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Eine Monographie über Iaures. Eine Literatur über JauröZ hat bisher so gut wie ganz gefehlt. Das muß zunächst erstaunlich erscheinen und erklärt sich doch bei näherem Zusehen ganz natürlich. Wie Jaurss selbst, dem� durch die wilden Hetzrufe und Drohungen, die ihn seit Jahren umschwirrten, unbekümmert Hindurchschreitenden, kein Todesgedanken die brausende Lebenssymphonie verdüstern konnte, worin Tal und Gedanken ein- ander zu jugendlicher Erneuerung emportrugen, so mochte den Zeit- genossen der Ruhepunkt entgleiten, diese rauschende Fülle beschreibend und einteilend einzufangen. Auf diese Art kam es, daß über die größte und meistumstritlene Persönlichkeil der dritten Republik   im Augenblicke, da der gezüchlcte nalionalistische Irrwahn daS kranke Gehirn gefunden hatte, das im Mordsanatismus sein nationales und soziales Verbrechen am leuchtendsten Genie der Nation voll- streckte, noch keine Unternehmung vorlag, die unendlich mannigfaltige Kraft des jählings gefällten Vorstreiters der Menschheit in über- sichtlicher Darstellung der Wissenschaft und der Volksnufklärung dauernd dienstbar zu machen. Ueber Jaurss' Leben und Persönlichkeil gab es nur das schon fast ein Jahrzehnt zurückreichende, flüchtige, anekdotarische Buch des PamphlelschreiberS Tory, den das schlechte Gewissen persönlicher Undankbarkeit und politischer Treulosigkeit mit Skepsis drapierte. Um Jaures  ' Wirksamkeit als Politiker, Denker, Schriftsteller zu überblicken, war man fast einzig auf ihn selbst an- gewissen, auf die heute noch völlig unübersehbare Masse seiner Bücher, Reden, Ariikel. Ein zusammenfassendes Buch über Jaurös zu schreiben, war darum ein ungeheuer schweres Wagnis. Noch fehlt es an der Sammlung auch des wichtigsten Materials. Sieht man von den philosophischen Erstlingsschriflcn, der großen Revolutions- geschichte, einer Sammlung von Aufsätzen und dem Buch über die Neue Armee"(nur die zwei letzien in.deutscher Sprache erschienen) ab, das allerdings in einzelnen Kapiteln einen Abriß der gesamten Weltanschauung des Verfassers enthält, muß man Jaurös' Werde- gang und sozialer Leistung auf den unzähligen Wegen nachgehen, auf die seine unvergleichliche Fruchtbarkeit ihre Früchte verstreut hat. Und oft sind es verlorene Seitenpfade, wo man die köstlichsten findet. Sogar von den Parlamenisreden ist nur ein einziger, freilich durch die ausführliche Einleitung überaus wert- voller Band erschienen, der nur die erste Periode seiner parlamen- tarischen Tätigkeit umfaßt, wo er an den Sozialismus herantritt und mit gewaltigem Schritt nach seiner ersten Reihe hinschreitet. Das übrige hat man in Parlamentsprotokollcn, Kongreßprotokollen, Broschüren und einigen zwanzig Jahrgängen von Tageszeitungen und Revuen zu suchen. Was die Tagblätter anlangt, wird außer derPetite Rspublique" und derHumanits" ganz besonders auch dieDepöche de Toulouse", das große Organ der Demokratie des französischen   Südens zu berücksichligen sein, deren dauernder Mit- arbeiter Jaurss auch nach der Einigung der sozialistischen   Partei und selbst nach der Gründung des sozialistischen   Tagblalts von Toulouse   geblieben ist. Diese Mitarbeit entspringt Jaurös' Grundauffassung der Demokratie und der diese, wenn auch unvollkommen, verwirklichenden republikanischen Staats- Verfassung. Wenn