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Kriege abzuhalten. Ihre Presse hat in der schärfsten Form unausgesetzt gegen die Kriegstreibereien der italienischen Nationalisten angekämpft. Und in zahllosen Versammlungen und Demonstrationen ist dieser Kampf nicht minder energisch geführt worden. Noch in den letzten Tagen, als der Kriegs- rausch der italienischen Intellektuellen und starker Kreise der Bourgeoisie die bedrohlichsten, gemeingefährlichsten Formen angenommen hatte, waren es die italienischen Sozialisten, die flammende Proteste gegen denKrieg unter die Massen schleuderten und durch gewaltige Kundgebungen ihrei? unerschütterlichen Willen zum Frieden in die Wagschale warfen. Wenn unsere italienischen Genossen trotzalledem den Krieg auch nicht verhindern konnten, so werden sie, dies Vertrauen hegen wir, doch auch künftig alles aufbieten, um wenigstens die Dauer des Krieges abzukürzen.

Mobilmachung und Selagerungszustanü in Italien . Rom , 23. Mai. (W. T. B.)(Meldung der Agence Havas.) Der König hat die allgemeine Mobilmachung des Heeres und der Marine sowie die Requirierung aller Fuhr- werke und zur Beförderung dienenden Tiere angeordnet. Rom , 23. Mai. (W. T. B.) Nach Mitteilungen aus pri- baten Quellen ist der Belagerungszustand der- hängt worden über die Provinzen Sondrio , Breszia, Verona , Vizenza, Belluno , Udine , Venedig, Treviso , Padua , Ferrara und Mantua und ferner über die Inseln und Ge- meinden an der Küste der Adria sowie über alle vom Kriegs- minister und Marinemmtster, als verteidigungsfähig aner­kannten Festungen, J Hefterrekchische Maßnahmen für üen italienischen Krieg. Wien , 23. Mai. (W. T. B.) Eine in derWiener Zeitung " veröffentlichte K a i s e r l i ch e V e r o r d n u n g vom 23. Mai verleiht dem Höchstkommandierenden der zu Kriegsoperationen gegen Italien bestimmten Teile der bewaffneten Macht die Befugnis, in Tirol, Vorarlberg , Salzburg , Steiermark , K r a i n, G ö r z, G r a d i s k a, I st r i e n sowie in T r i e st mit seinem Gebiete zur Wahrung der mili- tärischen Interessen im Bereiche der politischen Verwaltung innerhalb des dem politischen Zandeschef zustehenden anit- liehen Wirkungskreises Verordnungen zu erlassen, Befehle zu erteilen und die Beobachtung derselben gegenüber den hierzu Verpflichteten erzwingen zu lassen. Tie»Wiener Zeitung " veröffentlicht ferner eine V e r- o r d n u n g der Ministerien des Innern und der Justiz, durch welche dieinJtalienerscheinendenperiodischen Druckschriften verboten und eine Revision der von dort einlangenden nicht periodischen Druckschriften angeordnet wird. Diese Verordnung findet auf Verlautbarungen des Heiligen Stuhles keine Anwendung. Wien , 23. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser hat den G e- meinderat der reichsunmittelbaren Stadt Trieft a u f g e l ö st und auf Grund des 8 121 Absatz 3 der Verfassung dieser Stadt vom 15. April 1853 eine imLandes- gesetzblatt für das Küstenland" heute publizierte Kaiserliche Verordnung erlassen, in welcher in Abänderung einiger Be< stiinmungen dieser Verfassung angeordnet wird, daß der Statthalter zur einstweiligen Besorgung der Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung die erforderlichen Verfiigungen zu treffen hat. Trieft, 23. Mai. (W. T. B.) Auf eine Verfügung des Statthalters von Trieft ist der G e m e i n d e r a t der Stadt Görz aufgelöst worden.

