gezündet, damit sie nicht den Deutschen in die Hände sielen, und der- senkten ferner alle mit Getreide beladenen Leichterschiffe. Berschie- d-ne Leichterschiffe wurden versenkt, um die Durchfahrt auf der �chelde zu erschweren, und die Schleusen wurden in die Luft g«. sprengt. Die Stadt war bei meiner Wreise ziemlich verlassen, auf den Straßen sah man nur Hafenbeamte und einige Militärpersonen. Die Belgier zogen in der Richtung nach Boom ab, die Engländer über die Pontonbrücke bei Döte de Flandres und sprengten sodann die Brücke. Von verschiedenen Seiten wird erzählt, daß in der Vor- stadt � Berchem ein heftiges Bajonettgefecht zwischen Deutschen und Engländern geliefert wurde. Das Fort M e r x e m wurde von den Belgiern in die Luft ge- sprengt. Den deutschen Truppen gelang es erst nach Ueberwindung heftigen Widerstandes, die Schelde zu überschreiten. »-« M � Bmersterdam, 10. Oktober. jPrivattelegramm des � V o r w S r t 8",)„RieuwS»an den Lwg" meldet, daß die belgische Niu abgeschnitten und 3200 Belgier sowie 13 000 Engländer auf IjollS*. Gebiet übergetreten seien. DaS nördlich gelegene Fort Saarbev�'�llen sprengten dir Belgier mittags selbst in die Luft, nachdem llebergabe der Stadt bereits erfolgt war. Eine wilde Flucht begann' �ber dir Schiffsbrücke, die hiarauf verbrannt wurde. Dir„Gneisenau">st tticht in die Luft gesprengt worden. Sir diente al» Dpitalfchiff und wurde schon nacht« fortgeschleppt. Die meisten versenkten Schiffe»arein Getreideschiffe. DaS Bombardement schä- digte die Binnenstckdt nicht allzuviel. Da«„Reutersche Bureau" meldet u»verbürst: Die Deutschen nahmen den Bürgeaueister«aöly von Lrns als Geisel gefangen. Schonung ü�r geschichtlich«« Denkmäler. Brüssel , 10. Oktobar . M. T. B. ) DaS bereit? am 28. Gep- tember für dchl Fall der Beschießung von Antwerpen ergan- gene Anerbieten tunlichster Schonung der geschicht- lichen Denkmäler der Stadt ist Von der belgischen Regierung angenommen worden. Sie hat durch Ver- Mittelung der amerikanischen Gesandtschaft in Brüssel am 8. Okto- der abends, also nahezu einen Tag nach Beginn der Beschießung. der deutschen Zivilverwaltung ein Verzeichnis der in Frage stehen. den hauptsächlichsten Denkmäler sowie einen Stadtplan zukommen lassen, auf dem sie besonders hervorgehoben find. Eine größere Anzahl von Abzügen dieses Planes, auf dem auch Krankenhäuser und Wohltätigkeitsanstalten vermerkt sind, wiirde von der Zivil- Verwaltung umgehend dem Befehlshaber der BclagerungStruppen überbracht, durch den sie noch in der Nacht an. die Artilleriestellun- gen ausgegeben wurden._ Antwerpens Seöeutung. Antwerpen gefallen?— Das ist nicht nur ein schwerer Schlag für die belgische Regierung, die damit den letzten und größten Stützpunkt ihrer Macht im eigenen Laude verliert, sondern nicht minder für England: denn mit Antwerpens Jyall bricht zugleich auch ein beträchtlicher Teil der englischen Äriegshoffnungen zusammen. Das englische Kriegsmini- sterium wußte sehr wohl, was es tat, als es noch in den letzten Tagen neue englische Truppen noch Antwerpen warf und sich der Absicht des belgischen Festungskommandamten energisch widersetzte, der nach der Eroberung der äußeren Forts durch die deutsche Belagerungsarmee die Stadt übergeben wollte, um ihr die Beschießung zu ersparen. England verteidigte in Antwerpen gewissermaßen den Brückenkopf seiner jetzigen Heercsmachtstellung auf dem europäschen Festland. Solange Antwerpen