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Das englische Mllitaröienstgesetz ES ist viel die Rede gewesen von den Aussichten der englischen Militärdienstvorlage und von den Kämpfen innerhalb und außerhalb de« Parlaments. Verhältnismäßig wenig ist dagegen über die ein- zelnen Bestimmungen de« Gesetzes in die Oeffentlichkeit gedrungen. Man weiß nur ganz allgemein, daß die dienstfähigen unverheirateten Männer sowohl zum Dienst mit der Waffe wie zur Arbeitsleistung in Munitionsfabriken herangezogen werden lönnen. und daß ge» wisse Ausnahmen von der Regel gestattet sind. So wie das Gesetz eingebracht wurde, sieht eS den Dienstzwang in irgendeiner Form vor für jeden britischen Untertan über IS und unter 41 Jahre, der seinen ständige» Wohnsitz im Lande hat und entweder unverheiratet oder Witwer ohne Kinder ist. ES tst nicht mehr die Rede von den fehlenden 660 000, sondern von allen allein. stehenden Männern im Alter bis zu 40 Jahren. Aber es gibt, wie gesagt, Ausnahmen. Derjenige, der nicht Soldat werden will, muh bei dem Militärdienst-Tribunal um ein BefreiungSzertifikat nachsuchen. Dem Tribunal ist in dieser Be. ziehung völlig freie Hand gegeben. Wenn nicht da« Gesetz, bis es das Parlament wieder verläßt, wesentlich geändert worden ist, kann das Tribunal Befreiungsanträgen stattgeben,wenn es die Anträge unter den Begleitumständen gerecht findet". Allerdings bei Krank- heit und Verantwortlichkeit für unterstützungsbedürftig« Angehörige muß der Betreffende ohne weiteres von der Dienstpflicht befreit werden. Außerdem gibt eS noch andere Möglichkeiten für die Be» frewng, nämlichGewissenSbedenken gegen die Uebernahme des Dienstes mit der Waffe" und Unentbehrlichkeit im nationalen Interesse. Die Frage, ob in einem bestimmten Fall einer der beiden Ein- wände erhoben werden kann, wird mitunter schwer zu entscheiden sein, und es gehört viel Unbestechlichkeit und ebensoviel Takt und Verständnis dazu, um hier stets gerecht zu urteilen. DaS Tribunal hat außerordentlich weitgehende Vollmachten. Der Appellierende ist ganz in seine Hand gegeben, ihm steht nur noch die Berufung an ein AppellationStribunal zu. ES mag jemand noch so sehr beteuern, daß sein�Gewissen es ihm nicht gestatte, in den Kampf zu ziehen und zu töten, es kann a n s i ch nicht als genügender Einwand ange- sehen werden. DaS Tribunal hat jeden Fall besonders zu prüfen, und wer möchte wohl entscheiden, in welchem Fall« die Klausel der GewissenSbedenken mit Recht angewendet werden mutzl Unentbehrlichkeit im nationalen Interesse befreit ebenfalls vom Waffendienst, aber der Mann ist deshalb doch nicht mehr voll- kommen Herr über sich selbst. Denn das Zertifikat, das ihm seine Freiheit gibt, kannabsolut, zeitweis« oder bedingungsweise ge- geben werden, so wie die Behörde eS für am besten hält. ES kann zu jeder Zeit revidiert und zurückgezogen oder abgeändert werden. nach Gutdünken des Tribunals. DerManchester Guardian", das angesel>ene liberale Blatt, macht das an einem Beispiel begreiflich. Angenommen, ein Maschinenbauer, ein Kohlenberchvevksarbeiter oder ein Schäfer erhalten ein Attest, das sie vom Militärdienst be- freit, solang« sie in ihren jetzigen Stellungen bleiben. Run bietet sich dem Maschinenbauer eine bessere Chance und er will seine Stellung wechseln, der Bergarbeiter streikt und der Schäfer be- kommt Streit mit seinem Gutsherrn; sofort kann das Zertifiat zurückgezogen werden. Di« Arbeitgeber dieser Männer brauchen nicht einmal die Intervention deS Tribunals anzurufen, sondern