Hr. 193. 32. Iahrgaag.
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Douutrstag, 15. Juli 1915.
Unter öem öurgftieSen in Englanö. Im„Labour Leader". dem Organ der englischen Unabhängigen Arbeiterpartei, schreibt der Genosse Philipp S n o w d e n: Nach einer Behauptung des Premierministers ist die Koalitions- regierung nur zu dem Zweck gebildet worden, um den Krieg rasch und erfolgreich zu Ende zu führen. Die politischen Parteien sollen alle Streitfragen begraben und kein anderes Motiv als nationaler Patriotismus soll die Handlungen oder Politik irgendeines Mit- ghedes der neuen Regierung beeinflussen dürfen. Wenn man wagt, „Mängel anzudeuten oder Mihfallen zögernd kundzugeben" über diese neue Vereinigung von Talent und Patriotismus, wird man sofort beschuldigt, ein Freund von Deutschland und ein Feind des eigenen Landes zu sein. Das Haus der Gemeinen und das Land sollen die Vergangenheit der Männer vergessen, die der Regierung beigetreten sind, und glauben, daß sie in den Wehen dieser ernsten nationalen Krisis neugeboren worden sind. Aber niemand läßt sich durch solche Beteuerungen irreführen. Die Koalition hat kaum einen Freund im Unterhaus oder im Lande. Die Umstände ihrer Geburt sind verdächtig. Ihre Elternschaft ist rmmer noch in Geheimnis gehüllt. Sie wurde geboren in politischer Intrige und geschaffen aus Parteiinteressen heraus. An einem ge- Kissen Mittwochnachmittag sagte der Premierminister im Unterhaus, daß keine Absicht bestehe, eine Koalitionsregierung zu bilden, und daß der keinen Grund habe, anzunehmen, daß, wenn ein solcher Vorschlag gemacht würde, er allgemeine Zustimmung finden würde. Am folgenden Montag hatte er den Rücktritt jedes Kabinettsmitglie- des verlangt, und ein paar Tage später war die neue Regierung gebildet. In dem Brief, den er an den.Haupteinpeitscher" seiner Partei richtete und der die Bildung dieser Regierung ankündigte, sagte er: es sei schon lange offenbar gewesen, daß solch ein schritt notwendig sei. Es ist ein interessantes, aber vergebliches Gedulds- spiel, zu versuchen, aus den Behauptungen von Politikern Folge- richtigkeit herauszubekommen. Der Burgfriede ist nie ehrlich eingehalten worden. In Irland ist er jeden Tag während des Krieges grob verletzt worden durch Reden und Schriften der Ulster-Konservativen. Die Konservativen in unserem Lande haben versucht, aus der nationalen Lage Kapital zu schlagen, indem sie eine Verschiebung des Kirchengesetzes für Wales erzielten. Abgesehen von irgendeiner positiven Aktion der Konservativen, mutzte ihnen ein politischer Waffenstillstand große Parteivorteile liefern. Die Gesetzvorlage, die das Mehrstimmenprivileg abschafft, wurde auf dem Altar der nationalen Einheit geopfert. Der Parlamentsakt*) und mit ihm Jahre harter politischer Arbeit ist praktisch aufgehoben. Die Konser- vativen haben guten Grund für die Befriedigung, die sie nicht ver- hehlen können. Alles, was sie durch ihre politische Opposition während der letzten zehn Jahre nicht durchzusetzen vermochten, und unendlich mehr noch fällt ihnen ohne weiter« öffentliche Agitation zu. Die Reaktion sitzt in der inneren Politik für viele Jahre i n d e r M a ch t. Die Koalitionsregierung ist nicht populär, und man traut ihr nicht im Parlament wegen der Umstände ihrer Entstehung und wegen ihrer Zusammensetzung.... Die Heranziehung dreier Mit- glieder der Arbeiterpartei zur Regierung ist nicht geeignet, die Be- sürchtungen und schlimmen Ahnungen von Demokraten und Gewerkschaftern gegenüber F. E. Smith und Lord Curzon im Rate der Nation zu beschwichtigen. Die Demokratie ist jetzt ein solch armselig und verachtet Ding, daß die Staatsmänner ihr nicht einmal mit dem Munde huldigen. Die verflossene Regierung wurde durch den Akt des Premierministers aufgehoben ohne ein Wort der Beratung mit seinen Kollegen im Ministerium. Nach der Feststellung des Herrn Pease war die erste und einzige