Nr. 263.- 32. Jahrg.
Abonnements- Bedingungen: abonnements Preis pranumerande: Bierteljährl 3,30 ML, monatl. 1,10 wöchentlich 25 fg. frei ins Haus. Einzelne Nummer 5 Bfg. Sonntags nummer mit illustrierter Sonntags Beilage„ Die Neue Welt" 10 fa. Bost Abonnement: 1,10 Mart pro Monat Eingetragen in die Post- Zeitungs Breisliste. Unter Kreuzband für Deutschland und Desterreich Ungarn 2,50 Marl, für das übrige Ausland
Mart pro Monat. Postabonnements nehmen an: Belgien , Dänemark , Holland , Italien , Luxemburg , Bortugal Rumänien, Schweden und die Schweiz
Ericheint tägild.
5 Pfennig
Die Infertions- Gebühr
beträgt für die sechsgespaltene Kolonel. geile oder deren Raum 60 fg., für politische und gewerkschaftliche Vereins. und Bersammlungs- Anzeigen 30 Bfg. ,, Kleine Anzeigen", das fettgedruckte Wort 20 Pfg.( zulässig 2 fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 10 Pig. Stellengesuche und Schlafstellenan zeigen das erste Wort 10 Pfg., jedes weitere Wort 5 Pfg. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 5 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist bis 7 Uhr abends geöffnet.
Telegramm Adresse:
,, Sozialdemokrat Berlin".
Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.
Fernsprecher: Amt Morigplatz, Nr. 151 90-151 97.
Donnerstag, den 23. September 1915.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplag, Nr. 151 90-151 97.
Der russische Generalstabsbericht. Petersburg, 22. September. ( W. T. B.) Der gestrige Generalstabsbericht lautet:
In der Gegend nordwestlich von Dünaburg warfen wir beim Dorfe Muncze die Deutschen durch kräftigen Angriff aus ihren Verschanzungen. Südwestlich und südlich von Dünaburg dauern die Kämpfe an der Front von NowoSchwere Aleksandrowsk bis zum See von Driswiaty an. deutsche Artillerie beschoß einzelne Abschnitte dieser Front und verwendete häufig Granaten mit giftigen Gasen.
In der Gegend östlich von Wilna dauern die Kämpfe an. An der Front Binjakoni- Lida und in der Gegend des Flusses Molczadz östlich vom Flusse Szczara gab es nur unbedeutende Zusammenstöße.
An der Front Teremow- Podhaice östlich von Luck eröffnete der Feind die Offensive, wurde aber zurückgeschlagen. Es kam wiederholt zu Bajonettangriffen. Wir machten etwa 700 Gefangene und erbeuteten 3 Maschinengewehre. Während der Angriffe gegen die Dörfer Berezowka und Nostoki im Nordwesten von Wischnewec, die in dem gestrigen Bericht erwähnt find, erreichte der Gegner trot unseres heftigen Maschinengewehr- und Artilleriefeuers unsere Verschanzungen und stürzte sich mit Hurrarufen auf uns. Der heiße Bajonettkampf, der darauf folgte, führte zur Zurückwerfung des Feindes, der große Berlufte erlitt. Wir gingen dann zum Gegenangriff über. Unsere Truppen faßten den Gegner in der Flanke, warfen ihn und kamen bei der Verfolgung bis in seine Verschanzungen. Außerstande, die Heftigkeit dieses Sturmes auszuhalten, floh ein Teil der Desterreicher, die übrigen ergaben sich oder wurden mit dem Bajonett niedergemacht. Die Zahl der Gefangenen beläuft sich auf 10 Offiziere und 600 Mann. Bei der Einnahme einer Schanze in der Gegend des Dorfes Slone südöstlich von Tlusce machten wir 50 Gefangene und erbeuteten viel Patronen und Pionierwerkzeuge. Bei einem Scharmügel am Flusse Dzuryn südöstlich von Czortkom wurde der Feind über den Fluß geworfen. Wir machten 5 Offiziere und etwa 200 Soldaten zu Gefangenen.