sich hielt, bildete es für eine gegen die belgische und nordöstliche französische Küste vorstoßende deutsche Heeres- masse eine gefährliche Flanken- und Rückembedrohung. Nun, da Antwerpen gefallen ist, wird nicht nur ein Teil der dort festgehaltenen deutschen Belagerungstruppen für die Kämpfe gegen den äußersten linken Flügel der französischen Armee, westlich von Lille und Tourcoing . frei, es steht auch der bal- dige deutsche Vormarsch gegen Ostende , Dümkirchen, Calais und Boulogne in sicherer Aussicht, und damit ersteht vor den englischen Augen das Schreckbild einer deutschen Invasion in Südengland . Doch nicht nur vom militärischen Gesichtspunkt aus be- deutet Antwerpens Fall für Deutschland einen Gewinn: mit Antwerpen ist ihm zugleich die Zentrale des wirtschaftlichen vom östlichen Kriegsschauplatz. XXXI. Ostgrenz», 8. Oktober 1914. Flüchtlinge. Unier meinem Fenster vorbei ziehen Trupps gefangener Russen. Infanteristen und Artilleristen, zirka 3000 Mann. Auf dem Markt- platz werden erbeutete Kanonen und Feldküchen aufgefahren. Und gestern verließ auf Anordnung der militärischen Behörden die Zivilbevölkerung das Städtchey. Heute ist da» bürgerliche Leben in der Stadt vollständig tot. Wer dergleichen nicht erlebte, kann sich keine Borstellung davon machen. Alle Werkstätten, alle Betriebe — auch die landwirtschaftlichen— in vollständiger Ruhe, alle Läden geschlossen und meistens auch ausverkauft, zum Teil noch in dem demolierten Zustand, den die Russen aus ihrer Anwesenheit hinter- ließen. Die Privatwohnungen verödet, in solcher„Ordnung", wie sie ein fluchtartiges Verlassen hinterläßt. Nur ein Fleischer hat seinen Betrieb noch nicht eingestellt. Fleisch gibt eS in Fülle, der Laden ist das Ziel einer sehr großen Kundschaft. Einige alte Leute blieben zurück und bilden jetzt die ganze Zivilbevölkerung. Nach dem Bahnhof hasteten die Menschen in unbeschreiblicher Aufregung. Manche waren erst einige Tage wieder zurück. Nun schon wieder hinaus: Von Haus und Hof, aus der bescheidenen Wohnung, von der noeb bescheideneren Einrichtung, die aber doch alles ist. Da schleppt sich eine Frau hin. Auf dem Arm ein Kind, in der ander» Hand ein schweres Paket. Es enthält alles, was sie überhaupt mit- nehmen konnte; an ihrem Rock hängen noch zwei Kinder. Ein Kind fällt zu Boden. Die Mutter lehnt das auf den Boden gestellte Paket an ihr Bein, hilft mit der Rechten ihrem Kinde in die Höhe, ergreist wieder daS Paket, muntert die Kleinen mit freundlichen Worten auf und keucht weiter. Ihr Mann ist im Krieg. Zwei kleine Mädchen führen ihren alten Großvater zur Bahn; ein Großvater, auf den Stock gestützt, trägt fein Enkelkindchen auf dem Arm. Fast nur humpelnd kommt er weiter. Drei alte Frauen, eine ganz ge- brechliche in der Mitte, schieben sich mühsam vorwärts. Eine Frau weint, eine andere jammert immerzu:„Gott , o Gott , Gott, o Gott!" — Einen Säugling auf dem Arm, schleppt sich ein junges Weib dahin, in der linken Hand trägt, schleift es einen Karton. Er ist lang: die Mutter muß den Arm krümmen, sonst stößt der Karton auf den Boden. Für ein paar Schritte reicht die Kraft, dann reißt die Last den Arm herunter, einige Schritte schleift die Frau ihn. Dann muß die Beladene Halt machen. Wenige Augenblicke; wieder reißt tic den Arm hoch, wieder geht es einige Schritte vorwärts... Männer und Frauen, weniger oder gar nicht belastet, rennen vor- bei, niemand kümmert sich um die Arme. Jeder