SItbett„aufgewiegelt" und schließlich noch„gedroht", er werde die Maschinen beschädigen. Die Beweiselhebung ließ den Kläger »n nicht so grausigem Lichte erscheinen, wie die Behauptungen des Herrn es thaten.� Die„agitatorische Thätigkeit" und„Auf. wiegelung zur Arbeitsniederlegung", bei deren erster Erwähnung man unwillkürlich an einen Streik denkt, entpuppten sich als ein« fache Anfragen an drei oder vier Kollegen des Klägers, ob sie nicht Lust hätten, mit ihm zusammen bei einem anderen Fabrikanten ein- zutreten, der ihn unter vortheilha�teren Bedingungen engagirt habe. Tie schreckliche Drohung, Maschinen zu zerstören, hatte nach den Aussagen eines Zeugen folgenden Wortlaut:„Wenn ich aufhöre, wische ich die Zeichen(diese dienen zur Neguluung bei der Be- nntzung) von der Druckmaschine, möge ma» sich die Stelle aus- suchen, wie ich es gelhan habe." Beklagter frägt den Vorsitzen- den, ob er solche„Machinationen" in der Fabrik dulden müsse. Das Gericht antwortete ihm durch seine Veruriheilimg zur Zahlung der 60 M Die Gründe des Beklagren seien kein Ent- lassungsgrund, ließen sich nicht in die nach der Gewerbe-Ordnung zur sofortigen Entlassung berechtigende» Gründe einreihen. Es könne keinem Arbeiter verdacht werden, wenn er sucht, sich„zu verbessern". d. h. in günstigere Arbeitsbedingungen zu kommen, und, insofern mehrere Stellen frei sind, wenn er seine Kollegen darauf aufmerksam macht und zu ihnen sagt: Wollt Ihr vielleicht mit. es ist dort so und so? Es möge ja nicht schön sein, in den Arbeitsräumen dies zu thun, gesetzlich zulässig sei es aber. Was die Drohung an- gehe, so sei dieselbe nicht von so weittragender Bedeutung ge- irese». daß dem Beklagten ein Schaden entstanden sei,'aber aich wenn er einen solchen durch sie gehabt hätte, wäre das kein Entlassungsgrund. Herr Polle, der Inhaber eines Fensterputz-Jnstituts, hatte dem Fensterputzer P. 4 Mark vom Lohn einbehalten für eine Scheibe, die derselbe eingestoßen hat und für welche er sich l.Ää M. abziehen lassen will. Dem Gewerbegericht, das von P. in Anspruch genommen wurde, reichte Polle das Kündigungs- schreiben eines seiner Kunden ein, welches sich auf die Hantirung des Klägers bezog und damit die Kündigung begründete. Beklagter stützt sich darauf, indem er das Mehr über die Kosten der zerschlagenen Scheibe als Thcilersay seines Schadens für sich beansprucht. Er wurde zur Zahlung von L,7S Mark verurtheilt. Gründe: An sich sei eine»nbestrittene Lohnresiforderung von 4 Mark geblieben. Der Kläger Hab« nichts dagegen gehabt, daß davon 1,23 Mark für die Scheibe einbehalte» würden. Tie Kompensalion nur liquider, fälliger Forderungen fei gegen den verdienten Lohn möglich Die Schadenersatzsorder>:ng mit bezug ans den verlorenen Kunden Zönne aber unmöglich als liquide angesehen werden, auch wenn, »nie behauptet sei. Trunkenbeit des Klägers jenen Kunden zur Kündigung der Reinigung seiner Fenster mit veranlaßt hätte. Kammer IV. Sitzung vom 12. Februar. Ein Kellerarbeiter klagt gegen die Firma Richter und Kall - mann, Weinhandlung. Er glaubt sich unrechtmäßig entlassen und beansprucht eine Lohnentschädigung von 34 M. Ter Kellermeister des Beklagten wird als Zeuge»ernommen. Er habe, so führt er aus, Vollmacht gehabt, jeden Arbeiter zu eutlaffen, welcher sich betrinke. Der Kläger sei Abends, etwa eine Stunde ror Feierabend, häufig betrunken gewesen. Er habe ihn nicht soiort entlassen, weil er ein sonst sehr tüchtiger Ar- beiler