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Nr. 356.

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Zentralorgan der fozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3.

Fernsprecher: Amt Morinplay, Nr. 151 90-151 97.

Montag, den 27. Dezember 1915.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 151 90-151 97.

Weihnachtliche Artillerie-, Minen- und Patrouillentämpfe.

Zur Judenfrage in Polen .

Ein polnischer Genosse schreibt uns:

In den Preußischen Jahrbüchern( November- und De­zemberheft) wird eine Polemik geführt über das polnisch­jüdische Problem". Herr Bernhard Lauer aus Warschau setzt sich mit Nachum Goldmann - Berlin auseinander. Der erste behauptet, daß die aufgeklärten, politisch sich be­tätigenden Juden in Polen genau so sich als Polen fühlen, wie die deutschen Juden in Deutschland als Deutsche . Er meint, daß die Kulturaufgabe darin bestehe, das polnische Judentum, welches im politischen Sinne polnisch assimiliert ist, auch sprachlich zu assimilieren". 3war gibt er zu, daß gegensägliche Bestrebungen sich geltend machen, daß ein jüdischer Nationalismus sich bemerkbar mache, doch sei das eine Bewegung, die künstlich angezettelt worden sei, wobei ihre Träger nicht eigentlich polnische, sondern aus Rußland nach Polen eingewanderte Juden seien. Herr Nach um Goldmann, der sich selbst als Nationaljuden bezeichnet, protestiert nun dagegen und behauptet schlankweg, die polnischen Juden fühlen sich als Nation und wenn man sie zur Assi­milation zwingen würde, so werden sie sich dagegen sträuben und ihr nationales Dasein verteidigen. Dann aber vergiẞt der Nationaljude", daß es sich um die Interessen der polni­schen Juden handelt und wird zum deutschen Juden, indem er scharf betont, das Interesse Deutschlands erfordere, daß die Juden in Polen nicht im Polentum aufgehen.

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Vielleicht ist es gestattet, diesen Streit der Nationalismen zu stören durch den Hinweis, daß wohl vor allem wichtig ist das Interesse der jüdischen Volksmassen, der jüdischen Proletarier, die die ungeheure Mehrheit der Juden in Polen bilden. Dann ergibt sich aber folgendes: Die Erhaltung des Judentums, wie es heute nicht nur in Polen , sondern darüber hinaus im ganzen Osten Europas besteht, ist nur möglich, solange die Herrschaft der jüdi schen Orthodoxie über diese Massen besteht, und diese Herrschaft ist ein furchtbares un­glück für das jüdische Proletariat.

In den westeuropäischen Ländern unterscheiden sich die Juden in Sitte, Sprache, Brauch, Kultur in nichts von den Mitgliedern des Volkes, innerhalb dessen sie leben. Sie sind in Deutschland deutsche, in Frankreich ) französische, in Italien italienische Patrioten, einfach weil sie unter dem Einfluß deutscher, französischer, italienischer Kultur stehen. Ohne Uebertreibung fann man sagen: wenn nach diesen Ländern keine Einwanderung aus dem Osten stattfinden würde, so würden sich die Juden in wenigen Jahrzehnten restlos den Völkern, unter denen sie leben, assimilieren. Die Mischehen nehmen in letter Zeit rapid zu und damit ist die Frage end­gültig entschieden.

In Polen ist es anders. Hier bilden die Juden eine streng von der übrigen Bevölkerung abgesonderte Gruppe. Bedeutet das, daß sie sich absondern, weil sie hier eine " Nation" sind, während sie es im Westen nicht sind? Uns scheint, umgekehrt wird ein Schuh daraus: sie sind eine nation­ähnliche Gruppe, weil sie sich absondern. Eine nationähnliche Gruppe, nicht eine Nation, sagen wir, denn zum Begriff der Nation gehört, seit die Völker seßhaft sind, ein geschlossenes Territorium, auf dem diese Nation haust und bei dem jezigen Stand der Wirtschaftsweise ein Bauernstand. Beide Merkmale fehlen den Juden in Polen genau, wie in anderen Ländern, und deshalb kann man den Begriff Nation nicht einfach auf sie übertragen.

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Warum nun sondern sie sich ab? Etwa weil sie eine andere Sprache sprechen, als die Hauptmasse der Bevölkerung, das Jidisch- deutsch" statt des Polnischen? Abermals liegt es unigefehrt: sie sprechen diese Sprache, weil sie sich ab­fondern.

