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Die Bemerkung knüpfte sich an die Ankündigung dcZ Schatz- kanzlers, datz im kommenden Finanzjahre Tee und Bier höher besteuert werden würden. Im nächsten Jahre wird der Er- trag der tndireften Stenern fast 100 Millionen Pfund Sterling fein. Die englischen Finanzzölle liegen auf Tee, Kaffee, Bier. Zucker. Schnaps, Kakao, Tabak, getrockneten Früchten und etlichen anderen Nahrungs- und Gcnutzmitteln. DerNew State s m an" hat ausgerechnet, daß diese indirekten Steuern für die Arbeiterfamilien einer direkten Einkommensteuer von etwa Vl3 Schilling im Pfund(7st, Proz.) gleichkommen. Die neue Einkommensteuer beträgt 2'/, Schilling im Pfund (12'/, Proz.). Da aber Einkommen von 700 Pfund im Jahre ab einen immer kleiner werdenden Prozentsatz versteuern, be- trägt die wirkliche Einkommenstener der Mittelschichten nur etliche Pence im Pfunde. Eine Familie- der Mittelklasse zahlt somit wahrscheinlich weniger Steuern als eine Faniilie der Arbeiterklasse. Von den erwähnten 100 Millionen Pfund cnt- fällt ein Viertel auf Schnapssteuer und Lizenzen, ein weiteres Drittel auf Bier- und Weinsteuern, ein Fünftel auf Tabak- steuern; der Rest fällt auf Tee, Kaffee, Kakao, Zucker, Früchte. TerNew Statesman  " glaubt, daß die Arbeiterklasse ein sehr schlechtes Geschäft machen würde, wenn sie die vor- handencn indirekten Steuern mit einer Lohnbesteuerung der- tauschen würde. Der Schatzkanzler erklärte im Parlament, daß die Regierung die Lohnsteuer ernstlich erwogen habe, aber hauptsächlich wegen der Schwierigkeiten, die die Steuerver- anlagung und Einkassierung biete, davon abgekommen sei. Tilsit   Memel  ! Memel  , den 24. Dezember 1914. Die beiden Namen Tilsit und Memel   wecken Erinnerungen an weltgeschichtliche Ereignisse. Vor 109 Jahren waren hier die Fran- zosen die Herren und Preußen war ihnen ein Mittel im Kampfe gegen Rußland  . Als Rußlands   Winter 1812 Napoleons   Macht gc. brachen halte, wurden die Russen als Helfer in der Not gepriesen. Fast sechs Jahrzehnte später kamen wieder Franzosen nach Preußen, auch hier herauf nach dem..Entenschnabel". Wie nach der Flucht aus Moskau   hielten sie in Tilsit   unfreiwillig Einzug, diesmal als deutsche   Gefangene! sie wurden zu Kulturarbeiten verwendet. U. a. hatten sie zwischen Tilsit und Nutz der Gilge ein neues Bett zu graben. Und der hochaufgeworfenc Tamm der Gilge spielte wiederum eine nicht unbedeutende Rolle, als die Russen im Sep- tiembcr dieses Jahres aus Tilsit   vertrieben wurden. Es gelang damals mit geradezu lächerlich geringen Kräften, ihren Durch- bruchsvcrsuch über die Gilge in der Richtung Hendekrug zu verhin- dcrn. Dieser Erfolg gelang nicht halb soviel Hunderten von Deut- scheu, als es nach der Meinung der Russen Tausende mit vielen Kanone« waren. Das erfuhr man aus den Berichten russischer Offiziere, die den deutschen   Truppen mit der sonstigen Beute und unverhältnismäßig viel Gefangenen in die.Hände sielen. Jetzt hat das Korps H. von Memel bis hinter Ragnit   eine viel- ges:altige und eigenartige Grenzschutzstelluug formiert. Feste Ber- teidigungslinicn verschiedener Art werden durch bewegliche Forma- tionen, die gleichzeitig auch dem Angriff dienen, in geschickter Weise ergänzt. Ganz raffiniert ist hier die Multiplikation der Kräfte durch technische PerteidigungSmittel durchgeführt und die Möglich- keit schneller Krästeberschiedung geschaffen. Heber Einzelheiten kann ich natürlich nichts sagen. Nur