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Nr. 207. 32. Jahrg.

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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplatz, Nr. 151 90-151 97.

Donnerstag, den 29. Juli 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritzplatz, Nr. 151 90-151 97.

Schwere italienische Berluste in den Kämpfen bei Görz.

Der russische   Generalstabsbericht.

Die

Petersburg  , 28. Juli.  ( W. T. B.) Mitteilung des Großen Generalstabes. Zwischen Duena   und Njemen keine Veränderung. Kavallerie und Vorhut­gefechte dauern fort. Südwestlich von Kowno   wurde der Feind in der Nacht zum 27. Juli über den Fluß Jesia zurück­getrieben. An der Narewfront nahm die Hartnäckigkeit der Kämpfe in dem Abschnitt zwischen der Umgegend des Dorfes Dobrolemfa und in der Umgegend der Festung Nowo- Georgiewsk am 25. und 26. Juli zu. Offensive des Feindes auf dem linken Narewufer wurde durch unsere kräftigen Gegenangriffe aufgehalten. Viele Dörfer und Gehölze gehen abwechselnd von einer Hand in die andere über. In dem Walde östlich von Rozan   wird der Kampf sehr heftig. Am 26. Juli warf der Feind dort oberhalb von Sieraz starke Reserven in den Kampf. Aus beiden Narew­fern machten wir erfolgreiche Angriffe und zwangen einige Truppenteile des Feindes zu ungeordnetem Rückzuge. In der Umgegen des Dorfes Zeppelin(??) machten wir 700 Deutsche zu Gefangenen und erbeuteten einige Maschinen­gewehre. Ein Gegenangriff des Feindes von dem Dorfe Konstantinom aus wurde mit Hilfe von Panzerautomobilen abgewiesen.

Auf dem linken Weichselufer warfen wir in der Morgendämmerung des 26. Juli den Feind, welcher eine Annäherung an die Front Nadarzyn- Piasecno versuchte, durch einen gelungenen Bajonettangriff zurück. Zwischen Weichsel   und Wieprz herrscht mehr Ruhe. Destlich von Wieprz bis zum Bug dauert der Kampf fort. In der Gegend von Nakolupy, Maidan und Ostrowski machten die Deutschen   am Abend des 26. Juli Angriffe mit starken Kräften und nahmen einen Teil unserer Schanzen, wurden aber durch unseren Gegenangriff wieder zurückgeworfen. Die Angriffe der Deutschen   nördlich von Hrubieczow zeichnen sich andauernd durch einen ganz besonderen Nachdruck aus, aber wir weisen sie stets zurück. In der Umgegend des Dorfes Annapo machten unsere Truppen einen lebhaften Gegenangriff. Am Bug heftige Kämpfe in der Gegend Sokal Poturzica, wo der Feind einen Teil seiner Truppen auf das rechte Ufer herübergeführt hat. Zwischen Dniestr und Pruth   fruchtlose feindliche Teilangriffe.

Auf dem Schwarzen Meere haben unsere Torpedo­boote die Hafenanlagen in Samsun  , Ume und Riza beschossen und an der kleinasiatischen Küste über 150 Segelfahrzeuge zerstört.

Der italienische   Kriegsbericht.

