Mus öer Partei. Haast gegen Schcidcman». Wir lesen in der„V o s s. Z t g.": Die Reichs tng�abg. H a a s e und S ch e i d e m a n n, die beide dem Vorstand der sozialdemokratischen Partei angeboren, beide Vor- sitzende der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion sind, gehen in der Frage der Budgetbewilligung und der Bewilligung der Kriegs- kredite mit ihren Ansichten auseinander. Namens der sozialdemo- kratischen Reichstagsfraktion erklärte Abg. Scheidemann am 20. März im Reichstag, dah die Zustimmung zum diesmaligen Etat erfolge in Bekräftigung des festen Willens, das Ziel, zu einem ebrenvollen dauernden Frieden zu kommen,„in unerschütterlicher Einigkeit mit unserem Volke zu erreichen". Bei der Abstimmung über den Reichsetat entfernte sich aber Abg. Haasc aus dem Sitzungösaale mit etwa 30 anderen Fraktionskollegen. Der Gegen- satz zwischen.Haase und Schcidemann in dieser Frage ist auch später mehrfach in Versammlungen hervorgetreten. So war eine Rede, die Abg. Hasse am Montag in Solingen über„Die Sozialdemokratie in Vergangenheit und Zukunft" hielt, eine scharfe Antwort auf Ausführungen, die Abg. Scheidemann vor vier Wochen an der gleichen Stelle vorgetragen hat. Uns wird darüber aus Solingen berichtet: Abg. H a a se sagte: Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat die geforderten K r i e g s kr ed i t e bewilligt. Es ist ober ganz falsch zu sagen: Weil wir die Kredite einmal belvilligt haben, deshalb müssen wir nun im ganzen Verlaufe des Krieges diese Kredite jedesmal wieder bcwilligenl Er wandte sich dagegen, daß man argumentiere: die Rücksicht auf die Arbeiterorganisationen hätte für die Abstimmung ausschlaggebend sein müssen. Die Organisationen seien doch nur Mittel zum Zweck und dürften nicht zum Selbstzweck wenden. Der Hinweis, wie die Sozialdemokratie Wohl handeln sollte, wenn sie ausschlaggebend sei, sei verfehlt, denn sobald sie so stark sei, werde sie den Krieg überhaupt verhindern. Zur Frage der Budgetbewilligung betonte Abg. Haase, daß sich aus der parlamentarischen Geschichte ergebe, daß die Zustimmung zum Etat stets eine Sanktionierung und Billigung des Vorgehens der Regierung sei.?ll> gegebene Erklärungen hätten nur so lange einen Sinn, als sie mit den Taten nicht im Widerspruch stünden. Als Politiker und Parlamentarier habe er sich sagen müssen, daß er keiner Regierung das Budget bewilligen konnte, deren Politik zu diesem traurigen, grauenhaften Schicksal geführt habe und deshalb zu mistbilligen sei. Unbestreitbar sei es, daß nach den Parteitags- beschlüssen die Bewilligung des Budgets als ein Vertrauensvotum für die Regierung aufzufassen sei. Glaube man, dah man dann auf die Regierung und die Parteien denselben Eindruck mache wie früher, wenn man von der völkerbefreienden Sozialdemokratie rede? Durch ihre Haltung habe die Fraktion und auch ein Teil der Presse zu der Verwirrung in den Massen beigetragen. Die Gc- danken weiter Kreise bewegten sich jetzt ganz in bürgerlichen Gedankengängen. Wenn gesagt würde, es müsse bis zum letzten Mann und bis zum letzten Heller gekämpft werden, so hat — nach Haases Worten— der„Economist " recht, wenn er dies als„Somnambulismus" bezeichnet. Wie sollte die Welt wieder ausgebaut werden? Nicht jetzt, sondern nach dem Kriege will Abg. Haase von der sozialdemokratischen Fraktion Rechenschaft fordern, ob sie bei ihrer Abstimmung über die Kredite recht oder unrecht getan hat. Die Aussprache solle aber in brüderlicher Weise geschehen.