die- jenigen, die auf Grund von Unäbkömmlichkeit vom Militärdienst be­freit sind, müssen den Stellungswechsel bei Strafe selbst anzeigen. Zieht nun die Militärbehörde das Zertifikat zurück, so gilt der Mann ohne weiteres als emgezogen. Wäre es zu verwundern, wenn Unternehmer, die einen Arbeiter behalten wollen, ihn mit dem Hinweis darauf an sich leiten, daß er sonst zu den Waffen gerufen werde f Er steht vollständig m der Gewalt des Militärdienfttribu- nalS, aber diese Behörde hat keine Macht, die Unternehmer zu zwingen, anständige Löhne zu zahlen. Wahrhaftig. Grund genug zu scharfer Opposition von feiten der englischen Arbeiter! Der verheiratete Arbeiter dagegen kann den ArbeiiSkampf durchführen. Er unterliegt nicht dem Gefstz, und man darf deshalb wohl annehmen, daß die zahllosen Eheschließungen der letzten Zeit in England darauf zurückzuführen sind, daß man noch rasch vor Toresschluß sich vor der Dienstpflicht retten wollte. Die Presse meldete, daß Anfang Januar innerhalb weniger Tage 2500 Ehen allein in London geschlossen wurden. Die armen Burschen l Sie sind dem Gesetz nicht entwischt, denn eS sagt ausdrücklich, daß nur diejenigen ausgenommen fein sollen, die vor dem 15. August 1915 geheiratet haben I Kurz und gut, der Unmut über das Gesetz ist begreiflich Aber man muß abwarten, wie«S nach der dritten Lesung aussehen wird und welche Versprechungen vor allem der Arbeiterpartei unter der Hand gemacht wurden. Die Tatsache, daß die drei Arbeitermmister im Amt blieben, und daß der Premierminister lange mit der Exe- kutiv« der Arbeiterpartei und der Parlamentarischen Arbeiterpartet verhandelt hat, läßt allerlei Vermutungen aufkommen. Asquith soll versprochen haben, daß das Gesetz nur für die Kriegszeit Gel- tung behalten solle, aber weder er noch ein anderer rann heute wissen, ob das liberale Kabinett aus den Wahlen, die bald nach Friedensschluß stattfinden müssen, als Sieger hervorgehen wird. Ist die Militärpflicht einmal eingeführt, so wird sie so bald nicht wieder verschwinden, und dann tritt das«in, wovor derManchester Guardian" eindringlich warnt, nämlich daß das Gesetz nicht zu dem Sieg der britischen Waffen über die deutschen beitragen werde, sondern ohne jeden Zweifel den Sieg deutscher Ideen über England bestätige._ der Sozialismus in Englanö. Von E. Fairchild- London . Das bekannte Mitglied des Exekutivkomitees der Britischen Sozialistischen Partei veröffentlicht in der Neujaihrsnummer des PariserNasche Slowo" fol- genden Artikel: Die Meinungsverschiedenheiten, die der Krieg in der englischen sozialistischen Bewegung auslöste, haben, wie jetzt ersichtlich ist, für die sozialistischen Arbeiterkreise nicht die ihnen anfangs zuge- schrieben« Bedeutung gehabt, und man darf erwarten, daß diese Meinungsverschiedenheiten für die künftige Haltung der Arbeiter- tlasse nur einen minimalen Wert haben werden. Schon lange vor dem Kriege waren die Bemühungen einiger hervorragender Mit- glieder der Britischen Sozialistischen Partei(B. S. P.) und der Unabhängigen Arbeiterpartei(J. L. P.) systematisch darauf ge- richtet, die beiden Organisationen voneinander fernzuhalten, ob- wohl die Mitglieder beider Parteien in den letzten Jahren ofi und gern Hand in Hand miteinander arbeiteten, namentlich zur Zeit irgendwelcher Wahlen oder Ausstände. Gegenwärtig haben sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen Hyndman und Mac- d o n a l d vielleicht noch mehr verschärft, ober die Massen in dieser und jener Partei stehen zweifellos einander näher als