nächster Nähe auf sie geschleuderten Kugelregen. Auch he Flagge des Roten Kreuzes wurde so mißbraucht. Ein Unteroffizier hält einen Eisenbahnzug an. Auf den Wagen flattert die Fahne vom Roten Kreuz. Man schaut nach: es ist. ein Munitionszug. Anständige Russen sind über die Zerstörungen und Barbareien empört. General Rennenkamp soll ziemlich strenge Zucht halten. Aber er erließ eine Proklamation, in der er androht:„Jede Ort- fchaft, in der der geringste Widerstand geleistet wird, wird unweiger- lich in Brand gesetzt." Da hatten die Vandalen freie Hand. In dem großen Teile Ostpreußens , in dem russische Heere hausten, gibt es kaum einige Orte oder Gehöfte, die nicht durch Brand oder Raub heimgesucht worden wären. Ich sah Hunderte von Wohnun- gen, aus denen alle beweglichen Wertsachen weggeschleppt,_bo§ Zurückgelassene sinnlos zerstört war. Etzgeräte, Betten, Schränke wurden ekelhaft beschmutzt. Jnfanterieosfiziere wollen keine Ver- antwortung für die Schandtaten tragen. Sie erklären, daß sie die Verwüstungen schon vorgefunden hätten, die von Kavallerie- divisionen angerichtet worden sind. Diese Offiziere lehnen jede Gemeinschaft mit den Kosaken ab, über die sie keine Macht hätten; in Rußland hausten sie ebenso. Leider nützt diese Ablehnung der Verantwortung nichts, denn die Kosaken sind Bestandteile der russischen Armee, sie werden als Soldaten ausgerüstet und er- halten und im Kriege verwendet. In Nordenburg stehen einige gefangene Russen, Leichtverwundete, vor einem Hause. Zwischen ihnen Kinder und ein Einwohner, der anklagend auf die Russen einredet:„Mein Häuschen ist verwüstet. Meine Habe hat die Bande verdorben, mein erspartes Geld raubte'das Gesindel. Man drohte, mich zu morden, wenn eS versteckte Sachen fände. Das sind keine Soldaten, das sind Banditen."— Entsetzt fragt ein Russe:„Waren das Infanteristen? Waren das Infanteristen? Sagen Sie, waren das Infanteristen?" � Ich sehe Trauer in den Augen des Fragenden, Abscheu. Der Mann antwortet schlicht: „Das weiß ich nicht, vielleicht Kosaken."—„Kosaken ? Ja, Kosaken machen das!"— Ich frage:„Glauben Sie, Jnfayteristen tun das nicht?"—„Gewiß, auch unter den Truppen gibt es Banditen und Räuber, auch dumme Leute, die aufgehetzt worden sind. Ich habe es in russischen Zeitungen gelesen, in welch gemeiner Weise die unwigenden Leute fanatisiert worden sind. Man hat ihnen ge- sagt: Die Preußen sind Barbaren. In Czenstochau haben sie sogar Nonnen geschändet und die Kirchen entweiht. Ueberall' werden Frauen und Mädchen vergewaltigt.— Glaubt das nicht, habe ich gesagt, ich kenne die Deutschen , ich war lange in Deutschland . Aber die armen Leute glaubten die Lügen und riefen: Rache, Rache!" So mißbraucht man das religiöse Gefühl der in Un- wissenheit erhaltenen Menschen! Aus religiösem Fanatismus wer- den sie zu Mordbrennern und Bestien. Der erwähnte Russe, ein Kaufmann aus Wilna , diente als Telegraphist bei einer Artillerie- brigade. Mit Bewunderung spricht er von der Leistung der beut- schen Artillerie. Er erzählte weiter:„Von Deutschen sind Pro- klamationen in Rußland verbreitet worden. Darin wird gesagt: „DaS russische Volk wird über den Krieg und das Verhalten der deutschen Soldaten belogen." Leider ist oas wahr. Das russische Volk wird in schrecklicher Weise belogen."