GewerksthaMches. Die geWerkfchaftliche Internationale. lieber bie Frage der gewerkschaftlichen Internationale äußert sich Genosse S. I a s z a i, der Sekretär der ungarländischen Ge- Werkschaftszentrale, wie folgt: .Der wirksame Schutz der Arbeiterinteressen, die Unterstützung der ins Ausland reisenden Mitglieder der Gewerkschaften, die inter - nationale Unterstützung größerer Streiks und Aussperrungen, das Verhindern von Streirbrecheranwerbungen, die Zusammenfassung des statistischen Materials der Gewerkschaften, haben die inter - nationalen Berufssekretariate unentbehrlich gemacht und es ist nicht dem Zufall zuzuschreiben, daß diese, mit Ausnahme von ein bis zwei, in Teutschland ihren Sitz haben. Wer unvoreingenommen die Tätigkeit der Gewerkschaften in den verschiedenen Ländern beobachtet, muß anerkennen, daß die deutschen Genossen ein be- sondereS Gewicht auf die internationale Entwickelung unserer Be- wegung legten; bei ihnen war die internationale Solidarität keine leere Phrase, sondern eine oft und tief klingende Wirklichkeit. Zur Unterstiitzung ausländischer Streiks und Aussperrungen haben sie riesige Summen gegeben. Der allgemeine Streik in Schweden hat die Deutschen allein 1 200 000 Mk. gekostet. Genosse Legien , der Vorsitzende der Generalkommission der Gewerkschaften Teutschlands, hat das Internationale Sekretariat der gewerkschaftlichen Landeszentralen gegründet. Er wurde der Sekretär dieser schön entwickelten Institution und er ist es, der alljährlich den in allen Stücken interessanten internationalen Be- richt verfaßt.
Die Gewerkschaftszentralen eines Landes könnten ihren Auf- gaben nicht entsprechen, wenn sie ihren Sitz in einer x-beliebigen kleinen Gemeinde ihres Landes hätten, wo im allgemeinen die Organisationen nur mit schwachen Kräften arbeiten. Ebenso können auch die internationalen Sekretariate mit Erfolg nur in solchen Ländern arbeiten, wo sie sich auf starke und gut ausgebaute Gewerkschaften stützen können. Die internationalen Sekretariate können sich nicht vor der praktischen Gewerkschaftsbewegung verschließen. Sie müssen nicht nur von jeder Phase des gewerkschaftlichen Lebens unterrichtet sein, sie müssen auch regen Anteil daran nehmen. Die praktische Arbeit ist unerläßlich für alle, die in der Arbeiterbewegung eine Führer- rolle einnehmen wollen. Die von den internationalen Sekretären zu leistende praktische Arbeit kann aber wieder nur eine groß- zügige sein. Sie müssen aus unmittelbarer Nähe die großen Kämpfe, die sich zwischen Arbeit und Kapital abspielen, sehen, sie müssen dort auf dem Platz sein, wo die besten und stärksten gewerk- schaftlichen Einrichtungen bestehen, sie müssen viel Erfahrungen sammeln können, damit sie imstande sind, die entsprechenden Winke und die zur fortivährenden Stärkung und Entwickelung der Ge- werkschaften notwendigen Anregungen zu geben. Und wo können denn die Sekretäre diese Erfahrungen sammeln? Wenn die eng- lischen und französischen Gewerkschaftsführer sachlich sein könnten, dann müßten sie anerkennen, daß die bestausgebauten, stärksten und auf moderner Grundlage beruhenden Gewerkschaften bis jetzt nur in Deutschland bestehen. Es ist wohl wahr, daß besonders in der letzten Zeit sich in England gewaltige wirtschaftliche Kämpfe abgespielt und daß die englischen Gewerkschaftsführer ebenfalls viel Erfahrungen haben, aber ebenso wahr ist es, daß England von der internationalen Solidarität und der Zentralisation weit entfernt ist. Wenn all das in Betracht gezogen wird, ist es notwendig, daß der Sitz des Internationalen Gewerkschaftsbundes und der internationalen Be- rufssekretariate auch weiterhin in Deutschland verbleibt.'" Deutsches Reich . Für die Beibehaltung des Verbots der Nachtarbeit nahm eine allgemeine Versammlung der Kölner Bäckermeister Stellung. Man beschloß eine Eingabe an den Bundesrat um Erlaß eines Ge- setzes betreffend Verbot der Nachtarbeit von abends 7 Uhr bis morgens 6 Uhr.