früher. Vorkommnisse, wie in Merthyr(dem Wahlkreise Keir HardieS), wo«in nationalistisches Mitglied der B. S. P. mit Erfolg die Stimmen der Liberalen und Konservativen gegen den Kan- didadon der Unabhängigen Arbeiterpartei ins Feld führt«, können zwar noch von einigen altenFührern" der B. S. P. feierlich als Sieg der internationalen Sozialdemokratie" proklamiert werden, für die Mehrzahl der Sozialisten jedoch dient dieser Vorfall nur noch als weiterer Beweis, wie fremd diese sogenannten Führer ihrer eigenen Bewegung gegenüberstehen. Kraft einer außerordentlich sonderbaren geistigen Abirrung entschlossen sich die ofsiziellen Vertreter der Arbeiterpartei(Labour Party ) und einige hervorragende Mitglieder der Britischen Sozia- listischen Partei, die Regierung in ihrem Feldzug gegen die be- stehenden bürgerlichen und gewerkschaftlichen Freiheiten zu unter-

s stützen. Es sei noteendig, sagen sie un», die bestehenden Recht« ein wenig einzuschränken, um den Sieg im jetzigen Kriege zu er- ' kämpfen. Die meisten oder fast alle Freiheiten, die das englifche ' Voll bisher genoß und die der Gegenstand de« Neids und der . Achtung aller Kuiturstaaten Europas bildeten, sind entweder stark l beschnitten oder völlig aufgehoben worden. Niemand ist jetzt vor Verhaftung und Einkerkerung für unbestimmte Zeit« ohne Unter- j suchung und Gerichtsspruch, geschützt. Die BourgeoiS-Regierung , hat den Krieg als längst ersehnte Gelegenheit benutzt, um ein ! Attentat auf die Rechte des Volkes auszuüben, und viel« Führer der Arbeiterklasse,Revolutionär«" wieReformisten ", haben das alles fast ohne jeden Protest hingenommen. Eine Ausnahm« bildet nur die Unabhängige Arbeiterpartei und jener stündlich wachsende Teil der Britischen Sozialistischen Partei, der dafür eintrat, daß die i Partei an der Zim-merwalder Konferenz teilnehmen sollte. Die persönliche Freiheit, die zahlreiche Generationen von den i herrschenden Klassen erkämpft haben, ist nun durch dat berüchtigte ! Gesetz über die Vaterlandsverteidigung(Velens« ok td« Keelm ! �ct) geknebelt, und dieser Instand wird von dem Arbeiterführer i John Hodge gutgoheißen, demselben, der kürzlich ohne jedes Mandat oder eine Zustimmung seitens der Gewerkschaften Frank- reich bereist hat. Mehrfach hat die ZeitungJustice", nominell das Organ der B. S. P., in Wirklichkeit aber ein vor ihr unabhängiges Blatt, während der KrisgSzeitnachgewiesen", daß die Staats- bürgerrechte während eines Krieges eingeschränkt wenden müßten. (Wie merkwürdig vertraut erscheinen auch uns diese Töne! D. Rod.) Wenn S o z i a l i st e n zu solchen Argumenten gveifen, können sich die bürgerlichen Politiker seelenruhig den Interessen der Kapita- listenklasse auf anderen Gebieten widmen. So entstand denn auch u. a. dasWunitionsgesetz", das freilich jetzt umgemodelt«erden mutz, weil unter den Berg- und Hüttenarbeitern eine gewaltige Unzufriedenheit herrscht. In der Tat macht diese» Gesetz alle Rechte der Gewerkschaften illusorisch. Nebenher geht die Pro- paganda der Regierung gegen die Erhöhung der Löhne während des Krieges. MS Sozialisten können wir mit Genugtuung feststellen, daß die Gegnerschaft gegen dies« freiheitsfeindlichen und die Unfähig- leit und Untüchtigkoit in den höchsten Kreisen fördernden Matz- nahmen mit jedem Tage an Umfang und Stärke zunimmt. Ob- wohl die RegierungSmaßnahmen von den meisten Führern der Labour Party und einigen hervorragenden Führern der B. S. P. unterstützt werden, wächst in der Arbeiterklasse selbst mehr und mehr die Uoberzeugung, daß ihre