Am Abend des 7. August stand die Bugarmee ungefähr in de : Linie Dubienka— Swierze— Nordrand Rudka— zu Ruda— Auda— Holendernia— Maldrand westlich Radzanow— Nordende Malinowka — zu Chutcza— Serniawy— Wojciechow— Mitte Kulczyn— Winencin —Höben nörMich A'ndrzejow— Zalucze-Nowe— Ostausgang Zalucze. Unter fortwährenden hartnäckigen Kämpfen drangen die Korps bis auf Sturmentfernung an die Hcmptstellung heran. Am 8. setzte sich eine Dwision in Besitz der Höhen südlich Petrylow, am 9. wurde Lukoweik, Bukowo-Male, Niajdan-Kulczynski, Ujazdow gestürmt, eine Division durchschritt trotz heftigstem Artilleriefeuer die Enge bei Czernikow. und die linke Flügeldivision der Armee gelangte bis südlich Wereszczynska-Wola. Am 19. setzte sich eine Division in Besitz von. Gut Lukowek und eine andere in den von Wythczno. Aber die Hauptstellung stand noch fest und unerschüttert, und jeder Versuch, in. sie einzudringen, scheiterte an den mächtigen, unter Flanckenfeuer liegenden Hindernissen.. Doch ebenso unbeugsam blieb der Wille der deutschen Führung, sie unter allen Umständen zu nehmen. Um die Stoßkraft an der für den Durchbruch ausgesuchten Stelle zu erhöhen, wurde in der Nacht vom 19. zum 11. die schon des öfteren erwähnte ostpreuhische Division in dem Räume zwischen Bukowo-Male und der von Saivin nach Wlodawa führenden Chaussee eingesetzt.. Am 11. nachmittags begann nach vorher- gegangenem Einschietzen das Wirkungsschießen der von der Armee in bedeutender Stärke auf einen Raum zusammengezogenen Ar- tillerie gegen die Einbruchsstelle bei Bukowo-Wielkie. Wer solch ein Wirkungsschietzen einer größeren Artilleriemasse zur Erzwingung eines' Durchbruchs nicht persönlich gesehen hat, kann sich keinen Bogriff machen von der vernichtenden Gewalt dieses schaurigen Schauspiels. Unaufhörlich krachen die Geschütze mit ohrenbetäubendem Lärm, die unheilbringenden Eisenklötze zischen und heulen durch die Luft, und ununterbrochen schläft Granate um Granate, eine dicht neben der anderen in die feindliche Stellung,' schwarzgelbe Rauch- und Erdwolken hoch emporschleudernd und alles dort befindliche Lebende vernichtend.— Ein gewaltiges Schauspiel! Aber eine Hölle für die, gegen die solch Schietzen ge- richtet ist! Und man braucht deshalb die Russen nicht feige zu nennen, wenn sie ein solches Artilleriefeuer nicht aushalten können und dem Stärkeren weichen.— So geschah es auch diesmal!— Nach Beendigung des Wirkungs- schietzens brach in der Nacht die zum Durchbruch bestimmte ostpreu- tzifche Division in die feindliche Linie westlich Bukowo-Wielkie ein, und wieder war der Feind gezwungen, auch aus dieser, fast unüber- windlich. scheinenden Stellung vor der Front der ganzen Armee zurückzugehen. In sofort einsetzender Verfolgung �kämpfte sich die Bugarmee in den Tagen vom 13. bis 17. August bei Wlodawa den Uebcrgang über den. Bug mnd überschritt diesen Fluß mit einem großen Teil ihrer Truppen. Nun war das nächste Ziel die Festung Brest-Litowsk und vor allem die von ihr nach Ojlxn führenden Straßen!— _(SB. T. B.)