da? will ich verraten, daß ich hier die saubersten, schämten, zweckdienlichsten und wohnlichsten Schützen. graben gesehen habe. Ich traf hier u. a. luftige Berliner   Gesell- schon teils beim Kartenspiel, teils beim Erzählen von Räuber. Jeschichten. Auf die Frage.wie geht«?" zeigte man mir leer« sserflaichen. Jeder Umerftaird Hai feinen richtiggehenden Namen bekommen. Da liest man:Zur Kochkiste", danebenKlub der Harmlosen", weiterBouillonkeller",Zum sidelen Landwehr- mann" usw. Ten Abschluß bildet an einem Schützengraben die Villa..Zur lahmen LauS". Diese Bezeichnungen haben sich so- gar offizielle Anerkennung ertrotzt, sie werden bei Meldung unv bei Erteilung von Befehlen benutzt. Einige» Bedauern hörte ich dar- über äußern, daß man diese schönen Einrichtungen vielleicht ver- geblich geschaffen habe, denn seitdem alles aufs beste vorbereitet stt, machen die Russen keinen ernsthaften Versuch mehr, herüberzu- kommen. Vielleicht aber ließen sie sich zu einem Spaziergang nach Mit Liebesgaben nach Frankreich  Ein Teilnehmer einer der zahlreichen LiebeSgabenzüae die kurz vor Weihnachten an die Front der kämpfenden Heere geiandt wur- den, schreibt unS: Alle amtlichen und freiwilligen Korporationen hatten von langer Hand Vorbereitungen getroffen, daß jeder einzelne Krieger unserer Millionenbeere zu Weihnachten eine Liebesgabe er- halten konnte. Zentrale Organisationen, Städte und Landesbezirke wetteiferten miteinander in der Sammlung und Zuführung aller nur erdenklichen Arten von Weihnachtsgaben. Die Zentvalleitung des Roten Kreuzes, als Ausschuß zur Beschaffung warmer Unter- klcidung und andere konzentrierten ihre Krastc auf diesen einen Punkt, und sie fanden die bereitwilligste Unterstützung der militari- schen Befehlshaber und der Eisenbohnverwaltungen, ohne die der Plan nicht durchzuführen gewesen iväre. Tie Sammlungen waren vcn großen VenraltungSkörpern, darunter den LandeSversicherungs- anftalicn tatkräftig unterstützt worden, und so�kam eS auch, daß ich als Arbcitcrvertrcter auf Vorschlag deS Borstandes der VcrsicherungS- anstalt Württemberg vom Reichsvcrficherungsamt und dem Kriegs- ausschuß zur Teilnahme an einem LiebeSgabenzuz berufen wurde. Tie Auswahl bereitete wohl erheblich« Schwierigkeiten, denn ich hatte die Fahrt neben Vertretern des ReichSverfickerungsamtS und anderer Versicherungsanstalten von C ö l n auS am 12. Dezember anzutreten. Tie Berichterstattung über Ausrüstung usw. erlasse man mir, da die Fülle deS Gesehenen, ohnedies eine gewaltige Einschränkung er- fordert, soweit nicht schon von vornherein ein Schweigegebot er- gangen ist und ielbftvcrftändlich Beachtung findet. Der Zug beitand aus 36 Wagen, 29 Güterwagen. 2 Auwmobil- wagen uuo 4 Ilnterkunstsivagen für die Begleitmannschaften, auch 3 Wagen mit Weihnachtsbäumen, Etwa die Hälfte der Sendung war nebst der Begleitung von Frankfurt   a. M. gestellt. Tie Fahrt ging über Aachen  , Lüttich  , Namur  , Eharleroi nach St. O u e n t i n. 20 Stunden ging eS. zuweilen schneller, zu­weilen mit Aufenihalt; leider trat bald nach Abreise die Nacht ein und der andere Morgen, als es endlich zu tagen bgann, traf uns schon an der belgisch  -französischen Grenze, so daß von den ersten Kampsscldern«n Belgien   auf der Fahrt nichts bemerkt werden konnte. Groß wird der Verlust nicht sein, denn auf der Rück- reise, �ie durch diese Gebiete bei Tage erfolgte, war außer zerschossenen und verbrannten Häusern und entfernten FeftungS- werken vom Schauplatz der Kämpfe selbst nicht viel zu bemerken. St. Ouentin ist ein Landstädtchen, mag zirka 40 000 Einwohner zählen, mit regem Güterverkehr, aber mit wenig Großindustrie. ES bat einen ungewohnt kleinbürgerlichen Charakter, klein«, oft nur 2 Meter breite, wenig saubere Häuser, ein« Unzahl Wirt- schaffen für Bier, Wein, Kaffee. Absinth und andereStärkung!