Arbeit in diesem Kriege den Reichen nur noch mehr Luxus als in FriodenSzeiten verschafft, und obwohl das Proletariat zu allen Opfern für das wirkliche Wohl deS Lande» bereit ist, wird e» sich unzweifelhaft allen Maß- nahmen widersetzen, die eS zur Arbeit für die Privatinteressen der Kapitalisten zwingen wollen. Am C l h d e und an anderen Mittel- punkten der Munitionsindustrie wächst dies« Bewegung unaufhalt- sam. und in Kürze könnte eS sich ereignen, daß die früheren FiHrer" der Sozialisten und Arbeiter sich an die Rockschöße der Regierungsleute klammern müssen, um sich vor dem Zorn der von ihnen ehemalsGeführten" zu retten. Wir alle, in England wie in anderen Ländern, können nur die Hoffnung hegen, daß aus dieser furchtbaren Orgie des Blutes und der Granfamkeit jene internationale soziale Ordnung hervorgehen möge, die allein imstande ist, den Fvieden unter den Völkern zu sichern._ Statistik üer politischen �Verbrechens in Rußland . Da« russische Justizministerium hat in diesen Tagen eine Statistik der im letzten Jahrfünft(1910 14) wegen Staatsverbrechen Verurteilten' herausgegeben, die geschichtliche« Interesse beansprucht. Obwohl die amtliche Statistik große Lücken aufweist, da sie dt« auf administrativem Weg» Verhafteten und Verbannten nicht berück- sichtigt. liefert sie interessante« Material zur Eharattenstik der polttnchen Kämpfe in Rußland in der zweiten Hälfte der konter- revolutionären Periode, die bekanntlich in den Jahren 1918/14 bereit« von einem beginnenden Aufschwung der revolutionären Arbeiter bewegung abgelöst wurde. Di« Gesamtzahl der in den Jahren 191014 gerichtlich an- geklaoten politischen»Verbrecher" beläuft sich nach der amtlichen Stattstik auf 35 858. Von diesen wurden 10 006 oder f a st ein Drittel von den Gerichten freigesprochen. Weitere 70 wurden begnadigt, so daß sich die Gesamtzahl der Verurteilten aus 26 277 oder 69 Proz. der Angeklagte» belief. Drei Viertel von ihnen wurden zu Gefängnis- oder Festungshaft ohne Verlust der bürgerlichen Rechte verurteilt, während die übrigen<67000 Per- fönen) zur Zwangsarbeit oder Verbannung unter Aberkennung aller ärgerlichen Rechte verurteitt wurden. In der amtlichen Denkschrift wird zur Erläuterung dieser Daten angeführt, daß die gerichtlichen Repressalien gegen die»politischen Verbrechen" im Jahre 1908 ihren Höhepunkt erreichten und seitdem stetig abnahmen. Recht interessant stnd die stattstischen Angaben über Stand. Konfession und Bildungsgrad der Verurteilten. So ergibt sich folgendes Bild der gesellschaftlichen Schichtung der .Politischen ': Adlige. Geistliche und Ehrenbürger 10 Broz.; Bürg 25 Pro,.; Bauern 60 Proz.(hierher oebören auch die meisten A bester, die noch immer als Bauern registriert werden). Nach Kon- f e s s i o n e n gegliedert ergibt sich folgende« Bild: Griechisch- orthodoxe 77,6 Proz.; Katholiken 8,6 Proz.; Protestanten 3.5 Proz.; Juden 8 Proz. lieber den Bildungsgrad, allerdings nur den amtlich registrierbaren, unterrichtet folgende Tabelle: Personen mit Hoch- schulbildung 1.9 Proz., mit Gynmafialbildung 7,6 Proz., mit Volks- ichulbildung 77,2 Prozent, Analphabeten 14.3 Proz.»Aus dieser Tabelle heißt es in der amtlichen Denkschrift gebt die Demo- kratisierung auf dem Gebiete der Staatsverbrechen ebenso deutlich bervor wie au« der Gruppierung der Verurteilten nach ein- zelnen Ständen." Diese.Demokratisierung" de« volitischen Befreiungskampfes in Rußland ist die sicherste Bürgichaft seine» endgültigen Siege? trotz des Rückschläge», den der Krieg ihm gebracht hat.

