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Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplat, Nr. 151 90-151 97.
Dienstag, den 7. Dezember 1915.
Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplatz, Nr. 151 90-151 97.
Desterreichische Flottenattion an der albanischen Küste.
An Renaudel!
Wir kommen auf unsere Auseinandersetzung mit den französischen Genossen zurück, da inzwischen Pierre Renaudel in zwei weiteren Artikeln der„ Humanité" seiner Ankündi. gung gemäß den dokumentarischen Nachweis unternommen hat, daß sich die Haltung der Sozialisten seit Beginn des Krieges gleichgeblieben sei. Es war uns, wir wiederholen es, auch ohnedies bekannt, daß die französische Partei sich von Anfang an gegen Eroberungen ausgesprochen hat, und wenn wir die jüngste Kammerrede Renaudels besonders begrüßen, so deshalb, weil hier die von der bürgerlichen abweichende Ansicht über die Kriegsziele zum erstenmal in schärfer zugespigter und polemischer Form im Parlament vertreten wurde, aber die aufgezählten Reden, Resolutionen und Artikel sind dennoch von Interesse, weil sie in ihrem Zusammenhang gleichzeitig eine Art von Erklärung und Auslegung für das von uns bemängelte Schlagwort von der Zerschmetterung des deutschen Militarismu 3 geben sollen.
Wenigstens glauben wir Renaudel so verstehen zu müssen, wenn er uns auf seine Ausführungen vom 17. April und vom 15. August 1915 und auf die Resolutionen der Londoner Konferenz und des Nationalrats der Partei besonders aufmerksam macht, und der Meinung Ausdruck gibt, sie seien deutlich genug, um die wahren Absichten der Sozialisten erkennen zu laffen. Anerkennung des Rechts der Völker auf politische und ökonomische Unabhängigkeit, Wiederherstellung des Rechts, besonders in Elsaß- Lothringen , Einschränkung der Rüstungen, Unterwerfung unter ein internationales Schiedsgericht das find in der Hauptsache die Friedensbedingungen unserer französischen Parteigenossen, und da nun ihrer Ueberzeugung nach der deutsche Militarismus" sich gutwillig diesen Forderungen nicht fügen wird, und da der deutschen Sozialdemokratie der Wille oder die Kraft fehlt, ihn zu zwingen, muß der Militarismus eben mit der Gewalt der Waffen zerschmettert" werden.
Sehen wir von dem Spezialfall Elsaß- Lothringen ab, so steht das allgemeine Friedensprogramm, wie es hier formuliert wird, durchaus im Einklang mit den Beschlüssen nationaler und internationaler sozialistischer Kongresse, und auch die deutsche Sozialdemokratie hat es innerhalb und außerhalb des Barlaments verfochten. Diese Feststellung muß, wie die Dinge heute liegen, dem Genossen Renaudel auch als Antwort auf die direkt an den Vorwärts" gerichtete Frage genügen, welcher Friede denn ihm vorschwebe: der Vorwärts" hat trop dem überlegenen Spott der Umlerner" seine grundsätzlichen Ansichten über den Krieg und die Vorbedingungen eines dauernden Friedens seit dem 1. August 1914 nicht geändert. Indessen ist damit die Sache nicht abgetan, denn eine Disfuffion, die mitten im Kriege geführt wird, unterliegt doch immerhin etwas anderen Voraussetzungen als eine Kongreßoder Parlamentsdebatte in Friedenszeiten. Es genügt nicht, ein Ziel aufzustellen, es muß vielmehr auch geprüft werden, ob es überhaupt mit den Mitteln des Krieges erreicht werden kann, und ob, wenn das für möglich gehalten wird, der Erfolg einigermaßen im Verhältnis zu den geforderten Opfern steht.
Die Franzosen wollen dem Nationalitätsprinzip zur endgültigen Anerkennung verhelfen. Gut, wir verzichten auf eine Erörterung der Schwierigkeiten, bie feiner restlosen Verwirklichung durch die politische und wirtschaftliche Entwidelung in den Weg gestellt sind. Wir halten uns auch nicht bei den Bedenken auf, ob nicht eine Situation, in der Deutsch land und Desterreich gezwungen wären, dem Prinzip Rechnung zu tragen, die andern, Rußland in erster Linie, befähigen würde, es um so gründlicher zu verleugnen. Wir fragen nur: wollen Renaudel und seine Freunde den Krieg fortsegen bis Deutschland nicht nur Elsaß- Lothringen mit oder ohne Volksabstimmung herausgibt, sondern auch seine polnisch sprechende Bevölkerung mit dem wiederherzustellenden polnischen Reiche vereinigt, und bis das politische Selbstbestimmungsrecht der Tschechen , der Serbokroaten, der Slowenen, der Rumänen usw. in der österreichisch- ungarischen Monarchie sichergestellt ist? Wenn ja, dann ist der Friede noch in weiter, weiter Ferne, dann müssen noch ungezählte Hekatomben von Menschenleben geopfert werden, denn daß der deutsche Militarismus unmittelbar vor der Uebergabe stehe, daß es womöglich nur eine Frage weniger Wochen oder Monate sei, bis man ihn aus Nordfrankreich und Belgien vertrieben habe, werden unsere französischen Genossen den frivolen Stimmungsmachern hoffentlich nicht nachschtwagen wollen. Und glauben sie ernsthaft, daß ein solch entsegliches Ringen, felbst wenn es für Frankreich und seine Verbündeten siegreich ausgehen sollte, der internationalen Arbeiterbewegung, zu der man sich doch auch drüben noch bekennt, zum Segen gereichen würde? Was bliebe, wäre ein gewaltiges Trümmerfeld, und wer weiß, ob der Wiederaufbau wirklich nach den Plänen und Ideen der Arbeiterschaft erfolgen würde..
Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten ihre
Meldung des Großen Hauptquartiers.ng auf anderem als friegeriſchem Wege noch weiter
Amtlich. Großes Hauptquartier, den 6. Dezember 1915.( W. T. B.)
Westlicher Kriegsschauplah. An verschiedenen Stellen der Front fanden Artillerie-, Minen- und Handgranatenkämpfe statt.
Jn Gegend vou Bapaume wurden zwei englische Flugzenge im Luftkampfe abgeschossen. Die Insassen sind tot. Deftlicher Kriegsschauplah.
In der Morgendämmerung brach gestern ein russischer Angriff südwestlich des Babit- Sees( westlich von Niga) verluftreich vor unseren Linien zusammen.
Ein durch russisches Artilleriefeuer von See her getroffenes deutsches Flugzeug wurde bei Markgrafen( an der kurländischen Küste) mit seiner Bemannung geborgen. Balkankriegsschauplah.
Südlich von Sjenica und nordöstlich von Jpek wurden montenegrinische und serbische Abteilungen zurückgeworfen. Oberste Heeresleitung.
*
Der öfterreichische Generalstabsbericht.
Wien , 6. Dezember. ( W. Z. B.) Amtlich wird verlautbart: 6. Dezember 1915.
Nichts Neues.
Ruffischer Kriegsschauplak.
Italienischer Kriegsschauplak.
An der Isonzo front hielt das feindliche Geschütfeuer an; es war an einzelnen Stellen, insbesondere gegen den Görzer Brückenkopf, zeitweise ziemlich lebhaft. Auch die Stadt Görz und der anschließende Ort St. Peter wurden aus allen Kalibern beschoffen. Im Abschnitte der Hochfläche von Doberdo setzte italienische Infanterie unter tags bei Redipuglia und Polazzo, abends bei San Martins zum Angriffe an; sie wurde überall abgewiesen. An der Tiroler Front dehnte sich die gegen den befeftigten Raum von Lardars gerichtete Tätigkeit der feindlichen Artillerie nun auch auf die anschließenden Stellungen nördlich des Lebrotales aus.
Südöstlicher Kriegsschauplah.
Unsere Truppen sind nun auch westlich und südwestlich von Novipazar und an der von Mitrovica nach Ipek führenden Straße auf montenegrinisches Gebiet vorgedrungen. Im Karstlande der Bestera wurden montenegrinische Bortruppen auf ihre Hauptstellungen zurüdgeworfen. Destlich von Jpek schlugen sie eine
erschwert. Hier ist die deutsche Sozialdemokratie selbstver ständlich eingeschlossen, und wir begreifen die Franzosen vollfommen, wenn sie jetzt, wie Renaudel versichert, mit Spannung darauf warten, was die Deutschen im Reichstage zu sagen haben. In der Tat: Es ist die Tribüne der Parlamente, auf denen die Worte gesprochen werden, durch die man verpflichtet und durch die man sich selber verpflichtet." Von dem, was demnächst im Parlament gesagt wird, hängt außerordentlich viel ab, und auch wir hoffen, daß unsere Redner nicht aus Rücksicht auf das, was gewisse Leute fälschlich das Wohl des Vaterlandes nennen, Bugeständnisse machen, die die gemeinsame Arbeit an der Erfüllung der im Interesse des Wohls aller Wölfer aufgestellten Forderungen behindern könnten.