Busland. Arbeiterschutz in der französischen Militärkonfektion. Eine Vorschrift, die Herr T h i e r r y, Unterstaatssekretär der Intendanz im ftanzösischen Kriegsministerium, soeben heraus- gegeben hat, bestimmt, daß für alle von den Militärbehörden zu vergebenden Aufträgen von Militärlieferungen Lohntarife maß- gebend sein sollen, die im Verein mit den Arbeitsinspektoren fest- zusetzen sind. Die Tarife für die Werkstättenarbeiter sind in den Werkstätten selbst, die für die Heimarbeiter in den Lokalen, wo die Unternehmer die Arbeit vergeben, und auf dem Bürgermeister- amt der Gemeinde, wo die Heimarbeiter ihren Wohnsitz haben, anzuschlagen. Auf diese Art soll die Möglichkeit einer Kontrolle durch die Arbeitsinspektoren und durch die interessierten Arbeiter selbst gesichert werden. Die Frage ist nur, ob diese Schutzbe- stimmungen nicht in vielen Fällen durch die Einschiebung von Zwischenunternehmern unwirksam gemacht werden können.
Bus ikr Partei. Aus den Organisationen. In zwei Versammlungen beschäftigten sich die Hamburger Parteigenossen mit dem Pericht der Preßkommission. Der zweite Vorsitzende der Kommission, Genosse v. Elm, berichtete über den geschäftlichen Stand des Blattes. Danach ist die Abonnentenzahl des»Hamburger Echo", die vor dem Kriege 73 WMtz betrug, nach Kriegsausbruch auf 63 000 gesunken und dann wieder auf 71 000 gestiegen. Jetzt beträgt die Zahl der Abonnenten noch zirka 61 000. Nachdem Genosse v. Elm dann über die gegen die Redaktion er- hobenen Beschwerden berichtet und diese zurückgewiesen hatte, äußerte er sich über die Redaklionsführung unter anderem: Wenn die Preßkommission sich mit der Haltung des„Echo" im verflossenen Kriegsjahr einverstanden erklärt, so soll das natürlich nicht heißen, daß wir jeden Artikel oder gar jeden Ausdruck billigen. Es ist selbstverständlich, daß in so bewegter Zeit manches Wort unterläuft, das besser unterblieben Iväre. Das ist mir Von der Redaktion selbst zugegeben worden, daß mancher Ausdruck von dem Verfasser hinterher selbst als verfehlt empfunden wird. Das ist aber auch bei einer Tageszeitung, die nicht mit der Gründ- lichleit eines wissenschaftlichen Werkes hergestellt werden kann, ganz unvermeidlich. Wollen wir gerecht urteilen, dann darf nichr auf Einzelheiten herumgeritten, sondern die gesamte Haltung des Blaties in Betracht gezogen werden. Und von dieser muß nach meiner Mei- nung anerkannt werden, daß sie im Interesse des deutschen Volkes, insbesondere aber der deutschen und der Hamburger Arbeiterschaft lag. Wenn die Opposition zugibt, daß wir den Sieg Deutschlands wünschen müssen, so genügt nicht, das zu sagen, sondern es muß auch der Wille zum Siegen immer wieder zum Ausdruck gebracht werden! Genosse Dr. L a u f f e n b e r g als Vertreter der Minorrtät be- kämpfte die Haltung des Blattes. Nach Schluß der Debatte wurde die Preßkommission gegen wenige Stimmen wiedergewählr und damil der von der Preß- kommission der Redaktion gegenüber eingenommene Standpunkt ge- billigt. ♦______ Veramw. Redakt.: Alfred Wielerv. Reukölln. Inseratenteil verantm
Eine in Duisburg abgehaltene Filialleitersitzung faßte folgende Resolunon: � 1. Die erweiterte Parteileitung des Wahlkreises Duisburg- Mlllheim-Oberhausen-Hamborn erklärt sich mit der Haltung der Reichstagsfraktion und den bisherigen Maßnahmen des Parteivorstandes zum Kriege einverstanden. 2. Sie erwartet, daß der Parteivorstand und die Reichstags- fraktion mit allen Mitteln versuchen, die Regierungen zu ver- anlassen... Die Genossen verpflichten sich, alle Bestrebungen, mögen solche von links oder rechtskommen, die darauf hinauslaufen, die Parteieinheit zu stören, mit aller Entschiedenheit zu bekämpfen. Die Filialleitersiyung erklärt damit die ganze Angelegenheit bis zur nächsten Kreiskonferenz für erledigt. In namentlicher Abstimmung wurde Absatz 1 mit neun gegen sechs Stimmen bei einer Stimmenthaltung, Absatz 2 einstimmig an- genommen.
