Nr.( 175-179) 180. 32. Jhg.
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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.
Redaktion: Sw. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morisplaş, Nr. 151 90-151 97.
Freitag, den 2. Juli 1915.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplag, Nr. 151 90-151 97.
Andauernde Kämpfe öftlich Lembergs.
Oestlicher Kriegsschauplah.
Der russische Generalstabsbericht.
Petersburg, 1. Juli. ( W. T. B.) Bericht des Großen Generalstabs. Am 28. Juni beschoß ein Geschwader deutscher Schiffe, bestehend aus einem Küstenpanzerschiff, vier leichten Kreuzern und mehreren Torpedobooten den Hafen von Windau und versuchte dort Truppen zu landen, was jedoch von uns verhindert wurde. Ein feindliches Torpedoboot stieß auf eine Mine und flog in die Luft. Unsere Torpedoboote eröffneten einen Artilleriekampf mit den Kreuzern und Torpedobooten des Feindes, die das Unternehmen gegen Windau gegen Norden schüßen sollten, und zwangen sie, sich zurückzuziehen.
In der Gegend von Szawle , an den Fronten am Njemen, am Narew und am linken Ufer der Weichsel herrscht Ruhe. Die feindliche Angriffsbewegung zwischen Wieprsch und Bug an der Front Zamosc Sofal hält an. Am westlichen Ufer des Bug und an der Gnila- Lipa schlugen wir am 28. und 29. Juni einige feindliche Angriffe mit Erfolg zurüd. Als wir bemerkten, daß der Feind bei Halicz den Dnjestr überschritt, ergriffen wir die Offensive, warfen den Feind zurück und machten einige hundert Gefangene.
Anmerkung des W. T. B.: Nach Auskunft an zuständiger Stelle handelt es sich bei der vorstehenden Veröffentlichung des russischen Großen Generalstabes um eine Beschießung militärischer Anlagen bei Windau, aber keineswegs um eine geplante Landung. Der sogenannte Artilleriekampf zwischen einem deutschen kleinen Kreuzer und den russischen Torpedobooten verlief so, daß das deutsche Schiff keinerlei Beschädigungen erlitt, an Bord der feind lichen Torpedoboote dagegen mehrere Treffer und eine Reihe gut deckender Salven beobachtet wurden. Das von den Russen erwähnte Torpedoschiff" ist in Wirklichkeit ein Fischdampfer gewesen, der beim Wegräumen feindlicher Minen durch eine egplodierende Mine beschädigt wurde und kurz darauf sank.
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Rückkehr der aus Ostpreußen fortgeführten Deutschen .
Amt I ich. Berlin , 1. Juli. ( W. T. B.) Um die Rüdfehr der von den Russen aus Ostpreußen in das Innere Rußlands fortgeführten Deutschen her beizuführen, sind bereits vor einiger Zeit Verhandlungen mit der russischen Regierung angeknüpft worden. Diese Verhandlungen stehen jetzt vor ihrem Abschlusse, und es ist zu hoffen, daß die Rüdtehr der fortgeführten 3ivilpersonen sich in absehbarer Zeit ermöglichen lassen wird.
Westlicher Kriegsschauplah.
Der französische Tagesbericht. Paris , 1. Juli. ( W. T. B.) Amtlicher Kriegs. bericht von gestern abend: An den Ufern der ser und nördlich Arras Artilleriekämpfe. Ein ruhiger Tag zwischen der Dise und den Argonnen . In den Argonnen griffen die Deutschen nach dreitägiger unaufhörlicher Beschießung unsere Stellung zwischen der Straße von Binarville und Four de Paris an. Sie wurden zweimal zurückgeworfen. Es gelang ihnen erst bei ihrem dritten Angriffe in einigen Stücken unserer Linien bei Bagatelle Fuß zu fassen. Sie wurden sonst überall nach heftigem Stampf zurückgeworfen. Beschießung auf der Front nördlich von Verdun im Wald von Ailly sowie im Gebiete von Mezeral.