er den Klassenkampf des Proletariat« als geschichtliche Notwendigkeit begriff und der Parteieinheil mit der ganzen Loyalilät seiner Seele manche gern gehegte Vorstellung und Hoffnung taktischer Wegrichtung zum Opfer brachte, hielt er doch an der Ueberzeugung fest, daß in dem ungeheuren Schwünge, den die moderne Produktionsweise der Gesellschaft verliehen hat und den das Proletariat durch seinen Kampf selbst steigert, auch die anderen Klassen über das unmittelbare materielle Profitinteresse hinaus ge- rissen werden könnten. Und da ihm die Nation als unentbehr- liches, ja großartigstes Krastzentrum des sozialen Fortschritts der Menschheit erschien, hielt er es für notwendig, die Tribüne, von der er zur ganzen Demokrarie sprechen konnte, nicht aufzugeben. Ver- wandten Erwägungen entsprang seine regelmäßige Mitarbeit an der Rsvuö cks i'snssiZQsmsnt primairs", dem Organ der sozial- idealistischen Lehrerschaft. Will man Jaurös' Stellung in und zur Demokratie in den verschiedenen politischen Phasen der radikalen Re- publik im einzelnen verfolgen und verstehen, wird man seine Aeuße- rungen in den genannten zwei Organen zur Ergänzung seiner eigentlich sozialistischsir Parteischriflstellcrei unbedingt heranziehen müssen. Ueberaus wünschenswert wäre es auch, wenn besonders diejenigen, die sich eines ständigen Verkehrs mir Jaurös zu erfreuen halten, durch schriftliche Auszeichnung, solange noch die Erinnerung frisch und nicht der unausbleiblichen unbewußten Verfälschung verfallen ist, so- viel wie möglich von dem Reichtum zu retten suchten, den Jaurös im Gespräch verschwenderisch auszustreuen pflegte. Jaurös war nicht einer jener Redner, die erst von den Versammlungen den Schwung des Ideenflugs empfangen oder ihre Gedanken ökonomisch für die wirkungsvolle Ausgabe aufspeichern. Das boshaftells parle ckonc je suis"(Ich spreche, darum bin ich"), das der Schreiber dieser Zeilen einmal in einer Zeil verschärfter Parteidiskussion von einem von Jaurös' bedeutendsten Widersachern als Definition seines Wesens aussprechen gehört hat, war in dem höheren Sinne wahr, daß Jaurös' beredsame Gesprächigkeit die Aeußerung einer unendlich freigebigen Natur war, die in der Mitteilung an andere ihr stärkstes Lebensgefühl und ihre Tiefe fand. So waren die großen Reden und Schriften nur die Höhepunkte seiner ununterbrochenen Auseinandersetzung mit den großen Problemen, die in seinem panthcistischen Weltbilde zu- sammenfkossen und auch seine zwanglosen Gespräche, worin sich die Universalität seiner Interessen und seines Wissens entfaltete, inehr als eine heitere Entlastung seines Geistes. Wenn er z. B. zwischen zwei Parteilagssitzungen am Miltagstisch aus die alte Frage der Entstehung der Homerischen Dichtungen zu sprechen kani und diese feurig als Werk eines einzigen Dichters zu erweisen versuchte, war es nicht schwer, in dieser Anschauung dieselbe Tendenz widerzufinden, die ihn in den politischen Debatten desselben Tags leidenschaftlich einigen parlamentarischen Erklärungen entgegentreten ließ, die die Einigung der Partei- und der Gewerkschaftsbewegung zu erschweren . schienen und ebenso seine monistische Metaphysik. Die Unifizierung der sozialistischen   Partei diese seine Schöpfung, der er so viel Arbeil, Energie, Begeisterung und Verzicht dargebracht hat, war ja für ihn ein Teilchen jener Gesamtarbeit