war. Aber wiederholt gewarnt habe er ihn und zu ihm gesagt, wenn er sich wieder be- trinke, sei e? alle mit der Arbeil. Die Trunkenheit habe den Kläger nicht gerade an der Arbeit gehindert; jedoch dürfe in einer Weinhandlung auch ein geringer Grad von Trunkenheit nicht bei den Arbeitern geduldet werden, weil schon ei» solcher Zustand bei der Verantwortlich- seit des Kellerarbeitcrs großen Schaden herbeiführen könne. Deshalb jene Androhung der plötzlichen Enllasfung dem Kläger gegenüber. Als der eine Chef ihn betrunken auf der Treppe getroffen, habe er seine sofortige Entlassung aus- gesprochen.— Wie schon oft. stellte sich das Gericht sauf den Staudpunkt, daß Trunkenheit an sich kein Entlassungsgrund sei, und verururtheilte die Beklagten zur Zahlung der Klagesumme. In der Begründung des Urtheils führte der Vorsitzende, Dr. Leo, noch besonders aus, daß der Gerlchtshos die von, Zeugen als Vertreter der Beklagten zu dem Kläger gebrauchten Worte, „weui! wieder Trunkenhxit eintrete, sei er entlassen", nicht nur nicht als Rechtsertigung der Entlassung betrachte, sonder» sogar als eine Verletzung der Bestimmung der Gewerbe-turdnung ansehe, wonach für beide Theile, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die Arbeitsbedingungen gleich fein müssen. Voraussetzung sei hierbei natürlich, daß Trunkenheit nicht zu den gesetzlichen Ent- lasfungsgründcn gehöre. Tie betreffenden Worte schlössen die Bcoiugung für de» Kläger in sich, beim NichtVorliegen eines gesetzlichen Enllasiui.gsgrundes und trotz Nichtausschlusses der Küudigungssrist sofort gehen zu solle», wenn eS dem Chef oder seinem Vertreter angebracht erscheine. Kammer III. Vorsitzender: Assessor Fürst. Eitzuug vom 13. Februar. Ter Putzer Kr. gehörte einer Kolouue an. welche sich zu dem Zweck zusammengelhan hatte, gemeinsam bestimmte Arbeiten auszusühre». Anfänglich ging, wie überall, auch hier nicht alles „ganz glatt"; wegen mangelnder Putzerlaubniß mußte nach zwei- lügiger Arbeit acht Tage lang gefeiert werden. Kr. hatte mittler- weile aus einem anderen Bau zu arbeiten begonnen und mochte die neue Stellung nicht aufgeben; er sorgte für»inen Ersatzmann, der statt seiner bei der Wiederaufnahme der Arbeiten in die erwähnte Kolonne eintrat.„ Nach Fertigstellung des Akkordes stellte sich heraus, daß jedes Kolonnenmitglied drei Mark.Nachschuß" pro Arbeitstag zu bekommen hatte, d. h. drei Mark waren pro Mann und Tag mehr verdient worden, als wie die Kolonne au„Kostgeld" schon weg hatte. Kostgeld hatte der Mann pro Tag 7 M. erhalten, also auch Kr. sür die beiden Tage, welche es zur Kolonne gehörte. Es„wurmte" ihn, daß er bei der Thei- lung des Nachschusses nicht berücksichtigt morde» war, wie er es in aubetracht seiner hivcitägige» Mitarbeit erwartet halte. Er klagte gegen den Kolonnensührer auf Zahlung von je drei Mark sür die beiden Tage. In der Verhandlung legte der Gerichtshof auf die erfolgte Feststellung Werth, daß die 6 M. unter alle Kolounenmitglieder vertheilt worden wären, welche der Kläger , wäre er in der Kolonne geblieben, sür jene beiden Tage belommen hätte. Der Klüger wurde ab- gewiesen. Begründend führte der Vorsitzende aus, da Kläger aus dem Akkordverhältniß ausgeschieden sei, könne er nicht an dem Unlcrnehmergewinn, der quasi sür die Putzer als gleich- berechtigte Kolonuenmitglieder abfiel, partizipiren. Wäre» dem Kolonnensührer allein die fraglichen 6 M. zu gute gekommen, so hätte er sie allerdings an den