Amtlicher Bericht von gestern nachmittag: Jm Gebiete nördlich Arras war die Nacht durch heftige Kanonade und einige Infanterieaktionen gekennzeichnet. Nördlich des Schlosses von Carleul machten wir leichte Fortschritte. Südlich der Roten Wirtschaft wurde ein deutscher Angriff zurückgeschlagen. In den Vogesen versuchter die Deutschen gegen 2 Uhr einen neuen Angriff gegen unsere Stellungen östlich Mezeral, welchen wir leicht anhielten. Austausch deutscher und englischer Kriegsinvaliden.
Blifingen, 1. Juli. ( W. Z. B.) T. Der Dampfer„ OranjeNassau" ist heute um 6 Uhr 45 Minuten früh mit deutschen Verwindeten und deutschem Sanitätspersonal aus England hier angekommen. An Bord befanden sich 4 vermundete Offiziere, 32 verwundete Soldaten, 8 Aerzte und 142 Marn vom Roten Kreuz. Sie wurden mit Zigarren, Zigaretten und Tabat beschenkt. Der Ambulanzzug fuhr nach einer Stunde ab. Für heute oder morgen wird die Ankunft von 150 verwundeter Engländern erwartet.
Meldung des großen Hauptquartiers.
Amtlich.
Großes Hauptquartier, den
1. Juli 1915.( W. T. B.)
Westlicher Kriegsschauplatz. Nördlich von Arras nahmen die Kämpfe um die Gräben unter andauernden Artilleriegefechten einen für uns günstigen Fortgang.
In der Champagne südöstlich von Reims griffen die Franzosen erfolglos an. Auf den Maashöhen und in den Vogesen fanden nur lebhafte Artilleriekämpfe statt. Feindliche Flieger warfen Bomben auf Zeebrügge und Brügge , ohne militärischen Schaden anzurichten. Deftlicher Kriegsschauplah.
Die Lage ist unverändert.
Die Junibeute beträgt: 2 Fahnen, 25 695 Gefangene, darunter 121 Offiziere, 7 Geschüße, 6 Minenwerfer, 52 Maschinengewehre, ein Flugzeug, außerdem zahlreiches Material.
Südöstlicher Kriegsschauplatz.
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In erbittertem Kampfe haben die Truppen des Generals v. Linsingen gestern die russische Stellung östlich der Gnila Lipa zwischen Kunicze und Luczynce und nördlich von Rohatyn gestürmt. 3 Offiziere, 2328 Mann wurden gefangen genommen und 5 Maschinengewehre erbeutet.
Auch östlich von Lemberg sind österreichisch- ungarische Truppen in die feindliche Stellung eingedrungen.
Die Armeen des Generalfeldmarschalls v. Madensen find in weiterem Vordringen zwischen dem Bug und der Weichsel . Auch westlich der Weichsel weichen die Russen, teilweise nach hartnäckigen Kämpfen. Die verbündeten Truppen drängen beiderseits der Kamienna nach.
Die Gesamtbeute vom Juni der unter Befehl des Generals v. Linsingen, Feldmarschalls v. Mackensen und Generals v. Wohrsch kämpfenden verbündeten Truppen beträgt 409 Offiziere, 140 650 Mann, 80 Geschüße, 268 Maschinengewehre. Oberste Heeresleitung.
Der österreichische Generalstabsbericht.
Wien , 1. Juli. ( W. Z. B.) Amtlich wird verlautbart: 1. Juli 1915, mittags.
Russischer Kriegsschauplay.
In Ost- Galizien dauern die Kämpfe an der GnilaLipa und im Raume östlich Lemberg fort. Unsere Truppen find an mehreren Stellen auf die Höhen östlich der Gnila- Lipa vorgedrungen und in die feindlichen Stellungen eingebrochen. Ebenso gelang es den verbündeten Truppen abwärts Rohatyn nach erbittertem Kampfe das Ostufer zu ge= winnen.