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Der Grund der Absonderung ist einzig und allein in dem starren Festhalten nicht nur an der jüdischen Religion, sondern an dem jüdischen Ritus begründet. Dieser Nitus, alle die Vorschriften, die das Leben des strenggläubigen Juden in Fesseln schlagen, von denen die Bekenner anderer Kon­fessionen keine Ahnung haben, verfolgen anerkanntermaßen den Zweck, das auserwählte Bolt des Herrn" von jeder Gemeinschaft mit den übrigen Menschen, die den Juden als ,, unrein" gelten, fernzuhalten. Weil die Orthodoxie noch die Herrschaft über die Massen der Juden besitzt, weil ein Jude, der irgendeine dieser rituellen Vorschriften überschreitet. von feinen Glaubensgenossen verfemt, gemieden wird, besteht die Absonderung fort.

Die Probe aufs Erempel ist leicht gemacht: Der ge­bildete Jude emanzipiert sich fast immer von diesen rituellen

Meldung des Großen Hauptquartiers. Formen, bann fcheibet er aber auch in Bolen in 99 von

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 25. Dezember 1915.( W. Z. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah.

Westlich von La Bassée wurden die feindlichen gegen unsere Stellung vorgetriebenen Minenanlagen durch eine erfolgreiche Sprengung unserer Truppen zerstört. Sonst hat ich nichts von Bedeutung ereignet.

Deftlicher Kriegsschauplah.

An verschiedenen Stellen der Front fanden Patroui­Wengefechte statt. Russische Aufklärungsabteilungen, die an unsere Linie heranzukommen versuchten, wurden ab­gewiesen.

Balkan - Kriegsschauplah.

Nichts Neues.

Oberste Heeresleitung.

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 26. Dezember 1915.( W. T. B.)

Weftlicher Kriegsschauplah.

Bei andauerndem Regenwetter war die Gefechts­tätigkeit auf dem größten Teil der Front nur gering, leb­hafter in Gegend nördlich von Albert, an einzelnen Stel­len der Champagne und in den Vogesen nördlich von Sennheim .

Deftlicher Kriegsschauplah.

Deutsche Patrouillenunternehmungen in Gegend von Dünaburg waren erfolgreich. Stärkere russische Erkun­dungsabteilungen wurden nordwestlich von Czartorysk und Berestiany( südöstlich von Kolfi) abgewiesen. Balkankriegsschauplatz.

Die Lage ist im allgemeinen unverändert.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien , 25. Dezember. ( W. T. B.) Amtlich wird ver­lautbart, 25. Dezember 1915.

Russischer Kriegsschauplatz. Feindliche Kräfte, die sich nach dem gestern abgeschlagenen Angriffsversuch östlich Narancze nahe vor unseren Stellungen eingegraben hatten, wurden nachts überfallen und vertrieben. 2 Maschinengewehre blieben in unserer Hand. Sonst keine be­sonderen Ereignisse.

Italienischer Kriegsschauplatz.

Das feindliche Geschütfeuer gegen einzelne Stellungen des Brückenkopfes von Tolmein dauerte tagsüber fort. Auf den Nordhängen des Altissimo wurde der Vorstoß einer italienischen Kompagnie abgewiesen. Auf allen übrigen Frontabschnitten verlief der gestrige Tag ruhig.

Südöstlicher Kriegsschauplah.

Nichts Neues.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes. v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

Wien , 26. Dezember. ( W. T. B.) Amtlich wird ver­lautbart, 26. Dezember 1915.

Russischer Kriegsschauplat.

Im Sumpfgebiet der Polesie wurden an mehreren Stellen feindliche Aufklärungsabteilungen zurückgeworfen. Sonst nichts Neues.

Italienischer Kriegsschauplak. Annäherungsversuche gegen den Südteil der Hochfläche von Doberdo wurden leicht abgewiesen.

Südöstlicher Kriegsschauplak.

