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Dienstag, den 17, November 1914.
Die Kriegslage. Während die Kriegslage in den letzten Tagen im Westen im wesentlichen unverändert geblieben ist, haben die deutschen Truppen den Russen auf polnischem Boden südlich von Soldau und bei Wloclawec empfindliche Niederlagen beigebracht, 28 000 Gefangene und 80 Maschinengewehre und Geschütze fielen dabei in die Hände unserer Truppen. Sofern es sich, wie anzunehmen, um unverwundete Gefangene handelt, dürfte in diesen Kämpfen einschließlich der russischen Ge fallenen und Verwundeten Wohl eine russische Truppenzahl von der Stärke eines Armeekorps außer Gefecht gesetzt worden sein. Offenbar sind die russischen Streitkräfte, die sich in der Richtung gegen Thorn bewegten, allzu unvorsichtig vor- gedrungen. Wieder einmal hatten sie, wie in Ostpreußen , die Widerstandskraft der deutschen Truppen unterschätzt. Die Niederlage, die sie erlitten, wird ihnen beweisen, daß die deutschen Truppen, wenn sie auch vor den überlegenen russischen Streitkräften an der Weichsel zurückgenommen �. wurden, doch an Zahl und Geist durchaus imstande sind, die deutschen Grenzen Ivlrrsam Kgen Vit rusftfHeU zu schützen. , Schon als wir den Rückzug der deutschen und österreichi- schcn Streikräfte von der Weichsel -San-Linie würdigten, bemerkten wir, daß nun jedenfalls den an den deutschen Grenzen neu gruppierten Truppen der Vorteil der Rücken- deckung und der kürzeren Etappenlinien zustatten kommen werde. Und in der Tat war es etwas ganz anderes, ob sich unsere Heere vor Warschau , Jwangorod oder Jaromir schlu- gen, mit unzülänglichen Schienensträngen, grundlosen Land- straßen und einem durch die früheren Kämpfe und Requi- sitionen ausgesogenen fremden Landstrich von 200 Kilometer Breite hinter sich— oder ob sie sich in der Nähe der Grenze konzentrierten, wo die Verpflegungs- und Verstärkungs- Möglichkeiten ganz andere sind. Umgekehrt verschlechterten sich diese für die moderne Kriegführung so ungeheuer wich- tigcn Bedingungen für die Russen in dem Maße, als sie sich durch Westpolen der deutschen Grenze näherten. Insofern also unsere verbündeten Gegner wiederum mit dem berühmten Vormarsch der russischen Heeressäulen gegen Berlin gerechnet haben sollten, werden sie erneute Enttäu- schungen erleben. Und nicht nur für diesmal. Auf der anderen Seite bedarf es kaum des Hinweises, daß der neue deutsche Erfolg auch nicht überschätzt werden darf. Der Verlust eines und selbst mehrerer russischer Armee- korps bedeutet zwar eine erfreuliche Schwächung der russi- schen Streitkräfte, aber wahrscheinlich noch nicht einmal einen Zusammenbruch auch nur der russischen Offensive. Verfügt doch das riesenhafte Zarenreich über so gewal- tige Wehrkräfte, daß auch die türkischen Erfolge in K a u k a s i e n sich zunächst kaum auf dem europäischen Kriegs- schauplatz bemerkbar niachen dürften. Auf russischer Seite wurde unlängst die Zahl der gegen die deutschen und österreichischen Truppen stchenden zarischen Streitkräfte auf 2y2 Millionen beziffert, denen die Oester- reicher und Deutschen 1 700 000 Mann gegenüberzustellen hätten. Für die Nichtigkeit dieser Ziffern besitzen wir keiner- lei Maßstab, nur das ist ja auch von österreichischer und deutscher Seite imnier wieder hervorgehoben worden, daß die Russen zurzeit überlegene Streitkräfte ins Gefecht zu führen vermögen, Streitkräfte, die sicherlich ganz gewaltige Massen umfassen. Aber wie die deutschen und österreichischen Truppen die russische Uebermacht schon wiederholt mit schwersten Verlusten zurückgeworfen haben, so ist das auch für den ferneren Ver- lauf des Feldzuges zu erwarten. Daß auch unsere österreichischen Verbündeten ihren Offensivgeist noch nicht eingebüßt haben, beweist der Ausfall aus Przemysl . Hoffentlich gelingt es Oesterreich auch, alle russischen Durchbruchsversuche durch die Karpathen noch Ungarn auf die Dauer ebenso erfolgreich abzuweisen wie in den letzten Tagen, wo nach den letzten Meldungen solche russischen Vor- flöße zurückgewiesen werden konnten.