Ein Manifest ües österreichischen Kaisers. Wien , 23. Mai. (W. T. B.) Eine Extraausgabe derWiener Zeitung " veröffentlicht folgendes Allerhöchstes Handschreiben: Lieber Graf Stürgkhl Ich beauftrage Sie, das angeschlossene Manifest an meine Völker zur allgemeinen Verlautbarung zu bringen. Wien , am 23. Mai 1916. Franz Josef m. p. Stürgkh m. p. An meine Völker! Der König von Italien hat mir den Krieg erklärt. Ein Treubruch, dessen gleichen die Geschichte nicht kennt, ist von dem Königreich Italien an seinen beiden Verbündeten begangen worden. Nach einem Bündnis von mehr als dreißigjähriger Dauer, wäh- rend dessen es seinen territorialen Besitz mehren und sich zu un- geahnter Blüte entfalten konnte, hat uns Italien in der Stunde der Gefahr verlassen und ist mit fliegenden Fahnen in das Lager unserer Feinde übergegangen. Wir haben Italien nicht bedroht, sein Ansehen nicht ge- schmälert, seine Ehre und seine Interessen nicht angetastet, wir haben unseren Bündnispflichten stets getreu entsprochen und ihm unseren Schirm gewährt, als es ins Feld zog, wir haben mehr getan: Als Italien seine begehrlichen Blicke über unsere Grenzen sandte, waren bir, um das Bündnisverhältnis und den Frieden zu erhalten, zu großen und schmerzlichen Opfern entschlossen, zu Opfern, die unserem väterlichen Herzen besonders nahe gingen. Aber Italiens Begehrlichkeit, das den Moment nützen zu sollen glaubte, war nicht zu stillen, und so muß sich das Schicksal voll- ziehen. Dem mächtigen Feinde im Norden haben in zehnmonatlichcm gigantischen Ringen und in treuester Waffenbrüderschaft mit dem Heere meines erlauchten Verbündeten meine Armeen siegreich stand- gehalten. Der neue heimtückische Feind im Süden ist ihnen kein neuer Gegner. Die großen Erinnerungen an Nobara, Mortara, Custozza und Lissa, die den Stolz meiner Jugend bilden, und der Geist Radetzkys. Erzherzogs Albrecht und Tegetthoffs, der in meiner Land- und See- macht fortlebt, bürgen mir dafür, daß wir auch gegen Süden hin die Grenzen der Monarchie erfolgreich verteidigen werden. Ich grüße meine kampfbewährten, siegerprobten Truppen. Ich vertraue auf sie und ihre Führer. Ich vertraue auf meine Völker, deren beispiellosem Opfermute mein väterlicher Dank gebührt. Ten Allmächtigen bitte ich, daß er unsere Fahnen segne und unsere gerechte Sache in seine gnädige Obhut nehme. Franz Josef m. p. Stürgkh m. p. Die deutschen Gesanöten beim Vatikan bleiben in Lugano . Bcru, 24. Mm.(W. T. B.) Das Schweizer Politische Departement hat der Tessiner Regierung mitgeteilt, daß die GesandtenPreußensundBayernsbeimVati- kam h ren d d er Kr iegsdauer i n Lug a n o Auf- enthalt nehmen werden, und hat die Regierung er- sucht, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. ttach öer italienischen Kriegserklärung. Lugano , 24. Mai. (T. 11.) Nach Meldungen aus Rom wurde der Abbruch der italienisch-österreichischen Beziehungen dort erst heute früh bekannt. Es fanden abermals große Kundgebungen vor dem königlichen Schlosse, der Confulta und der englischen Bot- schaft statt. Der russische Botschafter von Giers wurde von der Menge erkannt und lebhaft begrüßt. Die Wogen der Begeisterung gingen jedoch nicht mehr so hoch, wie in den Tagen der Parlaments- sitzung. Man erwartet stündlich in Rom das Eintreffen der Kriegs- erklärung Deutschlands. G i o r n a l e d' I t a l i a" bemerkt dazu allerdings, daß eine derartige offizielle Erklärung der deutschen Re- gierung nicht mehr erfolgen werde, da der Standpunkt Deutschlands durch die gleichzeitige Abreise des deutschen und des österreichischen Botschafters hinreichend gekennzeichnet sei. Seit gestern ist die Ueber wachung der Telegramme und Briefe noch bedeutend verschärft worden.