„Wir wollen'uns nicht selbst zerfleischen! Nein! Einig und fest und geschlossen wollen wir unseren politischen Gegnern entgegentreten. Es wird heute so viel vom„Umlernen" geredet. Wir wollen politisch nicht umlernen, nein, lvir wollen hinzulernen!" Annezionsfreunde innerhalb der Partei. In einigen Parteiblättern fi irden sich Stimmen, die für— wenn auch etlvas verschwommen— Annexionsplänc innerhalb unserer Partei Stimmung zu machen versuchen. So veröffentlicht Emil K l o t h in der„C h e m n i tz e r V o l k s st i m m e" einen Artikel, worin er nach An schaumig der konservativen„Kr»uzzeitung"„den A n n e x i o n s f e i n d e n in seiner Partei"einige Wahrheiten sagt". Die„Kreuzztg." zitiert folgende Stellen aus Kloths Artikel: „So sehr die deutsche Sozialdemokratie," schreibt Kloth,„vom Anfang des Weltkrieges an gegen einen Eroberungskrieg sich aus- gesprochen hat, wind doch wohl kein verständiger Mensch sich dem Glauben hingeben, dah diese? gewaltige Ringen ohnegleichen in der Weltgeschichte einfach damit seinen Abschluß findet, daß alles beim alten bleibt. Da? wäre nur dann anzunehmen, wenn es weder Sieger noch Besiegte gäbe. Gegen diese Annahme spricht aber sowohl die Grundursache als auch der bisherige Verlauf des Krieges.... Im gegebenen Falle entwirrt man nicht den Knäuel ungelöster Probleme mit der einfachen Erklärung: Wir sind gegen jede Eroberungspolitik, also auch gegen jede Veränderung der poli- tischen Grenzen und jede Annexion. Der Dreiverband mit seinen heimlichen Bundesgenossen Japan , Belgien und Italien bildete ein Länderzertrümmerungs- und Verteilungsspndikat unter grundsätz- lichem Ausschluß Deutschlands und Oesterreich-Ungarns ." Kloth zählt dann die riesigen Kolonialannexionen der feind- lichen Mächte auf und weist darauf hin, daß die Neutralität Bel- giens nur von England gewollt wurde, damit kein Feind an die Küste herankonnte. „Erhält Belgien, " so fährt Kloth fort,„seine Unabhängigkeit zurück, so wird es in erhöhtem Maße als bisher ein englisches Vor- werk auf dem Festlande werden. Das zukünftige Schicksal Belgiens kann daher nicht für sich allein behandelt werden, sonst haben wir in absehbarer Zeit eine neue viel furchtbarere und stärkere Mächte- gruppierung gegen die Zentralmächte zu gewärtigen. Selbsterhal- tungstrieb und Logik erfordern daher, daß wir diese Forde- rung, die belgische Frage im Gesamtbilde zu be- trachten, um so nachdrücklicher Uüonen, als die hervorragendsten englischen und französischen Arbeiterführer nicht nur eine Abtren- nung Elsaß-Lothringrns von Deutschland gefordert haben, sondern auch die Zurückgabe SchleSwig-Holsteins an Dänemark sowie die Abtretung zahlreicher Landesgebiete Oesterreich-Ungarns an Italien , Rußland , Rumänien und wer weiß an wen sonst noch verlangt haben, ohne Rücksicht auf die wirtschaftlich« und politische Existenz der Zentralmächte. Wir vergeben uns ettvas von unserem berech- tigten Selbstbewußtsein und stärken nur den Glauben an die Be- rechtigung der Ansprüche jener Annexionspolitiker und ihrer gleich- gesinnten Regierungen, wenn wir ihnen nicht die Kehrseite ihres Expansionsdranges vor Augen halten.... Ich bin absolut kein Freund von Annexionen uicd würde es aufs freudigste begrüßen, wenn ohne sie jene Garantien geschaffen werden könnten, die es uns ermöglichen, an unserer politischen und wirtschaftlichen Zukunft in friedlicher Weise weiterzubauen. Mögen unsere Feinde(die über Gewalt jammern) zuerst einanal bei sich selbst mit der Achtung dar dem Selbstbestimmungsrecht der Völker anfangen und ihre er- oberten Länder herausgeben und weiter durch die Tat ihren ernst- lichen Willen zum mar friedlichen Wettbewerb auf dem Weltmarkt beweisen, anstatt ihren gcwaltsaanen monopolistischen Herrschafts. Plänen nach wie vor nachzugehen...."