des Menschengeschlechtes, die er in seiner Gedenkrede auf Benoit M a l o n in jenen Sätzen dargestellt hat, deren Prägung mehr noch als die Welranschauung Malons die Züge seines eigenen, seit seinen philosophischen' Jugendwerken feslgehallenen idealistischen Realismus wiedergibt:Während er im Licht der Wissenschaft dieses Bild des allgemeinen Lebens entwarf, dieses Lebens voll Unruhe, Leid, Zer- fahrenheit und Zerrissenheit, worin aber doch, von einer inneren Sprungfeder bewegt, ein Wachstumsdrang arbeitet, sagte er: Der Sozialismus wird diesen Aufstieg fortsetzen. Er nimmt den Menschen, der schon ein Stück emporgestiegen ist und trägt ihn höher, unbekannten Geschicken zu, die das Weltall   ihm in der Un- endlichkeit des Raumes und der Zeil bereit hält. Die unbegrenzten Forrschritte der Gerechtigkeit und tschönhcii, die von der Menschheit vollbracht werden, werden vielleicht als Stützpunkte für Kombinationen der ewigen Substanz dienen, die der Geist zu dieser Stunde nicht voraussieht." Bei einer Spezialuntersuchung der philosophischen Anschauungen Jaurös' dürfte, nebenbei bemerkt, ihre Ver- wandtschafi mit den Ideen Fichtes besonders zu berück- sichtigen sein, dessen Idealismus freilich revolutionär rück- sichtsloscr ist als Jaurös' Glauben an die Göttlichkeit der realen Welt. Hoffen wir, daß gesammelte persönliche Erinne- rungen der Freunde und Mitarbeiter. Briefsammlungen und ge- wissenhafl ausgezeichnete Gespräche mit Jaurös das Material ver- mehren, das der Jaurös-Forschung der Zukunft und damit auch der geschichtlichen Erforschung des französischen   Sozialismus dienen wird. Einstweilen dürfen wir uns an der schönen Arbeit erfreuen, die Genosse Charles Rappoport   in Paris   vor einigen Wochen her-
ausgegeben hat. Sie liegt uns als stattlicher Band von über 400 Seiten, von der genossenschaftlichen DruckereiL'Emancipairice", die sie auch verlegt hat, mit sichtbarer Liebe ausgestattet vor. Anatole France   hat ein kurzes, für den Verfasser schmeichelhaftes Vorwort beigesteuert, das für die Zeit des wiedergekehrten Friedens eine eigene Studie Frances über Jaurös verspricht. Eine ausgezeichnete Photographie Jaurös schmückt das Buch, in das auch ein technisch ausgezeichnetes Facsimile eines Jaurösschen Briefes eingeheftet ist. Wir haben die Schwierigkeit geschildert, die eine Gesamt- darstellung von Jaurös Leben und Wirken noch entgegenstehen. Es gereicht Rappoport zum höchsten Lob, daß er es dabei in einer verhältnismäßig so kurzen Zeit verstanden Hai, aus der riefen- haften Materie ein so übersichtliches und eindrucksvolles Bild zu formen. Der Autor tritt hierbei freiwillig hinter den Stoff zurück. So viel als möglich läßt er in den drei Teilen des Buches: Der Mensch; Der Denker; Der Sozialist Jaurös selbst sprechen und begnügt sich oft, nur zusammenzufassen und zu er- läutern. Im ersten Teil zeigt er uns Jaurös' Anfänge, seinen Eintritt ins Parlament und seinen llcbertritt zur sozialistischen  Partei, sein Austreten und seine Ziele im DrcyfuS-Skandal, seine Auffassung des proletarischen Klassenkainpfs im Zusammenhang mit der in die Einigung der Partei ausmündenden Politik und zuletzt sein Apostulat für den Weltfrieden.   