Die Arbeiterpartei setzt unter Führung desA v a n t i" ihren heftigen Kampf gegen den Krieg auch jetzt noch fort. Aus dem letzten Leitartikel des Blattes hat die Zensur fast alles ge- strichen. Auch Protest Versammlungen der Arbeiter in Florenz und Turin , die für gestern angesagt worden waren, wurden von der Polizei unter Anwendung von Er- walt zerstreut, wobei es zu Blutvergießen kam. Nach den Schilderungen von Reisenden herrscht unter allen eingezogenen R e s e r v i st e n grenzenlose Wut über die Machen- schaften der Jrredentisten. Die Stimmung der Truppen sei derart, daß angenommen werden könne, der geringste Mißerfolg würde den italienischen Soldaten das Zeichen zu schweren Disziplinver- gehen geben. Trotz der Verstärkung der italienischen Grenzwachen dauern die Desertionen nach der Schweiz an. In Lugano sind heute früh mehrere hundert Deutsche aus Neapel und Sizilien eingetroffen. Sie haben unter Zurücklassung ihres gesamten Eigentums flüchten müssen, da sie ihres Lebens nicht mehr sicher waren. Die Vorsichtsmahregeln der Schweiz , insbesondere die Zu- sammenziehung von Truppen in den Grenzbezirken, dauern au. Der�lvanti" gegen Sonnino. Wie demBerl. Tageblatt" aus Lugano gemeldet wird, sind demA v a n t i" zufolge die parlamentarischen Kreise Roms von dem Grünbuche durchaus nicht so erbaut, wie es nach den Jubelhymnen der Kriegspresse scheinen könnte. Jiu Gegenteil wird Sonnino vorgeworfen, daß er die VerHand- lungen mit Oesterreich-Ungarn nicht in versöhnlichem und wirklich praktischem Geiste geführt habe. Hätte er, statt ur- plötzlich und brüsk den Dreibundvertrag zu kündigen, am 3. Mai oder vorher Oesterreich-Ungarn ein Ultimatum gestellt, so wäre wahrscheinlich eine Einigung zustandegekommen. Ucberhaupt mache Sonnino seiner Eigenschaft als Enkel Macchiavellis wenig Ehre und werde in der Geschichte keinen Ehrenplatz einnahmen. Das sozialistische Blatt das freilich das einzige italie- irische Blatt ist, das den Krieg verwirft veröffentlicht auch heute seitenlange Berichte über Prote st kundge Hungen gegen den Krieg. Italienische Reservisten gegen öen Krieg. Ein italienischer Genosse, der bis Ende voriger Woche in Italien weilte und jetzt nach der Schweiz gefahren ist, um seine dort weilende Familie abzuholen, schreibt uns u. a. aus Zürichs ... In Vigerano fand am 18. Mai um 814 Uhr abends eine große Versammlung der Sozialisten statt. Es sprachen die Genossen Pistoria und Cassiano in ungefähr einstündigem Referat über das Thema:Was verlaugt das Proletariat in diesem schweren Augenblick des Kriegsgeschreies?" Einberufen war die Versammlung vom Arbeitsausschuß des sozialistischen Jugendvcr- eins und Vertretern der Anarchisten. Ter Abgeordnete der Pro- vinz und Gemeinde, Genosse Morselli, sprach über den Gene- ralstreik, der proklamiert werden würde, wenn der Krieg erklärt wird. Nach Schluß der Versammlung zogen alle Teilnehmer in die Straßen und auf einen freien Platz. Plötzlich wurde ein Signal gegeben, auf das Polizisten auf die Demonstranten eindrangen. Natürlich haben die Polizisten des Landes des Salandro nur die Weisung, gegen uns vorzugehen, nicht aber gegen die Kriegsschreier. Es herrschte jedoch keine Einigkeit zwischen den