Sozialistischer Widerstand gegen imperialistische Treibereien in Holland . Der Vorstand der sozialistischen Partei Hollands hat zum 20. Juni zum ersten Male den neugeschaffenen Partei-Rat zu- sammenberufen, der sich zusammensetzt aus Vertretern der Kam- merfraktion, der Redaktion des Zentralorgans, der Frauenorgani- jion und der provinziellen und großstädtischen Organisationen. Zur
Beratung steht die neue Gesetzesvorlage betreffend die Ausdehnung der Landsumnpslicht auf alle tauglichen Männer zwischen dem 20. und 40. Lebensjahre. Diese Vorlage hat große Unruhe im Lande bervorgerufen. Man sieht darin ein Nachgeben der Regierung vor der imPeriakistischen, nationalistischen und kriegerisch gefärbten Agi- tation, die von gewissen Kreisen in der letzten Zeit entfaltet wird.
Aus den Organisatione». Der Wahlverein für Erfurt und Umg. nahm in seiner Jahresversammlung den Geschäftsbericht für das vergangene Ge- schäftsjahr entgegen. Aus dem Bericht geht hervor, daß der Kreis- wahtverein am Jahresschluß 2307 männliche und 583 weibliche Mit- glieder zählte. Am 31. März 13 14 waren insgesaant 5384 Mitglieder vorhanden, von denen bis Ende März 1915 1400 eingezogen waren. Somit ist dem Verein außerdem noch ein Verlust von zirka 1000 Mitgliedern entstanden. In der Hauptsache sind die Verluste auf wirtschaftliche Verhältnisse zurückzuführen, was daraus hervorgehe, daß allein 500 Frauen aus den Listen gestrichen wurden, meistens Kriegerfrauen, die die Beiträge nicht aufbringen konnten. Die Einnahmen des Kreises betrugen 8617,93 M. und die Aus- gaben 6825,84 M. Der Vorstand für den 17. Hanno v. Reichstagswahl- kreis erstattet im..Harburger Volksblatt" den Bericht für daS abgelaufene Geschäftsjahr. Danach hat sich die Mitgliederzahl um 3142 verringert, wovon allerdings 2059 zum Militärdienst eingezogen sind. Infolgedessen zählte der Verein am 31. März 1915 3761 männliche und 1383 weibliche Mitglieder. Von den Einberufenen sind bereits 110 gefallen. Die Einnahmen betrugen 23 745,73 M. (40 800,73 M. im Vorjahr), die Ausgaben 22 641,99 M(39 977,81 Mark). Oeffentliche Versammlungen fanden 13, Mitgliederver- sammlungen 72 statt._
Mus Industrie und Handel. Kriegsgewinne. Der Abschluß und die Bilanz der Rheinmühlenwerke in Mann- heim zeigen ganz ungewöhnliche Zahlen. Jan Geschäftsjahr 1914/15 wurde bei einem Aktienkapital von 500 000 M. ein Bruttoertrag von 1 530 000 M. und ein Reingewinn von 475 100 M. erzielt. Es wird eine Dividende von 12 Proz. vorgeschlagen, was einen Betrag von 75 000 M. erfordert, während 221 500 M. auf neue Rechnung vorgetragen werden. Es wird also auch bei diesem ungeheuerlichen Riesengelvinne das neuerdings beliebte Mittel der Verschleierung verfolgt, indem der größte Teil des Gewiains auf neue Rechnung vorgetragen, d. h. der Generalversammlung der Gesellschaft überlassen wird. Hätten die Rheinanühlenwerke ihren Gewinn ganz als Dividende ausschütten wollen, so wären mindestens 93 Proz. her- ausgekommen. Die Aufhebung der Zölle auf Zritungspavier fordert der „Zeitungsverlag" mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die Rohswffe und Fabrikate im Jnlande knapp sind.„Frankreich hat bereits eine Ermäßigung der Einsuhrzölle auf Druckpapier und Papierstoff um 60 Proz. vorgenommen. Im Monat Mai wurde der Einfuhr- zoll sowohl auf Zellstoff für die Zeitungspapierfabrikation, als auch ür Zeitungsdruckpapier für die Kriegsdauer ganz aufgehoben. In Rumänien hat man die Zölle für Zeitungspapier von 30 auf 5 Cen- times pro Kilo herabgesetzt. WaS in Frankreich und Rumänien möglich gewesen ist, müßte auch bei uns anöglich werden, und eine ölche Maßnahme muß um so mehr gefordert werden, als ja das Vorgehen dieser beiden Länder den Beweis dafür erbringt, daß man von der Aufhebung der Zölle dort sich eine praktische Wirkung verspricht. Warum sollte nicht dieselbe Wirkung auch für Deutsch - land zu erwarten sein? Auf alle Falle erschwert man dem feind- lichen Ausland die Versorgung mit Druckpapier, wenn man die Zollschranken, bei uns niederlegt. Heut« liefert zum Beispiel Schlveden an England und Frankreich Druckpapier und Zellstoff, die es nach Aushebung der Zölle uns zugehen lassen würde. Wegen des angeblich„schiechten Eindrucks", den eine solche Maßnahme im Auslände hervorrufen könnte, darf man unbesorgt sein; das Aus- land hat sich im Laufe des Krieges daran gowöhnen müssen, uns nach den Leistungen unserer Soldaten, nicht nach unseren Handels- politischen Maßnahmen zu beurteilen."