Die Melöung öes Großen Hauptquartiers Amtlich. Großes Hauptquartier, 16, November 1914, vormittags.(W. T. B.) Auf dem westlichen Kriegsschauplatz war gestern die Tätigkeit beider Parteien infolge des herrschenden Sturmes und Schneetreibens nur gering. In Flandern schritten unsere Angriffe langsam vorwärts, im Argonnenwalde errangen wir jedoch einige größere Erfolge. Die Kämpfe im Osten dauern fort. Gestern warfen unsere in Ostpreußen kämpfenden Truppen den Feind in der Gegend südlich von Stallupönen ; die aus Westpreußen operieren- den Truppen wehrten bei Soldau den Anmarsch russischer Kräfte erfolgreich ab und warfen am rechten Weichselufer vormarschierende starke russische Kräfte in einem siegreichen Gefecht bei Lipno auf Plock zurück. In diesen Kämpfen wurden bis gestern 3666 Gefangene gemacht und 19 Maschinengewehre genommen. In den seit einigen Tagen in Fortsetzung des Erfolges bei Wlocawec stattgehabten Kämpfen fiel die Entscheidung. Mehrere uns entgegengetretene russische Armeekorps wurden bis über Kulno zurückgeworfen. Sie verloren nach den bisherigen Feststellungen 23 666 Mann an Gefangenen, mindestens 76 Maschinengewehre und Geschütze, deren Zahl noch nicht festsieht. Oberste Heeresleitung.
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Der russische Vormarsch zum Stehen gebracht. Mailand , 16. November. (W. T. SS.) Der„C o r r i e r e d e lla Sera" bemerkt zu der neuen deutschen Offensive rechts und links der Weichsel mit dem Zentrum in Wlo- clawec: Sie ist ein ausgezeichneter Versuch, den russischen Vormarsch zum Stehen zu bringen. Der Zeitpunkt ist ebenfalls gut gewählt. Die Offensive wird begünstigt durch die Kämpfe an der ostpreußischen Grenze und dadurch, daß die Deut- schen die Ruhen auf der Linie Kalisch— Czenstochau durch langsames Zurückgehen angelockt haben. Italienische beschlagnahme eines griechischen Schiffes. Nichtamtlich. Mailand , 16. Nov.(W. T. B.) Die„Jtalia" meldet: Der italienische Kreuzer„Calabria " hat in der Nähe von Valona ein griechisches, mit Waffen und Mu» n it i o n beladenes Segelschiff beschlagnahmt,
Der Gesuch im Gewerkjchastshause. Aus Gewerkschaftskreisen wird uns geschrieben: Die Spitzen der Reichs- und Staatsbehörden haben als Gaste das Gewerkschastshaus besucht. Noch vor wenigen Wochen hätte man den als reif fürs Narrenhaus angesehen, der sich unterfangen hätte, zu prophezeien, daß ein solches Ereignis um die Mitte November des Jahres 1914 eintreten würde. Nun hat der Krieg und der in seinem Gefolge pro-« klamierte Burgfrieden dieses Wunder zuwege gebracht. Bisher galt bei uns der Grundsatz, daß die Arbeiter- organisationen und insbesondere auch die Gewerkschaften nur Objekte der Gesetzgebung und der Verwaltungspraxis seien. Sorgfältig vermied es die offizielle Welt, von der Existenz der Gewerkschaften auch nur Notiz zu nehmen. Jrt den Parlamenten wurde ihrer, sofern das überhaupt geschah, meist mit wenig Wohlwollen gedacht, und der Versuch, die Gewerkschaften den Beschränkungen des Vereinsgesctzes zu unterstellen, spricht deutlich für die Gesinnung, die man in diesen 5lreisen den Organisationen der Arbeiter entgegen- brachte. Man kannte an den maßgebenden Stellen die Gewerkschaften einfach nicht. Von Zeit zu Zeit wurde das Wirtschaftsleben durch große Lohnkämpfe erschüttert, in denen die Gewerkschaften als die Sachwalter der Arbeiter aufttaten. Manch