Karabinieren und den Soldaten, denn die S o l- baten(eingezogene Reservisten) stimmten mit fester Stimme in den Ruf:Nieder mit dem Krieg!" ein. Viele der Ver- sammelten wurden verhaftet, ihre Zahl wird auf nahezu 69 an- gegeben; bennoch riefen alle, daß sie wüßten» was sie morgen unternehmen wollten und erklärten sich gegen den Krieg. Dieselbe Haltung nahmen auch Reservisten in Massen am 18. Mai in Pavia , in Bassano Veneto und in C i v i- tavecchia ein. Als in einem Cafe feingekleidete Herren in den Ruf:Es lebe der Krieg!" ausbrachen, wurde alarmiert, und die Soldaten gingen scharf gegen diese Leute vor(es waren Mitglieder der französischen Legion), die nach allen Seiten flohen. In Pieve di Teco beteiligte sich die größte Mehrzahl der Einwohner an einer Demonstration gegen den Krieg. Es waren 299 Mann der A l p i n i(italienische Alpentruppe. D. Red.) zu- gegen. Nachdem der Bürgermeister, ein Genosse, gesprochen hatte,

Kulturarbeit üeutscher Soldaten in Polen . lleberschreitek man von Flammberg in Ostpreußen aus die Grenze, so bekommt man den besten Begriff von deutscher Sauber- kcit und russischem Dreck. Bis nach Flanimberg eine Chaussee, daß es eine Lust ist, darauf zu gehen; kommt man aber hinter dem Ort an dem ehemaligen Zollhaus, das jetzt zusammengeschossen ist, vorbei, so kann man mit einem Fuße auf trockenem Boden stehen, nut dem anderen im Schlamm. So jäh bricht mit der Grenze die Cl>aussee ab. Und was nun folgt, sind Schlamm und Wasser- tümpel, hin und wieder ein Baum, der dem Wanderer sagt, daß hier eine sogenannte Straße entlang geht. Diese Art Straßen liegen tiefer als die Felder; das Wasser sammelt sich dort. Unsere Truppen zogen es vor, über die Felder eine eigene Straße zu bilden, und so sieht man Fahrgleis an Fahrgleis rechts und links derChaussee". Diese Fahrbahn ist stellenweise bis 399 Nieter breit. Doch nicht lange mehr dauert dieser Zustand: Pioniere, Armierungstrnppen und Landsturm sind schon lange damit beschäftigt, eine wirkliche Chaussee zu bauen. In Er- mangelung anderen Materials werden Bäume gefällt, dreifach übereinander Stamm an Stamm gelegt, darauf etwas Sand ge- werfen, rechts und links ein Chausseegraben ausgehoben, und der schönste Bohlenweg, breit genug, daß sich Fuhrwerke ausweichen können, entsteht. Und überall, wo man hinsieht, sind derartige Arbeiten im Gange. Von Flammberg fünf Kilometer entfernt liegt das Städtchen Chorzelc. Im Herbst hat hier der Krieg gewütet und seine Spuren hinterlassen. Die Stadt hat in Friedenszeiten etwa 19 999 Ein- wohner. Rechts und links der engen Gäßchen stehen niedrige bau- fällige Holzhäuser und auf holprigem Kleinstadtpflaster stolpert man dahin. Auf dem Marktplatz mögen einige Steinhäuser ge- standen haben. Heute steht keines mehr. An den Trümmerhaufen avcr erkennt man die ehemaligen Bauten. Die Einwohner sind teils geflüchtet, teils von den Russen bei ihrem Rückzüge mit­genommen worden, so auch alle Juden. Die polnische Bevölkerung dclrieb im Frieden Landarbeit; die meisten gingen als Wander- arbcitcr nach Deutschland . Einige Wind- und Dampfmühlen existieren auch. Die Juden sind, wie überall, Handelsleute. Heute würden die wenigen Zurückgebliebenen verhungern, würden sie nicht von der Kommandantur mit Lebensmitteln versorgt und würden nicht unsere Landwehrleute, die hier die Besatzung bilden. von dem, was ihnen zusteht, auch noch abgeben. Kommen Truppen durch, so drängen sich alte Männer und Frauen mit kleinen blassen, vielfach schmutzigen und mit Ausschlag bedeckten Kindern heran und bitten um Brot. Man hat auch kleine Kinder zu Hause. denkt dann unwillkürlich daran, greift in den Brotbeutel, holt