Die Lage ist unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

100 Fällen aus der jüdischen Gemeinschaft aus und geht im Polentum auf. Das ist ganz unabwendbar.

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Wir sagten, daß die Herrschaft der Orthodoxie ein Un­glück für die jüdischen Volksmassen ist. Wir haben dabei zweierlei im Auge: sowohl die geistige Knechtung, die daraus folgt, als die materiellen Folgen. Zum Verständnis des legten muß man sich vor Augen halten, daß schon das Fest­halten an der Sabbatheiligung das Zusammenarbeiten von christlichen und jüdischen Arbeitern unmöglich macht. Daraus erklärt es sich, warum in der Großindustrie Polens jüdische Arbeiter nicht zu finden sind. Man hat zwar versucht, Fabriken mit ausschließlich jüdischen Arbeitern zu gründen, aber das gelingt nicht, weil dann das gesamte Personal( Vorarbeiter, Techniker und so weiter) jüdisch sein muß und mant nicht genügend qualifizierte Ar­beiter unter den Juden findet. Außerdem hat eine Fabrik, die am Freitag und Sonnabend feiern, aber am Sonntag arbeiten will, mit mannigfachen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil die öffentlichen Anstalten Eisenbahn, Stadtbahn, Banten , Post sich dem nicht anpassen können. Die Folge ist nun, daß jüdische Arbeiter zwar in der Industrie tätig sind, aber ausschließlich in der Heimarbeit und in den Manufakturen, d. h. also in den allerrückständigsten Betriebs­formen, wo die Ausbeutung alle Begriffe übersteigt. Auch im Handel gilt das. Bis vor kurzem beherrschten allerdings die Juden den Handel, der in allerprimitivsten Formen ge­halten war. Man brauchte da keine Sprachkenntnisse, und der in der jüdischen Schule, dem Chaider, erzogene junge Jude konnte Handelsgehilfe sein, trotzdem er fein richtiges Polnisch sprach, auch nicht polnisch schreiben und lesen konnte, weil in jenen Schulen nur jidisch" gelehrt wird.

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Das hört auf. Wie in Deutschland der Kaufmann, der tein richtiges Deutsch kann, unmöglich ist, so ist er es heute in Polen , wenn er fein Polnisch kann. Auch jüdische Geschäftsinhaber in den Großstädten stellen solche Gehilfen nicht an. Mit einem Worte, der jüdische Proletarier, der in der abgeschlossenen, sich gegen die übrige Bevölkerung kon­sequent absondernden Judengemeinschaft eingepfercht bleibt, ist für immer zum Elend verdammt, ist wehrlos der Aus­beutung jüdischer Unternehmer ausgesetzt, die sich diese Lage zunuze machen.

Wie immer sich das Schicksal Polens in Zukunft gestaltet, das Verharren der Juden im freiwilligen Gheto", wie man es treffend genannt hat, kann nur dazu führen, das materielle Elend und die kulturelle Rückständigkeit der jüdischen Massen zu verewigen und zu steigern. Ohne diese Absonderung aber ist die Erhaltung der jüdischen Nationalität undenkbar. Da in Polen die Juden 14 Proz. der Bevölkerung ausmachen, wird sich dort der Prozeß der Assimilierung langsamer voll­ziehen, wahrscheinlich auch anders als im Westen, aber boll­ziehen wird er sich sicher.

Die jüdischen Nationalisten stehen daher vor der für sie tragischen Frage: entweder die große Masse dieser Nation wird dazu verurteilt, in Elend und Unkultur zu bleiben, oder die Juden hören auf, eine Nation zu sein.

Nun sagen diese Nationalisten: jeder Zwang ist ver­werflich. Dem stimmen wir zu, fügen aber bei: die Aufrecht­erhaltung der Absonderung, des freiwilligen Gheto, ist eben­falls nur möglich durch Zwang, durch den Gewissenszwang, den heute die jüdische Orthodorie auf die Gemeinschaft der Juden ausübt. Die schwierige Frage, die zu lösen ist, lautet: wie befreit man die jüdischen Volksmassen von dieser Ortho­dorie? Ist diese Frage gelöst, dann wird das Zusammen­leben von Juden nd Polen als gleichberechtigte Bürger eines Landes sicher keine Schwierigkeiten bereiten.

Ein bulgarisch - griechischer Zwischenfall.

London , 24. Dezember. ( W. T. B.) Daily Chronicle" erfährt aus Athen vom 22. d. M.: Die griechische Regierung hat neuerlich einen Protest gegen die Ueberschrei­tung der griechischen Grenze durch die Bul­ garen verfaßt. Sie tat es, um dadurch ihre Unparteilichkeit zu beweisen. Andererseits hat die griechische Regierung von den Mittelmächten entsprechende Versicherungen er­halten, daß das besetzte Gebiet nach der Einstellung der Zeind­seligkeiten unvermindert zurückgegeben werden wird.

Sofia , 23. Dezember. ( Vom Privatforrespondenten des W. T. B.) Der griechisch- bulgarische zwischen­fall hat hier lebhaftes Bedauern hervorgerufen, da die bul­garische Regierung bereits früher zu verschiedenen Malen be­wies, daß sie gute Beziehungen zu Griechenland zu unter­halten wünscht. Die nähere Prüfung des Vorganges durch die bulgarischen Behörden hat zweifelsfrei ergeben, daß keine Verletzung des griechischen Gebietes vorliegt. Das Verhalten