Kläger auszuzahlen. Kammer l. Borsitzender: Assessor Löwe. Sitzung vom 14. Februar. Die Schneiderin K. beansprucht von der Schneiderin Pavian unter folgender Begründung n,72 M. Sie sei vom Oktober 1832 bis zum April 1833 Lehrmamsell bei der Beklagte» gewesen und habe dann vis zum 10. September als Taillenarbeilerin bei ihr gearbeit. An diesem Tage sei sie entlassen worden, weshalb sie eine vierzehntäaige Lohnentschäbigung mit 10 M. 5 M Lohn erhielt sie die Woche— fordere. Die Beklagte habe ihr am Löhnungstage 2,04 Mark mit einem Male als ihren Beilraa zur Krankenkasse abgezogen, während sie nach dem Gesetz nur das Recht hätte, für höchstens zwei Wochen zusammen das Krankengeld ab- zuziehen. Deshalb fordere Klägerin weitere 1,72 M. Ferner verlange sie, daß sie in ihrem Arbeitsbuch als Taillenarbeiterin und nicht, wie geschehen, einfach als Mamsell bezeichnet werde. Di« Beklagte erklärt. Klägerin sei nicht Taillenarbeiterin ge- wesen; nach beendigter Lehrzeit fei sie zur weiteren Ausbildung in der Damenschneiderei bei ihr, der Beklagten , geblieben. Außerdem wendet Beklagte ein, Fräulein K. sei nicht ent- laffea worden, sondern von selbst gegangen. Letzteres will die Beklagte durch die Vernehmung zweier Zeuginnen beweisen. Tie eine derselben kann nur aussagen, sie hatte von der Klägerin gehört, daß dieselbe sich verändern wollte, während die zweite Zeugin angiebt; nach der Lohnzahlung habe Klägerin bestimmt erklärt: Ich bin srob, daß ich mein Geld habe, setzt komme ich nichl mehr wieder. Nach den jüdischen Feiertagen, die vor der Thür standen, sei Klägerin thatfächlich auch nicht„wieder- gekommen". Dem gegenüber behauplel die Klägerin, sie und eine als Zeugin ebenfalls vorgeladene Kollegin, hüllen am Löhnungs- tage gefragl, wann sie wieder komme» sollten. Da sei ihnen von Frau Pabian der Bescheid geworden, sie hätte zur Zeil keine Beschäsligung; sie werde, wenn es nolhthue, sie beide per Karte benachrichligen. Die Karte sei aber aus- geblieben. Die betreffende Zeugin bestätigt diese Ausführungen und fügt hinzu, von einem Wiederansangen nach dem Feit sei, entgegen einer Angabe der Beklagten , nicht die Rede gewesen. Die Klägerin habe vorwiegend Taillen gearbeitet, natürlich habe die Beklagte dieselben zugeschnitten und meistens die Anproben gemacht. Die Beklagte wurde verurtheilt, 11.72 M. zu zahlen und der Klägerin in ihr Arbeitsbuch nachzutragen, daß sie auch Taillen gefertigt habe. Der Gerichtshof hielt die Aussage der Zeugin der Klägerin für beweiskräftig und nahm au. daß letztere entlaffe» und nicht„von selbst gegangen" sei. Bezüglich der 1,72 M. stützte sich der Gerichtshof auf Bestimmungen des Krankenversicherungs-Gesetzes. Der beleidigte Minister sür Handel und Gewerbe. Die bekannte Broschüre:„Sozialliberal. Ein Weckruf zu den Landtagswahlen", die der bekannte Historiker und Sozialpolitiker. Privaldozent an der Berliner Universität, Dr. I. Jastrow, im vorigen Herbst veröffentlicht hat, hat eine Anklage wegen Beleidigung des Handelsmini st ers Freiherrn v. Berlepsch veranlaßt. Die vor der siebenten Straskammer verhandelte Anklage richtete sich gegen den Verfasser der Broschüre, Dr. I. Jastrow und den Redakteur des„Vorwärts", Wilh. Schröder, der auf grund der Broschüre einen Artikel veröffentlicht halte. In der Broschüre rusl der Verfasser den Liberalismus dazu auf, de» wichtigsten Forderungen unserer Zeit, den sozialen Forderungen, feine volle Ausmerksamkeit zuzuwende» und