Der zweite Teil führt irns zunächst in die pantbeistische Philosophie Jaurös' ein, deren poetische Züge in den von Rappoport gegebenen Auszügen besonders hervor- treten. In diesem Kapitel wäre vielleicht, besonders mit Rücksicht auf Leser, die mit der Geschichte der Philosophie nicht vertraut sind, eine mehr historisch-kritische und analytische Behandlung zu wünschen gewesen. Es wird dem Verfasser wohl nicht schwer werden, in den weiteren Auflagen, die seinem Buch gewiß sind, diese Partie entiprechend zu überarbeiten; wobei eine Berücksichtigung der Einflüsse der nachkanlischen deutschen   Philosophie auf Jaurösäe primis socialismi germanici lineamea" von denGrundzügen des deutschen  Sozialismus" in der deutschen   Philosophie Handelle seine lateinische Doktorthese wichtiger wäre als die gelegentlichen Hinweise auf B e r g s o n, dessen Philosophie Jaurös' doch um ihres anti- rationalistischen Charakters willen entschieden abgelehnt bar. Auch scheint bei einem philosophisch io geschulten Verfasser ein«.atz ver- wunderlich, wie der auf S. 108 stehende:Im Einklang mit der großen idealistischen Schule die von Plaio über Kant und Schopenhauer bis zu B e r g s o n geht, betrachtet und Hand- habt Jaurös die Metaphysik wie eine spontane Schöpfung des Geistes." Wie kommt Kant unter diese Metaphysik»? Der zweite Teil enthält weitere Kapitel überJaurös und die Erziehung" undJaurös als Historiker." DaS erste zeigt uns sein auch im privaten Leben bekundetes Verhältnis zur Kirche ttnd ihren welllichen Ansprüchen, das seine geschichtliche Ausnürkung in der Trennung von Kirche und Staat gefunden hat, zu der bekanntlich eine Enthüllung derHumanitö" den unmittelbaren Anstoß gab. Das zweite eines der besten des ganzen Buches macht uns in sehr klarer Analyse besonders mit Jaurös' schöpferischer An- Wendung des historischen Materialismus bei der Erforschung der Geschichte der französischen   Revolution bekannt. Jaurös' großes Werk ist leider seines Umfanges wegen und weil es sein Riesenmaterial oft unübersichtlich anhäuft, von Leuten, die nicht über sehr viel freie Zeit verfügen, kaum durch- zustudieren. Die stark verkürzte holländische Bearbeitung von Van Ravefieijn hat Jaurös Einspruch hervorgerufen, und Jaurös hat seinerzeit den Vorschlag, eine Uebcrtragung dieser holländischen Ausgabe ins Deutsche zu autorisieren, entschieden zurückgewiesen. Rappoport arbeitet die entscheidenden Gesichtspunkte der Jaurösschen Methode und die wichtigsten Resultate vortrefflich heraus und an der Hand seines Werkes werden stärker beschäftigte Leser auch einzelne Partien mit mehr Gewinn lesen. Neben- bei bemerkt, wäre es ein interessanter Gegenstand einer historisch- methodischen Untersuchung, dem Einfluß nachzugehen, den die antike Geschichtsschreibung auf den altphilologisch glänzend geschulten Jaurös ausgeübt hat. Nicht nur Plutarch, den Rappo- Port erwähnt, sondern besonders Thukydides  , dessen Brauch, geschichtlichen Personen Reden in den Mund zu legen, die sie nicht oder nicht so gehalten haben, aber gehalten hätten, wenn sie ihre Anschauungen und Absichten hätten vor Zuhörern zusammenfassen wollen, von Jaurös mit Vorliebe angewandt wird. Der dritte Teil behandelt die Wirksamkeit Jaurös innerhalb der Arbeiterbewegung und der sozialistischen   Politik: seine nationale und internationale Politik, seine Bestrebungen in der Armeefrage, seine Stellung zu Reform und Revolution und zum Ministe- rialismus. Daß Rappoport bei seiner Darstellungsmethode