Benachrichtigung, die Kabinetts- Mitglieder erhielten ein Rundschreiben, das ihren Rücktritt ver- langte. Tie liberalen Abgeordneten, die Herrn Asquith acht Jahre im Amte erhalten haben, wurden nicht der Zurateziehung für wert erachtet. Ihren Protesten nach dem Zustandekommen der Koalition wurde durch die Entgegnung des Premierministers begegnet, daß er zurücktreten würde, wenn die Liberalen seine Entscheidung nicht annähmen. Die Konservativen hielten eine formelle Parteiversammlung ab, nachdem ihre Mitglieder in die Regierung ein- getreten waren. Das Recht des Mehrheitsbeschlusses ist in diesen seltsamen Zeiten sogar von der demokratischen Arbeiter- Partei aufgegeben, denn die Mitglieder dieser Partei, die der Re- gierung beigetreten sind, taten das im Widerspruch zu einer Mehrheitsentscheidung ihrer parlamentarischen Kollegen gegen diesen Schritt. Das Land steht vor btt größten Gefahr seit der •) Er beschränkt die Rechte de? Oberhauses gegenüber dem Unterhause.
Zeit der Republik (Mitte des 17. Jahrhunderts). Tue Ver- wegenheit unserer führenden Politiker zielt nach nichts Geringerem als nach der politischen Diktatur. Sie ist praktisch schon in Kraft. Wenn ein Mann eine Regierung über den Haufen werfen und Parteischeidungen aufheben kann, so fehlt wenig zu einer politischen Diktatur. Schon laufen Gerüchte von neuen Entwicke- lungen. Herr Lloyd George deutete sie in seiner Rede in Lancashire an. Er wies darauf hin, daß die alten Parteigrenzlinien nie mehr hergestellt würden; daß neue Vereinigungen und neue Namen entstehen werden, wobei die alten politischen Widersacher Arm in Arm gehen würden. Dieser Wink ist seitdem in den frei umher- laufenden Gerüchten über die Bildung einer neuen nationalen Partei, mit Herrn Lord George und Herrn Balfour als Führern und der allgemeine» Wehrpflicht als Programm weiter ausgebaut worden. Das Land und das llr-ierhaus haben den Einbruch des Ka- binetts in die Rechte und Freiheiten des Parlaments und des Volkes in den letzten Jahren so lammfromm über sich ergehen lassen, daß diese Männer überzeugt schienen, daß sie das Land führen können, wohin ihnen beliebt. Aber ihr sich bäumender Ehrgeiz kann sich leicht überschlagen. Es sind Zeichen der A u f I e h n u n g d a. Es ist zweifellos, daß beabsichtigt war. ein System der Zwangsarbeit einzuführen, die Arbeiter in der Fabrik derselben Disziplin zu unterstellen, wie die Leute in den Schützengräben. Aber vorerst wird etwas weniger als das be- antragt werden. Aber weder die allgemeine Wehrpflicht noch der Arbeitszwang sind tot. Wenn die Opposition in ihren Anstrengungen nachläßt, werden die Ketten den Arbeitern übergeworfen sein, ehe sie es merken. Die Koalitionsregierung bat die besten Männer im Unterhaus von dem Joch der Parteidisziplin entbunden. Das ist das Ergebnis, das die liberalen Führer wahrscheinlich nicht erwarteten. Sie rechneten auf die Gefolgschaft ihrer Partei selbst soweit, daß sie sich Matzregeln nicht widersetzten, die jedem Prinzip des Liberalis- mus und der Freiheit widersprechen. Aber sie irren. Die Debatte im Unterhaus über industrielle Wehrpflicht war eine Offenbarung für die Regierung. Sie zeigte, daß starke Kräfte da sind, die zu energischer Tätigkeit getrieben werden, wenn die Regierung es wagt, den Arbeitszwang einzuführen. Die Radikalen sind ge- wappnet. Die meisten Nationalisten werden sich der Opposition anschließen. Und trotz des Versagens gewisser Arbeiter- und Ge- werkschaftsführer, wird sich Reih und Glied der Arbeiterbewegung weigern, einen Krieg um die Freiheit zur Gelegenheit werden zu lassen, sie der industriellen und sozialen Freiheit zu berauben, die sie als Ergebnis von Menschenaltern harter Kämpfe genießen. Die Unabhängige Arbeiterpartei ist notwendiger als zuvor. Es steht solch ein Kampf zwischen Reaktion und Fortschritt bevor, wie ihn dies Land seit Menschenaltern nicht mehr gekannt hat.