politische Ueberficht. Podbielskt. Der ehemalig« Staatssekretär bei Reichspostamts und spätere preußische LandwirtschaftSmtnister PodbielSki ist in der Nacht zum Freitag im 72. Lebensjahre an einem Herz- schlag verstorben. Die rechtsstehende Presse widmet dem Verstorbenen warme Nachrufe, die sich PodbielSki durch die ganze Richtung seiner politischen Tätigkeit auch reichlich verdient hat. Podsbielsft war bis zum Jahre 1891, wo er als General- major zur Disposition gestellt wurde, aktiver Offizier. Im Jahre 1893 ließ er sich als Abgeordneter der Westpriegnitz in den Reichstag wählen, wo er sich der deutsch - konservativen Partei anschloß. Nach dem Tode des Staatssekretärs v. Stephan wurde er am 1. Juli 1897 zum Staatssekretär des Reichspost- amtes ernannt. Die konservative Presse rühmt ihm nach,

daß er in dieser Tätigkeit manchen bureaukratischen Zopf ab- ge chnitten habe. Das kann zugegeben werden, jedoch ist fest- zustellen, daß PodbielSki in sozialpolitischer Beziehung inner- halb seines Ressorts eine durchaus fortschrittsfeindliche Politik innegehalten hat. Gerade während seiner Tätigkeit hatten sich die Beamten der Reichspost über die mangelhafte soziale Für- sorge der Postverwaltung und die Einengung selbst ihres Petitionsrechtes lebhaft zu beschweren. AIS Landwirtschaftsmini st er vertrat PodbielSki, der selbst als praktischer Landwirt und auch sonst ein t ü ch t i- ger Geschäftsmann war, eine extrem-agrarische Polifik. So verteidigte er in den Jahren der Fleischteuerung mit aller Leidenschaft das Recht der Landwirte auf möglichst hohen Profit. Daß PodbielSki während seiner Ministerschaft auch sonst mit den Großgrundbesitzern durch dick und dünn ging, beweisen jene Aussprüche, durch die er sich eine gewisse Unsterblichkeit er- worden hat, so die schollenkräftigen Worte:Ick werde mir doch durch denLausekanal nicht Vörden Bauch stoßen lassen" undNach der Heuernte verdufte ick". Besonderes Aufsehen erregte während des Hererokrieges daS Bekanntwerden der Tatsache, daß der preußische Land- wirtschaftsminister in geschäftlicher Verbindung mit der Firma TippelSktrch stand, die, wie erinnerlich, den damaligen Krieg zu höchst profitablen Lieferungsgeschäften aus- zunutzen verstand._ Berschleppunft des bayrischen Gemeindebeamtengesetzes. Der bayrische Landtag hat nach harten Kämpfen das Gemeindcbeamtcngesetz ohne den Ausnahme-Para- graphen gegen die Sozialdemokratie er- l e d i gt. Künstig sollte einem Gemeindebeamten aus seiner Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie kein Nachteil entstehen. Die Kammer der ReichSräte macht nun aber Schwierig- leiten, indem sie daS Gesetz in dieser Sossion nicht mehr durch- beraten will._ Empfindlichkeit. Die LandwirtschaftSkammer für die Provinz Hannover hat an den Reichskanzler ei» Telegramm gerichtet, in dem e» heißt: »Die hannoversche Landwirtschaft wird auch im wirtstbafilichen Kampfe, ungeachtet aller ungerechten Anfeindungen und Ler- dächttgungen, ihre vaterländische Pflicht für die Ernährung unsere» Voltes zu sorgen, wie bisher in vollstem Matze erfüllen. Die Bor- bedtngung für die Voltesernährung ist aber nicht die Billig- keil der Lebensmittel allein, sondern die Erhaltung und mög- lichste Steigerung ihrer Erzeugung, die zu stützen und zu fördern daher im allereigensten Interesse sowohl des Staates als deS Ver- brauchers liegt." Die Wünsche der landwirtschaftlichen Interessenten gehen wie bekannt nicht nach Verbilligung sondern Erhöhung der Lebensmittel- preise. Aber diese Bestrebungen kritisieren, heißt noch keines- wegsdie" Landwirtschaft verdächtigen.