- mittel", aber wenigRestaurants", wie bei un! in Teutschland fast jede Trinkstube mit zwei bis drei Tischen genannt wird. Von den 400 Wirtschaften bat die deutsche   Militärverwaltung 250 ge- schlössen. Der Rest reicht anscheinend immer noch zur Versorgung der Bevölkerung und der starken Besatzung aus. Diese hat einige Lotale für sich wieder� unter den deutschen Namen Hamburger und Frankfurter Hof eröffnet, in denen da» Bier und der Wein jotveit letzterer weg«« Beschlagnahme überhaupt zu haben ist Tilsit verleiten, wenn der Frost die Memel   mit einer iragsähigen Decke überzogen habe. Taraus rechnet man... Fast drei Wochen lang, bis zum 11. September 1914, waren die Russen Herren in Tilsit  . Jetzt sind nur noch vereinzelte Spuren ihrer Zerstörungen zu sehen. Als die Russen abzogen, brannte u. a. ein Holzlager nieder, das über eine Million Mark wert gewesen sein soll. Es ist aber nicht einmal eine der wertvollen und strategisch überaus wich- tigen Brücken zerstört worden. Unbeschädigt blieb auch die eigen- artige Luisenbrücke, das sind eigentlich drei Brücken, die ein Gebiet von über zwei Kilometer, das von einigen Höhen durchzogen ist, überspannen. Die zweite dieser Brücken liegt ungefähr einen halben Kilometer nördlich der ersten und die dritte noch ebenso weit nördlich der zweiten. Der überraschende, stürmische HtnauSwurf der Russen lieh ihnen wohl keine Zeit, über ihren unfreiwilligen Abzug durch Zerstörung der Brücken zu guittieren. Oder sollten sie gehofft haben, wiederkommen zu können? Tie russisch« Artillerie rückte nämlich ganz gemächlich über die Luisenbrücke ab und einmal ließ ein Offizier durch«ine flüchtende Dame bestellen, er habe in Tilsit   noch eine Rechnung zu begleichen. Als im November Eis- gangeinlrat, stauten sich die Schollen an einer scharfen Biegung der Memel  , setzten sich fest, die Spalten froren zu und es entstand so ein Uebergang. Eines Tages sahen deutsche   Wachtposten westlich der Memel einen Wagen und einen Reiter nahe an das jenseitige Ufer herankommen und in einem Gebüsch Halt machen. Nach kurzer Zeit kamen zwei Frauen und zwei Hunde aus dem Gebüsch, strebten der Memel zu. Am Ufer einiges Tasten aus dem Eise und dann setzt sich die Karawane in Bewegung. Voran ein Hund, dann eine der Frauen, hinterher die Leute mit einigen Gepäck- stücken und zum Schluß der schwarze Köter. Ter Wagen fährt wieder zurück: da» begleitende Pferd ist nun ohne Reiter, der das Gefährt zurücklenkt. Gespannt betrachten die Wachtposten den nicht ungetähr- lichen Uebergang. Er glückte; die eine der Frauen war die Wirt- schafterin eines Gutes aus der anderen Seite, ihre Begleiterin ein Dienstmädchen; sie waren die letzten Flüchllinge. Ein russischer Off:- zier hatte sie zum User begleitet und dann den Wagen zurückgefahren. Er war eS, der bestellen ließ, daß er in Tilsit   noch eine Rechnung bezahlen müsse. Die macht in Tilsit   freilich wenig Kummer! Daß geschäftliche Leben blüht, die Läden sind offen. Mehrere Lichispiel- theater locken durch marktschreierische Reklame zum Besuch ein. Restaurants und Cafes sind belebt. Die Leute iind gemächlichen Wesens. In