Rom  , 28. Juli.  ( W. T. B.) Bericht der Obersten Heeresleitung. Im Val Daone haben wir die Be­sehung der Höhen des rechten Abhanges durch die Besetzung des Monte Lavanech und der Gipfel des Pissola vervoll­ständigt. Die feindliche Artillerie versuchte durch ihr Feuer von den beherrschenden Punkten des gegenüberliegenden Ab­hanges die Unternehmung zu stören, hatte dabei jedoch keinen Erfolg. Im Gebiet des Cadore erneuerte der Feind seinen Angriff auf den Monte Piano. Nach langer Vor­bereitung durch Artillerie mittleren Kalibers gingen in der Nacht zum 26. Juli Infanteriegruppen zum Sturme vor. Obwohl sie durch das Feuer zahlreicher Maschinengewehre unterstügt wurden, sind sie vollständig zurückgeschlagen worden. Jm Krn Gebiete dauert der erbitterte Kampf fort trotz des Nebels, der wirksame Artillerieunterſtüßung verhindert. Jm Abschnitt von Plava entwickelten sich die Unter­nehmungen zur Erweiterung des Brückenkopfes günstig weiter. Auf dem Karst dauerte die Schlacht gestern äußerst lebhaft fort. Längs der ganzen Front rückten unsere Truppen mit großem Schneid im Feuer vor, wobei es ihnen gelang, auf dem linken Flügel die sehr starke Stellung auf dem San Michele, die einen großen Teil des Hochplateaus beherrscht, zu erobern. Sie wurden jedoch von zahlreichen feindlichen Batterien jeden Salibers unter heftiges Kreuzfeuer ge­nommen und mußten sich etwas unterhalb des Kammes zurückziehen, wo sie sich jetzt behaupten. Im Zentrum drangen wir gegen den Sattel von San Martino vor, wobei die ihn krönenden Schüßengräben und Verschanzungen mit dem Bajonette genommen wurden. Auf dem rechten Flügel wurde gegen Ende des Tages dank einer glänzenden Aftion durch das vollkommene Zusammenarbeiten zwischen dem Vormarsch der Infanterie und dem Feuer der Artillerie die Eroberung der Stellung auf dem Monte Sei Busi vervollständigt, indem der dort start verschanzte Feind zurückgetrieben wurde. Ungefähr 3200 Gefangene, darunter ein Oberstleutnant und 41 andere Offiziere, sowie 5 Maschinengewehre, 2 fleine Bombenwerferkanonen, zahlreiche Gewehre, Munition, Lebensmittel und Kriegs­material bilden die Trophäen des blutigen Tages. Cadorna.

Meldung des Großen Hauptquartiers.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 28. Juli 1915.( W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplay. Nordwestlich von Souchez wurden einzelne von früheren Kämpfen her noch in der Hand der Franzosen befindliche Teile unserer Stellung nachts von schlesischen Truppen erstürmt. Vier Maschinengewehre sind erbeutet. In den Vogesen   fanden in der Linie Linge= kopf Barrenkopf erbitterte Kämpfe statt. Franzö­ sische   Angriffe wurden durch Gegenstoß nach mehr­stündigem Nahkampf zurückgeschlagen. Dabei sind auch die vorgestern abend verloren gegangenen Gräben am Lingekopf bis auf ein kleines Stück von uns zurückge­

wonnen.

Deftlicher Kriegsschanplay.

Zwischen Mitau   und dem Njemen wurden gestern noch etwa 1000 versprengte Russen zu Gefangenen gemacht.

Destlich und südöstlich von Rozan   schreitet unser Angriff vorwärts; Goworowo wurde genommen.

Nördlich von Serod beiderseits des Narew und südlich von Nasielsk   setzten die Russen ihre Gegenangriffe fort; sie scheiterten völlig. Der Feind ließ hier und bei Rozan   2500 Gefangene und 7 Maschinenge= wehre in unserer Hand.

Vor Warschau   wurde westlich von Blonie der Ort Pierunow von uns erstürmt; in der Gegend füd­westlich von Gora Kalwaria   wird gekämpft. Südöstlicher Kriegsschauplatz.

Die Lage bei den deutschen   Truppen ist im allge­meinen unverändert. Oberste Heeresleitung.

*

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien  , 28. Juli.  ( W. T. B.) Amtlich wird ver­lautbart: 28. Juli 1915, mittags:

Russischer Kriegsschauplatz.

Der Feind unternahm zwischen der Weichsel   und dem Bug und bei Sokal eine Reihe heftiger, jedoch erfolg­lofer Gegenstöße.

Westlich Jwangorod brach ein feindlicher Vorstoß unter unserem Feuer zusammen.

Italienischer Kriegsschauplak.

Gestern ermattete auch der gegen das Plateau von Doberdo   gerichtete Angriff der Italiener; stellenweise unter­hielten sie noch ein heftiges Artilleriefeuer.

Ansonsten rafften sie sich nur mehr zu vereinzelten schwächlichen Vorstößen auf, die mühelos abgewiesen wurden.