hat mit sich selbst zu tun. Di««igen« Sorg,»«cht hart und«ückfichtlo», Endlich Lebens Belgiens in die Hände gefallen; denn nicht Brüssel ist das Herz des belgischen Wirtschaftslebens, sondern die alte Handelsstadt Antwerpen , nahe der Scheldemündung. Ant- werpen ist der bedeutendste Hafenplatz des ganzen europäi- schen Festlandes. Noch vor einigen Jahren stand es, was die Tonnage, d. h. den Tonnenraumgehalt der ein- und aus- laufenden Schiffe anbetrifft, hinter Hamburg zurück, doch in den letzten Jahren hat Antwerpen Hamburg überholt. Im Jahre 1912 hatte Hamburg nur einen Schiffsverkehr von 27,40 Millionen Registertons, Antwerpen hingegen von 27,48 Millionen Registertons. In raschem Aufschwünge ist Antwerpens Hafenverkehr von Jahr zu Jahr beträchtlich gestiegen. Im Jahre 1890 liefen in Antwerpen erst 4542 Schiffe mit einer Gesamt- tonnage von rund 4,50 Millionen Registertons ein, im Jahre 1900 bereits 5250 Schiffe mit einem Raumgehalt von 6,7 Millionen Registertons, und im Jahre 1911 stellte sich die Anzahl der einlaufenden Schiffe schon auf 6908 mit 13,3 Millionen Registertons. Die Zahl der ein- und auslaufen- den Schiffe stellte sich 1911 insgesamt auf 13 836 mit 26,66 Millionen Tons Raumgehalt. Zu einem wesentlichen Teil verdankt Antwerpen diese wichtige Stellung der EntWickelung der belgischen Industrie und des belgischen Außenhandels, der hauptsächlich über die große Handelsstadt an der Schelde geht, nicht unwesentlich hat aber dazu auch das Westdeutsche Wirtschaftsgebiet beigetragen. Der Export der rheinisch-westfälischen und der luxemburgisch- lothringischen Montanindustrie vollzieht sich nämlich größten- teils über Antwerpen und Rotterdam , da diese beiden großen Hafenstädte an den Mündungen der Schelde und des Rheins dem Transport mannigfache Vorteile bieten. Auch ein großer Teil der Westdeutschen Lebensmittel- und Rohstoffeinfuhr geht über Antwerpen . Freilich wird dieser Handelsverkehr Ant- werpens nur zu ungefähr 14—15 Proz. durch belgische Schiffe vermittelt, stellte sich doch Ende 1912 die ganze Handelsflotte Belgiens nur auf 181 637 Tons, ungefähr den fünften Teil der Tonnage des Schiffsparks der Hamburg-Amerika-Linie . Zumeist sind es deutsche Schiffe, die den Ueberseeverkehr wie auch den Binnenverkehr auf der Schelde und dem Rhein - Schelde-Kanal vermitteln, in zweiter Reihe Schiffe englischer Nationalität. Deutschlands Anteil an dem Ein- und Ausfuhrhandel Antwerpens ist denn auch weitaus am größten. Im Jahre 1911 war Deutschland an der Einfuhr der Scheldestadt mit 2,04, an der Ausfuhr mit 1,69 Millionen Tonnen beteiligt, England nur mit 1,59 bezw. 1,41 Millionen Tonnen. Die Haupteinfuhr Antwerpens besteht in Getreide. Es hat nächst Rotterdam die größte Getreideeinfuhr unter allen Hafen- Plätzen Europas , mehr als das Doppelte Londons . Der Wert der Einfuhr Antwerpens an Weizen betrug 1911 364 Millio- nen Mark, an Mais 83, an Gerste 54. an Hafer 31 Millionen Mark. Tie sonstige Einfuhr besteht vornehmlich in Roh- stoffen aller Art, darunter im Jahre 1911 für 194 Millionen Mark Wolle, für 108 Millionen Mark Baumwolle, für 142 Millionen Mark Mineralien, für 90 Millionen Mark Roh- gummi. An der Ausfuhr sind vor allem Eisen- und Stahl- waren aller Art, Maschinen, Baumwollgewebe, Chemikalien und Getreide beteiligt. Schon diese wenigen Zahlen genügen, um die Wirtschaft- liche Bedeutung Antwerpens zu kennzeichnen. Mit seiner Eroberung ist tatsächlich