----- lieber den Stand der militärischen Operationen ist zu de- richten: Geschlossene russische Truppen in größerer Zahl gibt es in Preußen nicht mehr. Die Flucht der Russen vollzog sich schließe lich in voller Auflösung. General v. Hindenburg hat die Grenze überschritten. Der Versuch, die noch in Preußen befindlichen Kolonnen abzuschließen, scheint erfolgreich zu sein. General Rennenkamp hatte sich täuschen lassen, er glaubte große Teile der deutschen Armee in der Gegend von Königsberg zusammengezogen. Nach der Vernichtung der Armee Sosonowe wurden die vereinten Mächte gegen die befestigten Stellen Rennenkamps geführt. Neun Tage Kmg hat er Zeit gehabt, sich in Verschanzungcn, bis nach Gevdauen vorgeschoben, einzugraben. Mit beispielloser Heftigkeit griffen die Deutschen an, trieben ihn aus seinen Stellungen und zwangen ihn in wilde Flucht. Uebermenschliches ist dabei von unseren Truppen geleistet worden. In Tagesmärschen wurden 40, ja 50 Kilometer zurückgelegt. JJnb dann mußten die Soldaten abends sich oft noch mit dem Bajonett ein Quartier erkämpfen. Nicht eher war Feierabend, als bis man die erreichte feindliche Position genommen hatte. Ein Feldwebel, Führer einer Kom- pagnie, die alle Offiziere verloren hatte, erzählte mir:„Seit einer Woche haben meine Leute kein Bett, kein Biwak gesehezi, keine Stunde liegend geschlafen. Ohne einmal aus den Kleidern heraus- zukommen, konnten sie nur einige Male stehend im Schützengraben kurze Zeit schlafen. Und nun bringen wir 1400 Gefangene." Die russischen Kosakengreuel werden durch sich häufende, be- glaubigte Zeugnisse bestätigt. Verstümmelte Kinder und Frauen klagen diese Kriegführung an. Als die Greuel im Balkankricg bekannt wurden, ging ein Schrei dcS Entsetzens durch die zivili- sierte Welt. Besonder« englische Zeitungen empörten sich über die Vergewaltigung von Frauen, über die Verstümmelung von Kin- dern und Greisen. Haben die kapitalistischen Kriegstreiber in England so jedes menschliche Gefühl verloren, daß sie dies« Bundes- genossen, statt sie in Schranken zu halten, auf das deutsche Volk loslassen? WilhelmDüwell, Kriegsberichterstatter. Die inüischen tzilfstruppen. London , 17. September. (W. T. B.) Beide Häuser dcS Parlaments haben den Beschluß gefaßt, die Regierung Indiens zu ermächtigen, die Kosten für Ausrüstung der indischen Expeditionöarmee zu tragen. Sulgarien und öer Dreiverband. Sofia . 17. September. (W. T. 83.) In Besprechung der De- mühungen der T r i p e I e,n t e n t e, Bulgarien durch Ver- sprcchungen zu sich hinüberzuziehen, sagt.K a m b a n a": Rußland niacht bloß akademische Vcrsprechungen, welche nicht ernst zu nehmen sind. Bezüglich der Versprechungen Englands betreffend die Idee eines Groß-Bulgorien«, die gegen- wäriig der Präsident des BalkankomiteeS Buxton zum Ausdruck bringt, fragt es sich, ob England im entscheidenden Moment sein Machtwort in Balkanfragen durchsetzen kann. Vorderhand kann man feststellen, daß alle Verhandlungen mit der Tripelentente im voraus einen Mißerfolg ergeben werden. Kambana bringt ferner einen Artikel, betitelt Russische Treue. In ihm wird daran erinnert, daß die russischen Oberbefehlshaber durch Manifeste an die Polen und Rulhenen diesen die Freiheit und die llnabhängig. keit versprochen haben. Kaum hätte» die Russen aber Galizicn be« treten, so schwüren sie schon, daß sie ganz Galizien und Polen er« obern nnd für ewige Zeiten behalten wollten. Die Moral davon sei, daß Rußland in der Bedrängnis alles verspreche, wenn aber der russische Stiefel einmal irgendwo hintrete, so zeig- sich der russische Zarismus mit all seiner Treubrüchigkcit und Barbarei. Die Cholera in Nisch. Saloniki. 