Nr. 87.
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Vorwärts
11. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Agrarische Volksausbeutung.
Sonntag, den 15. April 1894.
"
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Zum Verständniß für die geplanten Gewinne wollen Praktisch käme es auf das nämliche hinaus, wenn man wir anführen, daß der Getreidepreis an der Berliner Börse eine Kopffteuer von 12 M. oder eine Familiensteuer von geftern für Weizen( beste Sorte) durchschnittlich 146 Mart 60 M. dem Volke auferlegte, ein Behntel der Summe der und für Roggen( beste Sorte) 123 Mart notirte. Das er Reichstafse vorbehalte und den Rest nach Maßgabe der Es ist, als ob die Niederlage der Agrarier bei dem giebt gegen die Kaniz- Preise Differenzen von 69 Mark und Grundrente unter die Grundbesitzer vertheilte. Wenn das deutsch - russischen Handelsvertrage ihnen den letzten Rest von 42 Mart. Ein ostelbischer landwirthschaftlicher Verein, Sozialismus" ist, dann ist es auch Sozialismus, wenn Besinnung genommen hätte, als ob ihre Besitgier in einer dessen der Reichskanzler in seiner Rede Erwähnung that, die Schnapsbrenner auf ihre Branntweinproduktion eine Art Wuthanfall zum Ausbruch gekommen wäre. Anders hat ferner den Selbstkostenpreis der oftelbischen Produ- Liebesgabe geschenkt erhalten, wenn die Hurrahpatrioten für läßt sich der Antrag nicht erklären, den die konservativen zenten für Weizen auf 160 Mark, für Roggen auf den ehemaligen Reichskanzler ein Rittergut zusammenschnorren, und antisemitischen Agrarier im trauten Verein 140 Mart festgesetzt, während Graf Kanit in seiner oder die Gesinnungsgenossen des Herrn Bachem Peterspfennige unter Vortritt des Grafen Kanig im Reichstag ein- Begründung des Antrages behauptete, die geplanten für den Bapst. gebracht haben. Der Graf Kanit gehört noch zu den Minimalpreise lassen den Produzenten höchstens 15 Mart verständigsten Landjunkern des Reichstags und überragt an Gewinnst für die Tonne. Es kann aber feinem Zweifel erstrebt, bezwecken sammt und sonders, der Gesammtheit des Die sozialistischen Maßregeln, die die Sozialdemokratie Einsicht weit Herrn v. Plötz und die übrigen Macher im unterliegen: würde der Antrag Kaniz Gesez, so würden Volkes Lasten abzunehmen, die es gegenwärtig zu gunsten Bund der Landwirthe. Wenn der sogar jetzt zum zweiten die Brotpreise gegen heute etwa um ein Drittel steigen einiger Bevorrechteter trägt, oder ihm Vortheile zuzuwenden, Male seit sieben Jahren einer Volksvertretung die ernst- müssen. Das gesammte deutsche Volk, das heute etwa die sich jetzt nur durch die Vermittelung des Staates erliche Erwägung eines solchen Plötz- sinnigen Antrages zu 12 Millionen Tonnen Getreide verbraucht, würde dafür zielen lassen. Eine Verschlimmerung der bestehenden Besitzzumuthen wagt, so kann man daraus entnehmen, welcher künftig jährlich etwa niedrig gerechnet 600 Millionen privilegien, wie sie der Antrag Ranih erstrebt, ist antiHandlungen diese Leute in ihrer Habgier fähig wären, so- Mark mehr ausgeben müssen. Etwa 60 Millionen Mark, sozialistisch, nicht sozialistisch. bald sie die Klinke der Gesetzgebung ganz nach Herzensluft der Gewinnst vom ausländischen importirten Getreide, Insofern allerdings, als die Agrarier sich durch den zur Füllung ihrer Taschen in Bewegung setzen könnten. würden davon in den Staatssädel fließen, 540 Millionen Antrag völlig demaskirt haben, sind sie uns in der AufMark, der Gewinnst vom inländischen Getreide, in die klärungsarbeit behilflich, wirken sie schließlich für den Taschen der Großgrundbesitzer. Sozialismus, aber doch nur als ein Theil von jener Kraft,
Alle Liebesgaben, die ihnen heute zufließen und alle, die sie schon genossen haben, sind nichts im Vergleich mit denen, die der Antrag Kanik für sie erstrebt. Ginge cs nach ihrem Wunsche, so erfolgt fünftig
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Die Gemeingefährlichkeit dieses volksausbeutenden An- die das Böse will und das Gute schafft. Sie erleichtern trages, seine gänzliche Undurchführbarkeit ist von den Rednern es uns, dem Volke klar zu machen, wie sich agrarische aller Barteien, mit Ausnahme der konservativen, so hin- Volksausbeutung von sozialdemokratischer Volksbefreiung länglich dargelegt worden, daß es hieße, einen Leichnam unterscheidet.