Dänischer Parteitag. In der � Hauptstadt JütlandS , zu SarhuS, war vom 22. bis 23. September der 15. Parteitag der dänischen Sozialdemokratie versammelt. Seit dem letzten Kongretz sind 2% Jahre verflossen, und in dieser Zeit hat die Partei, wie Genosse S t a u n i n g mit Genugtuung festflellte, einen beträchtlichen Mitgliederzuwachs er- halten. 83 neue Abteilungen haben sich ihr angeschlossen, fo daß sich die Gesamtzahl nun auf 485 beläuft. Die Mitglieoerzahl beträgt zirka 69 999, was gegen den Kongretz von 1913 eine Steigerung von etwa 26 Proz. bedeutet. Der Bericht des Genossen Stauning beschäftigte sich im übrigen in der Hauptsache mit den durch den Weltkrieg herauf- beschworenen Problemen und mit dem siegreichen Kampfe für die neue demokratische Verfassung, und diese Fragen standen auch im Bordergrund der Kongretzdebatten. Einstimmig fand eine große Resolution Annahme, in der noch einmal der Standpunkt der Sozialdemokratie zu diesem Kriege und zu allen Kriegen festgelegt wird. Alles was die Geschichte in dieser Zeit auszeichne, fei teuer erkaufte Belehrung über die Fehler in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung, aber es emhalte dafür auch einen kräftigen Antrieb zum Kampf. für den Sozialismus.„Die Macht, den Krieg zu hindern, die 1914 vermitzt wurde, kann zuwege gebracht werden. Die, die Interesse an einem dauernden Frieden haben, sind in unserem Lande wie in allen Ländern die überwiegende Mehrheit und die müssen mit vereinten Kräften das System ändern, daS deS Krieges Ursache war/ Der Kongretz spricht seinen Entschluß aus, alle Bestrebungen zu unterstützen, die geeignet sind, die Grundlagen für die Friedens« arbeit herbeizuführen, die von der Sozialdemokratie in Skandinavien ausgegangen ist. Er fordert die Leitung der Partei auf, ihre Arbeit fortzusetzen, für deren erfolgreichen Verlauf alle dänischen Sozial- demokraten ihre kräftigste Unterstützung leihen werden. Im Zusammenhang mit dem Krieg stand auch eine Resolution, die in schärffter Weise die Spekulation mit den Lebensmitteln verurteilte und eine Begrenzung der privatkapitalistischen Ausbeutung durch Einführung von Maximalpreisen und andere Veranstaltungen forderte. Diese Resolution fand ebenso einstimmigen Beifall wie die über den Krieg. Die Meinungen gingen auseinander, als die allgemeine Haltung der Parlamentsfraktion bei dem Kampfe um das Grundgesetz in Zusammenhang mit gewsssen Fragen der Re- Präsentation zur Diskussion stand. Von verschiedenen Seiten wurde bemängelt, daß man zu wenig prinzipielle Politik getrieben habe und durch die engen Beziehungen zu der die Regierung bildenden radikalen Linken zu sehr von den rein proletarischen Wegen ab- gelenkt worden sei. Die Kritik gipfelte schlietzlich, was ihr nicht gerade zum Vorteil gereichte, in Ausstellungen an einem äußerlichen Vorgang, und es wuvbe eine Abstimmung darüber herbeigeführt, ob die Beteiligung der Fraktion an her vom König zu Ehren der neuen Verfassung gegebenen Abendgesellschaft mit den Grundsätzen der Partei in Einklang gebracht werden könne. Mit 177 gegen 47 Stimmen wurde eine Tagesordnung angenommen, in der nach einem erneuten prinzipiellen Bekenntnis zur Republik der Kongretz die Notwendigkeit der Uebernahme gewisser repräsen- tativer Pflichten gegenüber der Monarchie anerkennt. Von diesem Punkt führten gewssse Fäden zu der Frage einer unmittelbaren B e t e i l i g u n g an der Regiexmng. Sie ist in Dänemark insofern aktuell als das radikale Ministerium zurzeit nur mit Unterstützung der Sozialdemokratie die Geschäfte führen kann, und sie wird nach den nächsten Wahlen, die sich unter dem neuen verbesserten Wahlgesetz vollziehen, womöglich noch brennender. Der Kongretz aber ist einer Entscheidung einstweilen aus dem Wege gegangen und hat eine Resolution angenommen, nach der ein außerordentlicher Parteitag im entsprechenden Fall einbe- rufen werden soll. Am letzten Tage wurden noch eine Reihe von minder wichtigen Gegenständen behandelt und der Kongretz. auf dem übrigens die norwegische und schwedische Sozialdemokratie vertreten war, und den der deutsche Parteivorstand in einem längeren Schreiben be- grüßt hatte, schloß mit den besten Hoffnungen für den nächsten Wahl- kämpf.