Am Onjestr herrscht volle Ruhe.
Im Quellgebiet des Wieprz wurde 3 amo8z besetzt. Die Höhen nördlich der Tanew- Niederung wurden in ihrer ganzen Ausdehnung in Besitz genommen.
Westlich der Weichsel folgten unsere Truppen dem weichenden Gegner bis vor Tarlow.
Die Gesamtbeute der unter österreichisch - ungarischem Oberkommando im Nordosten kämpfenden verbündeten Truppen pro Juni beträgt 521 Offiziere, 194 000 Mann, 93 Geschüße, 364 Maschinengewehre, 78 Munitionswagen, 100 Feldbahnwagen usw.
Italienischer Kriegsschauplatz.
Die gestern nachmittag von mehreren feindlichen Infanterie- Divisionen erneuerte allgemeine Angriff gegen unsere Stellungen am Rande des Plateaus von Do berdo wurde überall unter schweren Verlusten der Italiener abgeschlagen. Der Hauptstoß des Feindes richtete sich gegen die Front Sagrado Monte Cofich( nordöstlich Monfalcone ). Bei Selz und Vermegliano drangen die Italiener in unsere vordersten Gräben ein. Ein Gegenangriff unferer tapferen Infanterie warf jedoch den Feind wieder in das Tal zurück.
Die Hänge des Monte Cofich sind mit italienischen Leichen bedeckt. Ein abends angefehter Vorstoß gegen die Höhen öftlich Monfalcone , ein Angriff nordöstlich. Sagrado und mehrere kleinere Vorstöße gegen den Görzer Brüden= topf brachen gleichfalls zusammen.
Nach dieser Niederlage des Feindes trat Ruhe ein. Gehobener Stimmung sind unsere unerschütterlichen Truppen im festen Besitz aller ihrer Stellungen zu neuem Kampf bereit. Im nördlichen Isonzo abschnitt und an der Rärutnergrenze hält das Geschüßfeuer an.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes bon Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Die Lage ringsum!
Von Richard Gädte.
Es könnte sein, daß die politischen Ereignisse der letzten Tage für die Entscheidung des Krieges eine gleiche Bedeutung ge= wönnen wie die militärischen. Dahin rechne ich den Kronrat im Zelte des russischen Zaren, die Reise des deutschen Reichsfanzlers nach Wien , den Fortgang der Verhandlungen mit den Balkanstaaten und die Versuche, Italien zu einer Beteiligung an der Dardanellenoperation zu bewegen.
Auch die Eroberung 2embergs ist in politischer und-moralischer Beziehung von größerem Einfluß gewesen als in militärischer. Die Russen setten ihren verzweifelten Widerstand auch nach dem Verluste der Hauptstadt Ostgaliziens, ohne Rücksicht auf das Riesenmaß ihrer blutigen und unblutigen Opfer fort. sonders mit ihrem linken Flügel flammern sie sich hartnäckig an den Dnjestr , um den Rückzug in östlicher Richtung frei zu behalten. So ist es ihnen bisher gelungen, einer Katastrophe zu entgehen. Troß alledem aber zeigen die Ereignisse der letzten Tage, daß die Durcheinanderwürfelung aller Verbände einen erschreckenden Grad erreicht haben muß, und daß insbesondere ihre Infanterie schwer erschüttert ist. Alle aus unerschöpflichen Quellen herangeführten Verstärkungen an unausgebildeten Mannschaften können diesen Krebsschaden nicht mehr heilen. Es ist nicht möglich, daß unter der Wucht der mitleidlosen Verfolgung durch Mackensens siegreiche Truppen das russische Heer einer langsamen Auflösung von innen her verfällt.
