zugelass en werden könnte, man ihm oder doch irgendwo einen Ausweg nach dem Meere zugestehen müßte! Eine An-- ficht, der nicht widersprochen werden kan».* Die in den letzten Worten enthaltene Erklärung des Harburger .VollSblattes' ist ungemein interessant. In einem sozialdemokra- tischen Blatte wird also unumwunden erklärt, man könne der Ansicht nicht widersprechen, daß Rußland einen Ausweg nach dem Meere in Persien oder weiter in Asien erhallen müsse, weil Deutschland einen»Ausweg für Rußland durch die Ostsee ' niemals zulassen könne. Die letzte Formulierung ist reichlich unklar. Was ver- steht das Harburger»Bolksblatl' unter dem russischen»Aus- weg durch die Ostsee '? Im Frieden hat Rußland diesen Ausweg nicht bloß für seine Handels-, sondern auch für seine Kriegs- flotte, da die Ostsee kein»geschlossenes Meer' ist. Wenn es jetzt im Kriege, diesen Ausgang nicht benutzen kann, so nur. weil die deunche Flotts die Ostsee fast in allen Teilen beherrscht. Soll also die Aeußerung des Harburger.Volksblattes' irgend einen Sinn haben, so kann es nur der sein, Deutschland könne nie zulassen, daß Rußland einen Zugang zu der Ostsee besitze. Da aber Livkand, Esthland und das Gouvernement St. Petersburg zurzeit russischer Besitz sind und Finnland unter russischer Oberhoheit steht, so kann die Verdrängung Rußlands von der Ostsee nur durch die Fortnahme der erwähnten Gebiete und Provinzen erreicht werden. Ist das die.Ansicht', der, nach dem Harburg«:.Volksblatt', nicht widersprochen werden kann? Nun steht die in Harburg so unklar dargelegte Ostseefrage in unmittelbarem Zusammenhange mit den von dem.Volksblatt' als richtig anerkannten Zuweisung an Rußland eines Ausweges nach dem Meere.in Persien selbst oder weiter in Asien '. Bezüglich Persiens bemerkt das»Volksblatt', Rußland hätte in Persien. viel- leicht schon längst mehr erreicht, wenn xs nicht stets auf die hartnäckigste Gegnerschaft Englands gestoßen wäre, das nicht dulden konnte, und von seinem Sianvpunkte aus nicht mitUnrecht. daß sich im Persischen Golf und im Arabischen Meer , also vor der Gesichtsfront Indiens , der Erobererstaat Rußland festsetzte.' Das ist richtig. Aber ge- winnt dieser Hinweis in dem geschilderten Zusammenhange nicht den Charakter eines frcundschastlichen Winkes an die AdrejTe des „Erobererstaates Rußland'? Und wie wäre dieser Wink zu ver- einbaren mit den in demselben Artikel breit ausgesponnenen Zukunfts- Hoffnungen Persiens , wenn dieser Staat sich dem.durch diesen Krieg neu gestärkten Osmanenreich' vollständig anschließen würde? Diese und andere Fragen tauchen bei der Lektüre dieses Artikels auf, der so recht typisch ist für die Art und Weise, wie neuerdings in manchem Parteiblatt komplizierte Fragen der Weltpolitik mit Hilfe populärer Schlagwörter im Sinne bürgerlicher Allerwelts- croberer und-Befreier erörtert werden. Aber patriotische Gesinnung allein genügt nicht, um die Arbeitermassen in dieser schweren ver- anlworlungsvollen Zeit politisches Wissen und sozialistische Erkenntnis zu vermitteln. Man lärsit vielmehr, wie dos erwähnte Beispiel zeigt, Gefahr, ohne Ziel und Steuer zu segeln und den Massen statt der erforderlichen selbständigen Orientterung politische Kamiegießereien in pseudo-marxistischer Aufmachung zu bieten. Fimmerwölö unö öas internationale öureau In den Kreisen der ausländischen Sozialisten wird über die Zintinerwalder Konferenz viel lebhafter diskutiert als in Deutsch - land. B-esonders auch in den neutralen Staaten ist die Frage ihrer Zweckmäßigkeit Gegenstand sehr eingehender Erörterungen, und wenn sich auch die Parteilettungen allenthalben ablehnend gegen die Zusammenkunft und ihre Beschlüsse verhalten, so wird doch aus den Reihen der organisierten