erhebt den nur zu berechtigten Vorwurf, daß der Liberalismus diesen Forderungen bisher theils mit ge- schlossenen Augen, theils mit abwehrender Geberde gegenüber gestanden habe. Zum Beweise für diese Behauptung durchstreift der Verfasser die einzelnen Ressorts der Staalsverwalluiig und verweilt auch längere Zeil bei dem Bergbau, besten Regelung als die bedeutsamste Aufgabe für die sozialpolitische Gesetzgebung Preußens bezeichnet wird. Die Broschüre erörtert die Schicksale, welche die Forderungen der Arbeiter in der Bergnovelle gehabt und kritisirt den Ent- wurf eines Steueraufhebungs-Gesetzes, welches die Berg- werrs-Abgabe» für aufgehoben erklärle. Es wird dann daraus hingewiesen, daß diesem Gesetzentwurfe die Unter- schrist des Handelsministers, dem die Bergwerke unterstellt sind, gefehlt habci Dies widerspreche der preußischen Berwaltungs- prazüZ, welche nicht blas der Verfassung entsprechend die Unter- schrist eines beliebigen Ministers, sondern gerade des betreffenden Fachministers verlange.„Wenn der Handelsminister sich für persönlich behindert hielt, weil sein Schwiegervater, der Oberst v. Tiele-Winkler, der eine» erheblichen Theil dieser Bergwerks- Abgaben zu zahlen hat. an der Sache interessirt war: dann wäre es seine Pflicht gewesen, dies dem Könige zu sagen und die ordnungsmäßige Bestellung eines Stellvertreters zu beantragen." A» einer anderen Stelle heißt es:„Bei der ersten Beratbung des Gesetzentwurfes saß der Handelsmiuister schweigend am Regierungstisch, in den Kommissionsberathungen ließ er sich durch einen Geheimrath vertreten; bei den Schlug. berathungen fehlte er. Es wird ferner mitgetheilt, daß in der betreffenden Kommission auch die Frage der Privatregale berührt worden sei. Unter den letzteren befinde sich im Bezirk des Oberbergamts Breslau das Bergregal der Familie von Tielc- Wiukler i» der Herrschast Mtisloimtz.Kaltowitz, welches im Jahre 1831 der Fainilie einen Ertrag von 338 323 Mark gebrocht babe. Der Bersasser der Broschüre tadelt die Haltung des Abgeordnelenhauses diesen Dingen gegenüber und kommt zu fol- aenden, von der Anklagebehörde besonders hervorgehobenen Schlußsätzen:„Will man diese Art, die Interessen des staatlichen Anlheils an den Bergwerken wahrzunehmen, richtig beurtheilen. so muß man sich erinnern, daß die Bergwerke in Preußen nicht immer dem Haudelsniinister unterstanden haben. Sie gehörte» früher zum Ministerium der öffentlichen Arbeilen. Erst als der gegenwärtige Inhaber des Hanoelkministerium übernahm, wurde» ans seinen Anlaß die Bergwerkeaugelegenheite» vom Arbeits- Ministerium abgetrennt und dem seinigen zugefügt. Kau» nian sich nach diesen Vorgängen wundern, wen» in den j Kreisen der Bergarbeiter sich die Anschauung bildet, als ob die Spitze» der Bergverwaltung, als ob der Apparat der preußische» Gesetzgebung nur ein Mittel in der Hand der Kreise wären, die ihnen(sei es mit Recht, sei es mit Unrecht) als das personifizirt» Ausbeuterthum erscheinen?"— Die Angeklagten bestritten das Vorhandensein einer Beleidigung, namentlich erklärte Dr. I a st r o w nachdrücklichst, daß ihn, jede Absicht der Be- lcidigung fern gelegen habe. Seine Broschüre habe einen durch- aus wisseuschastlichen Charakter und die Kritik, die er geübt, sollte nur sachlicher Natur sein. Er habe zeige» wolle», daß auf dem Bergwerksgebiete die sozialpolitischen Gesichtspunkte eigentlich zu Hause seien, daß dem preußischen Hrndels- minister die sozialpolitische Führung zufalle, wie denn auch dieser Minister in ganz richtiger Würdtgung der Sachlage die Ver- einigung des sozialpolitischen Ressorts mit seinem Ressort be- trieben habe. Er habe ferner zeigen tvollen, daß die sozial- politische Seite der Bergwerksabgaben nicht geprüft und der be- treffende Gesetzentwurs erledigt worden ist, ohne daß ein greif- barer Vertreter da war.