der Einkauf und Verkauf des zum Verbrauch im Zollgebiet bestimmten au 31 ändischen Getreides, mit Einschluß der Mühlenfabrikate ausschließlich für Rechnung des Reichs und die Verkaufspreise im Mindestbetrage werden wie folgt fest- todischlagen, wenn wir an dieser Stelle die tödtlichen Gegen
gefeßt:
a) für Weizen
b)
J
Roggen
•
Gerste
.
V
= Hafer
- Hülsenfrüchte
Lupinen Malz
Mais
•
auf 215 Mart pro Tonne,
165
= 155
.
= 155
G
•
= 185
.
3 80
•
$
= 175
•
= 155
Mehl und Mühlenfabrikate: entsprechend den für das Getreide festgesetzten Mindestpreisen, nach dem ge
fehlich fixirten Ausbeuteverhältniß.
beweise nochmals zur Anwendung bringen wollten. Wohl aber bedarf ein sonderbares Argument der freifinnigen,
nationalliberalen und ultramontanen Gegner des Antrages Politifthe Weberlicht.
der Beleuchtung.
Berlin , den 14. April Nachdem Herr Barth den Ton angegeben, klang er Aus dem Reichstage. Die Ankündigung des frühen fort durch die Reden der bürgerlichen Parteien. Sie Schluffes der Session zusammen mit dem Umstande, daß glaubten sammt und sonders in dem Antrag Ranik die Börsensteuer noch unter Dach und Fach gebracht werden Sozialismus zu wittern. Besonders war es wieder Herr soll, hat endlich wieder ein beschlußfähiges Haus zu stande Bachem, der aus den vorjährigen Sozialistendebatten be gebracht. Graf Kanit hat allerdings in bekannter agrakannte tüftelnde Kölnische Advokat, der die Kanigerei für rischer Bescheidenheit den verhältnißmäßig starken Besuch einen dem" Sozialismus der Linken" gleichwerthigen auf das Interesse an seinem Antrag zurückgeführt, aber Der Zweck dieses sonderbaren Vorschlages ist aus- Sozialismus der Rechten" erklärte. Herr v. Bennigsen das ist ebenso falsch, wie die heute mehrere Male im Hause gesprochenermaßen der, die Getreidepreise in ganz Deutsch - und Herr Eugen Richter echoten diesen Gedanken mit Be- vorgetragene Ansicht, der Antrag Kanitz werde der agraland derart in die Höhe zu schrauben, daß die großen Korn hagen fort im trauten Vereine, wie zur Zeit ihres Rede- rischen Partei im Lande starken Abbruch thun. produzenten dadurch einen ungeheuren Nutzen dauernd bündnisses in der Zukunftsstaats- Debatte. Sie haben wohl Wir theilen diese Annahme durchaus nicht. Die Kreise, gesichert erhalten. Deshalb ist von den Antragstellern vor- selten einen so vollkräftigen Beweis für ihre sozialpolitische welche die Politik der Liebesgaben, der Ausfuhrprämien gesehen, daß diese Minimalpreise auch ferner noch in die Höhe Farbenblindheit geliefert. und der hohen Schutzölle bisher hoch gehalten haben, geschraubt werden, falls einmal die Weltmarktpreise für Was in aller Welt ist denn sozialistisch an dem An- werden sich damit gewiß nicht abschrecken lassen, daß Getreide sich den Normalpreisen des Antrages so weit trage Kanig? diese Politik an einem besonderen Exempel einmal recht nähern, daß sich der durch den gegenwärtigen Zoll( von 35 M. Daß der Staat sich mit irgend etwas befaßt, ist doch kraß in die Erscheinung tritt. für die Tonne Weizen) gesicherte Nuzen für den