'das letzte Stück Brot und Speck heraus und reicht es den Kindern, die sofort hineinbeißen. An unserer Feldküche steht um die Mittagszeit groß und klein, alt und jung und wartet, ob nicht etwas übrig bleibt, und unsere Köche wissen das; sie kochen als gute Kerle auch lieber zwei, statt einen Kessel voll Essen. Aber auch Verdienstmöglichkeiten hat man schon geschaffen: In den Häusern ist alles voll Pferdedung. Die Männer schaffen ihn hin- aus, und die Frauen scheuern hinterher. Wer sich zu dieser Arbeit meldet, hat Anrecht auf Mittagessen aus der Feldküche und be- kommt außerdem ein halbes Brot und ein Stück Speck. Der Dung kommt auf die Felder, die zum Kartoffelanbau benutzt werden. Das schafft wieder Verdienst; überall sieht man Sol- daten und Zivilisten mit Feldarbeit beschäftigt. An der Kommandantur stehen Frauen und Männer und werden von den Wachtposten einzeln vorgelassen. Er hat seine liebe Not mit ihnen. Sie drängen, gestikulieren und schwadro- nieren, und der Posten versteht von alledem kein Wort. Zurück! Zurück I ruft er immer wieder, und wenn alles auf ihn einredet, so stößt er einnie roeummi"(ich verstehe nicht) hervor. Hoch über allen Trümmern und Häusern ragt die Kirche, zum Teil selbst ein Trümmerhaufen. Der Turm wurde, da sich russische Artillerie auf ihn eingeschossen hatte, gesprengt. Nun fegt der Wind durch die Halle, Vögel nisten über Altar und Heiligenbilder und ihr Gesang hallt durch den Raum. Von Zeit zu Zeit klettert ein frommes Menschenkind über die Trümmer, um drinnen sein Gebet zu verrichten. Auch draußen auf dem Kirchhof knien einige Frauen und legen, jedenfalls in Ermangelung eines Rosen- kranzes, kleine Steinchen von einem Haufen zum anderen. Unweit der Kirche steht die Schule. Keine Türen, keine Dielen und keine Bänke stich mehr darin. Aber schon sind fleißige Hände bei der Arbeit, bauen und zimmern und hämmern. Nur kurze Zeit wird es dauern, und unsere Landwehrleute werden aus einer Ruine ein modernes Schulhaus hergezaubert haben und fröhliche Kinderstimmen werden hier ertönen. Einstweilen be- gnügt man sich damit, die Kinder im Freien zu unterrichten. Jawohl I alles hat die Landwehr fertiggebracht. Ein Unter- offizier. im Zivilberuf Lehrer, hat sich die Aufgabe gestellt, und ein Wehrman», der polnisch spricht, fungiert als Dolmetscher. Eine Woche hatte der Unterricht erst gedauert und ich traute meinen Ohren kaum, als ich, von den Kindern gesungen, das schöne Lied hörte:Kuckuck, Kuckuck ruft aus dem Wald..." Es war just, als ob der Kuckuck wirklich rief. Es'ist vormittags ein Viertel vor acht Uhr. Hinter dem Schulhause ist eine Wiese. Gelbe und weiße Blumen geben ihr das Aussehen eines Teppichs und zwischendurch schlängelt sich ein Bach. An seinen Ufern sitzen Landwehlleute und Zivilisten beim Angeln. Auf der Wiese grasen Kühe und die Pferde von Muni- tionskolonnen und Trains. Die Sonne steht hoch am Himmel und sendet ihre Strahlen auf das Ganze. Es ist ein wundervoller Frühlingstag. Hier auf dieser Wiese tummelt sich allmorgendlich