__ /lus öer Partei. Ein Sechzigjähriger. Am Mittwoch, den 29. September vollendet Genosse Paul Reitzhaus in E r f u r t sein 69. Lebensjahr. Genosse ReitzhauS ge« hört zu dem kleinen, immer mehr zusammenschmelzenden Häuflein der alten Garde unserer Partei, die unter den Stürmen und Wettern des Sozialistengesetzes in der Arbeiterbewegung einexerziert worden ist. Als Ausgewiesener kam er im Jahre 1882 von Berlin nach Erfurt und faßte hier festen Fuß. Gleich in den folgenden Jahren beteiligte er sich am öffentlichen Leben Erfurts, kandidierte 1884
zum ersten Male bei den Stadtverordnetenwahlen, 1887 bei den Septennatswahlen zum Reichstage für den Kreis Erfurt-Schleusingen- Ziegenbrück und ebenso 1899, wo die Partei dann zum ersten Male mit den Gegnern in Stichwahl kam. Seit 1893 vertritt Ge- nosse Reitzhaus den Wahlkreis Saalfeld-Sonneberg im Reichs- rage, mit Ausnahme der Wahlperiode 1997—1911. In der thüringi« scheu, besonders aber in der Erfurter Parteibewegung steht Genosse Reitzhaus seit jener Zeit in den vordersten Reihen, an der Kründung des Erfurter Parteiblattes, der„Tribüne", im Jahre 1889 nahm er den lebhaftesten Anteil. Auch zu den Mitbegründern des Deutschen Schneiderverbandes im Jahre 1888 zählte er. Genosse Reitzhaus vollendet sein 69. Lebensjahr in erfreulicher körperlicher Frische. Möge ihm noch eine ersprießliche Tätigkeit im Dienste der Partei und der allgemeinen Arbeiterbewegung beschieden sein! Der„Avanti" und die internationale Konferenz zu Zimmcrwald. Die erste und ein Teil der zweiten Seite der Sonntagnummer des„Avanti" sind der internationalen Konferenz gewidmet. Die Zensur hat aber das Manifest und die deutsch -französische Erklärung vollständig gestrichen, so daß man von ihnen nur aus dem Titel etwas erfährt. Der offizielle Bericht dagegen ist fast vollständig von der Zensur verschont geblieben. Im EinführungSartikel „Die Internationale ist nicht tot!" weist der„Avanti" auf die große Bedeutung der Zusammenkunft hin.„Viel eher als wir es hoffen konnten und als unsere Gegner es befürchten konnten, ist die Jnter- nationale wieder auferstanden. Sozialisten von fast allen Ländern und, worauf es am meisten ankommt, Sozialisten aus kriegführenden Ländern sind zusammengekommen und hahen trotz der nationa- listischen Vorurteile die Prinzipien, von denen die Internationale im Gegensatz zum Kapitalismus entstanden und sich entwickelt bat, noch- mals beteuert. Die Zusammenkunft in Zimmerwald hat den Pro- letariern der ganzen Welt bewiesen, daß es noch Menschen gibt, die das Banner des unversöhnlichen Klassenkampfes hochhalten." Nachdem der Leitartikel auf die Freude hinweist, mit der alle Proletarier und Sozialisten die Zusammenkunft begrüßen werden, bemerkt er, daß wenn die Zusammenkunst auch keinen anderen Erfolg gehabt hatte als den, daß fünf Tage lang Leute aus Ländern, die sich blutig bekämpfen, im Namen des Sozialismus, von dem gemein- samen Glauben an die Emanzipation des Proletariats beseelt, brüderlich beraten und begeistert beschlossen, einem jeden nationa- listischen Vorurteile zum Trotz, es schon lebhaft zu begrüßen sei. Der zweite bedeutende Erfolg der