Geiwssen angesichts des Ver- sagens der offiziellen Instanzen der Internationale immer wieder auf die Notwendigkeit der Wiederanknüpfung der zerrissenen Bande mit Hilfe der in Zimmerwald geschaffenen Einrichtungen hingewiesen. Besonders rührig in dieser Beziehung sind die Jungsozialisten in Schweden . Ihnen tritt jetzt im Stockholmer „Socialdemocrat " Genosse B r a n t i n g mit einigen Bemerkungen entgegen, die die Jungen wohl kaum befriedigen dürften, die aber immerhin den Wunsch nach einer Wiederaufnahme der Arbeit durch das Jnter- nationale Bureau deutlich zum Ausdruck bringen. Er geht auf die in dem Zimmerwmlder Manifest erwähnten Versuch« zur Belebung des Internationalen Bureaus ein und sagt: .Es ist ja kein Geheimnis, daß diese Vttsuche bisher an den leicht begreiflichen Schwierigkeiten besonders von französisch- belgischer Seite gescheitert sind, aber sie würden in demselben Maße beseitigt werden, wie die deutsche Partei ihren Widerstand gegen die Eroberungspolitik stärker betonte. Man wird gern hoffen, daß mit Haases Auftreten in der letzten Reichstagsdebattk ein Schritt in dieser Richtung getan ist. HuySmans schwere Position... hindert für den Augenblick die öffentliche Er- örterung dies« Angelegenheit. Soviel ist unter allen Umständen klar, daß daS Internationale Sozialistische Bureau im Haag durch die Zimmerwald-Agitation eine Mahnung erhalten hat, daß die Verwirrungen sich um so schnell« vermehren werden, je länger man gezwungen ist, darauf zu warten, daß eS wieder als Mittelpunkt der Internationale hervortreten wird. ES gibt auch Gründe, zu erwarten, daß alle, die es angeht, das klar einsehen. Es wäre wirklich an der Zeit, daß das Internationale Bureau diese Mahnungen beherzigte und daß Franzosen und Belgier ihren Widerstarch ausgäben.
Meistens in Deckung, jawohl. Ab« immer wieder kommen doch auch wieder Stellen, die von„drüben-' einzusehen sind. Und die feindliche Arttllerie verfolgt die Kompagnie mit grimmiger Aufmerksamkeit. Sie streut ihre Geschosse unausgesetzt üb« das ganze Gelände. Warm immer sie aber zwischen den Kieferhängen die grauen Gestalten entdeckt, dann konzentri«t und steigert sie ihr Feuer, daß die Geschosse niederprasseln wie ein eiserner Hagel.. Dann reißt jeder die müden Knochen an den Leib und rennt, was die Kräfte halten können. An irgendeine Ordnung ist nicht mehr zu denken. In losen, lichten Haufen laufen die Leute, wie sie sich eben zusammengefunden haben. Alte Arttlleriesiellungem... Eingefallen« und eingeschossene Unterstände, zwei kaputte Protzen, ein paar tote Gäule.... Die Augen zu! Und weit«— weiter— I »Links halten! Links heran... Achtung! Hier ist einzusehen...". Will denn dieser Weg gar kein Ende nehmen? »Dort oben hinter den Büschen geht ein Laufgraben. Da hin- ein! Rasch hier noch einmal hinüber. Marsch, marschl' Eine breite Wiese. Darauf haben sie wohl drüben gewartet, daß die überschritten werden muß. Sie liegt schon unter Feuer, ehe noch jemand einen Fuß auf sie gesetzt bat; es kracht und gellt, alles ist von Dampf überlagert, man kann kaum drüben das Buschwerk erkennen. Mit den Granaten einen sich wieder Schrapnells. Man sieht sie in der Lust aufflammen, erkennt ihre Wolken, die, langsam wachsend, zerfließen... Durch!... Alles andere hilft nichts... Durch, so rasch wie möglich! Noch einmal eine flehte Anstrengung. Zischen, Gurgeln, hier, dort— aufstäubende Schwaden, gellendes Krachen... Da vorne fällt einer. Ist er nur gestolpert?... Er bleibt liegen.»He, Kamerad!"