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Nr.243.- 31. Jahrg.

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Berliner Volksblaff.

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Telegramm- Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Morigplatz, Nr. 1983.

Sonntag, den 6. September 1914.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritzplatz , Nr. 1984.

Paris in Erwartung der Belagerung.

sib vadit en G

Die Russen in

Westlicher Kriegsschauplatz.

Lemberg .

Die 42- Zentimeter- Mörser.

Ueber die gewaltigen Belagerungsgesch übe darf ein 1 Mitarbeiter der Münchener Neuesten Nachrichten" jetzt einiges ! berichten.

Die englischen Arbeiter

gegen den Krieg.

Erst jetzt kommen wir in den Besitz des Daily Citizen", des Organs der englischen Arbeiterpartei, vom August. Auch nach Beginn der Feindseligkeiten prote­holt bringt es seine Zweifel über die Richtigkeit der offiziellen ftiert das Blatt noch immer gegen den Krieg. Wieder­Nachrichten zum Ausdruck. Der englischen Jingo- Bresse zum Trok bewahrt das Arbeiterorgan bis zuletzt eine durchaus deutsch freundliche Haltung. mit Wärme der in England verbliebenen Deutschen an. Es nimmt sich auch Wiederholt wendet es sich gegen die Mißhandlungen deutscher Reichsangehöriger und fennzeichnet die Gewalttätigkeiten an Wehrlosen als eine erbärmliche Feigheit. In einem Leitartikel deutsche Autokratie, aber wir haben tiefe und aufrichtige Be­vom 4. August heißt es u. a.: Wir haben keine Liebe für wunderung für das deutsche Volk, für seine Aber wenn wir auch das Kaisertum nicht lieben, imiffen wir uns darum in die Arme des Zaren werfen und alles tun; die Macht der Kosaken in Osteuropa zu erweitern?"

Paris vor der Belagerung. Bezüglich der militärischen Lage trösten sich, nach einer Daß diese Riesen eine lichte Weite von 42 Zentimetern an Meldung der Frankfurter Zeitung ", die Pariser Zeitungen den Röhren haben, sagt schon ihr Name. Die Rohre ſelbſt ſind damit, daß das Paris von 1914 nicht das von 1870 sei. Um sehr lang. Die Geschosse sind gewiß mannshoch. Eines wiegt biele es einschließen und belagern zu können, bedürfe es einer Bentner. Die Sprengladung allein geht in die Zentner. Armee von 700 000 Mann. Dazu komme, daß die eigenen beten sobald unsere Truppen den Krieg endgültig in Feindes Eingepflanzt wurden die zwei in Deutsch- Avricourt Verwen­verstärkten Kräfte dem Feinde Widerstand leisten können. land geworfen hatten. Nicht weit vom Bahnhof begannen fie ihr Die Militärbehörde habe im ganzen Umkreis von Paris schreckliches Duett, mit dem sie das mächtigste der französischen in gut gewählten Stellungen Wachtposten installiert zur Be- Sperrforts, Manonviller, niederringen sollten und nieder­obachtung des Horizonts der Pariser Zone. Diese sind in der gerungen haben. Notabene in einer Entfernung von ein paar Lage, beim Herannahen eines deutschen Fliegers sofort das deutschen Meilen! Die sie bedienen, sehen also ihr Ziel nicht. Flugfeld des Schanzlagers zu benachrichtigen. Außerdem Berge liegen dazwischen. Aber was man nicht sieht, kann man be­wurde ein Wachtdienst auf allen hohen Bauten mit geschützten rechnen. Da sind genaue Starten da. Aber nicht auf sie allein ver­Stationen eingerichtet. In Jisy le Moulinaur wurde eine läßt man sich auch ein essel ballon steigt an ihrer Flanke Fliegerstation eingerichtet, um sofort die feindlichen Flugbauert es gar nicht lange, bis die Treffer haarscharf sizen. Alle in die Höhe. Die darin sind, sehen die Wirkung drüben. Und dann Beuge verfolgen zu können. zehn Minuten folgten bei einem Geschüß die Schüsse, und als die Die Kunde, daß die Regierung ihren Sie nach Bordeaur beiden nach kurzer Zeit aufammen in Wirtfamfeit traten, alle Verdienste um Kunst, Wissenschaft und Literatur. berlegt, war in politischen Kreisen seit einigen befünf Minuten. Die in der Nähe waren, hatten vom Klang allein fannt. Die obersten Gerichtsbehörden und die Banken sind das Gefühl, als würden sie umgeworfen. Anderthalb Tage dauerte ebenfalls nach Bordeaur übergesiedelt. Die meisten Zeitungen bas Eisenlied, und im ganzen wurden hundertzwanzig Schüsse ab­beranſtalten gleichzeitig Ausgaben für Paris und Bordeaux . gegeben. Dann schwiegen die Koloffe. Denn Manonviller war Agence Habas" und" Temps " verlassen gänzlich Baris. genommen. Polizeipräfett Hennion ist zurückgetreten. Merkwürdig war die Richtung dieser Rohre anzuschauen. Fast senkrecht. Es sah aus, als schöffen sie geradezu in den Himmel. Nach der Ueberfiedelung des Kriegsministeriums nach An die 20 Sekunden lang war das Pfeifen der abgeschossenen La­Bordeaur werden die offiziellen Mitteilungen an die Presse dung hörbar, deren höchste Flugbahn, wenn die Geschüße am Fuße im Invalidenpalast vom Militärgouvernement ausgegeben. des Montblanc aufgestellt würden, bequem über den höchsten Berg Am 2. September geschah dies durch den ehemaligen Minister Europas reichen würde. Klop. Die Mitteilungen besagten, daß die Deutschen in Senlis , 35 Kilometer von Paris , angekommen seien. Die getroffenen Verteidigungsmaßregeln hielten die Deutschen ab, wieder über Paris zu fliegen. Vielerfeits wird erwartet, daß die Franzosen den Deutschen unter den Mauern von Paris eine Schlacht liefern und sie von beiden Flanfen faffen wollen. Eine Armee heißt jetzt offiziell Heer von Paris ".