17. September(Meldung des Wiener K. K. Telegr.- Korr.-Bureaus.) In Nisch ist die Cholera aufgetreten. ES wurden bereits zahlreiche Fälle festgestellt. Die Serben ziehen in Monastier auch die 45jährigen Männer zum Militärdienst heran. Die Stimmung in Rußland . Wir«, 17. September. Nach den Meldungen der Blätter bat die schwere Niederloge der Russen in Ostpreußen auf die russische öffentliche Meinung einen niederdrückenden Einfluß ausgeübt. Amtlich wurde zugestanden, daß zwei Korps vernichtet sind. In der russischen Presse zeige sich das Bestreben, die öffentlich« Meinung z» beruhigen. ES heißt in diesem Sinne, daß diese Niederlage weder die Stimmung der rnsflschen Armee, noch Rußland selbst bedrücken dürfe. Der Enthusiasmus, der unmittelbar nach dem Kriegsausbruch für Rußland in Petersburg herrschte, hat nun eine wesentliche Äbschwächung erfahren. Man erhebt gegen Rußland den Vorwurf, daß eS sciue Kräfte zur See zu sehr schone und ist auch ungehalten über die englische Berichterstattmig. die England als guantitö ne- gligeable behandle und England eine führende Rolle im Landkriege zuzuteilen such«. AuS Kopenhagen wird gemeldet, daß auch das Ergehiiis der schweren Kämpfe bei Lemberg in Petersburg eine Depression hervorgerufen hat, da die russischen Operationen nicht den erhofften Erfolg erzielten, sondern an dem hartnäckigen Widerstande der vstttreichisch-ungarischen Armee gescheitert find. Der russische Generalstab bat zlvar versucht, die Nachricht von schweren Ver» lüften der russischen Armee sowie der Gefangennahme von vielen Tausenden von russischen Soldaten zu verheimlichen, doch verbreitete sich die Meldung hiervon trotzdem und dies hat die Mißstimmung noch gesteigert. Die Zahl der in Rußland eingetroffenen Ver- wundeten ist überaus groß, so daß beispielsweise in Moskau kaum mehr Platz zur Aufnahme der Verletzten vorhanden ist. Die rußischen Sozialdemokraten und der Krieg. Bukarest , 17. September. Nach einer Petersburger Meldung beschlossen die sozialdemokratische n Duma. abgeordneten sowie die Abgeordneten der Arbeiter- organisationen den Dumasitzungen, in denen die Kriegs" Vorlage der Regierung zur Ausschreibung der neuen Steuern zur Verhandlung gelangen soll, fernzubleiben. Kriegsbekanntmachungen. Austausch der Liften von Kriegs- gefangenen. Berlin , 17. September. (W. T. B.) Mit der b r i t i- schvn, der französischen und- der r u s s i s ch c n Re- gierung ist ein A u s t a u s ch v o n L i st e n der Kriegs- gefangenen verabredet worden. Die Listen der deutschen Kriegsgefangenen werden, soweit es sich um Angehörige des Landheeres handelt, an das Zentral-Nachweisebureau des königlich preußischen KricgSministcriums in Berlin . NW. , Dorotheenstr. 48, soweit es sich um Angehörige der Marine handelt, an daß Zentral-Rachweiseburcau deS Reichsmarine- amts in Berlin W., Mathäikirchstr. 