nicht flüchtig aufgelesene Lesefrüchte, sondern eine von wissenschaftlicher und politi- scher Erfahrung geleitete Auslese eines durchgearbeiteten Stoffes bietet, zeigt sich nicht nur in der Art, wie sich die einzelnen Elemente des Buchs ineinanderfügen, sondern namentlich auch dort, wo er als Erklärer näher hervorrtritt, so in den historischen Kapiteln und unbeschadet unseren Vorbehalten auch im Philosophischen  . Der warme Ton der sehr lebendigen Darstellung wirkt sympathisch. Der dem liebend Nachfolgenden drohenden Klippe kritikloser Verherrlichung aber hat der Verfasser, der in den inneren Parteidiskussioneu einige Jahre lang zu den entschiedenen Gegnern Jaurös gehörte, mit Geschmack zu entgehen verstanden. Sein Buch ist der würdige Kranz, den die Wissenschaft auf ein Grab legt, worauf die Blumen weinender Liebe unverwelkt stehen.__ Otto Pohl  .
UnerhörteSchmähungen Jaures Die Post" läßt sich von ihrem früheren Pariser   Mitarbeiter auS Genf   über unseren unvergeßlichen Jaurös also berichten: JauröS, der redegewandteFührer" der französischen   Sozial- demokratie, war eine viel zu ohnmächtige Persönlichkeit, ein viel zu kompromittierter Politiker und ein viel zu echter Stroh- mann, als daß er jemals es vermocht hätte, den Plänen eines Poin- carö hindernd im Wege zu stehen. Wer war jener Jaurös, welches seine Rolle?... Frankreich   wurde wir können dies nie genug betonen in unverantwortlicher Weise von einer absolut finanziellen Oligarchie beherrscht, die diesen Staat verwaltete, wie der Pächter sein auf Zeit gemietetes Gut verwaltet. Das hauptsächliche Werkzeug dieser Herr- schaft war das Parlament. Hier kommen wir zur Rolle der s r a n- fischen Sozialdemokrate und derjenigen ihrer Führers Jean Jaurös. Als im alten Rom   die Zustände zu faulen begannen, ward ein Sprichwort erfunden, das manchem professionellen Politiker(die es damals auch schon gab) sehr erwünscht gewesen sein muß:Ueber die Toten laßt uns nur Gutes sprechen!" Wir bedauern, daß für Jean Jaurös niÄt gelten lassen zu können. Jean Jaurös war der professionelle Politiker Frankreichs   par excellence. Er war sich seiner Ohnmacht und der Ohnmacht seiner Partei wohl be- wüßt und dennoch trat er als der Inhaber wirklicher Machtfüllc auf. Er wetterte gegen den Kapitalismus, und dabei wurde sein Blatt, dieHumanitö", von den größten Kapitalisten Frankreichs   unterstützt wie es der gleiche Hervö einstens in einem Zornesanfall verriet. Er wetterte gegen die kapita- listische Regierung, ohne aber die Subsidien dieser Regierung zu verschmähen, falls es sich darum handelte, dem Jacques Bonhomme eine neue und zweifelhaste Anleihe zu forciertem Kurse aufzuhängen. Mit einem Wort, er gehörte zu jenerOpposition" des gouverne mentalen Blocks, mit
dessen Hilfe die finanzielle Oligarchie herrschte. und die dieOpposition" jeweils dann manövrieren ließ, falls ein allzu ehrlicher Politiker die Herrschaft der Oligarchie zu bekämpfen suchte. Frankreichs   Parlamentarismus war, nach Maurice Borrs-, eine Kloake, nach anderen Eingeweihten eineRepublik der Käme- raden", in der eine unsaubere Haud die andere schmierte. Und JauröS schmierte und ließ sich mitschmieren. Es ist hier nicht die Stelle, um auf die Mentalität dieses in jedem Sinne unfreien Mannes einzugehen. Vielleicht waren seine Absichten dennoch gute, vielleicht sagte er