die Zentrale des ganzen belgischen Wirtschaftslebens in deutsche Hände gefallen. Westlicher Kriegsschauplatz. Das französische Communiqu6. Paris , 9. Oktober. kW. T. B.) Das um 11 Uhr abend» veröffentlichte amtliche Communique lautet: Es ist nichts Neues zu melden, außer einem heftigen Kampfe bei Rohe, wo wir an zwei Tagen 099 Gefangene machten. Reims erneut bombarüiert. Paris , 10. Oktober. (W. T. B.) Wie die Zeitungen melden, versuchte gestern vormittag eine Tanbe-Paris zu über- fliegen. Sie wurde sogleich von vier Fliegern oerfolgt und ver- schwand in östlicher Richtung._ erbarmen sich doch zwei Männer der Erschöpften, die kaum ein Dankwort herausbringen kann.—„Wo ist Ihr Mann; im Krieg?" — Wie ein Pfeil bohrte sich die Frage in eine offene Wunde.— „Schon tot, gefallen," bringt die Frau abgerissen heraus. Sie will nicht weinen, aber die Tränen brechen doch hervor.— Fast alle Frauen, die mit ihren Kindern dem Bahnhof zustreben, antworten auf die Frage nach dem Vater der Kinder:„Er ist Soldat!"—> Reservist, Landwchrmann, Landsturm. Einige Landstürmer wohnen in der Stadt. Sie helfen, die Jamilie fortbringen. Mit Bettzeug, Kisten und Kasten haben sie sich bepackt. Ein dicker Postbeamter Hot seine Habe auf eine Mistkarre geladen. Stöhnend und ächzend bringt er ste vorwärts. Auf ganz niedrigen Rädergestellen, nur mit Brettern belegt, fahren Mütter ihre Kinder zum Bahnhof: Nur fort! Nur fort!— DaS ist ihr einziger Gedanke. Zu allem Unglück fängt eS nun auch noch wieder an zu regnen. Bald gießt es in Strömen. Kinder gleiten aus, stürzen in den Schmutz, jammern und schreien. Pakete bleiben liegen, Bettzeug und andere Sachen. Der Regen macht das Letzte unbrauchbar. Schnell sind die Bahn- Hofsräume, Wartesäle und Gänge, Bureaus und Packkammer mit Menschen belagert. Immer noch mehr strömt zu. Wer nur irgend- wie Schutz findet, ist schon glücklich. Selbst der Abort dient als Zuflucht. Trotzdem müssen viele draußen bleiben. Im Warte- räum, in den Gängen herrscht ein fürchterliches Gedränge, ein un- entwirrbares Durcheinander. Zwischen Kasten und Säcken, auf den Fliesen sitzen und hocken Kinder und Frauen. Sie schmiegen sich aneinander, um sich gegenseitig zu erwärmen. Kinder schreien nach ihren Müttern, Mütter suchen ihre Kinder. Eine Frau fängt an, laut zu beten, eine andere ringt verzweiflungsvoll die Hände.... Draußen steht eine junge Frau mit ihrem acht Monate alten Kinde auf dem Arm. Sie schluchzt und schluchzt. Warum? Sie hat keine Nahrung für ihr Kind, und sie kann nicht? bekommen. Plötz» licher Ruf:„Ein Zug kommt!" In der Aufregung versteht daS jemand falsch und schreit:„Die Russen kommen!" Eine Panik ent- steht. Jeder will hinaus; einer stürzt über den anderen. In der Tür staut sich die Masse. Nicht vorwärts geht's, nicht zurück. Durch die Fenster nehmen die Frauen den Weg, reichen die Kinder hinaus. Haufen von zappelnden und schreienden Menscben liegen auf dem Boden. Endlich glückt eS einigen Soldaten und Beamten, die furcht- bar Erregten zu beschwichtigen und den Irrtum aufzuklären. Ein Zug läuft ein. Wieder setzt das Drängen und Stoßen ein. Immer noch strömt der Regen nieder. Jeder will einen Platz im Wagen erobern. Nur schnell hinein! Die ersten Wagen sind sofort überfüllt. Immer noch mehr Menschen zwängen sich hinein; hinten ist noch Platz. Man bleibt vorn, aus Angst, sonst vielleicht nicht mitzukommen. Weinende, vor Nässe und Kälte zitternde Kinder