der Kleinstadt hat man Zeit... Die Russen haben sich in Tilsit   wohl gefühlt, sie versicherten den Eintvohnern, Tilsit sei sg schön wie Petersburg  : es besitze sogar bessere Kasernen. Die Soldaten de» Zaren befleißigten sich übrigens eines rühmlichen Wohl» Verhaltens. Ueber Ausschreitungen und Diebstähle zu Lagen soll nur wenig Anlaß gewesen sein. Bei ihrem Abzug allerdings schössen einige russische   Reiter den Einwohnern in die Fenster! Dem russischen Kommando mutzten sich 12 Bürger als Geiseln stellen, sie blieben aber gegen Ehrenwort, die Stadt nicht zu verlassen, aus freiem Fuß. Weiter hatte die Stadt den Russen 50 000 Mark Kriegskontribution zu zahlen. Der Kommandeur hielt auf strenge Zucht. Gegen Ueber- griffe von Soldaten schritten die Vorgesetzten energisch ein. So hatten einmal zwei russische   Soldaten in einem Restaurant gut zu Mittag gegessen, dazu eine Flasche Wein getrunken, schließlich aber die Zeche durch Drohung mit dem Revolver begleichen wollen. Ein Kellner benachrichtigte einen gerade vor dem Restaurant auf der Straße stehenden General von dem Vorfall. Ter trat ein, ließ sich den Hergang berichten, winkte einem Offizier, der die Soldaten ab- führen lassen mußte, und dann bezahlte der General die Schuld der beiden Soldaten. Auch in einer Generalversammlung des Konsum» und Sparvereins Tilsit hob der Geschäftsführer das anständige Be- tragen der russischen Soldaten bervor. Nur der schnaps scheint zu Differenzen und zu einem schärferen Auftreten des Kommandanten Anlaß gegeben zu haben. Trotz des Alkoholverbotes war an Sol- daten und auch an Zivilisten Branntwein ausgeschenkt worden. Be- kanntmachungen und Warnungen des Bürgermeisters nutzten nichts. Schließlich wurde eine Belohnung für die Anzeige heimlich« Schnaps» lager ausgesetzt. Im übrigen fanden die Tusttcr bei dem russischen Befehlshaber wohlwollend« Gnade. Ten zunächst aus 2 LS Mark bemessenen Ruvelkurs setzte er bald«ff 2,50 Mark herab nun möchten die Russen gern wieder in Tilsit   Rubel ausgeben. Vor «inigen Tagen kam ein ISjahriget Knabe von jenseits der Memel mit zwet russischen   Gefangenen in Tilsit   an. Er hatte die beiden, von denen der eine deutsch   sprach, getroffen. Sie fragten den Knaben, wo deutsche Soldaten wären, bekamen ab« keine Auskunft. Sie gaben dann an, daß sie sich ergeben wollten, und baten den Knaben, thnen zu sagen, ob sie da nicht mißhandelt oder getötet würden. Als der Knabe dies verneinte, forderten sie ihn auf, sie als Ge- fangen« in die Stadt zu bringen. Auf die Bedingung, die Gewehre abzügeben, wollten die Russen zuerst nicht eingehen. AI  » ihnen aber nochmals die Versicherung gegeben ward, daß kein gefangener Russe auffallend billig sind, die Speisen aber recht gut im Preise stehen, l Die Polizeistunde ist in einheimischen Lokalen um 814 Uhr, etwas länger sind für Offiziere und Unteroffiziere die zwei deutschen Lokale geöffnet, aber um 1014 Ubr wird überall unbarmherzig ge- schlössen, wenn nicht besondere Vergünstigung eingeräumt wurde. An dieser fehlt« es bei unserer Gesellschaft, dank der Furst'rache Sr. Exzellenz de» Staatssekretärs v. L i n d e q u i st. in einigen Fällen wicht, aber die Ausnahmen sind knapp, für zu häufiges langes Sitzenbleiben hat man in St. Ouentin und das mit Recht keine große Shmpathie. Im übrigen war die Aufnahme unferer Delegation, die unter des Herrn Oberregierungsrats von Gör schen- Köln Führung stand, eine hervorragend gute. Das mag zum Teil daran gelegen haben, daß