Die italienische« Finanzen sind ein Bild des Elends der Bevölkerung. Die Einnahmen gehen ständig zurück, so wurden im Februar um 2 Millionen Lire weniger an Zöllen und 850 000 weniger an Verkehrssteuern eingenommen.— Je wackliger eine Regierung, desto häufigere und glänzendere Vertrauensvoten. Die meisten Ver- lrauensooten hat die französische Regierung erhalten, und in Frankreich sind auch die meisten Regierungen um- gestürzt worden. In Italien ist's ähnlich. Der fallende Giolitti klammerte sich an Vertrauensvoten, die nicht ver- sagt wurden— bis der ktrach kam. Das Vertrauensvotum, das Herr Crispi sich vor vier Tagen geholt hat, beweist nur, daß er ein Vertrauensvotum nöthig hat— und das ist ein schlimmes Zeichen politischer Gesundheit. Tie Opposition gegen den famosen Finanzplan ist auch unmittelbar nach dem Vertrauensvotum wieder hervorgebrochen. Die gesummte Presse mit alleiniger Ausnahme der Regierungsblätter verurtheilt ihn als einen Hohn auf die Roth des Volks. Und die konservative und klerikale Presse wetteifert i mit der radi- kalen, republikanischen und sozialistischen in der Brand- markung einer Polin!, die ein Menschenalter Zeit hatte, ihre Versprechungen zu erfüllen und die keine erfüllt hat. „Unter den Bourbonen war's schlecht, aber jetzt ist es weit schlechter!*— Das ist der Ruf, der durch das Land gellt. Ist's schon das Grablied der Monarchie?— Mit Gladstone ist der alte klassische Parlamentaris- mus aus dem englischen Unterhaus gegangen: dieser Par- lamentarismus, der auf die hergebrachten Formen noch großen Werth legt, und«ine gute Rede— im korrekten Zunftstil— als ein Ereigniß betrachtete. Die junge Ge • neration ist einfacher und rücksichtsloser. Sie sieht weniger auf Kunst, als auf's„Geschäft"— sie ist vorherrschend praktisch. Das bürgerliche Element pfeift auf die vornehme Perrückenweisheit, und die Arbeiter pfeifen nicht blos dar auf, sondern werden, sobald sie die Macht haben, die Perrücken abreißen und— ausgeklopft oder unausgeklopst— zum Fenster hinaus oder in die Müllgrube werfen. Die konservative Presse widmet dem scheidenden Gegner- Worte der Anerkennung, die vielleicht um so ehrlicher ge meint sind, weil Gladstone, trotz all seiner radikalen Phrasen, im Grunde genommen doch durch und durch konservativ war. Trotz aller Reformen war er ein Damm gegen durch- greisende Neuerungen, und jetzt, da der Damm gefallen, kann die neue Zeit ungehindert eindringen. Das Ministerium Rosebery ist noch nicht fertig. Die Stellenvertheilung ist schwieriger, als Anfangs geglaubt wurde. Da Rosebery im alten Kabinet Sekretär des Acußeren war, und er im neuen diesen Posten nicht be- halten konnte, so galt es, einen passenden Mann für ihn zu finden, was nicht leicht war, da die Liberalen durch ihre schwächliche auswärtige Politik meistens arg kompromittirt sind. Die Wahl ist auf den 68 jährigen Lord Kimberley gefallen, der gleich Rosebery der goldenen Mittelmäßigkeir angehört und wenigstens nicht schlechter ist als ein anderer. Im Uebrigen verweisen wir auf unseren heutigen Leit- artikel.— Der spanisch-marokkanische Konflikt ist beendet. Marokko zahlt an Spanien ca. 16 Millionen Mark Ent- schädigung für die Kriegskosten.— In den Vereinigte« Staaten, dem einstigen„Paradies der Bauern", sind nach dem neuesten Zensus die Farmer dermaßen verschuldet, daß über ein Drittel des Landes nicht den Farmern, sondern den Hypotheken- gläubigern gehört. Die Gesammthypothekenschuld beträgt sechsunddreißig Prozent des gesammtcn Landwerthes. Und die Verschuldung wächst reißend. Was sagen die Herren Antisemiten dazu? Jüdisches Kapital giebt's in Amerika nicht— außer in christlichen Händen— wohl aber viele tausend jüdische Proletarier.