Einberufung des ungedienten russischen Landsturmes.
Rietsch"
Petersburg , 22. September. ( W. T. B.) veröffentlicht ein Manifest des Zaren vom 13. September betreffend Ein berufung des ungedienten Land. stur mes. Der Aufruf besagt, daß der Feind ins Land eingebrochen und es deshalb nötig sei, mit neuen, jungen Kräften die Armee zu stärken.
Fliegerangriff auf Stuttgart .
Berlin , 22. September. ( W. T. B.) Heute 8.15 Uhr bormittag fand ein Angriff feindlicher Flieger mit deutschen Flugzeichen auf Stuttgart statt. Es wurden mehrere Bomben auf die Stadt abgeworfen. Vier Leute wurden da. durch getötet und eine Anzahl von Militärund Zivilpersonen verlegt. Der Sachschaden ist ganz unbedeutend. Die Flieger, von den Abwehrkommandos beschossen, entfernten sich gegen 8.30 Uhr vormittags in südlicher Richtung.
Auf die Benutzung deutscher Abzeichen und den zufälligen Umstand, daß furz zubor( 7.45 Uhr vormittags) den zuständigen militärischen Stellen der Anflug eines deutschen Fliegers gemeldet worden war, ist es zurückzuführen, daß die Bevölkerung erst verhältnismäßig spät gewarnt werden konnte. 9.30 Uhr vormittags erschien der vorher erwähnte deutsche Flieger über Stuttgart , wurde kurz beschossen, bis er als deutscher Flieger sicher zu erkennen war und landete sodann unverletzt in der Nähe der Stadt.
Zur Versenkung der„ Hesperian". Berlin , 22. September. ( W. T. B.) Nach Auskunft im Admiralstabe der Marine steht im Gegensatz zu der durch Reuter verbreiteten Aeußerung der englischen Admiralität nunmehr fest, daß für den Angriff auf Hesperian" ein deutsches Unterseeboot nicht in Frage kommt.
Vom U- Bootkrieg.
Kopenhagen , 22. September. ( W. T. B.) Meldung des Rigauschen Bureaus. Die Besatzung des dänischen Dampfers Thorwaldsen " wurde gestern nacht um 2 Uhr von dem schwedischen Dampfer Mimosa" in Helsingoer gelandet. Der„ Thorwaldsen " wurde Montag abend 47 Meilen westlich von Hanstholm in der Nordsee bon einem Deutichen Unterfeeboot torpediert. Die Besazung wurde von der Mimoja" aufgenommen.
Meldung des Großen Hauptquartiers.
Amtlich. Großes Hauptquartier, den 22. September 1915.( W. T. B.)
Westlicher Kriegsschauplatz.
Zwischen Souchez und Neuville sowie östlich von Roclincourt griffen die Franzosen gestern abend an. Die Angriffe brachen im Feuer vor unseren Hindernissen zuſammen.
In der Champagne wurden nordöstlich des Gehöftes Beau Sejour neue französische Schanzarbeiten durch konzentrisches Feuer zerstört. Stärkere Patrouillen, die teilweise bis zur dritten feindlichen Linie durchstießen, vervollständigten die Zerstörung unter erheblichen Verlusten für die Franzosen , machten eine Anzahl Gefangene und kehrten befehlsgemäß in unsere Stellung zurück.
Ein englisches Flugzeug wurde bei Willerval( öftlich von Neuville) von einem deutschen Kampfflieger abgeschossen; der Führer ist tot, der Beobachter wurde verwundet gefangen genommen.
Deftlicher Kriegsschauplah.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg . Südwestlich von Lennewaden( an der Düna nordwestlich von Friedrichstadt ) machten die Russen einen Vorstoß; es wird dort noch gekämpft.