politische Uebersicht. Ueber die nächste Reichstagstagung lesen wir in Berliner Blättern: Dem bis zum 10. August vertagten Reichstag werden beim Zu- sammentritt neben dem Nachtragsetat mit der V o r l a g e w e g e n Bereitstellung neuer Kriegskredite voraussichtlich Denkschriften der Reichsregierung über den Wirtschaftsplan fürdas neue Ernte jähr und die übrigen inzwischen getroffenen wirtschaftlichen Maßnahmen zugehen. Eine Vorlage wegen Er- g'änzung desMannschastsversorgungsgesetzes steht erst nach den Erklärungen der Reichsregierung für die Zeit u n- mittelbar nach dem Friedensschluß in Aussicht, da sich erst dann der Umfang der zu lösenden Auf- gaben übersehen läßt. Inzwischen ist aber seitens der Reichsfinanzverwaltung dafür gesorgt worden, daß etwaige Härten, die sich aus der gegenwärtigen Lage der Gesetzgebung in der Mannschaftsversorgung ergeben, im Verwaltungswege durch Ge- Währung von Unterstützungen in geeigneten Fällen ausgeglichen werden. Mit der Beratung der Vorlage, betreffend die Er- mächtigung zur Einführung eines Stick st off- Handelsmonopols, hofft man diesmal zum Abschluß zu kommen. In der parlamentarischen Pause ist das Für und Wider noch weiter erörtert und geklärt worden, so daß jetzt der Zeitpunkt für die Findung einer allgemein-befriedigenden Stellungnahme ge- geben erscheint. Erhöhung der Kriegsunterstühungen.— Städtische Lebensmittelversorgung. Die Zentrumsfraktion des Kölner Rathauses hat einen Antrag eingebracht, der auf eine Erhöhung de§ städtischen Zuschusses zur Reichskriegsunterstützung und auf die Einführung
Kriegshelöen der Arbeit. Von Hugo Schulz (Wien ). Kärnten , Anfang Juli. Krieg ist nicht bloß Tod und Gefahr, sondern auch Arbeit und Mühsal für die Krieger. Für die Arbeiter aber, die in den Hinter- grund der Armeen gebannt sind und dort bloß mit Friedenswerk- zeugen bewaffnet im Schweiße ihres Angesichts schanzen und schar- werken, ist der Krieg nicht bloß Arbeit und Mühsal, sondern auch Tod und Gefahr. Das wissen wenige und noch weniger würdigen es. Niemand verkennt das große Opfer, das diese allen, in die Arbenerkolonnen eingereihten Landsturinmänner dem Vaterlande bringen, wenn sie Sommer und Winter ein Nomadenleben im Freien führen, bei Hitze und Kälte, bei Regen und Schnee ohne Unterlaß und stumm dem rastlos antreibenden Befehl gehorchen, die Spitzhaue schwingen bis zur Erschöpfung oder Geschütze aus hohe Berge schleppen oder nimmermüde hinler Tragtier- kolonnen einhertraben oder Netze von Telegraphendrähten über zackige Alpengipfel ziehen. Niemand verkennt es, aber jeden be- rubigt der Gedanke, daß diese Arbeitskraft opfernden Kriegsdienst- leister dafür wenigstens geborgen sind, wenn schon nicht gegen die Todesgefahr, die in der Nähe von Seuchenherden lauert, so doch gegen die Wirkung feindlicher Geschosse. Das ist nun oft der Fall, ober häufig genug sind sie gar nicht so ferne vom Schuß, als man denkt, und oft sogar recht nahe daran. Arbeit und Kampf, Aufbau und Zerstörung vereinigen und verschlingen sich im Kriege oft auf die seltsamste Weise ineinander, da glbt es keine scharf getrennten Zonen. Am Uzsokerpaß sah ich bor einigen Wochen grauhaarige, ver- witterte Slowaken mit der Spitzhaue den steinigen Felsboden auf- lockern. Das war im obersten Winkel des Ungtales, dort, wo es sich zur Schlucht verengt. Tiefer unten ragten die Trümmer eines