Zusammenkunft bestehe darin, daS Deutsche und Franzosen , die anderwärts sich tödlich bekämpfen, sich zu einer gemeinsamen Arbeit für ein gemeinsames Ideal zu- fammengefunden haben. Auf die Verleumdungen eingehend, die die Teilnehmer der Konferenz in den verschiedenen Ländern ernten werden, sagt der„Avanti", daß ein jeder von den Teilnehmern der internationalen Konferenz im voraus mit diesen Verleumdungen gerechnet habe; aber gerade jetzt, wo die Ueberläufer von den Gegnern des Sozialismus so gelobt würden, könnten sie die Ver- leumdungen nur stolz machen. Nur in dem Momente würde man aushören, uns zu verdächtigen und zu verleumden, wo wir aufhören würden, Sozialisten zu sein. Die Zimmerwalder Zusammenkunft hat vor dem Proletariaie in dieser Stunde der Leiden die Prinzipien der alten Internationale aufgenommen und bestätigt.
Mus Inöustrie unö Handel. Kriegsgewinne in der Lederindustrie. Die Nürnberger Lederindustrie A.-G. vorm. Schreier u. Naser hat einen Bruttogewinn von 742 914 M. gemacht. Davon sind über 399 999 M. abgeschrieben worden, so daß die sämtlichen Maschinen nur noch mit 1 M. zu Buche stehen. An Nettoreingewinn verbleiben 433 799 M. Die Aktiengesellschaft arbeitet mit einem Kapital von 499 999 M., so daß zirka 119 Proz. Dividende verteilt worden sind. Angesichts solcher Gewinne rust selbst die bürgerliche Presse immer dringender nach einer Kriegsgewinnsteuer.
Reisüberflus! in Italien . Rom , 18. September. (Eig. Ber.) Neben mancherlei Sorgen, die die Knappheit der Lebensmittel, namentlich des Fleisches, mit sich bringt, hat man in Italien jetzt auch Sorgen des Ueberflusses. Das Ausfuhrverbot für Reis hat diesem Getreide, von dem im Jahre 1913 rund 459 999 Doppel- zentner ins Ausland gingen, die auswärtigen Märkte verschlossen. Der Ertrag des Jahres 1913/14 belief sich auf 6,6 Millionen Doppelzentner, und die Produzenten der reisbauenden Provinzen haben angeblich 1,6 Mllionen Doppelzentner Vorräte liegen, während eine Ernte in Aussicht steht, die das Ergebnis des Vorjahres be- deutend übertrifft. Die Produzenten haben nun eine Agitation inS Werk gesetzt, um eine Aussuhrerlaubnis zu erhalten und eS scheint, daß diese zunächst für 699 999 Doppelzentner erteilt werden wird. Trotz deS heutigen Ueberflusses sind aber die Detailpreise keineswegs im Sinken: im Gegenteil, im vorigen Jahr fand man in Rom Reis von geringerer Qualität für 49 Cents simo das Kilo, während heute die zum Zwecke der Preisverminderung eingerichteten städtischen Verkaufsstellen der Hauptstadt Reis zu 46, Privathändler bis zu 69 Centesimo pro Kilo verkaufen, von den höheren Preisen der besseren und besten Sorten ganz zu schweigen. Die Besitzer der Reisvorräte sind offenbar entschlossen, sie nur auf den auswärtigen Markt zu werfen. Sie klagen über Preisrückgänge auf den lokalen Märkten; so wird in Vercelli 29 bit 23 Lire pro Doppelzentner geboten gegen 26 bis 26 im Vorjahre; über ähnliche Rückgänge hat der Koniument nicht zu klagen! Zu- gunsten der Gewährung der AuSfubrerlaubnis macht man geltend, daß sie das Passivum der italienischen Handelsbilanz vermindern und somit den Goldwechsel, der heute 14,36 Proz. beträgt, verbessern würde.— Diese Ueberflußstise zeigt klar, daß die Unternehmer Mittel und Wege gefunden haben, um die Wirkung ihrer überfüllten Lager auf die Preisbildung auszuschalten. Im anderen Falle, wenn nämlich der Reis heute 26 Cent, pro Kilo kostete, würde sich der Massenkonsum diesem Getreide in erhöhtem Maße zugewendet haben, was auch die Nachstage nach Weizen verringert hätte. Heute bleibt der ReiS teuer und dre Unternehmer schreien patriotisch nach AuS- fuhrerlaubnis, damit ihnen ihre Vorräte nicht verfaulen!