— Bellamy, der berühmte Verfasser des LaoKing backward(Rückblicks), hatte bekanntlich den wunderlichsten Ein- fall, seinen Roman für ernst und sich selber für einen Po- litiker zu halten. Er gründete eine„Partei", die eine Zeit lang viele Mitglieder, und ein Blatt, das eine Zeit lang viele Leser zählte. Allein für Romane hat die bürgerliche Gesellschaft nur auf den: Büchertisch Platz— nicht in der Wirklichkeit. Und so ist denn das Blatt Bellamy's einge- gangen, nachdem seine„Partei" schon vorher verduftet war. Mit der Phantasie wird die soziale Frage nicht gelöst, der Emanzipationskampf des Proletariats ist kein Roman, und wer die Uebel der kapitalistischen Gesellschaft ausrotten will, der hat sich einzureihen in die Armee der Sozialdemokratie. Will er das nicht— dann bleibe er lieber zu Haus.— Warnung für deutsche Laudarbeiter. In der „New-Iorker Handelszeitung" vom 24. Februar finden wir eine Notiz mit der Ueberschrift:„Verlangt 50 000 d e u t s ch e F a r m a r b e i t e r." Die Pflanzer im Missi- sippi-Thale haben mit den freigelasienen Negern— so heißt es— schlechte Geschäfte gemacht, und seit Jahren haben sie es mit italienischen, schwedischen und norwegischen Arbeitern versucht, aber damit keinen Erfolg gehabt. Die Italiener verzogen sich schnell in die Städte, und den Skandi- naviern war das Klima zu heiß. Dagegen haben sich deutsche Landarbeiter sehr gut bewährt— so gut, daß die Illinois C e n t r a l b a h n, die längS ihrer Linien viele tausend Acres Land besitzt, jetzt öv 000 deutsche und holländische Landarbeiter einführen will und zu diesem Zweck„eine Dt enge Agenten" nach Deutschland und Holland geschickt hat. So die Mittheilung der„Ncwyorker Handelszeitung', die ohne Zweifel gut unterrichtet ist. Die Seelenverkäuferei ist also unter der Hand schon im vollen Gang und die Werber werden alle Künste der Verlockung spielen lassen. Mögen die deutschen Arbeiter auf der Hut sein! Sie sollen Arbeit verrichten, für welche die Neger nach ihrer Freilassung sich nicht hergeben wollten. Sie sollen Arbeit thun, zu der freie Arbeiter bisher nicht zu haben waren. Und aus sehr guten Gründen. DaS Missisippithal ist s u m p ig und sieberreich— das Gelbe Fieber i t da zu Haus— und der Deutsche kann dort ebensowenig fortkommen wie die Schweden und Norweger . Selbst die Italiener, denen das Klima, weil sie an Hitze gewöhnt sind, weniger zusetzt, haben es zu ungesund ge- fanden. Da'soll denn der Deutsche , als der Allerwelts-Pack- csel, an Stelle der ehemaligen Negersklaven treten, und die Arbeiten verrichte», für die sogar die freien Neger sich zu gut halten. Tie Chinesen-Einfuhr ist verboten— und ich man denn auf deutsche Kulis versallen. An goldenen Versprechungen wird es nicht fehlen. Aber im Paradies, das dort blühen soll, herrscht der Tod und die S k l a- v e r e i— und aus der Sklaverei giebt eS kein Entrinnen, als durch den Tod! Also seid auf der Hut, Ihr deutschen Landarbeiter!