Iugenöbewegung. Am Pranger. An der Spitze des„Gubener Tageblatts", des amt- lichen Kreisblatts für den Landkreis Guben sindet sich in der Nummer vom 13. August in fetter Schrift folgende„Amtliche Bekanntmachung": Guben , den 12. August 1913. Ter Schuhmacherlehrling Fritz Göyke aus Fürftcnbcrg a. Oder muhte wegen Jnteressenlosigkcit aus der Jugcndkompagnic entfernt werden. Ich bringe dieses unpatriotische Verhalten des Genannten zur allgemeine» Kenntnis. Der Königliche Landrat. I. V. M o e s, Rcgicrungsassessor. Wie reimt sich dieser landrätliche Ukas zusammen mit den ministeriellen Verfügungen über die militärische Jugendausbil- dung, in denen das Prinzip der Freiwilligkeit aufgestellt war? Und hat sich der Herr Regierungsassessor Moes nach den Arbeits- und Lebensverhältnissen des so gestäupten Schuhmacher- lehrlings erkundigt? Leider ist es in diesen„burgfriedlichen" Zeiten uns nicht gestattet, unsere Meinung in dieser Frage mit derselben Deutlichkeit zu sagen, wie es dem Königlichen Land- rat I. V. Regierungsassessor Moes möglich ist.
Mittelbarer Zwang zum Beitritt zur Jugcudwehr. Der Oberbürgermeister von Rheydt fReg.-Bez. Düsseldorf ) hat dieser Tage folgende Bekanntmachung erlassen: „Im Anschluß an meine Bekanntmachung vom 22. April 1918, betreffend Festsetzung der Unterrichtszeiten an der gewerblichen und kaufmännischen Fortbildungsschule in Rheydt bestimme ich nach Anhörung des Sckmlkuratoriums folgendes: Fortbildungsschüler, die über 16 Jahre alt sind und den Jugendkompagnien in Rheydt nicht benreten, sind verpflichtet, außer an den durch obenbezeichnete Bekanntmachung ver- öffenllichten Stunden, auch Mittwochs, abends von 8— 10 Uhr, die Schule zu besuchen und an dem für sie eingerichteten be- sonderen theoretischen Unterrichte teilzunehmen. Eine Unterbrechung dieses Unterrichts durch Ferien findet nicht statt. An dem Unterrichte müssen auch die Schüler teil- nehmen, die auf Antrag ihrer Arbeitgeber von dem Schulbesuche bis zu den Herbstferien befreit waren. Jede unentschuldigte Ver- säumnis wird bestraft." Die Verpflichtung zur Teilnahme an diesem Sonderunierricht auch während der jetzt begonnenen Ferien(3 Wochen) wird von den Schülern als Strafe empfunden, wie überhaupt der ganze Erlaß den Eindruck einer Slrafverfügung macht.
Bus Jnöustrie und Handel. Kriegsgewinne. Die Vereinigten Stahlwerke van der Zypen und Wißner Eisenhütten Akl.-Ges. erzielten im Geschäftsjahr 1914/13 einen Brultoüberschuß von 3 2 23016 M. gegen 3710293 M. im Vorjahre. Die Abschreibungen nehmen 1 634 216 M. in Anspruch gegen 1 394 491 M. im Vorjahre. Für Erneuerungsbauten werden 330 000 M. bereitgestellt, im Vorjahre 330 000 M. Einem Kriegsfürsorgefonds werden 330 000 M. über- wiesen. Die Dividende erfährt eine Erhöhung von 8 a-uf 12 Prozent. Auf neue Rechnung werden 1 163 789 M. vorgetragen. Der Vortrag ist nahezu so hoch, wie der Betrag der ausgeschütteten Dividende. Die Oberlausitzer Zuckerfabrik in Löbau verteilt 6 Proz. Dividende gegen 4 Proz. im Vorjahre.