9, gelangen. Diese beiden 'Stellen werden in einiger Zeit, jedoch nicht v»r dem 1. Ok- tober d. I., in der Lage sein, Auskünfte über daS Schicksal der deutschen Kriegsgefangenen zu erteilen. Störungen im Güterverkehr. Vom 16. Septei'Mter nachmittags ab wird, wie der Handels- kammer zu Berlin mitgeteilt ist, die Strecke Elbing— Schnei de mühl für den gesamten Expreßgut-, Güter- und Personenverkehr vorübergehend gesperrt. Die an diesen Strecken gelegenen Knotenpunkte sind frei, soweit sie auf Um- wegen erreicht werden können. Z. B. würden Sendungen von Berlin nach Könitz über Stettin — Ruhnow— Neustcttin zu befördern sein. Rollende Güter für und über die Strecke Schneide- mühl— Elbing sind anzuhaften. Ferner sind noch auf ungefähr 5 Tage für den gesamten Personen-,' Gepäck- und Güterverkehr gesperrt die Strecken Elbing— Königsberg und Osterode — Korschen . Erklärung. Zu unserer am S. September veröffentlichten Erklärung gegen das Exekutivkomitee des Internationalen Sozialistischen Bureaus teilen schweizer Parteiblätier jetzt mit, daß der„Aufruf an das deutsche Volk" nach der Wiedergabe der„Humanitt" vom 6. Septemb»r'1S14 von den Genossen Anseele, Bertrand, HuySmanS und Vandervelde in deren Eigenschaft al« Delegierte der belgischen Arbeiter- Partei im Internationalen Sozialistischen Bureau unterzeichnet sei. Der dem deutschen Parteivorstand mit Brief eines Genossen ans einem neutralen Lande vom 3. September im ausdrücklichen Auftrage des Internationalen Soziali st ischen Bureaus übersandte Aufruf trug neben den Unterschriften:„Für die Französische Sozialistische Partei: JuleS GueSdc, Jean Longuet , Marqcl Sembat, Edouard Vaillant ", die Unterschriften:„Für das Exekutivkomitee: Anseele, Bertrand, HuySmanS , Vander- Velde." Berlin , den 17. September 1S14. _ Der Partcivorstand. politische Ueberficht. Krieg und Steuer». Der Finanzminister Dr. Lenhe hat an die Steuerbehörden nach- stehenden Runderlaß ergehen- lassen: „Infolge der kriegerischen Ereignisse ist mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob der Krieg als ein außergewöhnlicher Un- glücksfall im Sinne des lj 63 des Einkommensteuergesetzes anzusehen ist. Diese Frage beantwortet sich aus Artikel 80 V der im gewerblichen und Handelsverkehr oder ungünstige Ernten, daß nicht als außergewöhnliche Unglücksfälle gelten wirtschaftliche Vorgänge, welche auf einen oder auf eine Mehrheit von Erlverbszweigen iiw allgemeinen einen nachteiligen Einfluß üben, wie Stockungen im gewerblichen und Handelsverkehr oder ungünstige Ernten, daß viel- mehr als derartige Unglücksfälle nur anzusehen sind Krankheiten oder Todesfälle Unter den erwerbenden Mitgliedern einer Familie, Viehseuchen, Brandschäden, Ueberschlvemmungen und ähnliche, mit, örtlicher oder individueller Beschränkung wirkende Naturereignisse/ Hiernach kann der Krieg als solcher nicht als außergewöhnlicher Un- glücksfall gelten; wohl aber kann er in einer Einzelwirtschaft, wenn zum Beispiel im Betriebe einer Landwirtschaft Felder verwüstet oder im Betriebe eines Gewerbes Gebäude oder Maschinen zerstört worden sind, Wirkungen äußern, die für den Steuerpflichtigen eine so wesentliche und dauernde Schmälerung des Einkommens her- beiführen, daß die Annahme eines außergewöhnlichen Unglücksfalles gerechtfertigt erscheint. Gehen diese Wirkungen so weit, daß die Erwerbstättgkeit ganz eingestellt worden ist, so ist der Anspruch auf Ermäßigung wegen Fortfalls der Quelle gegeben. Wegfall der Einnahmequelle wird auch überall da anzunehmen sein, wo kauf- männische oder gewerbliche Angestellte durch die jetzigen Zeiwec- Hältnisse gezwungen worden