... Er rührt sich nicht. Vom Kopf sickert Blut... „Wohin sollen wir denn nun? Wo ist denn der Graben?' keucht einer vorüber. „Hierher!" schreit eine ferne Stimme. Da ist endlich daS Gebüsch. Gewehr über den Rücken gehangen kriechen die Ermatteten hindurch. Zurufe fliegen hin und h«. End- lich— Hurra— ausgeworfene Sandhaufen— ein Sprung— im Graben I Ringsum pfeift und gellt es noch von feindlichen Geschossen. Auch den Graben können sie heimsuchen. Aber es überkommt doch jeden ein eigenes Gefühl der Errettung, nachdem er zwischen den engen, steilen Grabenwänden sitzt. Weiß der Himmel, was nun weiter wird, ob wirklich das schlimmste schon überstanden ist. Aber vorderhand fühlt sich alles geborgen. Und das wichttgste: Man kann ruhen. Herrliche, unbeschreiblich köstliche Ruhe nach dieser Jagd durch den Granatenregen I
Zwei Richtungen im Sozialismus. Der Führ« der rumänischen sozialistischen Partei, Genosse Dr. Ch. RakowSky, dessen bereits in zweiter Auflage erschienene Schrift„Die Sozialisten und der Krieg(Diskussion zwischen den französischen und rumänischen Sozialisten)' in der sozialistischen Presse sehr viel Beachtung gefunden hat, hat zu sein« Schrift neuerdings eine Ergänzung geschrieben, in der« gleichsam das Fazit der EntWickelung d« verschiedenen Tendenzen im Sozialis- mus seit Ausbruch des Kriege« zieht. Wir entnehmen diesen AuS- führungen folgendes: „Schon in d« alten Internationale gab es zwei Richtungen, von denen jede noch ihr« besonderen Schattierungen hatte: die nationalistische und die internasionalistische. Die erste Richtung rechtfertigt die Taktik, die die Mehrzahl der ältesten sozialisttschen Partei während dieses Krieges befolgt. Die AnHanger dieser Richtung kämpfen gegenwärtig miteinander, sie hassen sich gegen- seitig, sie werden aber zu einer Versöhnung in einer von natto- nalistischen Tendenzen erfüllten Internationale kommen, die— bis zu einem neuen Krieg existieren wird. Die Gefahr, daß der zurzeit in den Tiefen der sozialistischen Internationale tobende ideelle und politische Kampf mit einem gegenseitigen Sünden- ablaß enden könnte, ist keineswegs eine Erfindung derjenigen, die den Wunsch hegen, daß die furchtbare Prüfungszeit, die die Arbeiterklasse Europas jetzt durchmacht, nicht spurlos an ihr vorübergehen soll. Eine gegenseitige Amnestie ist nicht bloß das Ziel von Wünschen, sie ist bereits proklamiert als unmittel- bares Ziel der Anhänger des nationalistischen Kurse». Unter diesem Gesichtspunkt ist die Stellungnahme Eduard Davids bedeutsam, der während der Debatte üb« die vierte Kriegskredit- bewilligung als Redner d« Partei im Reichstag auftrat. In seinem Buche„Die Sozialdemokratie im Weltkrieg"«klärt« sich bereit, den Sozialisten Frankreichs , Belgiens , Englands ihren Nationalismus zu vergeben, wenn sie ihm und seinen Freunden seinen Nationalismus verzeihen. Er ist bereit, den Seelenzustand der französischen Sozialisten und ihre ganze Hal- tung zu versteben, er verlangt aber, daß auch der Seelenzustand d« deutschen Sozialisten in Betracht gezogen w«den soll, der— wenn auch in komplizierter« Form— derselbe Grundlage hat: die Furcht, da» eigene Land zur Rolle eines Staates zweiter oder dritter Ordnung degradiert zu sehen. Aber die sozialistische Bewegung wird inter- national sein, oder sie wird gar nicht sein. D« Sieg des sozialisttschen NattonaliSmus kann nicht? aüderes als eine vorübergehende Erscheinung sein. Er entspricht nicht der geschichtlichen Notwendigkeit und den inneren Anforderungen einer aus dem Klassenkampf resultierenden Politik, er ist vielmehr ein lleberbleibsel der Vergangenheit, eine Wieder- spiegelung der Psychologie der bcrrschenden Klassen in der Seele des Proletariats und der sozialistischen Politiker. Und daS wesentlichste Ergebnis des Krieges besteht für uns darin, daß et die völlige Unvereinbarkeit der Interessen der Arbeiterklasse mit der Ideologie des Nationalismus gezeigt hat, selbst wenn eS dieser gelingt, sich hinter besonder?