Konzentration in der schweizerischen Brauindustrie. Von 1900 bis 1912 ging in der Schweiz die Zahl der Braue- reien von 243 auf 138 zurück. Während 1900 noch 141 Brauereien eine Jahresproduktion von unter 3000 Hektoliter Bier hatten, waren es 1912 nur noch 50. Die Bierproduktion stieg in dem zwölfjährigen Zeitraum von 2 166 372 auf 2 997 412, die durch- schnittliche Jahresproduktion einer Brauerei von 8841 auf 21 233 Hektoliter. Es hat also eine ganz bedeutende Betriebskonzentration in der schweizerischen Brauindustrie stattgefunden.
Tie gute Geschäftslage der schweizerischen Seidenindustrie. Aus Thalwil am Zürichsee , einem bedeutenden Hauptsitze der schweizerischen Seidenindustrie, wird über deren gute Geschäfts- läge berichtet. Da der Tod Hochkonjunktur hat, hat die Seiden- industrie keine tote Saison, wie in früheren Jahren. Dagegen sind die Arbeitslöhne gedrückt infolge des Zudranges von Arbeitern aus anderen Berufen, und stehen in krassem Gegensatz zu der vor- handenen Teuerung, so daß in zahlreichen Arbeiterfamilien Not- läge mit Unterernährung besteht. Die Kapitalisten dagegen ver- mehren ihre Reichtümer.
Soziales. Ter„Tummejungenstreich" der Kontoristin. Die Verfehlungen einer jugendlichen kaufmännischen Angestellten hatte die 5. Kammer des Berliner Kaufmanns- gerichts im Rahmen eines Prozesses zu würdigen, der sich gegen die Buchdruckerei von Gebrüder Schmidt richtete. Klägerin war die ISjährige Elise N., die mit einem Monatsgehalt von zwanzig Mark von der Be- klagten engagiert worden war. Sie behauptet, von dem einen Chef grundlos hinausgeworfen worden zu sein, und verlangt deshalb noch 40 M. Gehalt. Der Prozeß vor dem Kaufmannsgericht mußte mehrere Monate ruhen, da erst der Ausgang des strafrechtlichen Ermittelungsverfahrens abgewartet werden sollte. Die Gebrüder Sch. hatten nämlich gegen die N. Strafanzeige wegen Diebstahls. Unterschlagung und Ver- letzung des Briefgeheimnisses bei der Staatsanwaltschaft erstattet, so daß man zu der Annahme gelangen konnte, eine gefährliche Ver- brecherin vor sich zu haben. Nach den sehr eingehenden Er- Mittelungen der Staatsanlvaltschaft schrumpften aber die schweren Anschuldigungen der Gebrüder Sch. gegen das junge Mädchen, dem sie 20 M. Monatsgehalt zahlten, zu einem..Dummenjungenstreich" zusammen. Die Klägerin hatte nämlich zugestandenermaßen �Typen aus der Druckerei mit nach Hause genommen und einen Geschäfts- brief ohne Erlaubnis geöffnet. Die Mitnahme der Typen erklärt Th. Glocke. Berlin . Druck n. Verlag: Vorwärts Luchdr. u-Verlagsanitalt;
die Kontoristin damit, daß sie für sich und einige Freundinnen aus dem Jugendklub zu Haufe einige Visitenkarten drucken wollte. Der Schulrektor und die Polizei stellten dem jungen Mädchen das allerbeste Zeugnis aus, es sei das Kind sehr achtbarer Eltern und habe niemals Anlaß zur Klage gegeben. Die Staatsanwalt- schaft stellte das Verfahren mit folgender Begründung ein: An- gesichts der Jugend müsse bezweifelt werden, daß die N. in bezug auf ihre Handlungsweise die erforderliche Einsicht gehabt habe. Es sei auch Sache der Antragsteller, zu beweisen, daß die An- geschuldigte die Typen wirklich entwenden und nicht nur zu�denr spielerischen Zwecke benutzen und dann wieder an Ort und Stelle legen wollte. In der Verhandlung vor dem Kaufmannsgericht mußt« die Beklagte zugeben, daß das junge Mädchen in dem Betriebe so gut wie nichts zu tun hatte. Das Kaufmannsgericht schloß sich der Auffassung der Staatsanwaltschaft voll und ganz an und ver- urteilte die Beklagte zur Zahlung der geforderten 49 M.— Das Verhalten der Klägerin sei gewiß nicht zu billigen, aber bei ihrer Jugend sei es als„Dummerjungenstreich" zu bewerten. Auch der Einwand der Beklagten , Klägerin hätte die Portokasse nicht richtig verwaltet, sei zu verwerfen. Beklagte habe selbst zugegeben, daß sie nur alle acht bis zehn Tage die Kasse abgerechnet habe, es hätte aber bei einem so jungen Mädchen täglich abgerechnet werden müssen. Das Kaufmannsgericht sieht es als nicht unbedenklich an, einem 13jährigen Mädchen bei so geringer Bezahlung die Führung einer Kasse anzuvertrauen.