Destlich von Smelina( südwestlich von Dünaburg ) brachen unsere Truppen in die feindliche Stellung in einer Breite von 3 Kilometer ein, machten 2000 Mann zu Gefangenen und erbeuteten 8 Maschinengewehre. Nordwestlich und südwestlich von Oschmjana ist unser Angriff im weiteren günstigen Fortschreiten. Der Gawiaabschnitt ist beiderseits Subotniki überschritten.
Der rechte Flügel ist bis in die Gegend nördlich von Nowogrodek vorgekommen.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern.
Der Molczadsabschnitt ist auch südöstlich des gleichnamigen Ortes überschritten. Russische Stellungen auf dem westlichen Myschanka- Ufer beiderseits der Bahn Brest- Litowsk - Minsk wurden erstürmt und dabei 1000 Gefangene gemacht, 5 Maschinengewehre erbeutet. Weiter südlich wurde Ostrow nach Häuserkampf genommen. Ueber den Oginskikanal bei Telechany vorgegangene Abteilungen warfen die Russen in Richtung Dobroslawka zurück.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls v. Mackenfen. Deftlich von Logischin fanden kleinere Kämpfe statt. Südöstlicher Kriegsschauplah.
Nichts Neues.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichische Generalstabsbericht.
Wien , 22. September. ( W. T. B.) Amtlich wird verlautbart: Wien , 22. September 1915.
Russischer Kriegsschauplah.
In Ostgalizien und in Wolhynien ist die Lage unverändert. An der Jtwa kam es in einigen Abschnitten zu heftigen Artilleriefämpfen. Vereinzelte Versuche der Russen, über den Fluß vorzudringen, scheiterten im Feuer unserer Batterien.
Die in Litauen kämpfenden I. u. t. Streitkräfte haben gestern im Raume Nowaja- Myisz eine russische Stellung durchbrochen, neunhundert Mann zu Gefangenen gemacht und drei Maschinengewehre erobert.
Italienischer Kriegsschauplah. Gegenüber dem Nordabschnitte der Hochfläche von Lafraun unterhielt die feindliche Infanterie heute durch mehrere Stunden vor Tagesanbruch ein sehr heftiges Feuer, ohne jedoch vorwärts zu kommen. Im Dolomitengebiete erhöhte die italienische Artillerie ihre Tätigkeit gegen den Monte Piano und das Gebiet beiderseits dieses Berges. Die Gesamtlage ist unverändert.
Südöstlicher Kriegsschauplatz.
An der Save und unteren Drina Artilleriekämpfe und Geplänkel. Pozarevac und Vf. Gradiste wurden mit Bomben belegt.
Montenegrinische Artillerie beschoß Teodo .
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.
Die verlorene Partie.
Noch einmal haben sich die Diplomaten des Vierverbandes in Sofia bemüht. Der genaue Inhalt ihres Angebotes iſt unbekannt. Aber der„ Corriere della Sera " selbst hat die serbischen Zugeständnisse, die die Grundlage der neuen Ententevorschläge sind, verschwommen und bedingt genannt. Während in Sofia noch Noten und höfliche Worte getauscht werden, donnern die deutschen Kanonen nach Serbien , das durch fast dreiviertel Jahre keinen Feind gesehen hat, Tod und Verderben bringende Geschosse.
Die großen Erfolge der verbündeten Balkanmächte im Stampfe gegen den verhaßten türkischen Herrn von gestern, die mit froher Bereitwilligkeit gezollte Bewunderung Europas haben das Selbstgefühl und die Hartnäckigkeit der serbischen nnd bulgarischen Bauern aufs äußerste gesteigert. Der friedlich- schiedliche Ausgleich in der Verteilung der Beute des ersten Balkankrieges scheiterte. Einen Monat nach dem Londoner Friedensvertrage, in dem die geschlagene Türkei alles Land westlich der Linie Enos- Midia abgetreten und nichts als den Brückenkopf Konstantinopel und die Halbinsel Gallipoli in Europa behalten hatte, am 29. Juni 1913 brach der berhängnisvolle zweite Balkankrieg aus, der Bulgarien das Schicksal der Türkei , auf allen Fronten geschlagen zu sein, bereitete und die Türkei aus ihrer tiefen Erniedrigung hob.