Mus Groß-öerlin. Der Bergfiskus und die Stadt Berlin . Die Flucht des Berliner Magistrats in die Oeffentlichkeit in der Kohlen- und Koksfrage hat den BergfiskuS zu einer Aeutzerung ver- anlaßt, die nach dem„Lokalanzeiger" lautet: „Der Königlich Preußische Bergfiskus hat seit einem Menschen« alter bis vor etwa fünf Jahren alljährlich 399 999 Tonnen Gas- Stückkohle an die Berliner städtischen Gaswerke geliefert. Um diese Zeit wurden der Stadt infolge einer in England eingetretenen Uebererzeugung englische Kohlen zu einem so billigen Preis an- geboten, daß der Preußische Fiskus damit nicht in Wettbewerb treten konnte. Infolgedessen verzichtete die Stadt auf eine Er- Neuerung des so lange Zeit in Krast gewesenen LieferungS - Vertrages, so daß der BergfiskuS als Großlieferant Berlins auS- schied und, da er für den Ausfall Ersatz haben mutzte, die be- treffenden Kohlen anderweitig verkaufte. In der Folge hat der FiSkus noch hier und da kleme Lieferungen für Berlin ausgeführt, die aber hinter den früheren gewaltig zurückblieben. Lediglich diese kleinen(oberschlesischen Lieserungen waren eS, die nach Ausbruch deS Krieges der Stadt Berlin ebenso verkürzt wurden, wie dies gegenüber allen anderen Abnehmern mit Rücksicht auf den durch den Krieg so außerordentlich vermehrten eigenen Bedarf des Staates geschah.