Produzenten noch nicht sozialistisch an sich. Wenn die Herren Raniß und Genossen verlangen, daß nicht mehr ergiebt. Uebersteigt also einmal der Weizen- Der Antrag Kanik bezweckt, einer beschränkten Anzahl ihnen zu einer Zeit, wo auf dem Weltmarkte die Tonne preis auf dem Weltmarkt die Höhe von 180 M., so wird der von besitzenden, meistens sogar recht wohlhabenden Leuten Roggen zwischen 80-90 m. tostet, durch Gesetz ein MinimalVerkaufs- Minimalpreis für Deutschland einfach stets durch Bu- eine Subention auf Kosten der Steuerzahler zukommen zu preis von 165 M. garantirt wird, so ist das gewiß unver schlag der Summe von 35 M. festgesetzt; in entsprechender Weise zu lassen. Statt durch den Hungererekutor auf indirektem schämt. Aber diese Unverschämtheit unterscheidet sich doch wird dann auch für die übrigen Getreidearten der Minimal- Wege könnte das Geld dazu ebenso gut durch den gewöhn- nur quantitativ, nicht qualitativ von der der Schienenpreis festgesetzt. lichen Steuerexekutor direkt zusammengetrieben werden. Lieferanten, welche, wie letzthin offen im Abgeordnetenhause
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Wie ist mir denn?" rief Dagobert; unsers ehrlichen Namens, berühmt geworden durch den Hauskaplan Kaiser Karl's des Vierten, schämt sich der Dheim?"
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Stalle finden werdet, thut Ihr mir wohl die Liebe, als den angegebenen Weg verfolgend, die Treppe hinan, an der Geschenk für Eure Hilfe anzunehmen. Es ist ein polnisch offenen Küche vorbei, die einen Wohlgeruch ausströmte, Thier und gerade wild genug für einen derben Jungen, so wie er selbst im väterlichen Hause seine Nase nicht gefigelt wie Ihr." hatte. Auf dem Vorplate angelangt, der mit Heiligen Gnädigster Herzog.." stammelte Dagobert dankend, bildern geschmückt war, untersuchte Dagobert, welche von aber Friedrich unterbrach ihn schnell, indem er lächelnd den drei vorhandenen Thüren diejenige sei, die zu dem sagte: Dheim führen möchte. Die eine war verschlossen, die andere Rein Wort für die schlechte Gabe. Wär' ich Kaiser, nicht, aber schen zog diese der Jüngling wieder zu, weil er sollte sie besser sein. Hätte ich Euch nicht aufrichtig lieb, in ein Gemach gesehen, das augenfällig von einem Frauenund wollte Euch ablohnen, sollte sie auch beffer sein.bilde bewohnt war, wie es die zierliche Ordnung, der StickIch stehe aber gerne noch ein wenig in Gurer Schuld. rahmen am Fenster und mehrere auf Stühlen ausgebreitete Geht mit Gott, und kommt bald wieder. Ohne den ver- Frauengewänder andeuteten, obgleich die Besitzerin nicht Der Herzog zuckte die Achseln. Ich habe Euren wünschten Klopffechter seid Ihr stets willkommen." gegenwärtig war. Die dritte Thüre war noch übrig, ebenVaterbruder nie als einen Deutschen gekannt," sprach er, Mit der größten Freundlichkeit, aber ohne seinem Stande falls verschlossen wie die erste, aber ein daran angebrachter und immer nur den Italiener in ihm gesehen. Macht es etwas zu vergeben, beurlaubte der Herzog, steif in der Mitte