— z>srl«»nenk«vtkickkes. Die Budgetkommisstoa beendete in ihrer heutigen Sitzung die Berathung des Marine- Etats; die Regierungsiorderung für die erste Rate eines Trockendocks in Kiel im Betrage einer Million Mark wurde trotz eingehender Befürwortung des Staats- sekretärs der Marine einstimmig abgelehnt, weil die Kommission der Meinung war, daß die Marine noch ohne dieses Dock aus- kommen könne. Eine längere Zeit nahm die Erörterung der Forderung aus Einsetzung der ersten Raten für Schiffsbauten, die zum Ersatz für allere, nicht mehr kriegstüchtige Schiffe bestimmt sind, in Anspruch. Gefordert sind 3 Ersatzbauten mit ersten Bauraten von 3 200 000 M., wobei ein Engagement von etwa 36 Millionen Marl eingegangen wird. An der umfangreichen Diskussion über diese Elatstilel betheiligten sich in zustimmendem Sinne die Redner des Zentrums, sowie der konservativen und nationalliberalen Partei, während von den freisinnigen und sozialdem okralischen Rednern energischer Wider- spruch dagegen erhoben wurde, daß eine Vermehrung der Flotte unter dem Titel von Ersatzbauten vorgenommen wird. Der Staatssekretär für die Marine gab auf Anregung eines Mit- gliedes der Kommission die Erklärung, daß die Marine- Verwaltung bemüht sein werde, die Kontrolle und Beaufstchtigung der Schiffsbauten noch wirksamer als bisher zu organisiren. damit Unfälle, wie sie leider auf der„Brandenburg " vorgekommen sind, vernneden werden. Hierauf wurden die beantragten Ersatzbauten bezw. die ersten Bauraten mit 13 gegen S Stimmen bewilligt. Die Kommission erledigte noch einige im Rückstu...-- bliebene Titel und setzte, hierbei 200 000 M. von den Sa», verpflegungs-Kosten ab, ein Abstrich, der mit den billigeren Lebensmittelpreisen motivirt wurde. Die nächste Sitzung zur Berathung des Etats der Reichs- Eisenbahnen sindet morgen Vormittag statt. Xm. Kommission. Deutsch -russischer Handelsvertrag. In der Sitzung am Dienstag, den 6. wurde der Artikel 20, welcher die Dauer des Vertrags aus' Jahre festsetzt, nach längerer Debatte angenommen. Während der Referent Abg. Möller die Wichtigkeit der längeren Vertrags- dauer hervorhebt, meinte der Korreferent Abg. v. Frege, die Industrie könne selbst kein Interesse an einer langen Dauer des Vertraqs haben. Die Abgg. v. Hammerstein, v. Manteuffel und o, Frege beantragten, de» Vertrag mit einjähriger Kündigung abzuschließen. Dieser Antrag wurde mit allen gegen 6 Stimmen der Konservativen abgelehnt und daraus Artikel 20 mit 14 gegen 9 Stimmen genehmigt. 6 Kommilstonsmit- glieder fehlten. Bei der Berathung der Tarispoütionen, nach welchen die deutschen Produkte bei ihrer Ankunft in Rußland verzollt werde» müffen, erklärte der konservative Abg. Holtz, der ein grundsätzlicher Gegner des Vertrages ist, daß die für Obst erzielten Zollermäßigungen für den Kreis, welchen er im Reichstage vertrete, sehr werthvoll seien. Die Berathung des Artikels Hopsen wurde auf Antrag des Abg. Lenzmann bis zur nächste'' Sitzung zurückgestellt, um einem Kenner des Hopfen- oaues Gelegenheit zu'geben, sich an den Verhandlungen bethei» ligen zu können. Bei der Zollposition sür Zement gab der agrarische Abg. v. Salisch der Befürchtung Ausdruck, die Russen könnten eben mit deutschem Zement ihre Festung zu billig bauen, er fand den Zollsatz nach Rußland zu niedrig, während sonst die Herren Agrarier immer behaupten, die russischen Einfuhrzölle seien zu hoch. Eine längere Debatte entstand sodann noch über den Kohlenzoll. Vom l. Januar 1893 lann Rußland den Kohlenzoll ändern: derselbe muß aber bei der Einfuhr zu Lande ebenso wie bei der Einfuhr zur See gestaltet werden. Dadurch ist Deutsch - land nicht ungünstiger wie England gestellt. Der Referent meinte, wahrscheinlich werde Rußland den Kohlenzoll im Jnter- effe seiner Industrie später noch mehr herabsetzen.