„demokratischen", besonders.sozialistischen* Formeln zu verstecken....' Stürmische Vorgänge im japanischen Parlament. Tokio ,!9. Dezember.(W. T. B.) Meldung des Reuterschen Bureaus. Im Landtage beantragte die Opposition, die Regierung in den Anklage zustand zu versetzen. Während der Premierminister sprach, versetzte ihm ein Mitglied de« Landtages einen Schlag ans den Arm. Die Polizei schritt ein. Der Premier- minister schloß seine Rebe unter Beifallskundgebungen. Der Antrag, die Regierung in den An klage zuitand zu versetzen, wurde mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
politische Ueberslcht. Der preithische Landtag, sowohl das Abgeordneten- als auch das Herrenhaus, sst zum 13. Januar einberufen. Das„Verl . Tageblatt' bemerkt zu der Einberufung des Landtags:„Die Tagung des preußischen Landtags wird, wie wir hören, diesmal etwas länger dauern, als die vorauf- gegangenen Kriegstagungen. Man glaubt in politischen Kreisen, daß die beiden Häuser diesmal mindestens fünf Wochen zusammenbleikven werden. Ueber Art und Umfang der Vorlagen, die die Staatsregierung dem Landtag unter- breiten wird, waltet noch tiefes Geheimnis, das auch vermut- lich im Hinblick auf die am 13. Januar zu erwartende Thron- rede, kaum vor deren Verlesung gelüftet werden wird. Immer- hin darf als sicher gelten, daß größere Aufgaben den Land- tag nicht beschäftigen werden, daß man sich vielmehr darauf beschränken wird, neben dem Etat Kriegsvorlagen der verschiedensten Art zu erledigen." Eine interessante Statistik. Der Sozialdemokratische Verein und das Gewerkschafts- kartell Bremen haben Ende November in der ganzen'Stadt eine beschränkte Umfrage veranstaltet, um festzustellen, ob die minderbemittelte Bevölkerung bei den gegenwärttgen Lebens- mittelpreisen in der Lage ist, sich genügend mit Fleisch, Fett, Kartoffeln und Feuerung zu versorgen. Von 787 befragten Haushaltungen konnten sich 63 mit einer Kopfzahl von 360 Personen überhaupt kein Fleisch kaufen, von den übrigen ergibt die Statistik, daß sie für Fleisch eine Mark auf den Kopf und pro Woche ausgeben. Für Fette— Butter, Margarine usw.— kommen auf den Kopf der Familie und pro Woche SO1!, P f. Von den 787 Haushaltungen verbrauchten 45 keine Milch, bei den übrigen— 742— Familien kamen auf Milch pro Woche und pro Kopfe 28 Pfennige. Weiter wurde festgestellt, daß auf den Kopf ein Kartoffel- konsum von 5 Pfd. pro Tag entfällt. Ein Driitel der be- fragten Familien haben ein Einkommen von weniger als 25 M. pro Woche; die Familie zu vier Köpfen gerechnet. Davon gehen ab für Miete durchschnittlich 5 M. pro Woche. Bei den 238 Haushaltungen, die unter 25 M. wöchentliches Einkommen haben, blieben nach Abzug der Ausgaben für Miete, Heizmaterial usw. noch durchschnittlich 12,50 M. für Nahrung und Kleidung. Diese Statistik hat traurige soziale Bilder entrollt, denn 8l Haushaltungen hatten ein Ein- kommen von bloß 15— 20 M. und 52 Haushaltungen gar nur von 5— 15 M. wöchentlich. Tie Butternot. Die freikonservative»Deutsche Volkswirtschaftliche Korrespondenz" wird bei einer Besprechung der Bunernot in Berlin recht deutlich: »Die letzten Tage haben in der Reichshauptstadt eine erregte Stimmung m den breiten Massen des Volkes gezeigt, die in der Haupisache aus dem Mangel an Butler- und Fettstoffen im Kleinverkauf hervorging. Die Eiklärung des Reichskanzlers in der ReichstagSsitzung vom 9. Dezember, daß nämlich genug Lebens- mittel im Lande seien und nur eine zweckmäßige Verteilung derselben in die Wege geleitet werden müsse, hat zwar die Volkswirte und die Politiker beruhigt, ob« sie reichte nicht hin, um die Bevölkerung zu unterrichten darüber, wie sie tatsächlich in denBesitz desMinde st maßes!