Die Arbeitslage in der französischen Industrie. Eine Havasmeldung vom 7. Juni aus Parts sagt: In einean Bericht des Arbeitsministeriums werden die Ergebnisse der amt- lichen Untersuchung über die Tätigkeit in den Handels- und in- dustriellen Einrichtungen in Frankreich nach 8 Kriegsmonaten mit- geteilt. Diese Untersuchung erstreckte sich über 22 610 Einrichtungen, wo in normalen Zeiten 1 097 670 Arbeiter tätig waren. Infolge der Mobilisierung waren nur 43 Proz. dieser Einrichtungen in Gang geblieben. Dies st i e g allmählich auf 58 Proz. im Oktober, 69 Proz. im Januar und 77 Proz. am 1. April. Das Arbeiter- personal, das im August auf 44 Proz. gesunken war, betrug im Januar 59 Proz. und am 1. April 65 Proz. Am 1. April arbeiteten 21 209 Einrichtungen mit 713166 Arbeitern, also ein« allmähliche und bedeutende Zunahme.
Zur Enteignung deutschen Besitzes. Petersburg, 12. Juni. (W. T. B.) Die am 11. Juni vom Zaren bestätigten Erlasse des Ministerrates vom 24. Januar und 11. April betreffend Liquidation sämtlicher Geschäfte und Ge- Werbeunternehmungen feindlicher Staatsangehöriger, treten am 14. Juni in Kraft. Die Aussührungsbesttmanungen über die Liquidation sind voan Zaren am 23. Mai bestätigt und soeben in der amtlichen„Torgowo-Promyschkennaja Gaseta" publiziert worden. Die örtlichen Behörden haben bereits Befehl erhalten, am 14. Juni sämtliche Geschäfte und Getverbeunternehmungen feind- licher Staatsangehöriger unbedingt und ausnahmslos zu schließen. Die Verordnung des Ministerrates, feindliche Staatsangehörige aus städtischen und privaten Kreditgenossenschaften auszuschließep, ist gleichfalls vom Zaren bestätigt worden. Der Ministerrat hat eine große Summe zur Durchführung der Liquidation des deutschen Bodenbesitzes bewilligt und beschlossen, das Gesetz, betreffend Liquidation deutschen Bodenbesitzes auch auf die Gouvernements Kiew , Pskotv und Witebsk auszudehnen. Den Beschluß des Ministerrates, daß der Bauern-Agrarbank das Recht zustehen soll» die enteigneten Liegenschaften von Gutsbesitzern und Kolonisten deutscher Abstammung aufzukaufen, hat der Zar gleichfalls be- stätigt._
Soziales. Kein Anspruch auf Nachzahlung der Lohnkürzung. Ein Geschäftsdiener, der bei der Firma Fischer u. Wolfs be» 'chäftigt war, hatte sich zu Anfang des Krieges mit der Kürzung 'eines Lohnes einverstanden erklärt. Im Februar wurde er krank. Nachdem die Krankheit sechs Wochen gedauert hatte und noch nicht beendet war, kündigte die Firma dem Geschäftsdiener. Der Lohn wurde ihm bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ausgezahlt. Der Geschäftsdiener klagte auf Nachzahlung der Suanme, die an dem vollen Lohn, den er vor dem Kriege erhalten hatte, fehlt, weil er bei Kürzung des Lohnes vorausgesetzt hatte, er würde während des Krieges nicht entlassen werden. In solchen Fällen, wo Arbeiter, die sich mit Lohnkürzungen aus Anlaß des Krieges einverstanden erklärt und keinen Grund zur Entlassung gegeben hatten, aber doch entlassen wurden, hat das Ge- Werbegericht stets auf Nachzahlung der Lohndifferenz erkannt.—
In diesem Falle aber war eS die einsffmanige Ansichk her Kammer 7, daß der Kläger keinen Anspruch auf Nachzahlung habe, weil seine Krankheit, deren Dauer sich nicht absehen ließ, ein hinreichender Grund zur Kündigung gewesen sei. Die Firana habe sehr korrekt gehandelt. Es sei erfreulich, daß sie nicht schon früher gekündigt, sondern dem Kläger noch wochenlang nach seiner Erkrankung den Lohn gezahlt habe. Mehr könne ihr nicht zugemutet werden. Da der Kläger , dem diese Gründe vorgetragen wurden, die Klage nicht zurücknehmen wollte, wurde dieselbe abgewieseal.