gewaltigen Eisenbahnviaduktes auf, den die unsrigen damals, als wir für eine Zeit den Russen das obere Ungtal preisgeben mußten, gesprengt hatten. Der 43 Meter hohe steinerne Mittelpfeiler war m Schutt zerfallen, auf dem Grund der Schlucht lagen zerbogen und zerborsten die Eisengerüste zweier Brückenfelder. Der traurige Leichnam eines Kunstwerkes unserer technischen Kultur! Es war bitter notwendig gewesen, es zu morden, aber es wurde glücklicherweise bald notwendig, es wieder aufzubauen. Der Uzsoker Paß war wieder erobert und mit zauberhafter Geschwindigkeit
entstand an Stelle des eisernen Viaduktes als hölzerner Notbau eine sogenannte Spitzkehre, auf der das Gleise bis in den innersten Winkel der Schlucht läuft, um sich dort mit einem zweiten zu vereinigen, das entlang der gegenüberliegenden Schluchtböschung zurückführt. Es war alles fertig und die Erdarbeiten der slowakischen Kriegsdienstleister hatten nur noch den Zweck, den Bahnabschnitt vor Nutschungen zu sichern. In das rhythmische Klopfen, Hämmern und Poltern mengte sich zeitweilig ein Kanonendonner, aber die Arbeiter horchten kaum auf, wenn sie ihn hörten. Und doch arbeiteten sie an einer Stelle, die nicht nur im Bereiche der feindlichen Geschützwirkung lag, sondern auf das Feuer der feindlichen Artillerie auch eine gewisse An- ziehungskraft üben mußte. So schlug denn auch wirklich zeitweilig eine Granate, Erde und Steinsplitter aufwirbelnd, in der Nähe dieser Arbeiterkolonnen nieder und erst vor wenigen Stunden war eine mitten in sie hineingefahren. Es gab keinen Toten, aber zwei Arbeiter mußten erheblich verletzt vom Platz getragen werden. Die anderen aber arbeiteten unverdrossen weiter, mit Ingrimm schwangen sie ihre Spitzhauen und waren sich nur deutlicher als sonst bewußt, daß auch ihr ftiedliches Werkzeug eine Waffe ist im Kampf wider den Feind. AehnlicheS wie auf dem Uzsokerpaß sah und hörte ich jetzt in den Julischen Alpen . Und ich hörte auch, wie es sich nicht selten er- eignet, daß sich das Wirken des nahe der Front arbeilenden Land- stürmmannes ganz unmittelbar in kriegerische Heldentat um- setzt, daß die Arbeit, wenn die Sache es heischt, auch auf- recht und ohne Deckung durch das höllische Feuer der Schlacht schreitet. In besonders drastischer Weise hat das kürzlich das Verhalten zweier Männer erwiesen, die nun in Anerkennung ihres dem Tode trotzenden Pflichtgefühles Tapferkeitsmedaillen erhalten haben. Der eine ist der Sappeur Zugführer Johann Roschinsky. der andere ist der als Zrvilarbeiter kriegsdienst- leistende Landsturmmann Wenzel Fischer. Beide waren mit Montierungsarbeiten bei einer Befestigungsanlage beschäftigt, als plötzlich ein heftiges Bombardement über ihren Arbeitsplatz nieder- ging. Die Trümmer einer unter der Granatenwirkung abstürzenden Felswand polterten über sie weg und verschütteten einen Teil der Anlage, die sie eben mühselig errichtet hatten. Sie wichen nicht vom Platze. Im heftigsten Feuer gruben sie die Maschine aus dem Schult und setzten sie wieder in Betrieb. Als sich später die Not- wendigkeit ergab, sie wieder abzumontieren, leisteten sie auch diese Arbeit im heftigsten Schrapnellregen und fast unbeschädigt konnten sie die Maschine bergen. Trotz sichtlicher Erschöpfung schlugen sie dann den ihnen angebotenen Rasttag aus und ruhten nicht eher, als bis sie ihre Maschine wieder in Stand gesetzt hatten.