— Der als Zeuge vernommene Geh. Ober-Bergrath Dr. Fürst vermochte die Frage, ob das Fehlen der Unterschrift des Ressortministers unter solch' einem Gesetzentwurf der preußischen Verwaltungspraxis widerspreche, nicht mit Ja oder Nein beantworten. Das erledige sich von Fall zu Fall. Er kenne eine ganze Reihe von Fällen, in denen neben dem leitenden Minister»och der Fach- minister unterzeichnet habe, in anderen Fällen aber sei es anders gewesen. In dem hier in Rede stehenden Falle sei von Anfang an angenommen worden, daß die Auf- Hebung der Bergivertsabgaben eine Angelegenheit der Finanz- Verwaltung sei. Die Frage der Aufhebung der Bergwerkssteuer sei auch keineswegs eine neue gewesen. Schon im Jahre 1862 sei ein Gesetz, belrefsend die Herabsetzung dieser Steuer erlassen und schon damals sei im Landtage eine Resolution auf allmälige vollständige Aushebung dieser Steuer angenommen. Als das allgemeine Berggesetz im Jahre 1363 erging, habe man »och nicht Veranlassung genommen, diese Steuer aufzu- heben; dahin gehende Wünsche seien aber fort und fort laut geworden und die Minister von Maybach und von Scholz haben wiederholt erklärt, daß die Staatsregierung diese Steuer eigentlich mißbillige und sie aufheben werde, sobald die allge- meine Finanzlage es gestatte. Was die Trennung der Berg- werks-Angelegeuheiten von dem Ministerin»» der öffentlichen Ar- beilen betreffe, so Hab« Herr V.Maybach schon bei Antritt seines Amtes diesen Wunsch ausgesprochen, er habe die Trennung be- antragt, als ein besonderer Handelsminister ernannt wurde und die Trennung sei durch Beschluß vom 31. Januar 1830 erfolgt, als Herr v. Berlepsch noch gar nicht sein Amt angetreten balle. Rechtsanwalt Dr. F r i e d e in a n n wies darauf hin, daß in den verschiedenen Bergwerkegesetzen vom 12. Mai 1831, vom 22. Mai 1861 und vom 20. Oktober 1662 stets der Minister für Handel und Gewerbe zur Ausführung der betreffenden Ge- setze berufen worden und bisher in der preußischen Ver- waltungspraxis stets der Handelsminifter und nicht der Finanz- minister als der Ressortminister auf diesem Gebiete gegolten habe.— Geh. Rath Dr. Fürst verwies auf andere Gesetze entwürfe, bie auch nur von einzelnen Ministern unterschrieben seien, trotzdem noch viele andere Ressorts an der betr. Gesetzes- mateiie belheiligt seien. In der preußischen Verfassung gebe es den Begriff„Ressortminister" überhaupt nicht.— Dr. I a st r o w verlas eine Stelle aus einer parlamentarischen Rede des Ministers v. Berlepsch, in welcher er sich gerade in der Frage der Bergwerksabgaben als den Hauptminister, den Finanzminister aber nur als den Nebenminister hingestellt habe. Die Einleitung zum allgemeinen Landrecht gehe von der Voraussetzung aus, daß immer der Reffortminister die Gesetze unterzeichnen und das alte Gesetz vom Jahre 1809, welches nach Rönne's preußischem Staatsrecht noch g i l t i g sei, gebiete diese Unterschrift durch den Ressortminister.— Geheimer Rath Dr. Fürst erwiderte, daß dieses alte Gesetz jedenfalls seil 30 Jahren in der Praxis keine Anwendung mehr gesunden habe. — Auf die Vernehmung des zweiten Zeugen, Ministerialdirektors Freund, wurde verzichtet.