Die Flucht aus Paris .

Die Tribuna" erfährt aus Paris : Der Andrang auf den Bahnhöfen ist weiterhin ungeheuer. Viele Reisende mußten ihr Gepäck kilometerweit tragen, weil sie keinen Wagen finden konnten. Die Behörden begünstigten den Auszug durch Einstellung zahlreicher Sonderzüge, die in unwahrscheinlicher Länge und unwahrscheinlich überfüllt abgchen. Automobile dürfen die Stadt nicht mehr ver­lassen. Nach der Abreise der Regierung wurde vom Bahnhof Quai d'Orsay, der in schweigendem Dunkel lag, der Sonderzug für die fremden Diplomaten abgelassen; an den Wagen befanden sich große Blatate mit den Namen der Mächte, für die sie bestimmt waren. Die Botschafter und Gesandten erschienen mit ihren Familien und der Dienerschaft; fast die ganze Welt war vertreten, in einem Ab­teil sah man sogar eine chinesische Amme mit einem kleinen Sohn des himmlischen Reiches an der Brust.

Nach einer anderen Meldung befinden sich in Paris mehrere Hunderttausend Arbeitslose.

"

uns etwas an.

Wie Keir Hardie und andere Sozialisten, so spricht sich auch der mit John Burns ausgeschiedene Minister( für Unterricht) Trevelyan entschieden gegen einen Krieg mit Deutschland aus. Er begründet seinen Austritt aus dem Kabinett im Daily Citizen" u. a. mit folgenden Worten: Weder die ursprünglichen Differenzen( das Attentat in Sarajewo ) noch die daraus entstandenen Streitigkeiten gingen Deutsche Postverwaltung in Belgien . Immer und immer wieder ist uns von den Freunden der Entente cordiale versichert worden, daß Berlin , 5. September. ( W. T. B.) Im Bereiche des Kaiser diese nur ein Freundschaftsbund mit Frankreich bedeute. Jetzt lich Deutschen General Gouvernements in wiffen wir, was wir immer befürchteten, daß darin auch ver­Belgien wird in den nächsten Tagen eine dem Reichspostamt bunden sei die Feindschaft gegen Deutschland . Wir ziehen in in Berlin unterstellte Post- und Telegraphenverwal- den Krieg, um Frankreich nicht vernichten zu lassen. Im tung eingerichtet werden. Mit der Leitung dieser Verwaltung ist Interesse der Zivilisation wünsche ich ebensowenig, daß der Ober- Postdirektor, Geheimer Ober- Postrat Ronge aus Deutschland vernichtet werde. Ich verurteile so sehr wie Erfurt betraut worden, dem die Pofträte Fleischer und Schüller, irgendeiner die Verletzung der Neutralität Belgiens durch die Ober- Postinspektoren Pohl, Steinmann, Orth und Reinhold Deutschland. Aber ich fühle mich verpflichtet, es auszusprechen, sowie das erforderliche Bureaupersonal zugewiesen sind. Die Post- daß, wenn Frankreich diesen Einbruch begangen hätte, wir verwaltungen von Bayern und Württemberg find ersucht einen Protest für genügend erachtet haben würden." worden, auch ihrerseits Beamte zu der deutschen Post- und Tele-. graphenverwaltung in Belgien abzuordnen.

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Vom österreichisch - russischen Kriegsschauplatz.

Die Russen in Lemberg .