In den Kämpfen großen Stils trat somit eine Pause ein. Wie die erste, so endete auch die ungleich gewaltigere zweite Schlacht im Görzischen mit einem vollständigen Mißerfolg des angreifenden Feindes, der diesmal in dem ungefähr 30 Kilo­meter breiten Raume zwischen dem Monte Sabotino und der Küste sieben Korps mit mindestens 17 Infanterie- und Mobil­milizdivisionen einsehte und um jeden Preis ohne Rücksicht auf Opfer an Menschen und Material durchzubrechen versuchte. Die Gesamtverluste der Italiener sind auf hundert tausend Mann einzuschäßen. Erst die Geschichte wird die Leistungen unserer siegreichen Truppen und ihrer Führer in dieser Abwehrschlacht werten. Unerschüttert und uner­schütterlich stehen sie noch immer dort, wo sie vor zwei Mo­naten den Feind erwarteten. Dies gilt nicht nur von den in zwei Schlachten heiß umstrittenen Stellungen im Görzischen, sondern von unserer ganzen zur Verteidigung im Südwesten der Monarchie gewählten Kampffront.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant. Ereignisse zur See.

Am 27. Juli früh unternahmen unsere leichten Kreuzer und Torpedoeinheiten einen erfolgreichen Angriff auf die Eisenbahnstrecke von Ancona   bis Pesaro   und beschossen die Stationsanlagen, Bahnhofsmagazine, Wachthäuser und Eisenbahnbrücken an dieser Küstenstrecke mit gutem Erfolge. Mehrere Lokomotiven und zahlreiche Waggons wurden des moliert. Ein Bahnhofsmagazin in Fano   geriet in Brand, der eine starke Explosion zur Folge hatte.

Gleichzeitig belegten unsere Sceflugzeuge den Bahn­hof, eine Batteric, Kasernen und sonstige militärische Objekte Anconas erfolgreich mit Bomben, wobei der Rangierbahnhof sehr stark beschädigt und viel rollendes Material zerstört wurde. In einem Naphthatank entstand ein noch auf 30 Seemeilen sichtbarer Brand.

Alle Einheiten sind ohne Verluste eingerückt. Feindliche Seeftreitkräfte wurden nicht gesichtet. Flottenkommando.

Die österreichischen Finanzen.

Der Ausgleich von 1867 regelte die Beziehungen Dester­reichs und Ungarns  , die beide als selbständige Staaten zu einer Realunion verbunden wurden. Nur Armee und Flotte und die auswärtigen Angelegenheiten blieben gemeinsam, für deren Erfordernisse auch ein gemeinsames Finanzministerium sorgt, das aber keine eigenen Einnahmequellen hat, sondern seinen Bedarf nach einer Quote( 63,6: 36,4) auf Desterreich und Ungarn   umlegt. Die österreichische Schuld beträgt 12,5 Milliarden Kronen, wovon 5,2 Milliarden auf die allge­meinen Schulden fallen, an deren Lasten Ungarn   für 1,4 Mil­liarden teilnimmt. Der österreichische Finanzvorschlag für 1914/15 balanziert mit 3,5 Milliarden Kronen und weist einen Fehlbetrag von 222,8 Millionen Kronen auf. Die Steuern sind sehr hoch und werden drückend empfunden, weil das Volfsvermögen klein und die Affumulations­fraft gering ist. Im Bank- Archiv" sagt der bekannte österreichische Nationalöfonom Hofrat Phillipovich: Da auch alle anderen( als die Verzehrungssteuer) Steuern schon von jeher eine in Deutschland   unbekannte Höhe haben

-

Gebäudezinssteuern mit Zuschlägen von Gemeinden und Land bis 50 Proz., Steuern auf Aktiengesellschaften mit Zu­schlägen bis zu 25 Proz., Besoldungssteuern von Beamten mit Zuschlägen bis 30 Proz.-, muß man sagen, daß für weitere Steuererhöhungen feine Reserven mehr vorhanden sind. Das­selbe dürfte für Ungarn   gelten."