— Wenn alles unnütze Gerede vermieden wird, kann die Kommission in zwei Sitzungen ihre Arbeit beendet haben. Sehr langweilig werden die Verhandlungen durch den Referenten Abg. Möller gemacht, der alles das, was die Regierung in ihrer Denkschrift bereits angegeben ha«, noch einmal in breiter Weise wiederholt. Herr Möller scheint der Meinung zu sein, daß er der Einzige ist, welcher die Denkschrift gelesen hat. pnvketNNckvirfcum. Parteipresse und Parteibeiträae. Aus dem Parteitag für Bremen und die benachbarten Wahlkreise, der am 4. März in der Vercinshalle zu Bremen stattfand, wurde auch die Lage der Parteipresse zur Sprache gebracht und dabei speziell auch des in Bant erscheinende» Wochenblattes„Nordwacht" Er- wähnung gethan. Sin dem Berichte der„Norddeutschen Volksstimine" lesen wir er folgendes: „Redner(Bruhns-Bremen) geht dann auf die.Nordwacht" ein. Die Bestrebungen aus Gründung von Tagesblätlern seien nicht zurückzudrängen. Mit der Gründung des„Sozialdemokrat" sei er dagegen nicht einverstanden; derselbe bringe sowohl den Wochenblättern wie den Tageblättern der Partei Schaden. Zum Schluß nimmt Redner die„Nordwacht' gegen die Angriffe Paher's in Schutz. Patzer-Delmenhorst kommt nochmals auf seine Beschwerden zurück und hält dieselben aufrecht.(Es handelt sich um eine Ein- sendung, welche nicht rechtzeitig Aufnahme fänd.) Hanerkamp-Gecstemünoe begrüßt es mit Freuden, wenn die „Nordwacht" aufrecht erhalten werden könnte. Wen» auch die Parteileitung bei Bewilligung von Zuschüssen a» die Parteipresse nicht so freigebig sei, so hoffe er doch, daß sie sich in diesem Falle nicht ablehnend verhalten werde. Bezüglich des von Patzer angeführten Falles bemerke er, daß, wenn seit der Einsendung des Berichts schon drei Wochen verstrichen seien, so wäre es nicht mehr wie in der Ordnung, wenn der Einsender sich in- zwischen einmal um Auskunst an die Redaktion gewendet hätte. Im übrigen hoffe er, daß die Mißstimmung, die anscheinend in Delmenhorst gegen die„Nordivacht" herrsche, nicht in wettere Kreise getragen, sonder» verschwinden würde und daß man in Zukunft mir allen Kräften dahin strebe, dem Blatte neue Leser zuzuführen. Stenzel-Bant erklärt noch, daß ein Zuschuß für die„Nord- wacht" jetzt nicht erforderlich sei. Folgende Resolution findet einstimmige Annahme: „Der Parteilag erachtet die„Nordivacht" als ein vorzüg- liches Agilationsnnltel. insbesondere für die ländlichen Kreise und wünscht daher, daß die„Nordwacht", deren Bestand durch die Gründung von Tagesblättern lokalen Eharakters sehr geiähr- del erscheint, durch finanzielle Unterstützung seitens der Partei- leitung der Partei und unserer Sache erhallen bleibe." Wir möchten zu dieser Darstellung doch ein paar Worte be- merken. Was des Genossen Bruhns Bedenken gegen den„Sozial- demokrat" betrifft, so erledigen sich dieselben durch den Hinweis, daß der„Sozialdemokrat" auf gruud eines Parteitagsbeschlufles ins Leben getreten ist. Wie sehr damit einem in der Partei vor- handenen Bedürfmsse entsprochen wurde, zeigt wohl am besten die Thatsache, daß in den wenigen Wochen, wo das Blatt be- steht, die Zahl der Abonnenten desselben bereits daS 10. Tausend überschritten ist. Was aber die Unterstützung der lokalen Parteiblätter aus der Zentralkasse betrifft, so scheinen einzelne Genossen nachgerade zu vergesse», daß die Parteileitung das wieder für Partei- zwecke ausgeben kann, was ihr vorher zu diesem Behuf« aus