sind, in eine wesentliche Herabsetzung ihrer Gehaltsbezüge zu willigen. Ueberall kann die Entscheidung nur nach den Umständen des einzelnen Falles getroffen werden, und sie wird im allgemeinen erst am Ende des Steuerjahres er- gehen können, weil erst dann festgestellt werden kann, ob eine dauernde und nicht etwa nur eine vorübergehende Beeinträchtigung deS Erwerbes vorgelegen hat." Gemeindliche ktriegSnnierstützttngen. Die gemeindlichen Kollegien der Stadt Hanau , in deren Edel- Metallindustrie der Krieg natürlich eine besonder« große Zahl von Arbeitslosen geschaffen hat, beschlossen wettgehend« Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosennot. Umfangreiche Notstands- arbeiten wurden in Angriff genommen, bei denen die Arbeiter täglich 3,20 M. erhalten; diejenigen, die bei der staatlichen Main - regulierung beschäftigt werden können, erhalten 4 M. Für diejenigen Arbeiter, die nirgends Beschäftigung erhalten könnep, wurden folgende Unterstützungssätze festgelegt: Für eine alleinstehende Person. 7,— M. die Woche Für ein Ehepaar...... 10,—,, m „ jedes Kind bis zu 4 Jahren 1.25,,„ »»» von 5 10 1,60„„„ „„„„ 10 16 0 2,—„»» „„„ über 15„ 3,—»„„ Für die Familien der Kriegsteilnehmer legt die Stadt zur Unterstützung so viel hinzu, daß der Familie außer der Wohnungs- miete wenigstens bleiben: bei keinem Kind. �, 23 M. monatlich , einem Kind..... 27„„ „ zwei Kindern..... 33„„ „ drei Kindern..... 89„„ , vier Kindern..... 45,, , fünf Kindern..... 53,, Für die Wohnung zahlt die Stadt unmittelbar an den Ver- mieier 10 bis 23 M. monatlich. Beträgt die Miete mehr und gibt sich der Hausherr mit diesen Zahlungen nicht zufrieden, so ent« scheidet eine Schlichtungskommission, ob dem Vormieter aus Billig- keitSgriinden mehr zu zahlen ist.— Die Familien der eingezogenen städtischen Arbeiter erhalten eine solche Zulage zur StaalSuutcr- ftiitzung, daß durch sie. ein Einkommen von 50 bis 75 Proz. des bis- herigen Lohnes erreicht werden soll. Verbot eines Romans ans Grund deS Belagerungö- zustande?. Die Kommandantur des VI. Armeekorps in Breslau hat unserem dortigen Parteiblatt, der„Volksmacht", den Weiter- abdruck des Romans„Ich bin.das Schwert" von Annemarie von RathustuS verboten. Das vom Polizeipräsidenten erlassene Verbot, durch den weiteren Abdruck dieses Romans der Tochter des früheren Kreuzzeitungs-RedakteurS nicht die„einmütige Stimmung" des Volkes zu stören, war von der Androhung begleitet, im Nicht- beachtungsfalle das Weitererscheinen der Zeitung zu ver- bieten. Ein Landratskonflikt. Während ängstlich darüber gewacht wird, daß der„Burg- friede" zwischen den Parteien nicht gestört werde, scheint innerhalb der Behörden ein kleiner Krieg ausgebrochen zu sein, Ivic er nicht einmal ini Frieden möglich ist. Man denke: Ein preußischer L a» d r a t ruft die breiteste Oeffentlichkeit gegen seine vorgesetzten Behörden an! Im Kreise Züllichau ist dieser ungewöhnliche Fall eingetreten. Dort wurde der Lcmdrat v. d. Beck vor einigen Tagen plötzlich seines Amtes enthoben. Jetzt stellt der Landrat der Presse ein Schreiben zur Verfügung, das er aus Anlaß seiner Amts- nicdcrlegung an sämtliche Kreistagsabgeordneten gerichtet hat, und das die dortigen Verhältmsse in einem eigenartigen Lichte erscheinen läßt. Das Schreiben lautet: Züllichau , den 10. September 1914. Durch Beschluß deS StaatSministeriumS