die Schuljugend und erwartet ihren Lehrer. Einige Soldaten bringen an der Hand je einen kleinen ABC-Schützen, gerade so, als führten sie ihre eigenen Kinder in die Schule. Auch einige Mütter lassen es sich nicht nehmen, ihre Kleinen selbst hierher zu begleiten.... Jetzt kommt Bewegung in die Kinder. Alles rennt nach der Kirchhofsmauer und stellt sich dort auf die Mädchen rechts, und die Knaben links. Cickol Cichol(Ruhe! Ruhel) rufen sie untereinander. Der Lehrer in der Uniform eines Unteroffiziers kommt und führt an der Hand noch zwei der Kleinen. Guten Morgen! tönt es allseitig im reinsten Deutsch. Die Mädchen machen einen zierlichen Knicks und die Buben ziehen tief die Mütze soweit sie eine auf dem Kopfe haben. Der Lehrer steht nun vor der schwierigen Aufgabe, den polnisch sprechenden Kindern, deren Sprache er selbst nicht beherrscht, Deutsch zu lernen. Das geht famos I der Dolmetscher unterstützt ihn dabei. Für den Lehrer soll die Unkenntnis der polnischen Sprache sogar von Vorteil sein. Also gestern lernten wir grüßen: Guten Morgen, Guten Abend und Auf Wiedersehen po polski: dzyen Dobry, dobry Wyezor, do Wiedsinia I" So ungefähr übersetzt der Dolmetsckier. Der Lehrer hat sich, scheint es, einiges notiert. Er guckt des öftern in sein Notizbuch und übersetzt selbst: po polsku: jak sie rnisywaz? po niemiecku: Wie heißt Du? Alle: Wie heißt Du? Und fünf- bis sechsmal wiederholt die ganze Kinderschar aus Kommando die Frage: Odpowiec(Antwort): jak sie nasywam... po niemiecku (Deutsch ): Ich heiße... Alle: Ich heiße... Und wieder sprechen es alle geschlossen nach. Nun stellen sich zwei und zwei gegenüber und fragen und antworten. Zum Schlüsse fragt der Lehrer jedes einzelne Kind, und es mutz ihm feinen Namen sagen. An dem, was den Kindern am nächsten liegt, wird ihnen die deutsche Sprache gelehrt; darauf beschränkt sich vorläufig der Unter- richt. Sie lernen, fragen und antworten nach den Eltern, Geschwistern und nach den Gegenständen in der Natur. Sie unter- nehmen gemeinsam Ausflüge in den Wald, und jüngst hörte ich aus dem Walde ein echtes deutsches Lied, gesungen von polnischen Kindern, herausschallen. Den Kindern scheint es Spatz zu machen. Lauter vergnügte Gesichter sieht man. und auf der Straße� grüßt man uns in deutschen Worten. Täglich finden sich neue Schüler ein, so daß jetzt schon eine Knaben- und eine Mädchenschule besteht. Unsere Landwehrleute haben vor und hinter den Häusern Bänke und�Lauben errichtet, Vorgärten angelegt und Zicrbeete ge- schaffen. Sie haben sogar Samen dazu aus Deutschland bezogen. Wenn nun der Abend sich niedersenkt, dann ruht die Arbeit, dann sitzt man in Lauben und Gärten, erzählt vom baldigen Frieden, läßt ein frohes Lied erschallen und ist lustig und guter Dinge. Auch die gefangenen Russen, die hier auf Arbeitskommando sind, liegen im Garten hinter ihrem Quartier. Sie genießen viel Freiheit, Unsere Landwehrleute, fast nur Aerlinex. jftch alte