Parteikreisen zur Verfügung gestellt wird. Ueber die Schätze Indiens verfügt die Parteileitung nicht und bekanntlich lassen sich auch die tiefsten Brunnen ausschöpfen. Wenn deshalb die Delegirten auf dem Bremer Parteitag sich vorher aus den monatlich von unserem Parteikasstrer veröffent- lichten Quittungen über die eingegangenen Parteibeiträge über- zeugt hätten, wie schwach dort speziell der Bezirk des Parteitags vertreten ist, vielleicht wäre dann der Beschluß betr. der„Nord- wacht" etwas weniger positiv ausgefalle». Wir haben uns die Mühe gemacht und haben die drei letzten Quittungen der Monate November, Dezember und Januar durchgelesen und fanden wir darin den Parteitags- Bezirk mit nachfolgenden Posten vertreten: November: Bremerhaven 3,83; Dezember: Delmenhorst 2,35. Die Genossen werden zugeben, daß diese Thatsachen doch zu denken geben. »» "-bor d'e Auflösung des Ronsdorfer„Frauen- und Mädchen- BildungsvereinS", über die wir f. Z. berichteten. wurde am S. d.M. vor der Strafkammer zu Elberfeld end- giltig entschieden. nachdem am 22. Septeniber das Amtsgericht Lennep unter Verurtheilung der Vorstandsmitglieder zu 20 bezw. 15 M. die Schließung bestätigt hatte. Der Verein, der vor kaum Jahresfrist„zur Vertretung der geistigen und wirth schaftlichen Interessen semer Mitglieder" gegründet wurde, soll gegen das Vereinsgesetz verstoßen haben, indem er sich mir Politik befaßt habe. Das sollte aus Vorträgen hervorgehen, die aber gar nicht im Verein, sondern in„öffentlichen Frauen- Versammlungen" gehalten worden waren. Weiler sollten die „politischen Bestrebungen" des Vereins auch dadurch„bewiesen" sein, daß die Vorsitzende eine Agitalionsreise gemacht und während der Wahl Flugblätter verlheilt habe. Das Nrtheil lautete aus Bestätigung der Strafe von 20 M. gegen die Frau Kormannhaus und von 15 M. gegen die vier Anderen. Auch wurde die Schließung des Vereins bestätigt, da es als„außer Zweifel stehend" erklärt wurde, daß derselbe von Ansang an eme politische Tendenz gehabt, und nur die Mitglieder zur Uu- zusriedenheit gegen die bestehenden Zustände habe aufreizen sollen. Die Verhandlungen zeigten übrigens, wie es um unser viel- gerühmtes Briefgeheimniß bestellt ist. Ein Brief der Frau Grimpe war in die Amtsfinger des Stadtsekretärs zu Ronsdori gelangt und eine Abschrift davon dem Anklagematerial beigefügt. Ans die Frage des Vertheidigers, Rechtsanwalt Lands, wie der Brief in die Hände des Stadtselretärs gekommen fei, wurde die in solchen Fällen stereotype Antwort ertheilt, daß„die Aus- sage darüber mit Berufung auf die Amtsver- schwiegenheit verweigert werde."— Eine samose Einrichtung dieses„Amtsgeheimniß". Der Beamte kann also jedes Unrecht— um uns ganz milde auszudrücken— begehen, um es dann durch seine„Amtsverschlviegenheit" zu decken. Er und seine Helfershelfer können alles Mögliche gegen den Angeklagten schleudern, will man sie fassen, sollen sie beweisen, so ziehen sie sich hinter ihren A m t s e i d". ihr„A m t s g e h e i ni n i ß" zurück. Auf die bloßen Aussagen von Polizeibeaniten hin, ge- deckt durch den„Amtseid", sind, bekanntlich schon mehrfach die schärfsten Verurtheilungen von Sozialdemokraten versucht und auch herbeigeführt worden und daher der Name— Rechts- st a a t. »» Gemeinderathöwahlen. Bei den am 1. März in Salza , Kreis Nordhausen , stattgefundenen Gemeinderaths- wählen fielen von 3 Sitzen, die neu zu besetzen, 2 den Sozial- deuiokraten zu; der dritte Genosse unterlag gegen 1 Stimme