der ganze Zug mit Liebesgaben der Etappeninspektion der II. Armee zur Ver- fügung gestellt werden mußte, da die ursprüngliche Absicht der di» reiten Ablieferung bei den einzelnen Truppenteilen sich aus be- stimmten Gründen nicht ausführen ließ, aber wie glaubwürdig ver- sichert wurde, finden Liebesgabenboten immer eine gute Aufnahme, obwohl sonst Zivilisten im Heeresbetrieb, selbst in der Etappe ein Uebel, und nicht einmal ein notwendiges sind. Die auf diese Art ersparte Zeit wurde nun bis zur Rückkehr mit Besichtigungen der Stadt, ihren Anlagen und besonders ihrer militärffchen Einrich» tungen und zu Ausflügen in die weitere Umgebung benutzt. Die militärischen Einrichtungen, die in Lagern und Reparaturwerk- statten, aber auch neuer Fabrikation bestehen, zeigten uns, mit welcher außerordentlichen Sorgfalt die Nachtransporte und Requi  - siiionen durchgeführt werden, wie auf die kleinsten Gegenstände der größte Wert gelegt wird und was für Transportmittel und Sager- räume zur Hcranlieferuitg, Lagerung und Abgabe an die Truppen nötig sind. Di« Einzelheiten können gegenwartig nicht mitgeteilt werden, aber die Ueberzeugung ließ sich gewinnen, daß bei der .Heeresverwaltung das Kriegsmaterial mit einer außerordentlichen Sorgfalt zu erhalten versucht wird, und wenig wertvolles Material noch nutzbringend verwertet wird. St. Ouentin als Etappenstation mag gegenwärtig an aktivem Militär, Verwundeten und Sanitätspersonal fast mehr als an der stark verminderten Zivilbevölkerung zählen, wenigstens ist der äußere Eindruck ein solcher. Verwüstungen sind in der Stadt nicht zu sehen, wenngleich die Schließung zahlreicher Häuser, die Ein- auarticrung ihr ein Gepräge gibt, wie eS nur der Krieg mit sich bringt. Nur am Bahnhof haben die abziehenden Franzosen, als sie den Deutschen   kampflos das Feld überliehen, an Signaleinrich- tungen usw. ihre Sjturen hinterlassen. Die Bevölkerung geht io ziemlich ihren Geschäften nach, wenigstens wird in Handwerk und Kleinhandel für die täglichen Bedürfnisse gesorgt, manchmal sogar sehr unnütz, wie der Verkauf von Zigarren und Zigaretten an 9 10jährige Buben beweist, die damit sich öffentlich rauchend pro- duzieren. Fleisch und Brot ist ausreißend zu haben, an Kasse« und sonstigen Kolonialwaren ist Mangel, neuerdings aber reichlich in deutschen Geschäften vorrätig. Nur Milch gibt es nicht, auch im Kaffeehaus nicht. Die geringe Menge wird für Verwundete ge- braucht und reicht für diese Wohl nicht zu. Die Zahl der Verwun» deten in St. Ouentin selbst ist jetzt nicht groß. Schulen und das Stadthaus nebst Juftizpalast haben eine größere Zahl aufzu- nehmen. Im Stadthaus, das zugleich der Justtzpflege dient und worin gegenwärtig noch Recht nach französischer Zugehörigkeit ge- sprochen wird, ist der große Festsaal mit zahlreichen Gemälden den erschossen werde, übergaben sie dem Knaben auch die Gewehre, der jedes aus eine Schulter nahm, und die Gefangenen vor sich her nach der Stadt marschieren ließ. Als die aufsehenerregende Erpedition vor der Kommandantur angekommen war, schenkte der eine Russe dem Knaben sein Fernglas, der andere einige Rubel.Mein Krieg ist nun zu Ende", sagen viele russische Gefangene.