der erforderlichenButter-und Fettstoffe gelangen kann. Die offensichtliche Knappheit im Ladenverkauf ist nun entweder eine Folge der von der Reichs regierung eingeleiteten und angeordneten Regelung und Beschränkung in d« Ausgabe der Butiervorräte, oder aber eine Folge strafwürdiger, wucherischer Ausbeutung deS kaufenden Publikums durch die Händler. Im ersteren Falle würde es sich empfehlen, wenn die Behörden schien- nigst die Bevölkerung ausklärten üb« die Notwendigkeit und den Beginn eines obrigkeitlichen Eingreifens. Es sprechen aber gewisse Anzeichen dafür, als ob der letztere Verdacht begründet ist. Einmal gab eS bekanntlich Butter genug, als der Preis auf 3,20 M. emporschnellte und mit dem Eintritt deS.Höchstpreises" von.nur' 2, SS M. begann sofori die angebliche Butlerknappheii. Allerdings trat auch wohl eine Verminderung der dänischen Zu- fuhren ein. Aber die Angestellten zweier großen Berlin « Butler- Handlungen haben doch dem Publikum die Beweggründe verraten für die Zurückhaltung der Ware seitens der Geschäftsinhab«. In den Kellern der einen Großhandlung sollen noch Hunderte von Fässern vorhanden sein und liegen bleiben, bis die Preise noch höher klettern, und in der anderen herrscht der Grundsatz, vor und au den„fleischlosen" Tagen möglichst wenig Butter abzugeben, damit die Bevölkerung gezwungen wird, die teueren Wurstwaren zu kaufen, die eben wegen des unVerhältnis- mäßig hohen Preises keinen flotten Absatz finden und durch längeres Lagern bekanntlich 10 bis 15 Proz. ihres Gewichtes ver- lieren. Also eine Erpressung soll geübt werden I Trifft das zu, so würde, wieder nach den Zusicherungen des Reichskanzlers vom 9. Dezember, die Scbuldigen die gerechte Strafe treffen müssen. Denn jene Händler, die sich an d« Not des Volkes bereichern wollen, wissen wohl, daß sie, und zwar gerade die unteren VolkSkreise, aufS höchste erbittern, daß diese die Schuld in letzter Linie nicht dem gewissenlosen Wucher, sondern sälichlischerweise der Regierung zuschieben. So handelt es sich also in dieser scheinbaren Bagatellfrage, wie in allen solchen Ernährungsfragen schließlich um die Aufrechttirhaltung des inneren Friedens und einer starken, ge- schlossenen Haltung unseres Volkes hinter der Front. Man stelle also die Wucherer vor die Front der öffentlichen Meinung bezw. Verachtung, aber das genügt nicht; man schließe ihnen die Läden und stecke sie selbst in das Zuchthaus, für das ja da« Vorliegen ehrlos« Gesinnung erforderlich ist.' Dem ist wenig hinzuzufügen. Wir müssen positive Aufklärung darüber erhalten, ob die Angaben der»VolkSwirtschafil. Korr.* zutreffen und e§ muß unter alle» Umständen, ob nun viel oder wenig Butt« vorhanden ist, endlich eine Regelung der Verteilung platz- greifen. Der heutige Zustand läßt sich nicht läng««tragen.