Majorität. - Die NenniahlenderArbeitgeber-Beisttzer zum Münchner Gewerbegericht fanden am Montag statt. Die letzte Wahl, bei der die sozialistische Liste gesiegt hatte, war bekanntlich für un- giltig erklärt worden. Diesmal nun sind die Sozialdemokraten dem vereinigten Mischmasch unterlegen. Der Kamps muß ein sehr erbitterter gewesen sein, denn der Mischmasch siegte mit 1672 Stimmen über unsere Parteigenossen, welche es auf 1133 Stimmen brachten. Bei der ersten Wahl kamen die Gegner auf nur 391 Stimmen, währenddem die sozial- demokratische Lifte 409 erhielt.„Alles, was auf die Beine ge- bracht werden konnte, so schreibt die„Münchner Post", wurde pünktlichst geschleppt. In holder Eintracht wackelten hochliberale Kommerzicnräthe und stark abgemagerte, sonst aber.gutgesinnte Flickschneider und andere Gewerbetreibende heran, um die in allen treu gesinnten Blättern geschilderte Ehre des Münchener Gewerbestandes, als auf dem Spiele stehend, die Ordnung der lieben Vaterstadt vertheidigen und retten zu helfen." «» » Bei den am 5. Februar in Boizenburg (Mecklenburg ) stattgefundenen Sladtverordnetenwahlen erhielt rm ersten Wahl- gang von 193 abgegebenen Stimmen Genosse Garber 87, Mnhlenbesitzer Hinselmann 73, Oekonom Haupt 29, zersplittert waren 9 Stimme». In der Stichwahl unterlag jedoch Garber. Ist für dieses Mal unsererseits der Sieg auch noch nicht er- rungen, so ist doch das Resultat ein erfreuliches. Bon Be- deutung für diese Wahlen ist, daß nur Bürger, welche das Bürgerrecht für klingende Münze erworben, wahlberechtigt und ivählbar sind und daher�die große Masse„nix to seggen" hat. Todtenlifte der Partei. Jjn London starb am 1. d. M. nach jahrelangem sehr schwerem Leiden der Genosse Adam Weiler im Aller von 53 Jahren. Er war wohl 20 Jahre sür die Befreiung der Arbeiter aus der politischen und ökonomischen Knechtschaft thätig, diese un- ermlldliche, aufreizende Thätigkeit hier in England, nicht nur unter den Deutschen , sondern auch unter den Engländern seiner Gewerkschaft, sowie auf den nationalen und internationalen Kongresse», sichert ihn» bei Allen ein dauerndes Andenken. Polizeiliches, Gerichtliche»:c. — Ueber den Begriff: Versammlung scheinen die Gerichte ganz neue Anschauungen sich zu eigen machen zu wollen. In Velten i. M. wurde im April v. I. eine Kom- Mission gewählt, die sich mit der Einführung der Tabak-Kontroll- marke beschäftigen sollte. Um die Tabakindustriellen von Oranienburg zur Einführung zu veranlassen, hatte die Kom- Mission sich brieflich an diese gewandt und sie zu einer Besprechung eingeladen. Als die Betreffenden in einer Gast- ivirthschaft vereinigt waren, erschien plötzlich ein Gendarm und „löste die Versammlung auf". Anwesend waren 5 Personen; alle erhielten ein Strafmandat von 13 M., gegen das sie Be- rufung einlegten. Das Amtsgericht Oranienburg entschied im Sinne des Strafmandats, ebenso das Landaericht II Berlin und schließlich auch das Kanmiergericht.— Das Versammlung«. recht besagt, daß„eine nicht allzu kleine Zahl" von Personen dazu gehöre, um eine Versammlung bilden zu können. Hier waren also 5 Personen anwesend, es fehlte auch jedes sonstige Merkmal einer Versammlung. wie Vorsitzender u. s. w. Wird obige Auffassung des Gerichts über den Begriff Versammlung allgemein, so würde bald jede Kommissionssitzung, schließlich auch jedes politische Gespräch am Biertisch zu einer Versammlung gestempelt werden können.
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