Lette Nachrichten. Eine Tragödie im Tiergarten. Eine blutige Tragödie spielte sich gestern abend im Tiergarten an der Lennestraß« ab. Leute, die dort entlang gingen hörten in der zehnten Wendstunde gegenüber dem Hause Nr. 2 plötzlich sechs Schüsse unmittelbar hintevomander fallen. Sie eilten hinzu und fanden auf dem Kieswege«inen Mann und dicht dabei eine Frau regungslos daliegen. Der Mann war bereits tot. Die Frau gab noch schwache Lebenszeichen von sich. Unmittelbar neben ihrer Hand lag eine Brownmgpiswle, aus der die Schusse abgefeuert worden waren. Nach dieser Lage ist anzunehmen, daß die Frau den Mann durch mehrere Schüsse getötet und dann die Waffe gegen sich selbst gerichtet hat. Tie Leiche des ManneS wurde nach dem Schauhause, die noch lebende Frau von einem Schutzmann der Tiergarten- wache nach der Charit« gebracht. Als man aber dort mit ihr an- kam, war sie auch schon tot. Die Leiche blieb einstweilen im Krankenhaus. Nach Papieren, die man bei ihm fand, ist der er- schössen« Mann ein Kaufmann Sch. aus der Schlotzstraße zu Steglitz . Die tote Frau ist noch ganz unbekannt. Weiter auf- klären ließ sich das Drama gestern abend nicht mehr.

Die Kämpfe in Persteu. Teheran (über Petersburg ), 21. Januar. (W. T. B.)(Reuter- Meldung). Die Russen besetzten die Stadt Sultanabad. Die Feinde und der deutsche Konsul flüchteten nach Bouroudjir. Konstantinopel , 21. Januar. (W. T. Bh Wie die Agentur Milli von der persischen Grenze erfährt, hat die türkische Vorhut mit Unterstützung muselmanischer Krieger am 6. Januar Marhametabad besetzt. Der Feind, der Verluste an Toten und Verwundeten erlitten hatte, flüchtete nach Maragha. Er zieht sich auch aus Seldos(?) zurück. Die letzten türkischen Siege in Aserbeidschan machten auf die Stämme einen großon Eindruck. Zahlreiche Krieger schließen sich täglich den türkrschen Truppen an. Der erste Gefangenentransport wurde nach Mossul geleitet. Die vom Feinde im Stiche gelassene Munition wird unter den Stämmen verteilt._ Zum Untergang derPersia". Wien , 21. Januar. (W. T. B.) Die österreichisch-unga- fische Regierung hat den hiesigen Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika davon verständigt, daß kein öfter- reichisch-ungarisches Unterseeboot bei dem Untergang derPersia" in Betracht komme. Vom Untersecbootskricg. London , 21. Januar. (W. T. B.) Lloyds melden: Der bri- tische Dampfer»S o u t h e r l a n d" wurde am 17. Januar ver- senkt. Die Besatzung wurde am 20. Januar in Malta gelandet. Ein Satlaxe wurde getötet.

Wiedereröffnung der Duma? Petersburg » 21. Januar. (W. T. B.) Meldung der Reuter- schen Telegraphenagentur. Die Zeitungen wollen von zuständiger Seite erfahren haben, daß ein kaiserlicher Erlaß betreffend die Wiedereröffnung der Duma am 28. Januar erscheinen werde. Die Sitzungen würden Mitte Februar beginnen. Tuberkulose Kriegsgefangene in der Schweiz . Zürich , 21. Januar. (W. T. B.) DieNeue Züricher Zeitung " meldet aus Genf , daß am 25. März hundert tuberkulöse f r a n- zösische Kriegsgefangene aus Deutschland zur Kur in Lehsin eintreffen»Verden . Ebenso werden hundert deutsche Kriegsgefangene aus Frankreich am 24. Marz in Genf eintreffen, um in einem schweizerischen Sana- torium untergebracht zu werden.