/tach eine Mbeitslosenunterftützung. Man schreibt uns: „Max Freund mann, Werkstatt Kr humoristische Reimkunst, Berlin W 62, Kleiststraße Nr. 16" hat im Verlage von Fr aenkel u. Stroh, Berlin LW 68, Alte Jakobstraße 20—22, ein kleines Heftchen herausgegeben: „Deutsche Dresche", mit dem Untertitel: Neue Lieder und alte Weisen. Diese zweite Abteilung der alten Weisen setzt sich aus Volks- und Vaterlandsliedern zusammen: „Deutschland , Deutschland über alles",„Die Wacht am Rhein ",„Ich Hab' mich ergeben",„Der gute Kamerad" usw. Die neuen Lieder aus Erzeugnissen der Werkstatt Max FreundmannS, etwa folgender Art: Die drei Hunde. Mel.: Es gingen drei Jäger wohl auf die Pirsch. Es liefen drei fremde Hunde herbei, Sie wollten erjagen den deutschen Leu. Der russische Bluthund, er heulte auf Mord: Ich spring an die Gurgel dem Löwen sofort! Der französische Windhund, er kläffte zugleich: Bon rückwärts heran ich leise mich schleich' I Der englische Bulldogg zu bellen begann: Ich falle ihm in die Flanke sodann! Da regte der deutsche Leu sich im Busch, Es rissen die Hunde schnell aus husch, husch! Husch, husch, kusch, kusch! Hurra!-- Oder auch: Nach der Melodie: Deutschland , Deutschland , über alle«! »Deutschlands Größe voller Hoheit I FranlreichS Haß und Englands Neid!— Rußlands Schmutz und Belgiens Roheitz Welsche Hinterlistigkeil I Japans Sckiufte. Serbiens Diebe, Alle geben Fersengeld I :,: Deutsche Dresche, deutsche Hiebe, Fürchtet jeder in der Welt!:,: Aus dem EinleitungSlied: »Deutsche Dresche, deutsche Hiebe.' Oder etwa folgende Parodie und Blasphemie des Liedes Ernst Moritz Arndts:»Was ist deS Deutschen Feindesland" mit dem Refrain: »O nein, o nein, o nein, e nein, Sein Feindesland muß größer sein k' und der Schlußstrophe: »Was ist des Deutschen Feindesland k So nenne endlich mir das Land l Dort wo eS Trug und Tücke gtbtz Wo man Berrat an Freunden übt, Das ist da» Land! Da? ist des Deutschen Feindesland!' Die Zeichnung auf dem Umschlag: In der Mitte drei deutsche Soldaten. Ein Infanterist rennt einem Franzosen das Bajonett durch den Leib, daß es vorne herausdringt; ein Ulan schießt einen Kosaken vom Pferd, und ein Matrose ver- setzt einem zähnefletschenden Engländer einen derben Fußtritt. Dazu jeweils als erläuternder Text:„Jeder Stoß, ein Franzos I"„Jeder Schuß, ein Rnss' I"„Jeder Tritt, ein Britt I" In Schleifenform schlingt sich dazwischen die Auf- schrift:„Deutsche Dresche"(in roter Farbe, aus daß aus schwarzem Bilddruck, weißem Umschlag und rotem Titel die deutschen Landesfarben entstünden!). Rechts in der Ecke der Preis: 10 Pf. Darunt« ab« in Sperrdruck: „10 Proz. der Einnahme erhalten die Aedeitsloseu z. H deS Vereins zur Speisung armer Kinder und Notleidend« (E. B.) 1875, unter dessen Kontrolle der Verkauf steht." Daß aus einer„Werkstatt für humoristische Reimkunst" nicht eben viel anderes zu erwarten ist, läßt sich allenfalls noch vorstellen. Daß bei solchen Machwerken die Zensur nicht eingreift, verwundert.(Wir sind über die Toleranz der Zensur in diesem Falle nicht verwundert. Die Red. d.„V.") Daß sich ein Verleger für einen solchen..., sagen wir Gegenstand findet, ist tief bedauerlich. Daß e i n Mensch einen solchen... sagen wir wieder: Gegenstand, kaust, scheint unglaublich, ist aber wahr, da ein Großbuchhändler sagen konnte, es sei eben das letzte er- reichbare Exemplar. Daß ein„Verein zur Speisung armer Kinder und Not- leidender" sich hergibt, derartige Produkte zu vertreiben, ist — mag der sonstige Zweck noch so edel fem— für diesen Verein ttef beschämend.'