Wie anders sah die Balkanhalbinsel nach dem Bukarester Frieden aus, als sich die Bundesbrüder gedacht hatten, die im Oftober 1912 gegen die Türkei zu Felde gezogen waren! Serbien erhielt ganz Mazedonien , um dessen Besitz die Bulgaren seit Jahrzehnten mit Schulen, Stirchen und Banden einen erbitterten Stampf gegen die türkischen Behörden und ihre Konkurrenten im Seelenfang mazedonischer Bauern, Griechen und Serben geführt hatten. Das Land ist wegen seiner zentralen Lage im Herzen der Halbinsel von ungeheurer Bedeutung. Sein Besizer kontrolliert den Durchgangsverkehr von Süden nach Norden und kann in einer ihm günstigen Stunde gegen seine Nachbarn, dem Lauf der Flüsse folgend, im Süden und Norden vorstoßen. Darum suchten schon in dem ersten Balkankriege bulgarische, serbische, griechische Banden, die in den unabhängigen Staaten ihren Stammsiz hatten und denen auch hochgebildete Männer angehört haben, die Stulturpropaganda ihrer fonnationalen, Popen und Lehrer durch die eindringliche Sprache der Flinte, die schießt, und des Säbels, der haut, zu verstärken. Eine nationale Abgrenzung nach Sprachgrenzen ist unmöglich. Die Bevölkerung ist nach ihrer nationalen, Bugehörigkeit ungeheuer zersplittert. Bulgaren , Serben, Griechen, Albanesen, Kuzowallachen wohnen durcheinander. Doch ist allgemein zugestanden, daß große Gebiete mit ausgesprochen bulgarischem Charakter durch den verhängnisvollen Bufarester Frieden serbisch geworden sind. So wurde das uationale Prinzip, das die Kampfparole der Balkanvölfer war, mit Füßen getreten, um schnöden Augenblicksgewinn die Einigkeit preisgegeben, der Intervention der Großmächte Tür und Tor geöffnet und das Prinzip geopfert: Der Balkan den Balkanbölfern! Der hohe schöne Traum eines geschlossenen und machtvollen Balkanbundes ist ausgeträumt. Die alte böse Blutfeindschaft der mazedonischen Bandenkrieger ist zu verzehrendem Haß aufgeflammt.
Griechenland focht in dem kurzen Sommerfeldzug an der Seite Serbiens gegen Bulgarien , gewann das Küstenland von Saloniki nach Kawalla und suchte sich einen mit Serbien zu dauernden Besitz durch einen Bund sichern, das seinerseits als Binnenstaat Saloniki Hafen brauchte. Rumänien erlangte die Abtretung eines Landstrichs südlich der Donau . Bulgarien vetlor seine führende Stelle und wurde isoliert; Rumänien trat aus seiner Isolierung und wurde Vormacht auf dem Balkan . Sogar die Türkei fonnte den Bulgaren Adria nopel abnehmen und behaupten.
Und wie hat sich die Situation seither geändert? Bul garien hält die Entscheidung über den Balkan in seinen Händen, und sie ist gegen den Vierverband ausgefallen.
Die Niederlage der Ententediplomatie
Wien , 22. September. ( T. U.) Voy bulgarischer unterrichteter Seite wird dem Korrespondenten der„ TelegraphenUnion" mitgeteilt: Die Klärung der Situation auf dem Balkan macht erfreuliche Fortschritte. Wie nicht anders zu erwarten war, hat das überaus kluge Verhalten Bulgariens seine Wirkung auf die übrigen Baltanstaaten nicht verfehlt. Die diplomatischen Vertreter der Zentralmächte in Bukarest konnten denn auch in der Vorwoche ihren Regierungen berichten, daß sich auf dem