Frauenarbeit an gefährlichen Maschinen. Wenn der Weltkrieg zu Ende sein wird, werden flcki unsere„Sozialpolitiker" wundern, daß eine große Anzahl schwer verletzter Frauen dauernd als Unfallrentenempfänger zu verzeichnen sind. An die Stelle der ins Heer eingetretenen männlichen Arbeiter treten eben von Tag zu Tag neue Scharen von ungelernten Frauen und Mädchen, die oft gar keine Ahnung von der ihnen drohenden Unfallgefahr haben. Ja, es kommt sehr häufig vor, daß gar keine geschulten Meister in vielen Betrieben vorhanden sind, die diese unkun- digen Geschöpfe anlernen, sie auf die Gefährlichkeit ihrer Tätigkeit besonders aufmerksam machen, wie dies nicht allein die Vernunft, sondern auch die Unfallverhütungsvorschriften ertra betonen. Neue„Betriebe" werden sogar von Nichtfach- leuten eröffnet und lustig zu recht hohen Preisen darauflos „fabriziert". Bei dem Artikel:„Kriegsarbeit" gibt es leider Personen, die sich auf Kosten anderer Leute nicht zu knapp bereichern, ober die Mindestvorschriften des Unfallschntzcs nickt beachten. Zur Jllustrierung sei nur folgender Fall registriert: In einer Frankfurter Metallwarenfabrik waren nach Ausbruch des Krieges nur noch drei männliche Arbeiter und vier Lehrbuben beschäftigt. Da kamen große Aufträge an Kriegsliefecungen: schnallen, Haken für Tornister und Geschirre usw. Doch der Unter- nehmer wußte sich zu helfen, wenn er auch keine geeigneten Ar- beitskräfte zur Verfügung hatte, diese Aufträge auszuführen. Er stellte einfach nach und nach 24 Mädchen ein, von denen die größte Mehrzahl noch niemals eine Maschine gesehen noch bedient hatte. Gearbeitet wurde von früh 7 Uhr bis abends 7 Uhr, und wenn die „Produktion" nicht vorwärts gehen wollte, so wurde einfach Sonn- tagsarbeit befohlen. Der höchste Stundenlohn war 25 Pf. für die Frauenarbeit, und um recht anzutreiben, wurde auch Akkordarbeit eingeführt. Das zog! Es wurde recht fleißig gearbeitet, eine Kon- trolle der Arbeit selbst war gar nicht mehr notwendig, und in einem Zeitraum von 4 Wochen waren bereits elf schwere Unfälle armer Älkädchen der Bevufsgenossenschaft zu melden. Das An- melden der Berufsunfälle ist ja sehr leicht, nur eine reine Form- fache und damit die ganze Arbeit des Unternebmers erledigt ge- Wesen. Die verletzten Mädchen kamen alle der Reihe nach in das nächstliegende Krankenhaus, wurden dort von der Ortskrankenkasse unterhalten und waren nach erfolgter Heilung zeitlebens zu Krüppeln geworden. Alle hatten schwere Verletzungen der reckiten Hand zu verzeicbnen, weil eben diese wichtige Hand bei allen Ar- beiten an den Stanzmaschinen usw. in erster Linie der Unfall- gefahr ausgesetzt war. Eine recht karge Unfallrente wird nun nach Ablauf der 13. Unfallwoche den armen verletzten Frauen gezahlt werden, die dann auf die Dauer zu allen Frauenarbeiten, wie Flicken, Stricken usw. gar nicht mehr fähig sein werden. Es wirft sich doch da die Frage auf: Kann hier unsere Gcwerbeinspektion und unsere Unfallverhütung der Bernfsgenossenschaften nicht helfen? Muß zu den vielen Tausenden von Invaliden des Schlachtfeldes unbedingt auch noch eine große Zahl ver- krüppelter Frauen hinzukommen? Hier gilt es in erster Linie ein- zuschreiten._