>so mochten auch diese beiden denken. Manchmal bekommen die Grenzkämpfe einen Stich ins Komische. Am vorigen Sonntag trieb auf der Memel   cm ziemlich großes Floß heran, mit einer Kanone darauf und 7 oder 8 Soldaten. Natürlich glaubte kein Mensch, daß die Russen so auf dem Präsentierteller daher kommen würden. Man bombardierte dn schwimmendeFestung" nicht, sondern fing sie bei Groß-Disseln auf, wo sie nun als Sehenswürdigkeit für die herbeipilgernden Ostpreußen  liegt. Tie Kanone besteht aus einem Wagenrad und einem Baum- stamm, die Soldaten sind Puppen. Zum Tank für diese Auftnerksam- keit gingen am nächsten Tage einige Deutsche über die Memel, schlichen sich an den russischen Schützengraben, nahmen 7 Russen gc- fangen und brachten sie an dem Floß vorbei zurück. D ü w e l l, Kriegsberichterstatter. Ein österreichisches Rotbuch. Wien  , 29. Dezember.  (W. T. B.) DerNeuen Freien Presse" zufolge beschloß dos österreichisch-ungarische Mi- nisterium des Aeußern, ein R o t b u ch mit einer Sammlung diplomatischer Aktenstücke herauszugeben, die sich auf Ur» fachen und Ausbruch des Krieges beziehen und die darüber zwischen den Mächten geführten Verhandlungen mitteilen. die Lage in Rustlanü. Die unter strenger Militärtensur stehende Presse in Rußland  gibt wie übrigens auck die Presse in den anderen kriegführenden Staaten kein vollständiges Bild von den Stimmungen und An- schauungen deS Volkes. Nur selten und unter großen Schwierigkeiten dringt die Wahrheit über den Gtenz» kordon. Wir sind in der Lage, einige» über die innere Lage Rußland  » aus den Briefen mitzuteilen, die dem Aus» ländischen Sekretariat deS sozialdemokratischen OrganisationSkomileeS zugegangen sind. ES bestätigt sich, daß die Arbeiter der Putilow-Werke und die Fabrik A i w a S in Petersburg   als Zeichen de» Protestes gegen die Verhaftung der desHochverrats" angeklagten fünf sozial- demokratischen Dumaabgeordneten gestreikt haben. In der Universitär wurden Flugblätter verbreitet; ein Student hielt eine Prolcslrcde! darauf erschien die Polizei, die alle Anwesenden ausschrieb. Der Proteststreik gegen die Verhaftung der Dumaabgeordneten verdient um so mehr Beachtung, als im allgemeinen, namentlich bei den Petersburger Metallarbeitern keine Streitstimmung herrscht. So wird berichtet, daß der Anfang Oktober wieder eröffnete Metall» arbeiterverband keine Tätigkeit an den Tag legt, weil die in den staatlichen Werken beschäftigten Arbeiter und diese sind in der Mehrzahl nicht ohne Grund befürchten, im Falle einer Maß- regetung oder Verhaftung zu den Fahnen genffen zu werden. Jede sozialdemokratische Tätigkeit ist durch die Stimmung der Masse außerordentlich erschlvert. Tie breiten Massen der Arbeit« sindpatriotisch" gesinnt und erklären, daSVaterland" müsse verteidigt" werden. In der Provinz zeigen sich hier und da sogar Spuren panjlawistischer Einflüsse unter den Ar- beitern, di« dieBefreiung" derslawischen Brüder" als Noi- wendigkeit betrachten. T!« vorgeschrittenen Arbeiter jedoch und ihre Zahl ist keineswegs gering stehen sowohl dem..Patriptis- muS" wie dem PanslawismuS feindlich gegenüber. Ihre erste Frage ist:S i n d S i e f ü r d e n K r i e g?" Aus den Kreisen der Tumaabgevrdneten wird eine Tatsache mitgeteilt, die auf den Zusammenhang zwischen dem Krieg und der inneren Politik Rußland  » grelle Schlaglichter wirft. Danach soll schon ein Manifest, weit umfassender al» da» Manifest vom 17./ KO. Oktober 1005, fertig gewesen sein. AlS e» s i ch aber herausstellte, daß auch England am Krieg« teilnehmen werde, kam der Befehl, da» erwähnte Manifest nicht zu ver- öffentlichen! Von allen Seiten wird bestätigt, daß in Rußland   Mangel an militärischen AusrüftungSgegenständcu l Verwundeten eingeräumt. Hier konnten die französischen   