sich, daß man nur dann etwas unter den Wölfen erreichen könne, falls inan mit ihnen heule. Und es ist nicht ausgeschlossen, daß uns eines Tags Memoiren über einen Konflikt zwischen Zweck und Mitteln in der Seele eines Mannes unterrichten, der anfänglich in seinem Streben rein gewesen sein mag. der aber Schritt für Schritt weiter in den Sunipf des französischen   Parlamentarismus ge- riet, in dieKloake", aus der es kein Zurück mehr gibt. Auf diese feigen Verdächtigungen eines Toten zu antworten, ist überflüssig. Es genügt festzustellen, daß die angegebenen Tatsachen unwahrer Art sind. Aber noch unangenehmer berührt uns da- Lob", das dieserPost"- Korrespondent unserer Partei zu sprechen wagt. Er schreibt: Heute hat es die Partei des Herrn JauröS gewagt, sich nicht nur mit unserer Sozialdemokratie gleichzusetzen, sondern diese selbst maßregeln zu wollen. Unsere Leser wissen, daß wir auf einem ganz anderen Standpunkt stehen als dem unserer Sozialdemokraten. Dies soll uns aber nicht von der Anerkennung zurückhalten, daß wir es bei unserer sozialdemokratischen Partei mit ehrlichen Elementen zu tun haben.... Vor einem Jahre starb einer der geschicktesten Spieler der Tragikomödie des französischen   Par- lamentarismus. Aber er machte nichts aus; irgend ein anderer trat an seine Stelle, irgend ein anderer hampelt nun, wie die Fäden gezogen werden, fort, die schmähliche Farce geht weiter!" Mag derPost"- Korrespondent uns noch so vielAn- erkennung" zollen auf ihn fällt nichts von den Sympathien. die wir nach wie vor für Jaurös und die Sache, die er vertrat, hegen. Ein Iricöensaufruf des Papstes. Rom  , 80. Juli.  (W. T. B.) Meldung der Agenzia Stefani. Offervaiore Romano" veröffentlicht einen Aufruf des Papste? an die kriegführenden Völker und ihre Staatsoberhäupter, in dem er sie beschwört, den Krieg zu beenden. Der Aufruf hat folgenden Wortlaut: AIS   wir, obwohl unverdienterweise, auf den apostolischen Stuhl gerufen als Nachfolger des Papste? Pius X.  , dessen eigenstcs und wohltätiges Leben abgekürzt wurde durch den Schmerz, den der soeben ausgebrochene brudermörderische Kampf verursacht hatte einen besorgten Blick auf die blutgetränkten Schlacht- selber warfen, erlitten auch wir den Schmerz eines Vaters. der sein Hau§ von einem heftigen Gewitter verheert und verödet sieht. Wir dachten mit unaussprechlichem Schmerz unserer vom Tode wiedergenesenen Kinder, wir enipfanden in einem durch die christliche Nächstenliebe geweihten Herzen den ganzen furchtbaren Schmerz der vor der Zeit zu Witwen gewordenen Mütter und Gattinnen und das untröstliche Weinen der ihrer väterlichen Leitung allzufrüh beraubten Kinder. In unserer Seele, die an der quälenden Furcht zahlreicher Familien Anteil nahm und. die die gebieterische Aufgabe kennt, die uns durch die in diesen so traurigen Tagen anvertraute Mission des Friedens und der Liebe auferlegt ist, faßten wir alsbald den festen Entschluß, unsere anze Macht der Versöhnung der kriegführenden ölker zu weihen. Wir gaben sogar das feierliche Ver- sprechen dem göttlichen Erlöser, der um den Preis seines Blutes alle Menschen zu Brüdern machen wollte. Worte des Friedens und der Liebe waren die ersten, die wir als oberster Seelen- Hirt an die Nationen und an ihre Oberhäupter richteten. Allein unser herzlicher und dringender Rat eines Vaters und Freundes