— Staatsanwalt Schäfer hielt Beleidigungen für vorliegend, da dem Minister verschiedene ehrenkränkcnde Borwürfe gemacht würden, namentlich der, daß der Minister bei Einbringung und Durchführung des Gesetzes sich von persönlichen Gründen habe leiten lassen. Die Broschüre und der Artikel enthalten neben rhatsächlichen Unrichtigkeiten auch beabsichtigte ehrenkränkende Verdächtigungen, die einem so hohen Beamten gegenüber so straf- bar seien, daß er gegen Dr. Jastrow 1 Monat, gegen Schröder 3 Monate Gefängniß beantragen müsse.— R.-A. Dr. Friede mann erachtete die Broschüre nicht sür eine strafbare Handlung, sondern für eine verdienstvolle That des Dr. Jastrow. Die ganze wissenschaftliche Stellung des letzteren schließe die Vermulhung einer absichtlichen, persönlichen Kränkung oder einer Diskredilirung der Staalsregierung völlig aus. Die Vorwürfe richten sich nicht gegen die Regierung, sondern gegen das Abgeordnelenhaus und die liberale Partei, sie richten sich ferner dagegen, daß der Minister, der so viele sozialpolitische Aufgabe» selbst übernommen, diese nur unvollkommen erfülle. Dr. Jastrow habe mit seinem Buche eine neue politische und wisscuschaftliche Bahn beschritten, die von vielen Seilen lebhast begrüßt worden sei. Er verdiene dafür Anerkennung, nicht aber eine Gesäugnißstrafe, deren bloße Beantragung schon einen Schatten auf seine wiffenschaftliche Thäligkeit zu werfen geeignet sei.— Rechtsanwalt H e r z f e l d beantragte sür Schröder die Freisprechung. Der Artikel im„Vorwärts" trage keine perstm- lichc Spitzen, sondern beleuchte rein sachlich die Tendenz einer Gesetzgebung, durch welche den reichen Bergwerks- besitzen! Millionen zugewendet würden, für die Arbeiter' und deren Wohlfahrt aber nichts geschehe. Die mehr- fach hervorgehobene Thatsache, daß Herr v. Berlepsch der Schtviegersobn des Hrn. v. Tiele-WinUer sei, könne den erstereu doch unmöglich beleidigen.— I» einem längeren sozial- politischen Schlußwort bestritt Dr. I a st r o w nochnials jede Absicht der Beleidigung. In einer Zeit, wie der heutigen, sei ee gerade die Aufgabe der Theoretiker, die Nutzanwendung ihrer wissenschaftlichen Forschungen auf das Gebiet der praktischen Politik zu übertragen. Er habe in seiner Broschüre eine wichtige Frage mir der Ehrlichkeit behandelt, welche die deutsche Ge- lehrtemvelt auszeichne und hoffe, daß der Wissenschaft auch jetzt noch das vollständig freie Wort gewahrt bleibe, dessen sie bedürfe, um dem Staate dienstbar zu sein.— Die glänzende Recht- sertigung halte nicht den erwarteten Erfolg.— Der Gerichtshof nahm Beleidigungen als vorliegend an und vernrtheilte Dr. I a st r o w zu 100 M., Schröder zu 130 M. Geldbuße. Ein österreichischer Anarchist, der 23jährige Dr. med. Ladislaus G u m p l o w i c z(Sohn dei bekannten Staats- rechtslehrers Prof. Dr. G. in Graz), wurde beute der zweiten Strafkainmer des Landgerichts 1 aus der Untersuchungshaft vor- geführt. Es wurde ihm Verstoß gegen 8 IUI des Str.-G.-B.— Verächtlichmachung von staatlichen Einrichtungen— und Widerstand gegen die Staatsgewalt zur Last gelegt. Am 22. Januar dieses Jahres wurden gleichzeitig in sechs gröberen Lokalen Versammlungen von Arbeitslosen ab- gehaltea. Im Eiskeller waren gegen 2300 Personen versammelt. Hier trat der Angeklagte al? Redner auf. Er erging sich in heftigen Angriffen gegen die von der Regierung im Interesse der Arbeiter getroffenen Maßnahmen. Besonders be- leuchtete er das Klebegesetz in abfälliger Weise.