Die Versorgung der Berliner städtischen Gaswerke erfolgte seit dem Abbruch der alten Beziehungen zum Bergfiskus ganz überwiegend mit englischer Kohle, so daß die Stadt bald nach Ausbruch des Krieges in die Klemme kommen mußte. Vom rein ' kaufmännischen Standpunkt aus war der geschilderte Wechsel der Lieseranten gewiß nicht anfechtbar. Der Verlauf der Dinge hat aber gezeigt, daß es letzten Endes doch bedenklich für eine so große Verwaltung ist, sich wegen eines naturgemäß vorübergehenden niedrigen Angebots nahezu ausschließlich auf die ausländische Zu- fuhr einzurichten. Lediglich hierauf ist die jetzige schwierige Lage der städtischen Gaswerke zurückzuführen. DaS wird selbstverständlich die inländischen Erzeuger, an der Spitze den Bergfiskus nicht abhalten, die Stadt in ihrer Bedräng- nis nach Möglichkeit zu unterstützen, was im Augenblick aber nicht leicht ist. Jetzt Handell es sich darum, einerseits den Bedarf der Berliner Hausbesitzer an Koks, andererseits den der Stadt Berlin an Gaskohlen zu decken. Für beides wird durch die staatlichen Bergwerk« mit tunlichstem Entgegenkommen gesorgt werden." Die obige Erklärung wird dem gehegten Bedürfnis nur un- vollkommen gerecht; es ist zu erwarten, daß den Anforderungen weiter entgegengekommen wird. Der ganze Vorgang läßt aber an Anregungen erinnern, die vor einer Reihe von Jahren von sozial- demokratischer Seite im Rathause gegeben wurden und die dahin gingen, daß die Stadt Berlin bei ihrem großen Kohlenbedarf sehr gut eigene Kohlengruben unterhalten könne. Berlin ist keine Gemeinde schlechthin, sondern die Stadt bildet ein Gemeinwesen, welches sich einer ganzen Reihe von Staaten in Deutschland an die Seite stellen kann. Vielleicht wird nach dem Kriege die gegebene Anregung erneut aufgegriffen, zumal in den städtischen Elektrizitäts- werken ein neues Unternehmen zu den Gas-, Wasser- und anderen Werken hinzugekommen ist._ Abgabe von Nafttreber. Der Magistrat Berlin teilt uns mit, daß er mit dem 1. Oktober mit der Verteilung der in den Berliner Brauereien entfallenden Natztreber, soweit sie nicht von den Brauereien in eigenen Trockenanlagen zu trocknen sind oder im eigenen Be- trieb verbraucht werden, beginnen will. Die Natztreber werden, und zwar durch Vermittclung der Ein- und Vcrkaufsgenossen- schaft der Berliner Molkereibesitzer e. G. m. b. H., Berlin X 24, Elsasser Str. 53, nur an Molkereien im Stadtkreise Berlin nach Maßgabe der Zahl der gehaltenen Kühe verteilt. Näheres über die Art der Verteilung ergeben die Bekanntmachungen, die am 36. und 27. September an den Anschlagsäulen er- schienen sind._ Zum Mord in Weifiensee. Die Vernehmungen des 29jShrigen Hausdieners Junge sind fort- gesetzt worden, um die einzelnen Phasen der blutigen Tat möglichst genau festzustellen. Bemerkenswert ist, daß der junge Mensch von jeher eine Vorliebe für irgendeine Uniform hatte, wie die Mutter deS Junge angab. So trug er denn auch gern die Uniform des Jungdeutschlandbundes, dem er angehörte. Bald nach Ausbruch des Krieges gab er feine Stellung als Metallarbeiter auf in der Absicht, Soldat zu werden. Dazu war aber der kleine, schmächtige. blonde junge Mensch mit schmalem, knochigem Geficht und einem Anflug von Schnurrbart nicht tauglich. Er nahm jetzt eine HauSdienerstellung in der Spandauer Straße an. Mitte August hörte er auch dort wieder auf, wiederholt bemühte er sich, neue Arbeit zu bekommen. So sagt er wenigstens selbst, aber es scheint ihm damit nicht recht ernst gewesen zu sein. Weil alle seine Bemühungen, Soldat zu werden, scheiterten, so sah der junge Mann, der so recht den Eindruck eines dummen Jungen macht, darauf, wie er auf andere Weise wenigstens zu einer militärähnlichen Uniform kommen könne. Fast täglich stand er in der Artillerie- stratze vor