Glockenzug schien das Mittel, sie zu erschließen, auzugeben. auch so. Man weiß ja ohnedies nicht mehr, was heutzu- des Gemaches stehend, und kaum merklich mit dem Haupte Dagobert bewegte die Schelle leise und bescheiden, und ver tage deutsch ist oder nicht. Wer findet hier unter dem nickend, seinen jungen Freund. Dagobert säumte nicht, nahm bald darauf Tritte, die sich näherten, und Geräusch bunten wällisch, englisch und böhmischen Geplauder das da es erst um die Mittagstunde war, die Wohnung seines des aufgezogenen Riegels. Die Thüre sprang auf, aber Vaterland heraus? Jede Nation, nur die unsere nicht, Dheims aufzusuchen. Das Paradiesgäßlein war bald ge- statt eines grämlichen Dieners mit einem Klostergesichte, spielt hier den Herrn, vorab die französische. Ein schnackisches funden, und das Haus zum Pfauen, das ansehnlichste der wie es Dagobert erwartet, schaute ein rundes MädchenVölklein das; singt höher denn genotirt, liest anders, Gaffe, eben so schnell entdeckt. Die Thüre stand offen, antlig daraus hervor, wie er es nicht erwartet hatte. Das denn geschrieben, spricht anders, als ihm ums Herz ist, und innerhalb derselben lehnte im Schein der Mittagssonne Antlig trug freundliches Gepräge, bis auf einen finsteren und steckt uns durch seinen gelehrten Kanzler Gerson ge- ein ziemlich nachlässig gekleideter Diener und speiste Nüsse. Bug zwischen den Augenbrauen, der zu sagen schien: Was wißlich in den Sad.-D!" fette er mit bitterem Spotte Dagobert erfuhr von dem Müssigen auf Befragen, daß willst Du denn zu dieser Stunde, Störefried? Dieser hinzu:„ dies Konzilium ist des Luxemburger Meister Monsignor foeben vom Messelesen gekommen sei und sein Zug verschwand indessen, als ein flüchtiger Blick die Dirne ftücklein!" Stündchen der Bequemlichkeit feiere, in welchem er sich nicht belehrt hatte, daß es ein schlanker wohlgebauter Mann sei, gerne von Fremden gestört sehe. der sich hier, wiewohl nicht in der fließendsten Rede, nach dem Prälaten befrage.
Heftig schritt der Herzog einige Schritte vor sich hin, blieb dann stehen und wandte sich mit einem Male rasch und kurz zu Dagobert:
" Ihr wißt nun, wo Euer Dheim zu finden, junger Mann," sagte er, wie man einem Besuche gern ein Ende machen will; es wird ihn freuen, Euch bald zu sehen, wie es mir angenehm sein wird, Euch nicht aus den Augen zu verlieren. Das Pferd, das Ihr bei Eurer Heimkunft im
" Ich bin kein Fremder," erwiderte Dagobert furz; ich bin des Prälaten Neffe, und hoffe allerdings auf unvers züglichen Empfang."
Der Diener, ein Italiener und mit barbarischem Deutsch behaftet, wurde nun zwar ehrerbietiger denn zuvor, wies aber den Besucher stumm und trocken über den Hof. Dagobert kehrte dem trägen Nußfresser den Rücken, und flog,
Dagobert bemerkte indessen die Veränderung in dem Gesichte des Mägdeleira, und fuhr muthiger fort:" Fast muß ich befürchten, dura den hämischen Unverstand des Pförtners an die unrechte Thür gerathen zu sein, denn ich suche die Zelle eines Himmelsgeweihten, und finde mich nun am Himmel selbst."