Verwun- deien und können noch jetzt die deutschen   auf einem Kolossalgemätdc sehen, wie im Jahre 1557 die Engländer die unglücklichen Bewohner von Tt. Ouentin fast nackend au» der Stadt vertrieben haben uno sich ihre Vergleiche dazu machen. Mebr Verwundete wurden bei einem Ausflug in le Cateau angetroffen. Dort waren mehrere große Fabriken zu Lazaretten eingerichtet. Alle Verwundeten in diesen und später auch in ande- ren Lazaretten waren über die Grüße au» der Heimol, die der Führer der Delegation überbrachte, und die Kostproben an Zi- garren als Vorboten der Liebesgaben außerordentlich erfreut. Ter Jubel und die Begeisterung äußerte sich aber geradezu stürmisch, als Kammersänger Rost-Cöln als Teilnehmer des Zuges mit präch- nger Stimme einige der Zeit angepaßte Lieder zum Vortrag brachte. Nur zu schnell verging die Zett bis zum Aufbruch und die Rufe:Auf Wiedersehen in der Heimat", wollten kein Ende nehmen. Eine noch ernstere Seite de» Krieges zeigten in le Cateau Anschläge in franzosischer Sprache, nach denen vor kurzer Zeit der Apotheker und zwei andere Einwohner erschossen werden mußten. Sie hatten trotz wiederholter Aufforderung Brieftauben verHeim- licht, über die Zahl wissentlich unwahre Angaben gemacht, und die versprochene Fluglähmung der Tauben nicht vorgenommen. Kriegsrecht. Auf den eigentlichen Schlachtfeldern sind die Spuren der Kämpfe so ziemlich beseitigt. Die verlassenen Schützengräben sind teils als Massengräber verwendet oder sonst geebnet worden, soweit Be- satztingStruppen dafür zur Verfügung standen. An den Land- strahcn und an sonstigen passenden DeckungZarten sind die nur kurze Zeit benutzten Einbuddelungen meist noch unversehrt vot- Händen, manche iwch mit sogenannten Beguemlichketten, d. h. etwas Stroh oder sonstigerPolsterung". Mancher brav« Kampier fans darin seinen Tod und einfache Gräber mit schlichtem Kreuz Kart am Wege geben dem Wanderer Aufschluß, daß hier Opfer gebracht wur­den und ein Sohn Teutschlands den ewigen Schlaf aenießt In der Nähe von Besatzungstruppen sind die Gräber sorgfältiger gepflegt. manche sehr hübsch hergerichtet. Gleiche Sorgfalt haben zum Teil auch Gräber gefallener Feinde erfahren; der Tod schafft gleiche» Recht für alle. Die Wälder. Haine und sonstige Baumanpflanzuri- gen werden von allen.Kulturen die längste Zeit Spuren der Zer- Uörung ausweisen. Tie Bäume, selbst an Landstraßen, fallet! Ler.t BrennholzbedürfniS zum Opfer, andere wurden zerschossen oder bei der Verteidigung und dem Angriff gelichtet, und so zieht Freund und Feind dos kostbare Holz zur Unterstützung seiner Operationen heran. Das Ende ist Moder und Aich«. Wehmütig stimmen auch die von den Truppen verlassenen Hütten und sonstige Unterstände. sie sind mit vieler Mühe hergerichtet, der Witz erprobte sich an ihnen in Aufschriften und Ausschmückung, und bald schlug die Stunde deS Abmarsches, und mancher, der sich in ihnen für längere oder kür- zcre Zeit wohl fühlte, rubt nun in fremder Erde. Bei den Ausflügen, die sich über mehrere Tage erstreckten un! bei denen das Fahren oft durch notwendige Transporte und Bor schübe unterbrochen werden mußte, war auch manche Ortschaft zi sehen, die vor längerer oder kürzerer Zeit Kampfplatz war. Di Namen aufzuzählen führt zu weit, es ist zum Teil auch nicht gestatte! aber alle Teilnehmer unserer Fahrt unter denen alle politischei Ueberzeugungen und mit Ausnahme des mohammedanischen Glauben alle Bekenntnisse vertreten waren haften die größte Genugtuuu