Verschwundener Zucker. Die Speditionsfirma Paul Meier u. Co. hatte einen Kutscher, den sie entließ, den fälligen Wochenlohn von 40 M., sowie 20 M. Spar- gelber, die in Wochenraten von je 2 Mk. vom Lohn einbehalten waren, nicht ausgezahlt. Vor dem Gewerbegericht, wo der Kutscher auf Zahlung klagte, sagte der Vertreter der Firma: An einer Fuhre Zucker in Säcken, die der Kläger zu befördern hatte, fehlten 220 Pfund. Das sei ein Manko von 20 Pfund pro Sack. Es sei gar nicht anders zu erklären, als daß der Kläger den fehlenden Zucker gestohlen habe. Daß die Schiffer, die der Firma den Zucker zu- führten, den Diebstahl begangen hätten, sei ausgeschlossen. Der- artige Diebstähle seien in letzter Zeit so häufig vorgekommen, daß sich die Firma veranlaßt gesehen habe, sich an dem Lohn des Kutschers, der wegen Trunkenheit entlassen worden sei, schadlos zu halten. Einen Beweis dafür, daß der Kläger den fehlenden Zucker veruntreut haben muß, konnte die Firma nicht anführen. Sie hat auch keine Strafanzeige gegen ihn erstattet, aber die Polizei auf das fortgesetzte Verschwinden von Zucker aufmerksam gemacht.— Der Kläger wies den Vorwurf des Diebstahls energisch zurück. Es sei gar nicht möglich, daß er jeden Sack öffnen und sich einen Teil des Inhalts aneignen könne. Dazu habe es ihm schon an Zeit gefehlt. Wenn er unehrlich wäre, dann hätte er manchmal ganze Säcke Zucker entwenden können, denn es sei öfter vorgekommen, daß er mehr Säcke auf dem Wagen hatte als er abliefern sollte. Er habe aber in solchen Fällen nie etwas für sich behalten.— Der Vorsitzende schlug dem Vertreter der Firma vor, dem Kläger im Ber - gleichswege den einbehaltenen Wochenlohn zu zahlen, weil der ver- diente und fällige Lohn gegen eine Forderung der Firma an den Kläger nicht aufgerechnet weiden könne, es sei denn, daß der Dieb- stahl des Klägers erwiesen sei. In diesem Falle würde der Kläger gegen Treu und Glauben gehandelt und nach dem Standpunkt des Reichsgerichts den Lohn nicht verdient haben. An dem Spargeld oder der Kaution dürfe die Firma allerdings eine Aufrechnung vor- nehmen. Da der Diebstahl nicht feststehe und im Augenblick auch nicht festgestellt werden könne, würde ein Vergleich die beste Lösung sein.— Schließlich erklärten sich die Parteien mit dem Vergleichs- vorschlage einverstanden, wonach der Kläger 40 Mk. erhält und auf die 20 Mk. Spargeld verzichtet.