Und
Wir wagen zwar nicht zu hoffen, daß durch Reden, und feien sie noch so einwandfrei, in diesem Augenblick dic Meinungsverschiedenheiten zwischen deutschen und französischen Sozialdemokraten vollständig aus der Welt zu schaffen wären. Es kann sich da nur um Annäherungen handeln. Dann aber wird es an der französischen Parteileitung sein, auch ihrerseits den Pflock zurückzustecken und ihren Widerstand gegen eine Aussprache mit den deutschen Genossen aufzugeben. Wir haben ein Verständnis für das Gefühl, das ihnen diesen Schritt schwer macht. Aber es ist nicht die Stunde, in der Politiker, denen es um die Schaffung eines dauernden Friedens zu tun ift, gefühlsmäßigen Erwägungen nachgeben dürfen. außerdem haben die Franzosen den schweren Fehler begangen und begehen ihn noch fortgefekt, ihre Abneigung gegen eine Zusammenkunft mit der deutschen Partei mit allerlei bösartigen und lächerlichen Behauptungen zu nähren. So konnten wir erst vor wenigen Wochen in einer Buchbesprechung der ,, Humanité" dem Genoffen Rouanet wieder ernsthaft die Frage aufwerfen hören, ob es wahr sei, daß die Führer der deutschen Sozialdemokratie sich von den Vertretern des Kaisers die Zustimmung zu der Verlegung der belgischen Neutralität und zum Angriff auf Frankreich durch das Versprechen des gleichen Wahlrechts in Preußen und ähnlicher Konzessionen hätten abkaufen lassen. Derartige Märlein find mit einem Schlage zu zerstören, wenn endlich der Versuch gemacht wird, in persönlicher Unterhandlung eine Linie der Verständigung zu finden, auf der deutsche und französische Sozialdemokraten sich auch im gegenwärtigen Moment vereinigen können. Vereinigen müssen, wenn der Zeitpunkt und die Art der Beendigung des Krieges nicht ausschließlich denen überlassen bleiben soll, die bei dem Abschlusse des Friedens das, was uns am meisten am Herzen liegt, am wenigsten berücksichtigen werden.
ſerbische Nachhut; unsere Spigen nähern sich der Stadt. Die Bahr Die italienische Truppenlandung in Albanien.
der in den gestrigen Kämpfen eingebrachten Gefangenen übersteigt zweitausendeinhundert Mann.
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. 1. oefer, Feldmarschalleutnant.
Ereignisse zur See.
"
Paris , 5. Dezember. ( W. T. B.) Nach dem Turiner Sonderberichterstatter von Petit Parisien" landeten in Albanien zunächst italienische Genietruppen, welche die Wege verbessern und Straßen lanbeinwärts bauen. Sie sollen die Verbindung mit der serbischen Armee herstellen, die sich teils nach Dibra, teils in das Küstengebiet zurückzieht.
Mebua brei große und zwei kleine Dampfer, Verstärkung der Ententefront am Wardar.
fünf große und viele kleine Segelschiffe, während fie Kriegsvorräte landeten, durch Geschäßfener versentt; einer der Dampfer flog in die Luft, die Flottifle wurde dabei von zirka zwanzig Geschützen am Lande sehr heftig aber erfolglos beschossen.
2
Athen , 5. Dezember. ( W. T. B.) Neutermeldung. Aus französischer Quelle wird berichtet, daß die ganze Frontlinie von der Tscherna bis Kribolac regelmäßig berstärkt wird. Auch die Stellungen östlich des Flusses Wardar werden allmählich verstärkt, um die Bone, welche zum Schuße der Eisenbahn dient, auszubreiten.
und den Kommandanten, den zweiten Offizier und 26 Mann ge- Versöhnliche Antwortnote des Vierverbandes
fangen genommen.
Eine andere Flottille hat in der Nacht auf den 23. November einen mit drei Geschüßen armierten Dampfer und einen größeren Motorsegler, beide italienisch, voll be= laden, auf der Fahrt von Brindisi nach Durazzo versenkt, die Ueberlebenden des Dampfers, darunter vier von der Kriegsmarine gefangen genommen, die Bemannung des Motorseglers in Booten freigelassen. Flottentommando.
London , 6. Dezember. ( W. T. B.) Wie die Times" aus Athen vom 5. Dezember erfährt, besuchten der britische und der französische Gesandte gestern Stuludis. Die Unterredung dauerte über eine Stunde. Der Zweck des Besuches war, die beborstehende Ueberreichung der Antwort des Vierberbandes, die in versöhnlichem Sinne abgefaßt sein soll, anzufündigen.
Die griechische Krise.
Diefe Zweifel auszusprechen heißt keineswegs die Berechtigung alles dessen in Frage stellen, was die Internationale Köln, 12. Dezember. ( W. T. B.) Die Kölnische Zeitumg" seit den Beschlüssen von Lausanne im Jahre 1867 verkündet meldet aus Athen vom 4. Dezember, daß die gestern überreichte und vertreten hat. Es heißt nur, die Mittel zum Zweck Note der Verbandsmächte den Schwebezustand beendet habe. Die und ihre Aussichten fritisieren, und es schließt vor allem nicht Note erkenne die Neutralität Griechenlands auch fernerhin an, und die Betonung der allen sozialistischen Parteien gemeinsamen fordere nur die Regelung verschiedener für die Sicherung und BePflicht aus, auf einen Abschluß des Krieges hinzuarbeiten, wegungsfreiheit der Verbandstruppen in Mazedonien unerläßlichen der den sozialistischen und demokratischen Idealen am meisten Maßnahmen. Das Versprechen der unverkürzten Südgabe des für entspricht und nicht durch Schaffung neuer nationaler die Operationen benugten griechischen Gebietes und eines Schaden