stehen bei Gepäckstücken. Die Mutter belegt einen Platz mit kleinerem Gepäck. Als sie zurückkommt, ist der Wagen voll- ständig besetzt. Menschen, Körbe jrnd Säcke bilden langsam sich Wie der„Temps" aus Reims meldet, haben die Deut- schen das Bombardement von Reims wieder aufgenommen. Antwerpen , �üttich, Namur sollen zurück- erobert werben! London , 10. Oktober. (W. T. B.) Tie„Morning Post" schrieb vorgestern in einem Leitartikel:„Indem die Deutschen ungeheuere Massen ins Feld warfen, gewannen sie sofortige Vorteile, deren Neutralisierung den Verbündeten schreckliche Anstrengungen und viele Menschen kosten wird. Lüttich . Namur , Antwerpen und Maubeuge müssen alle zurückerobert werden. Bevor dies versucht werden kann, müssen die Deut- schen zurückgeschlagen werden. Diese Schläge hätten verinie- den werden können, wenn die Verbündeten den Feldzug mit größeren Truppenmassen hätten beginnen können. Die Heeresstärken, die zur Verteidigung Belgiens und der sran- zösischen Grenze ausgereicht hätten, werden nicht geniigen, um die Deutschen aus den besetzten Gebieten zu vertreiben, so daß die Versäumnisse aus der Zriedenszeit größere Verluste und größere Kosten verursachen werden, als bei mehr Voraus- ficht notwendig gewesen wäre." Ein englisches Urteil über öie deutsche Wehrkraft. London , 10. Oktober. (W. T.©.) Ein militärischer Berichterstatter der„Morningpost" schreibt: Woher die Deutschen die Truppen nehmen, um ihre Linie soweit verlängern zu können, während sie östlich der Maas Gegenangriffe ausführen, ist ein Geheimnis, daS gegenwärtig nicht gelöst werden kann. Man muß sich notwendig vergegenwärtigen, daß die miliiärischcn Kräfte Deutschlands noch lange nicht völlig entwickelt sind. Hinter den ausgebildeten Truppen der ersten und zweiten Linie und den alten Soldaten des Landsturms befinden sich etwa hunderttausend Mann halbausgebildeter und fünf Millionen unausgebildeler Leute, die dem Alter nach im Notfall dienstpflichtig sind. Gestlicher Kriegsschauplatz. Rückkehr ües Zaren nach Zarskojeselo. Petersburg, 10. Oktober.<W. T.B.) Ter Zar ist vom Besuch des aktiven Heeres nach Zarskojeselo zurückgekehrt. Während seines Aufenthalts auf dem Kriegsschauplatz nabm der Zar Berichte des Großen GcneralstabeS sowie der Acmeeführer Rußli und Jwonoff entgegen. Außerdem besuchte der Kaiser die Städte Rowoira Brest Litowsk, Bjelostok, Wilna und die Festung Ossovetz. In Rowono und Wilna besuchte der Zar die Verwundeten in den Lazaretten. vom österreichisch-rustischen Kriegsschauplatz. Rückzug öer Russen von przempsl. Wien , 10. Oktober.<W. T. B.) Amtlich wird vcrlautbart: 10. Oktober, mittags. Gestern versuchte der Feind noch einen Sturm il«f die Südfront von Przempsl, den die Besatzung wieder unter schweren Verlusten des Angreifers zurückwies. Tann wurde die rückgängige Bewegung der Russen vor der Festung allgemein. Tie Westfront mußten sie vollständig räumen; unsere Ka- vallerie ist dort bereits eingeritten. Ter durch die Schnelligkeit der Operationen in Russisch-Polen und Galizicn verwirrte Gegner versuchte zwar, seinen Angriff auf die Festung durch Hinaus- schieben von HrcreSteilen gegen Westen zu decken, vermochte aber unseren heraneilendcn Armeen nirgends standzuhalten. Die fünf bis sechs russischen Infanteriedivisionen, die sich bei Lancut stellten, sind auf fluchtartigem Rückzüge gegen den San. Ebenso wurde eine Kosafendivision und eine Infanterie- brigade, die