einem Schaufenster, in dem eine Uniform es ihm an- getan hatte. Er erkundigte sich auch, was sie kostet«. Weil der Preis weit über seine Barschaft hinaus ging, so sann er auf Pläne, sich Geld zu verschaffen. Versuche, Bekannte anzuborgen, mißlangen. Die Leute nahmen ihn nicht ernst. So kam er auf den Gedanken, bei Fräulein Klauß, die er gut kannte, weil seine Eltern seit vierzehn Jahren in dem Nebenhause 177 wohnen, zu stehlen. An anderes, so behauptet er, dachte er nicht. Deshalb nahm er auch kein Messer oder sonst ein Werkzeug mit. In der Erwartung, daß er irgendwie Geld bekommen werde, bereitete er seine Freunde und Bekannten darauf vor, daß er demnächst einen höheren militärischen Grad erreichen werde. Seiner Mutter aber spiegelte er vor, daß er vom Jungdeutschlandbund monatlich 129 Mark Gehalt bekomme. Sie glaubte ihm das. ohne sich jemals zu erkundigen. Deshalb war sie auch nicht erstaunt, als er ihr abends, mit einer blutigen Hand heim- gekehrt, 69 M. gab. Vorher hatte er schon angedeutet, daß er nach dem Bund gehen werde, um sein Gehalt zu holen. Als die Mutter ihn fragte, weshalb er so viel Kleingeld habe, erwiderte er, das habe er bei der Gehaltszahlung erhalten. Er sei deshalb auch zum Kaufmann gegangen und habe sich eine Tüte gekauft, um das Geld besser tragen zu können. Die Tüte verbrannte er dann in der Kochmaschine. Die Verletzung an der Hand, über die die Mutter sich wunderte, erklärte er damit, daß er sich an einem Zaun stark geritzt habe. Er holte sich auch gleich Verbandzeug aus dem Zimmer und ließ sich von der Mutter den Verband befestigen. Bei einer Tasse Kaffee, die er vor dem Schlafengehen noch trank, erzählte Junge seiner Mutter, er bekomme jetzt eine neue Uniform, weil er zur Fliegerschule versetzt worden sei. Am nächsten Morgen stand er um 6 Uhr mit seinem Vater zusammen auf. Als ihn später seine Mutter dabei traf, als er das blutige Jackett einwickelte und fragte. was er damit wolle, erwiderte er, er müsse eS dem Jungdeutschlandbund wieder abliefern. In der Fliegeruniform, die er nun kaufte, zeigte sich Junge bald auch seinen Verwandten. Als eine Tante zu seinem Aerger davon wenig Notiz nahm, stagte er sie in seiner Eitelkeit, ob sie denn sein Portepee nicht sehe. Sie antwortete, das habe ja jeder Soldat. Er aber meinte, das sei etwas anderes. Er werde noch Offizier. HauptmannSachselstücke hatte er sich heimlich auch schon gekauft. Von seinem Ausgang am Tage nach dem Morde zurückgekehrt, erklärte Junge seiner Mutter, er müsse jetzt nach Lands- berg an der Warthe fahren, weil er dort die Fliegerschule besuchen solle. Er legte dann die neue Uniform an und packte in seinem Zimmer den Koffer, ohne daß die Mutter sah, was er alles hineintat. Die Begleitung der Mutter nach dem Bahnhof lehnte er ab. AuS Landsberg schrieb er der Mutter bald, daß er Urlaub bekomme und nach Weitzensee zurückkehre. In Landsberg kaufte er sich auch noch verschiedene Waffen. Seines Bleibens dort war nicht länger, als ein Unteroffizier ihn als falschen Vizefeldwebel der Flieger entlarvte und dem Militär und der Polizei übergab. Deshalb fuhr er von dort ab. Wie er behauptet, hat er in Landsberg die fünf Goldstücke, die Fräulein Klauß aus einem besonderen Grunde zurückgelegt hcltte, einem Schankwirt in Ver- Wahrung gegeben, weil er sich fürchtete, sie anderweitig auszugeben. Einen blutbefleckten Hundertmarkschein will er in Landsberg in einen Abort geworfen haben. Datz er den Brief von LandSberg an das Polizeipräsidium geschrieben hatte, leugnete er erst. Er wollte überhaupt Rundschrift nicht schreiben können. Später gab er aber beides zu. Nach Weißensee zurückgekehrt, ließ sich der Mörder in seiner Uniform mehrmals photographieren. Seine Braut wurde iu der vergangenen Nacht ebenfalls noch vernommen.