte abgrenzen, prangten Plakate des Inhalts: Es wird der Regen auf der Straße verkündet. Die Straße dient lediglich dem Verkehr. Bei Zuwiderhandlungen, erfolgt Einschreiten." Das hat gewirkt. Jagows Macht ist bei den himmlischen Heer-- scharen nicht geringer als bei seinen irdischen. Aber die Berliner   werden ihm auch das nicht vergessen. Notizen. Kritik der Kritik. Das Tivoli-Theater in Bremen  . eine Operettenbühne, die dem Komponisten Gilbert gehört, ha: unserem dortigen Parteiblatt die Referentenkarten entzogen, weil die ernste kritische Würdigung ihrer Leistungen den Operettenleuten angeblich das Geschäft verdarb. Die bürgerliche Presse mit ihren kritik- und skrupellosen Lobhudeleien hat die Theaterleiter zu solcher Dreistigkeit ermutigt. Die himmlische Regie. Der Tod deS österreichischen Gesandten in Belgrad  , des Herrn von Hartwig, der am Freitag er- folgte, nachdem acht Tage vorher, also gleichfalls an einem Freitag l'>. das ermordete Erzherzogspaar von der Wiener Hofburg   zum West- bahnhof geleitet worden war, entlockt der Wiener  Reichspost" folgendes Gebet:Es wird biete geben, die in diesem merk- würdigen Zusammentreffen von Umständenden Finger Gottes", die Hand der Vorsehung, zu erkennen geneigt sind. über deren Walten in der Weltgeschichte neuestenS der deutsche Historiker Ruville so lichtvoll geschrieben hat. Vor dem so tragisch Verstorbenen salutiert politische Gegnerschaft ritterlich, aber iiiäu minder beugt sie vor diesem erschütternden Werk htm in- lischer Regie ehrfürchtig daS Knie." Sachie-Oper. Die Erstaufführung desPostillonS von Lonjumeau" ist auf Freitag, den 17. d. M., verlegt worden. Donners- tag wird Richard WagnerS.Tannhäuser" wiederholt. Den Ozeanflug um die 200000 Mork-Prämie will auch Graham White mitmachen. Sein Apparat erhält vier Motore und soll 40 Stunden ohne Zwischenlandung fliegen können. Schilllers Erben. Bei Gelegenheit von Rodenbergs Tode erfährt man aus einem Nachruf, daß die Schillerftiftuiig, deren zweiter Vorsitzender er war, außer von Waldeck Manasse, Alfred Gotthelf und Isidor Landau   auch von Paul Lindau   und Oskar Blumenthal   geleitet wird. Das ist d»r blutigste Witz, der Herrn Blumenthal, und zugleich das einzige Trauerspiel, das Herrn Lindau je gelungen ist. Braunolin-Vertrieb". Ueber einem Laden in der Nähe des Nollendorffplatzes liest man in großer Aufmachung di AufschriftBraunolin- Vertrieb". DaS Mittel mit dem barbarischen Namen muß demnach viel aekanst werden. Man kann also, wenn man einem Menschen mit stark braungefärbtem Gesicht auf de, Straße begegnet, niemals wissen, ob der Betreffende sich d i Färbung lediglich durch den Aufenthalt in freier Lufi und Sonnt ehrlich erworben, oder aber, ob er sie sich in Berlin   künstlich an- geschminkt hat. Früher hatten die Götter auch vor das Brauitwerdcn den Schweiß gesetzt, jetzt kann man ohne die geringste Anstrengimg in den glücklichen Besitz des prächtigsten kupferfaroenen Indianer- teints gelangen.