„Der Staat ist der Büttel der arbeitenden Klasse"— führte er aus—„wenn Ihr bis zum 70. Jahre noch nicht todtgehungert und todtge- schunden seid, bekommt ihr eine Rente. Der Staat ist nur dazu da, die arbeitenden Klaffen auszubeuten, er ist eine gesetzlich geschützte Räuberbande".— In diesem Augenblicke erhob sich der überwachende Polizeilicutenant auf de» Angeklagten zu und erklärte ihn für verhastet. Dieser erwiderte, daß er nicht folgen würde, da er die Gewalt einer Polizei als zu Recht bestehend nicht anerkennen könne. Die Versammlung tagte weiter. Im gestrigen Termine legte der Angeklagte ein offenes Geständniß ab. Er bekannte sich rückhaltlos zum Anarchismus! In Oesterreich habe er der sozialdemokratische» Partei angehört und sich dort eine Bestrafung wegen Beleidigung eines Parla- mentsmitgliedes zugezogen. Er sei dann nach Berlin gegangen und habe sich dann den Anarchisten angeschlossen. Staarsanivalt Dr. Bendix ging scharf gegen den Angeklagten vor. Es müsse ihm beigebracht werden, daß die Residenz Berlin keine Abladestelle für derartige Elemente fei. Er beantrage gegen ihn eine Gefängnißstrafe von einem Jahre. Der Berlyeidiger, R.-A. Dr. Bieber, versuchte ein niedrigeres Strafmaß zu erzielen. Der Angeklagte selbst beschränkte sich auf folgende Bertheidigungsrede:„Ich koustatire, daß hier ein ge- dildeler Mann einem Wehrlosen gegenüber von„Abladestelle" gesprochen hat. Der Gerichtehof ging noch über den Antrag des Staats- anwalts hinaus. Durch die aufreizenden Reden des Angeklagten in einer Versammlung von 2500 Arbeitslosen hätten schwere Folgen entstehe» können. Die Strafe seideshalb aus ein Jahr sechS Monat« Gefängniß bemessen worden. Eiugtlaufene Druckschriften. Sozialpolitisches Zeutralblatt, herausgegeben von Dr. Heiur. Braun(Carl Heymann's Verlag in Berlin , vierteljährlich 2.50 M.). Die soeben erschienene Nummer 20 hat unter anderen folgenden Inhalt: Die englische Arbeitsgesetzgebung beS Jahres 1833. Vm» Rechtsanwalt Stephen N. Fox.— Die deutsche Berufs- zählung von 1333.— Zur Abänderung des Gesetzes über den Unterftützungswohnsitz.— Zur Statistik der deutschen . Auswanderung. — Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Berlin. — Eine Obdacklosenstatistik in Berlin . Von Kars T h i e ß.— Der Arbeitslohn und die Lebenshaltung der. Fabrikarbeiter im Gouvernement Moskau . Von P. v. S t r u v e.— Ersatz der menschlichen Arbeitskrast durch die Maschine.— Altersverschiebungen in der Arbeiterinnen- bevölkerung.— Arbeiterzuftände in den Gramlfteinbrüchen des Fichtelgebirges.— Arbeiterverhältnisse in de» Marmor- brüchen von Massa-Carrara.— Zur Durchführung der Sonntagsruhe in Deutschland. — Zur Bergwerksgesetzgebung in Oesterreich. — Schutzgesetz für das Wirthschastspersonal in Bern. — Forderung weiblicher Fabrikinspckroren in der Schiveiz.— Die Anwendung des Einigungs- und Schieds- Verfahrens in Frankreich während des Jahres 1893. Bon Prof. Raoul J a y. Das ztvanzigste Jahrhundert. 4. Jahrgang. 3. Heft. Berlin Vf. 30. Verlag: Hans Lüsten öder, Elsholzstr. 2. Die Ribeluugen. Tranersviel in 3 Abth. von Fr. Hebbel. Leipzig . Verlag: Ph. Rcclam jun. Preis 40 Psg. Jllustrirtcs Familienbuch der Natur-Leilkunde. Von Ludwig Rexhäuser. Leipzig , Verlag von C. Schremel. In ca. 23 Lieferungen ä 20 Psg.
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