vom 3. September- 1914 bin ich in den e i n st w e i l i g e n Ruhestand ver- setzt. Der in Anwendung gekommene Paragraph des Gesetzes vom 21. Juli 1852 lautet: „Unterstaatssckretäre, Ministerialdirektoren, Oberpräsidcnten, Regierungspräsidenten und Landräte können durch königliche Verfügung jederzeit einstweilen in den Ruhestand versetzt werden." Der Herr Minister des Innern erläutert den Be- schluß des Staatsministeriums folgendermaßen: „Ohne auf die sachlichen Einzelheiten einzugehen, vabe ich ersehen, daß Sie Ihr Dienstverhältnis zu Ihrer vorgesetzten Behörde— dem Regierungs - präiidenten— völlig verkennen und zu ihr in einen so schroffen Gegensatz getreten sind, daß für sie ein gedeihliche« Zusammenwirken mit Ihnen während der Dauer des Kriegszustandes aus- geschlossen erscheint." Hierzu vemerk« ich: Sein« Majestät der Kaiser und König, welcher sich auf dem Kriegsschauplätze befindet, hat sein VersügimgSrccht, die oben genannten Beamten einstweilen in den Ruhestand zu versetzen, ans das StaatSministerium übertragen; ich bin aber überzeugt, daß Seine Majestät sich über die fach« lichen Einzelheiten meines Falles noch wird Bericht er- st a t t e n lassen. Im übrigen mache ich auf den g 74 der Kreisordnung aufmerksam, welcher lautet:„Der Landrat wird vom König ernannt. Der Kreistag ist befugt, für die Besetzung des erledigten Landratsamtes geeignete Personen, welche seit mindestens einem Jahre dem Kreise durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören, in Vorschlag zu bringen." Der letzte Satz läßt darauf schließen, daß der Herr Land- rat hofft, die Kreistagsmitglicder würden ihn tvieder zum Landrat vorschlagen. Sollte eS geschehen, so könnte der Konflikt noch recht eigenartige Formen annehmen. ES wäre Übrigens interessant'zu erfahren, um was es sich bei dem Streit dreht, der gerade„während deS Kriegszustandes" ein Zusammenarbeiten deS LandrateS mit den vorgesetzten Be- Hörden unmöglich macht. _ Die Lage in Albanien . Dnrazzo, 17. September. (W. T. B.) Seit der Abreise deS Fürsten herrschen hier grotze Zwistigkeiten, die in zahlreichen Verhaftungen und Mißhandlungen zum Aus- druck kommen. Insbesondere besteht ein scharfer Gegensatz zwischen den Feinden und den Anhängern E s s a d Paschas. Angesichts dieser Verhältnisse hat der Mufti von Tirana eine Versammlung von Delegierten aller an dem Aufstand beteiligten Distrikte einberufen, welche bis zur Bildung einer provisorischen Regierung eine Kommission zur Verwaltung des Landes bilden soll. Letzte Nachrichten. Englandfrindliche Stimmung in Arabien . Wien , 17. September. (W. T. B.) Der„Politischen Korre- spondenz" wird au« Kairo gemeldet: Die Stellungnahme der Araber gegen die Engländer nimmt immer schärfere Formen an. Alle aus arabischen Gegenden nach Aegypten gelangenden Nach- richten stimmen darin überein, daß die Slraber England gegewvärtig als den ärgsten Feind des JSlamS betrachten. Genisiß der Weisung des Scherifs von Mekka versammeln sich jetzt täglich Tausende von Beduinen in der Umgebung von Dschoddcch und Jambo, um etwaige Landungsversuche der Engländer zu verhindern und die heiligen Stätten des Islams zu schützen. Ferner finden in der Gegend von El»Arifch und Akkaba große Ansammlungen von Beduinen statt, um ein etwaige« englesche« Einbringen zu bekämpfen.
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