einer Mietsunterstützung hinzielt. Eisher gewährt die Stadt Köln zur Reichsunterstützung einen Zuschuß von 100 Proz. Die Stadt Köln beginnt jetzt mit dem Verkauf ihrer über 1 Million Pfund betragenden Fleischvorräte. Bis vor kurzem war der Verkauf dieser Vorräte wegen des Festungscharakters der Stadt von der Militärbehörde nicht erlaubt worden. Den Metzgern ist ein Reinverdienst von 1K Pf. für das Psund zugestanden.— Zur Linderung des Zuckermangcls hat die Stadlverwaltung den Bundesrat um die Erlaubnis ersucht, die von der Stadt aufgestapelten Vorräte Roh- zucker raffinieren und den Verbrauchern zuführen zu dürfen. Der Bundesrat hat trotz Drängens der Stadtverwaltung die Erlaubnis noch nicht erteilt. Gegen eine Reform des preußischen Wahlrechts wendet sich im„Tag" der freikonservative Abgeordnete V o r st e r. Er schreibt unter anderem; „Opfer hat jeder Teil des Volkes gebracht, nicht der Be- lohnung halber, sondern für das Vaterland, für Haus und Familie. Ebensowenig wie andere Parteien eine Belohnung für ihr Wohlverhalten im Kriege durch politische Konzessionen verlangen, kann die Sozialdemokratie deswegen die Erfüllung irgend- einer Forderung ihres Programms beanspruchen... Wenn aber die Erfüllung vaterländischer Pflichten durch«ine politische Prämie belohnt werden soll, so könnte höchstens ein Zugeständnis auf dem Gebiete der Reichsgesetzgebung m Frage kommen. Denn nicht in den Landtagen, sondern im Reichs- tage werden die Lebensftagen des deutschen Volkes entschieden. Heer und Flotte, Vereins- und Versammlungsrecht, bürgerliches und Strafrecht unterliegen der Kompetenz des Reichstages; dieser hat besonders auch über die Fragen zu entscheiden, die den Preis der Nahrungsmittel und Verbrauchsmittel der großen Masse be- einflussen; über die Zölle, die Veterinärgesetzgebung, die indirekten Steuern usw. Die Hauptaufgabe der Landtage besteht dagegen in der Verwaltung des Vermögens des Staates und der Erträge der direkten Steuern; alljährlich wird monatelang über die Ver- teilung der Schullasten, die Eisenbahntarife und-bauten, die Ren- tabilität der staatlichen Bergwerke, Domänen und Forsten, den Umbau und die Errichtung von Amtsgerichten und höheren Schulen. die Beamtengehälter, Kanalbauten, Flutzregulierungen und dergl. verhandelt. An allen diesen Fragen sind die Arbeiter am allerwenigsten beteiligt. Die großen gesetzgeberischen Auf- gaben, die den Landtag in seiner letzten Arbeitsperiode beschäftigt haben: z. B. das Gesetz über die Errichtung und Verwaltung von Fideikommissen, das Fischereigesetz und das Grundteilungsgesetz sind von Bedeutung hauptsächlich für die Besitzer von Grund- besitz und Kapital. Daß diese auf die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses einen größeren Einfluß ausüben als die Besitzlosen, ist daher nur recht und billig... Deshalb ist es auch ausgeschlossen, daß eine Ae n d e r u n g des Land- tagswahlrechts zum Ausgleich der innerpolittschen Gegensätze bei- tragen würde. Im Gegenteil: nur wer den Wunsch hat, daß bald wieder Unzufriedenheit und Erregung in unser jetzt so einiges Volk kommt, nur der kann der baldigen Wiederaufnahme dieser alten Streitfrage das Wort reden. Die Regierung hat keine Veranlassung, dem AgitationSbedürsniS der Sozialdemokratie entgegenzukommen...." Es lohnt nicht, hier die irrigen Behauptungen zu wider- legen, daß die Arbeiterschaft an der Erringung des gleichen Wahlrechts für Preußen minder interessiert sei. Unzählige Male ist dem Volke während