einem, der der Gedanken- weit der Arbeiter fernstand, mag diese Tatsache an sich schon als Beweis für die Gefährlichkeit der Gewerkschaften gegolten haben. Die großartigen Leistungen auf dem weit- schichtigen Arbeitsgebiet der Arbüiterorganisattonen wurden übersehen. Man wußte nichts von ihren erfolgreichen Bemühungen, das geistige Niveau der Arbeiter zu -heben. Das durch die Gewerkschaften in geregelte Bahnen geleitete Streben nach kurzer Arbeitszeit und hohem Lohn wurde nicht unter dem Gesichtspunkt des dadurch geförderten Kulturfortschritts gewertet: man erblickte darin nur den fort- gesetzten Versuch, die zufriedenen Massen zur Begehrlichkeit aufzustacheln. Hartnäckig verschloß man den Blick gegenüber der Tatsache, daß die Gewerkschaften auf sozialem Gebiet in verschiedenen Richtungen bahnbrechend vorangegangen sind, daß sie hier manche Aufgaben vorbildlich gelöst haben, an welche sich die Staatsgewalt noch nicht herangewagt hat. Tic riesigen Leistungen der Gewerkschaften auf dem Gebiet der Arbeitslosenfürsorge spielen aber gerade in der gegenwärti. gen Kriegszeit eine solche Rolle im Wirtschaftsleben, daß sie nicht mehr übersehen werden können. Die deutschen Gewerkschaften mit ihren 2�' Millionen Mitgliedern haben trotz aller Schwierigkeiten, die sie. zu über- winden hatten, eine solche Bedeutung erlangt, daß sie kein ernsthafter Politiker mehr ignorieren durfte. Ter Besuch, den die Vertreter der Regierung und eine Anzahl Parlamen- tärier am Sonnabend in den Gewerkschaftshäusern machte, spricht dafür, daß das Bedürfnis, einen näheren Einblick in das Getriebe der Arbeiterorganisationen zu gewinnen, an jenen»stellen tatsächlich vorhanden war. Bisher fehlte aber jede Möglichkeit, dieses Bedürfnis zn befriedigen. Die Anregung zur Besichtigung der gewerkschaftlichen und genossenschaftlichen Einrichtungen, über welche in der Sonntagsnummer des„Vorwärts" kurz berichtet wurde, ging von einem rechts st ehenden Parlamentarier aus, den der Zufall in eins der besichtigten Häuser geführt hatte und dem diese Leistung des gewerkschaftlichen Geistes impo- nierte. Seine Vermutung, daß man in den obersten Reichs- ämtern und in den preußischen Ministerien einer Einladung zur Besichtigung gern folgen würde, erwies sich als richtig, und so kani der Besuch im Gewerkschaftshaus, in den Ver- bandshäusern der Metallarbeiter und Holzarbeiter und in der Bäckerei der Konsumgenossenschaft zustande, an welchem sich u. a. der ReichSschatzsekretär, der Staatssekretär des Reichsjustizamtes, der preußisch� Handelsminister und der Minister des Innern, der Oberbürgermeister von Berlin so- wie eine Reihe von Parlamentariern, an ihrer Spitze die Präsidenten des Reichstages und deS preußischen Herren- Hauses beteiligten. Solch Besuch haben die genann- teil Stätten noch nicht gesehen, und die Tatsache, daß der Chef des Reichsschatzamtes im Sitzungssaal des Deutschen Holzarbeiterverbandes eine Rede gehalten hat, ist jedenfalls wert, registriert zu werden. Eine unmittelbare praktische Bedeutung hat dieser Besuch in den Heimen der Arbeiterorganisationen natürlich nicht, aber es handelt sich dabei immerhin um einen beachtenswerten Vorgang. Es braucht wohl kaum betont zu weichen, daß die Politik der Gewerkschaften durch die ihnen erwiesene Aufmerksamkeit in keiner Weise beeinflußt wird. Tie Zwecke und Ziele der Gewerkschaften und die denen sie sich