Man hat bis dahin der Energie der russischen Heerführung Anerkennung zollen müssen, auch wenn das Kriegsglüd gegen fie entschieden hat. Was wir aber gegenwärtig sehen, ist kaum mehr die zielbewußte Zeitung, die um des großen 3wedes willen auch große Opfer bringt, sondern es kommt einem brutalen nuglojen Hinschlachten der eigenen Truppen gleich. Jm besten Falle mag man sagen, daß die Russen ihr eigenes Heer gleichmütig aufopfern, um ihren Verbündeten eine Frist zu weiteren Rüstungen zu verschaffen. Wahrscheinlich ist es doch, daß sie mit starrsinnigem Troße ihre Eroberung Schritt für Schritt verteidigen wollen, obwohl sie sich selbst sagen müssen, daß sie auf diesem Wege dem Feldzuge eine andere Wendung nicht geben werden.
Nach einer überschläglichen Berechnung haben sie in den acht Wochen( 57 Tagen) vom 2. Mai bis 27. Juni bereits rund 405 000 Gefangene in den Händen der verbündeten Gegner gelassen, dazu mehr als 300 Geschüße und 786 Maschinengewehre. Rechnet man hierzu die blutigen Verluste an Toten und Verwundeten, die Marschverluste, Kranke, Nachzügler, Fahnenflüchtige, so wird man den Gesamtabgang des russischen Heeres in Galizien allein in diesen zwei Monaten ohne Uebertreibung auf eine Million Menschen berechnen können. Bei solchen Massenverlusten ist es natürlich töricht zu behaupten, daß Rußland sie auf die Dauer besser ersetzen könne als Deutsche und Oesterreicher . Es liegt vielmehr ein so starker Aderlaß vor, daß auch der kräftigste Körper dauernd durch ihn geschwächt werden muß. Vergessen wir nicht, daß vorstehend die riesigen früheren Verluste der Karpathenschlacht nicht mit enthalten sind.
Sehr groß sind die Leistungen der siegreichen Truppen des Generalfeldmarschalls v. Mackensen. Vom Dunajec bis in die Nähe des Bug haben sie in 57 Tagen einen Raum von 250 Kilometern in der Luftlinie zurückgelegt, was für die Truppen selbst bei den täglichen Aufmärschen und Auseinanderziehungen für die Unterkunft reichlich die doppelten und stellenweise die dreifachen Marschleistungen bedeuten wird. Wenn mit dem Beginn des November 1914 die russische Dampfwalze, die sich von der Weichsel westwärts in Bewegung seßte, mit gleicher Schnelligkeit vorwärts gerollt wäre, so hätte sie bereits um Weihnachten die Linie Posen- Breslau erreicht gehabt und hätte Anfang März 1915 vor Berlin stehen können. Den gerechten Maßstab für die außergewöhnlichen Leistungen unserer Truppen aber gewinnt man erst dann, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sie unter diesen 57 Tagen, abgesehen von kleineren Verfolgungsgefechten, nicht weniger als 33 Kampfestage gehabt haben, und zwar allein bei der Armee Mackensen, ohne die schweren Stämpfe der anderen Heere zu berücksichtigen. Und unter diesen 33 blutigen Tagen waren wieder sechs große mehrtägige und ausnahmslos siegreiche Schlachten, nämlich:
die dreitägige Schlacht am Dunajec vom 2.- 4. Mai, durch die der Feldzug eingeleitet wurde;
die erste dreitägige Schlacht westlich des San vom 17.- 19. Mai, durch die die Russen über den Fluß zurückgeworfen wurden;
die zweite sechstägige Schlacht am San, durch die die Armee Mackensen festen Fuß auf dem Ostufer des Flusses faßte, vom 24.- 29. Mai;
die dreitägige Schlacht zwischen Lubaschkowka und Wischnia, bom 13.- 14. Juni;
die zweitägige Schlacht von Grodet am 18. und 19. Juni; die dreitägige Schlacht um Lemberg vom 20.- 22. Juni; dazu tritt noch die Erstürmung der Festung Przmysl in den Tagen des 1. und 2. Juni!
Nie hat ein Heer Willen und Schweiß und Blut freudiger und erfolgreicher hingegeben als unsere waffentragenden Brüder und