Nach Meldungen aus Rotterdam wurde in Peters Die Frankfurter Zeitung " meldet aus Mailand : Bisher burg amtlich gemeldet, daß die Armee des Generals war für die Presse ein reservierter beschränkter Telephondienst Ruzky Donnerstag früh Lemberg eingenommen zwischen Paris und Italien aufrecht erhalten worden. Seit Freitag habe. Die Armee des Generals Brasfilow habe die Stadt mittag antwortet jedoch das Fernamt Paris nicht mehr.

Die diplomatischen Vertreter in Paris .

Stockholm , 5. September. Der norwegische Gesandte in Paris erhielt die Anweisung, gleich den meisten diploma­tischen Vertretern der neutralen Mächte auch während einer Belagerung in Paris zu bleiben.

Boulogne von Franzosen und Engländern geräumt.

" 1

Die Londoner Evening News" vom 29. August bringen eine Central- News- Depesche, die vom offiziellen Zensurbureau zugelassen wurde, des Inhalts, daß Boulogne von den ver­bündeten Truppen geräumt wurde.

Halicz besetzt.

Dem Berliner Lokalanzeiger" wird aus dem österreichi­schen Kriegspressequartier berichtet:

Man kann nicht umhin, anzunehmen, daß die seit Tagen wohl vorbereitete und in größter Ordnung durchgeführte Räumung der Stadt Lemberg den Beginn eines für die öster­reichische Armee günstigen militärischen Ereignisses darstellt,

außerdem wollte man die Stadt nicht der Beschießung durch

russische Artillerie ausseßen. Rücksichten auf die politische

Lage oder auf das Prestige mußten aus strategischen Gründen unbeachtet bleiben.

Wie jetzt mitgeteilt wird, gelang es bei Zernowit dem österreichischen Landsturm und Linientruppen unter Kom­Boulogne- sur- Mer liegt an der Nordküste Frankreichs am mando des Generals Schmidt, eine russische Brigade aus Aermelfanal. Direkte Schiffslinien verbinden es mit der englischen Kamienega und Infanterie aus Rischineff bei Mahlla völlig Südküfte. zu schlagen und eine Beute von 800 Gefangenen, 500 Ge. Auch Rouen ist nach englischen Berichten von den wehren, vier Maschinengewehren und anderem Material zu Franzosen geräumt worden. machen,

Aus dem Daily Citizen" erfahren wir auch, daß noch Pam 4. Auguſt eine Konferenz der sozialistischeit Partei und der Gewerkschaften getagt hat, die nochmals gegen den Krieg protestierte. Man müßte, so hieß es dort, einen Waffenstill stand für ein paar Tage anstreben, um untersuchen zu können, inwieweit, wenn überhaupt, Deutschland die Neutralität verlegt hat.

"

Auch der Tapferkeit der deutschen Soldaten läßt unser, Parteiblatt Gerechtigkeit widerfahren. So heißt es z. B. in der Nummer vom 8. August mit Bezug auf die Besatzung der Goeben und Breslau : Wir bedauern die Seele des­jenigen, die nicht bewegt ist bei der Nachricht über den Mut der Besabung, die fast dem sicheren Tod entgegengeht, wo sie doch in sicherem Hafen hätte bleiben können. Wir zögern nicht, diese Braven zu preisen."

der Arbeiterpartei im Unterhause, veröffentlicht in Labour Auch Ramsay Macdonald , der frühere Vorsitzende Leader", dem Organ der ,, Unabhängigen Arbeiterpartei" einen Artikel, worin er heftig die Politik Sir Edw. Greys friti­fiert. Nach dem uns vorliegenden Auszug aus dem Original schreibt Macdonald unter anderem:

1. Sir Grey wollte einen Krieo verhindern.

2. Deutschland hat allerdings nichts für den Frieden getan, es steht aber nicht fest daß es Oesterreich in seiner ser= bischen Politik unterstüßte. Die russische Mobilmachung zwang Deutschland den Krieg zu erklären.

3. Rußland und Frankreich bemühten sich, sowohl durch öffentlichen Druck wie auch durch List, England dahin zu treiben, sich mit ihnen zu verbinden und ihnen im Kriege beizu­stehen.

4. Obwohl Greh ihnen diesen Gefallen nicht tun wollte, gab er trotzdem dem deutschen Botschafter in London zu verstehen, daß sich England im Streit nicht passiv verhalten könnte.

5. Während der Unterhandlungen war Deutschland be müht, sich mit England zu verständigen und man wollte den englischen Wünschen in manchen Punkten entgegenkommen. Grey wies aber alle deutschen Versuche furzerhand ab und weigerte sich, mit dem deutschen Botschafter über die Frage der Neutralität Englands zu sprechen. Dies haben Asquith und Greh in ihren Reden im Parlament verschwiegen.

6. War Greh nicht in der Lage, den Frieden zwischen Ruß­