Mus aller Welt. , Billige Kartoffel«. Als die Kartoffelknappheit einsetzte, um eine künstliche Ver- teuerung herbeizuführen, prophezeiten Sachkenner, daß mit Beginn des Sommers große Mengen aufgespeicherter Kartoffeln verfaulen würden. Der Fäulnisprozeß scheint jetzt auf den Gütern, wo zu- rückgehaltene Kartoffeln in Mengen lagern, zu beginnen. Ein Inserat im„Sorauer Tageblatt" veröffentlicht, deutet darauf hin. Es lautet: U e b r i g g e b li eb e n e Saatkartoffeln, welche teils als Futter, teils aber auch gls Etz- kartoffeln zu verwenden sind, hat f ü r 3 M. pro Zentner abzugeben A. Offermann. Beckermühle bei Sorau . Zu Saatkartoffeln wird eine besonders gute auserlesene Ware verwendet. Wenn diese jetzt für 3 M. pro Zentner als Futtermittel angepriesen wird, so heißt das nichts weiter, als daß diese besonders Qualitätskartoffel aar sängt zu faulen. Dabei ist zu beachten,� daß � unbemittelte Leute sich während des Winters oft mit Kartoffeln bchelfcn mutzten, die man zu gewöhnlichen Zeiten kaum dem Vieh 4 zu bieten wagte. Und ein paar Wochen später werden Saat» kartoffeln, gewissermaßen eine Edelfrucht, als Viehfutter angeboten- Welcher Widersinn, welche Unvernunft! Geringere Sorten Kartoffeln werden zum Teil für eine« Preis angeboten, der in einem ganz auffälligen Gegensatz zu daz Preisen steht, die noch bis vor kurzem von den Konsumenten ge-, fordert wurden. So veröffentlichte der Oberbürgermeister von Hamborn in der dortigen Presse folgendes Verkaufsangebot? Billiger Kartoffelverkauf: Infolge der andauernd außergewöhnlichen Hitze und wegen Mangels an geeigneten Lagerräumen steht zu befürchten, daß die städtischen Kartoffelvorräte sich nicht halten. Um mit den Vorräten möglichst schnell zu räumen, verkauft die Stadt ab Lager städti- scher Schlachthof und Duisburger Str. 83 die Kartoffeln zum Preise von Mark 1,- pro Zentner. Säcke sind mitzubringen. Hamborn am Rhein , den 10. Juni 1915. Der Oberbürgermeister. Wieviel Geld hätte wohl dem deutschen Volke und insbesondere den ärmeren Schichten in den letzten Monaten für die Bestreitung anderer Lebensbedürfnisse zur Verfügung gestanden, hätten nicht Produzenten und Händler durch Zurückhaltung der Vorräte die Kartoffelpreise in die Höhe getrieben. Würden in Deutschland Nahrungsmittel nicht dringend ge- braucht, so könnte man schadenfroh sein und den Grundbesitzern zu dem großen Verfaulen gratulieren. Denn sie haben diesen Pro- zeß selbst verschuldet. Aber das Darben der armen Leute muß unS veranlassen, mit allem Nachdruck zu fordern, daß sich nach der dies- jährigen Kartoffelernte dasselbe Treiben der Landwirte und Händler wie im vorigen Jahre nicht wiederholt. Daß wir genug Kartoffeln haben, wissen wir jetzt bestimmt. Nun sorge man dafür. daß sich im Herbst jeder mit Kartoffeln zu einem angemessenen Preis versorgen kann, und daß auch während des kommenden Wintere der Preis ein erschwinglicher bleibt. Hier liegt für die Regierung eine große Aufgabe, die zu erfüllen im Interesse der Volksgesundheit liegt. In diesem Jahre muhten wir leider erleben, daß sich die Regierung dieser Aufgabe nicht immer gewachsen zeigte. Oder ist das ein gesundes Zeichen, daß Kartoffeln bei Produzenten verfaulen, zu einer Zeit, wo bei den Konsumenten dauernde Knapp- hett herrschte? Grofter Brand i« einer Londoner Automobilfabrit. In London brach in den Park-Ropal-Automobilwerken ein riesiges Feuer au« und zerstörte außer mehreren Gebäuden zirka 300fürdieenglischeArmeebestimmteim Bau befindliche Automobile. Der Schaden wird aus rund zwei Millionen Mar! geschätzt._ furchtbare feuersbrunst. Nach einer Meldung aus Wien ereignete sich in Langen - schwarz(Bezirk Gmünd ) ein furchtbares Brandunglück. Ein aus unbekannter Ursache ausgebrocheaacs Feuer breitete sich infolge hefttgen Sturmes schnell au? und äscherte 42 Häuser ein. Unter den Trümmern fand man drei vollständig ver- kohlte Leichen.