der letzten Jahrzjehnte das Gegenteil bewiesen worden. Für heute muß es genügen, auf die Ausführungen Vorsters aufmerksam gemacht zu haben. Wobei höchstens noch bemerkt zu werden verdient, daß die„Deutsche Tageszeitung" den Artikel Vorsters mit Behagen nachdruckt._ Wahlen im Zeichen des Burgfrieden?. Der Bund der Landwirte hat den Burgfrieden recht geschickt dazu benutzt, solche seiner Parteigänger in die Parlamente zu bringen, die in normalen Zeiten auf den schärfsten Widerspruch der bürgerlichen Parteien— mit Ausnahme der Konservativen natürlich— gestoßen wären. Wir nennen nur den Geschäftsführer des Bundes der Landwirte, Dr. Rösicke, der ISIS gleich in zwei Wahlkreisen durchfiel, ferner den bündlerischen Agitator, Ritterguts- besitzer Aus dem Winkel, und jetzt ist in dem erledigten Land- tagswahlkreiS Wittenberg -Schweinitz einer der Führer der dem Bund der Landwirte nahestehenden Lehrervereinigung, Hauptlehrer Hermann-FriederSdorf aufgestellt worden.
Die Ernährungsfrage im sächsischen Landtage- Die Zweite Kammer des sächsischen Landtages behandelte in der Schlußberatung abermals die Maßnahmen über die Volks- und Viehernährung im Erntejahr 1916. Die Kommisston, in der lange und in vielen Sitzungen die Frage erörtert worden ist, hatte einen 63 Seiten starken Druckbericht herausgegeben, deffen Ergebnis in einstimmig angenommenen Leitsätzen, die künftig für die ErnährungS- frage maßgebend sein sollen, gipfelt. Da die Regelung aber im wesentlichen Sache des Reiches ist, können diese Vorschläge, wie der Mitberichterstatter, Genosse Lange, hervorhob, nur die Bedeutung von Wünschen haben, die die sächsische Regierung im Bundesrat zu ver« treten haben wird. Der Minister des Innern erklärte, daß sich die Regierung nicht auf die Einzelheiten der Vorschläge festlegen könne. Sie befinde sich aber im vollen Einklänge mit der Auffassung, daß der nicht wirklich in den Verhältnissen begründeten Verteuerung der Lebens- mittel scharf entgegenzutreten sei.— In der weiteren Debatte war bemerkenswert, daß die Redner der konservativen Partei energisch jede Schuld der Landwirte an dem Lebensmittel- Wucher zurückzuweisen versuchten. Diesem Bestreben wurde von sozialdemokratischer und auch von liberaler Seite leb- Haft entgegengetreten. Von unserer Seite wurden auch der Belagerungszustand, die Pressezensur und die Ver- sammlungsverbote nochmals scharf kritisiert. Auch der Burgfriede spielte in der Debatte eine Rolle. Ein nationalliberaler Redner wünschte, daß die gegenwärtige Not des Volkes nach dem Kriege eine Quelle des inneren Friedens werden solle; sonst hätte der Burgsriede überhaupt keinen Sinn. Ein anderer Nationallibcraler suchte die hier und da gestiegenen Löhne der Arbeiter in der Waffen- sabrikation in Vergleich zu stellen mit den Wnchergewinnen an Lebensmitteln.— Genosse Lange stellte im Schlußwort diese Argu- mentation in da? rechte Licht.— Nach mehrstündiger Debatte wurde den Vorschlägen der Kommission einstimmig zugestimmt.
Haussuchungen in Hamburg . Am Donnerstag vergangener Woche erschienen Hamburger Kriminalbeamte bei dem in Alt-Rohlstedt, einem Hamburger Vorort, wohnenden Genossen Dr. Laufenberg. Sie teilten ihm mit, daß die von ihm verlegten Broschüren„Imperialismus und Demokratie" sowie„Organisation, Krieg und Kritik" vom Generalkom- mando des neunten Armeekorps verboten seien und beschlagnahmt würden. Auf seine Erklärung, daß er je ein Exemplar der Broschüre« gegebuiensallS zum Zwecke her Verteidigung be-