Gerichtszeitung. Ter Polizeipräsident gegen die Milchhändlcr. Recht erbauliche Einblicke in den Geschäftsbetrieb der Milchpanscher, oder wie sie früher genannt wurden:„M i l ch- matrose n", gestattete wieder einmal eine Verhandlung, welche gestern unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dr. H ö p k e die Ferienstrafkammer des Landgerichts I be- schäftigte. Angeklagt wegen wissentlicher Nahrungsmittelverfälschung war die Milchhändlerin Emma Feind. Infolge zahlreicher Klagen über schlechte Milch waren vor einiger Zeit bei einer großen Anzahl Milchhändler in Berlin Milchprvben entnommen worden, die er- gaben, daß die Milch gerade noch den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestfettgehalt von 2,7 Proz. hatte, also als eine sehr schlechte Vollmilch anzusehen war, die auf dem Lande längst als Mager- milch gilt. Die Beobachtungen ergaben, daß zwar von den Milch produzierenden Gütern die beste Vollmilch nach Berlin geliefert wurde, die aber hier auf den Bahnhöfen von den Herren Milch- Panschern erst in„Behandlung" genommen wurde. Diese ehren- werten Leute gingen dabei in der Weise zu Werke, daß sie ent- weder aus jedem Vollmilchfaß mehrere Liter von oben abschöpften und als Sahne verkauften oder daß sie der guten Vollmilch mehrere Liter Magermilch zusetzten und sie auf diese Weise ver- dünnten. Der Polizeipräsident ordnete daraufhin die Schaffung sogenannter Milchprüfpatrouillen an, welche» wie die zahlreichen in Moabit verhandelten Prozesse gegen Milchpanscher beweisen, eine sehr ersprießliche Tätigkeit entwickelten. Die betreffenden Beamten erscheinen des Morgens auf den Güterbahnhöfen zumeist in der Kleidung von Eifcnliahnbcamtcn oder Kutschern, und konnten in dieser Weise die Herren Fälscher bei ihrer Tätigkeit belauschen. Zu den zahlreichen Milchpanschern, die auf den Bahnhöfen ent- larvt worden waren, gehörte unter anderen auch die Angeklagte, die in der Choriner Straße ein Milchgeschäft betreibt. � Diese wurde von dem Kriminalschutzmann Dedecke auf dem Nordbahnhof beobachtet, wie sie aus mehreren Fässern Milch entnahm und dann Magermilch zusetzte.— Das Schöffengericht verurteilte die An» geklagte zu 39 M. Geldstrafe. Hiergegen legte die Staatsanwalt- schaft Berufung ein.— Bor der Strafkammer entwarf der Sach- verständige, Prof. Dr. Juckcnack, ein recht betrübendes Bild von dem Tiefstand, aus den der gesamte Berliner Milchhandel gesunken ist. Derartige Fälschungen seien jetzt ständig auf der Tages- ordnung und noch niemals seien so kolossal viel Milchhändler unter Anklage gestellt worden wie jetzt. Tatsächlich beständen in dem Berliner Milchhandcl zurzeit geradezu entsetzliche Zustände, die nur durch das Eingreifen des Polizeipräsidenten zum Teil ab- gestellt worden seien.— Der Staatsanwalt beantragte eine Geld- strafe von 299 M. gegen die Angeklagte, da es höchst verwerflich sei, eins der wichtigsten Nahrungsmittel zu verfälschen. Das Gericht erkannte unter Aufhebung des schöffengerichtlichen Urteils auf 139 N!. Geldstrafe und Auferlegung der sämtlichen Kosten. jaul Singer u. Co.. BerlinLW. Hierzu 2 Beilagen u. Unterhaltuugsbl.