Phillipovich weiß keine anderen Einnahmequellen, als Ersparungen in der Verwaltung, insbesondere in dem Perso­nalaufwande, der ein Drittel des Gesamtbudgets verschlingt und über eine Milliarde Kronen verlangt. Seine Gründe sind sehr beachtenswert. Er erzählt:

Die Kommission für die Verwaltungsreform in Oesters reich hat durch einen nach Deutschland   gesandten Hofrat   die Kosten der dortigen Zentralstellen erheben lassen. Das Ergeb­nis war z. B., daß im preußischen Ministerium des Innern jährlich 80 000 numerierte Aften von 35 Juristen und 65 Kanzlei­beamten erledigt wurden und auf einen Aft. 7,5 Kronen Gehalt entfallen. Im österreichischen Ministerium des Innern wurden 70 000 Aften von 135 Juristen und 250 Kangleibeamten erledigt und ein Akt kostete 18,6 Kronen.(!) Ueber die Personalun­fosten unserer Staatsbahnen bestehen verschiedene Ansichten. Von einer Seite wird eine große Ueberfüllung behauptet, von der Bahnseite selbst auf die schwierigen Betriebsverhältnisse hin­gewiesen. Immerhin ist folgende Tatsache auffallend: In der Verwaltungsfommission wurde von einem Großindustriellen aus Wilkowitz( Zentrum von Kohlen- und Eisenindustrie) festgestellt, daß, als die diesen Ort passierende Bahn Privatbahn war, das Personal aus einem Stationschef und sechs Beamten bestand. Die Bahn wurde verstaatlicht und gegenwärtig sind an dieser Station ein Stationschef, sechs Stellvertreter und 35 Beamte, obwohl sich der Verkehr nur um 50 Proz. vergrößert hat. 17 dieser juristischen Beamten müssen Stredendienst machen."

alle

Der Ruf nach Sparsamkeit liegt auf der Zunge, aber so leicht das Verlangen ist, so schwer seine Verwirklichung. Dester­reich und Ungarn   sind typische Nationalitätenstaaten. Vor dem österreichischen Staatsgrundgeseße sind Bürger gleich, alle Nationen haben dasselbe Recht auf den Gebrauch der landesüblichen Sprache in Amt, Schule und vor Gericht. Aber was die landesübliche Sprache ist, wieweit fie im inneren Verwaltungsdienste anzuwenden ist, wie die Nationen ihre kulturellen Sonderbedürfnisse befriedigen, wer die Rechte der Nationen wahren soll, die nicht als juristische Personen des öffentlichen Rechtes konstituiert sind über alle diese fundamentalen Fragen schweigt sich die österreichische Verfassung aus. Die Nationen, denen das Recht keine Macht gibt, suchen die Macht zu erkämpfen. Sie erstreben die Be­febung einer möglichst großen Zahl von Beamtenposten durch ihre Volksgenossen, sie nationalisieren die staatlichen Funktio­nen und Funktionäre. Ersparnisse in der Verwaltung. lassen sich ohne ein neues Staatsrecht und ohne eine neue Organi­sation der Verwaltung nicht denken. Und gesetzt, dieses Riesenwerf ließe sich in wenigen Jahren durchführen, gesetzt, es ließen sich 300 Millionen Ersparnisse machen, so würden sie gerade genügen, um das Defizit im Friedensetat zu decken. In einer Broschüre über Desterreichs Finanzen und der Krieg" sagen Hofrat Franz Meissel und Professor Spiethoff, zwei österreichische Patrioten, denen niemand Voreingenommenheit oder kritischen Uebereifer nachsagen

wird:

In der Uebung der Volksvertreter und der Aemter herrscht die unglückselige Auffassung, der Staat und seine Mittel seien die Quelle für die Dedung aller Wünsche und Bedürfnisse. Der Gedanke, für den Staat zu sparen, ist nicht nur der österreichischen Bevölkerung, sondern auch der Verwaltung fremd geworden. Ja, man steht öffentlichen Mitteln geradezu mit dem Gefühl der Verantwortungslosigkeit gegenüber. Der gegenwärtig herrschende Grundsaz läuft nicht mur in persönlicher, sondern auch in sach­licher Beziehung darauf hinaus, möglichst viel aus dem Staat herauszuziehen.