östlich Ttzmow eine verstärkte Stellung innehatten, nach kurzem Widerstände zurückgeworfen. Nnscre Truppen sind dem Gegner überall an den Fersen. Auch Ungarn dürfte von den noch in den Komitatrn MaramaroS und Vesztercze-NaSzod herumirrendcn feindlichen Abteilungen bald gänzlich gesäubert fein. Der Stellvertreter des Chefs des GcneralstabeS von Hocfer, Gencralmajrr vorwärtSschiebcnde Knäuel. Zwei Kinder stürzen zu Boden; in wahnsinniger Hast reißt eine Frau ihren Kinderwagen über sie hinweg. Zureden, mahnen, ruhig zu sein, ist fruchtlos. Schließlich sind alle Wagen besetzt; alle, die den Zug benutzen wollen, sind untergebracht, ohne Unfall. Nun tritt allmählich auch wieder Ruhe ein. Selbst die Kinder werden ruhig. Ein Beamter reicht in jeden Wagen ein Licht hinein. Langsam setzt sich der Zug in Bewegung. Aber die Räume des Bahnhofs sind immer noch voll Menschen. Viele müssen bis zum anderen Morgen warten, ehe„ihr" Zug fährt. Nun kommen auch Flüchtlinge aus der Umgegend. Guts- besitzer in Pelzen und arme Teufel mit ihrer geringen Habe. Mit- zunehmen gab eS nicht viel. Das Vieh blieb zurück. Man öffnet die Ställe und trieb die Tiere hinaus. Wer vermag zu ermessen, welche Schmerzen eS kostet, sich so von allem loszureißen, von dem Werke jahrzehntelanger Arbeit? Wer könnte nachfühlen, was die Gehetzten empfinden, was sie leiden! Sie flüchten vor den Russen, mit denen ihre Männer, Söhne, prüder kämpfen. Während sich die Szenen hier abspielten, fochten unsere Truppen bei Sulweika und Lyck mit den Russen wieder einen schweren Strauß aus, gegen drei- bis vierfache Ucbermacht. Die Kunde, daß die Schlacht glücklich verlaufen, beruhigte die Gemüter. Als heute in langen Zügen die russischen Gefangenen ankamen, entschlossen sich einige der zur Abreise am Bahnhof Weilenden, die Heimat nickit zu verlassen. Daß die Heeresleitung unter den obwaltenden Um- ständen zum Abwandern auffordert, ist lobenswerte Vorsicht. AuS taktischen Gründen läßt es sich nicht vermeiden, daß die Russen hier oder da mal durchbrechen. Tie Zivilbevölkerung soll aber vor noch- maligen Brutalitäten der Russen bewahrt bleiben. Das zweite Mal würden sie schlimmer hausen als bei ihrem ersten Einbruch m Ostpreußen . Darum lassen sich Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung, die mit Unbequemlichkeiten verbunden sind, nicht her- meiden. Und man kann froh sein, wenn die Ereignisse die Mas;- nahmen nicht rechtfertigen. Die Leute aber, die den Krieg und seine Verheerungen nur aus den Zeitungen kennen lernen oder vielmehr nur eine schwache Vorstellung davon gewinnen, mögen zu der Einsicht kommen, daß ihre Behaglichkeit durch viel Blut. Leiden, Schmerzen und Qualen anderer erkauft wird Und sie sollen sich mcht begnügen, mit lärmerder Fröhlichkeit über er- rungene Siege, ja. mit bedauernden Worten über die Opfer Die Truppen leisten schier Unmenschliches; Mannschaften und Offiziere. ÄJ"5" �"12 I,e«C2 wochenlang in Schützengräben , kommen wochenlang nicht au» den Kleidern heraus, haben achtzehn bis zwanzig Gefechte mitgemacht. Da darf man wohl erwarten, darf eS fordern, o<lh alle Kräfte angespannt werden, damit es keine Hungernden, kerne Fnerenden. keine Obdachlosen gibt. Wir leben in einer schweren Zeit. Nichts Schlimmeres könnte dem deutschen Volke geschehen, als unter russische Herrschaft zu geraten. Alle Kräfte müssen ans Werk, um Kultur und Freiheit zu retten. D ü w e l l, Kriegsberichterstatter.