wurde nicht gehört. Das hat unfern Schmerz gesteigert, unseren Entschluß jedoch nicht erschüttert. Wir fuhren daher fort, uns mit Vertrauen an den Allmächtigen zu wende-:, der die Seelen und Herzen der Untertanen wie der Könige in seinen Händen hat, und baten ihn, der furchtbaren Geißel Einhalt zu gebieten. Unserem bescheidenen, aber herzlichen Gebet wollten wir alle Gläubigen sich anschließen sehen, und um es wirksamer zu estalten, trugen wir Sorge, daß Werke der christlichen Buße es egleiteten. Heute aber an diesem traurigen Jahres- tage des Ausbruchs dieses furchtbaren Konflikts entringt ffw unserem Herzen noch glühender der Wunsch. daß der Krieg bald zu Ende fein möge. Wir erheben unsere Stimme noch lauter, um den väterlichen Ruf nach Frieden hören zu lassen. Möge dieser Rufden furcht- baren Lärm der Waffen übertönen, die kricgführen- den Völker und ihre Oberhäupter erreichen und beide milderen und freundlicheren Absichten zugänglich machen. Im Namen des heiligen Gottes, im Namen unseres Vaters und Herrn im Himmel. im Namen des gesegneten Blutes Jesu, des Preises der Erlösung der Menschheit beschwören wir die kriegführenden Völker bei der göttlichen Vorsehung, dem entsetzlichen Blutbad, das seit einem Jahre Europa   entehrt, von nun an ein Ende zu machen. ES ist Bruderbtut. das man zu Lande und zu Wasser vergießt. Die schönsten Gegenden Europas  , dieses Gartens der Welt, sind mi: Leichen und Ruinen übersät. Da, wo vor kurzem noch die Tätig- keit der Fabriken und fruchtbare Feldarbeit sich entfaltet haben dröhnen jetzt furchtbar die Kanonen und schonen in ihrer Zer- störungswut weder Körper noch Städte, und säen allerorten Ver- heerung und Tod. Ihr, die Ihr vor Gott   und vor Menschen d i e furchtbare Verantwortung für Frieden und den Krieg tragt, hört auf unsere Bitten, hört auf die väterliche Stimme des Stellvertreters des ewigen und böchsten Richters, Ihr, die Ihr über Eure öffentlichen Unternehmungen, über Eure private Tätig- keit werdet Rechenschaft geben müssen: die überquellenden Reick- tümer. die der Schöpfer der Welt Euren Ländern gegeben hat, ermöglichen Euch, den Kampf fortzusetzen. Allein um wel- chen Preis? So fragen die Tausende junger Menschenleben die jeden Tag auf den Schlachtfeldern erlöschen. Um welchen Preis? So fragen die Ruinen fo vieler Städte und Dörfer, jo vieler� der Pietät der Ahnen zu verdankenden Denkmäler. Die in der Stille des häuslichen Herdes, an den Stufen der Altäre ver- gossenen bitteren Tränen, machen nicht auch sie offenbar, daß der Preis der Verlängerung des Kampfes groß, allzu groß ist? Und man kann nicht sagen, daß der unge- heure Konflikt ohne Waffengewalt nicht beendigt werden könne. Möge man von diesem gegenseitigen Willen der Zerstörung ae- lassen. Bedenke man, daß, wenn die Nationen vergehen, wenn jie zu sehr erniedrigt und unierdrückt werden, sie das ihnen auferlegte Jvch unter Knirsche« tragen und daß sie die Rache vorbereiten, indem sie von Geschlecht zu Geschlecht eine traurige Erbschaft von Haß und Rache überltesern. Weshalb soll man nicht von jetzt an mit ruhigem Gewissen die Rechte und gerechten Forderungen der Völker abwägen? Warum nicht freiwillig einen direkten oder indirekten Meinungsaustausch beginnen mit dem Zweck, nach Maßgabe des Möglichen diesen Rechten und Forderungen gerecht zu werden und auf diese Weise