2. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Volksblatt. Ztr. 87. Sonntag, den 13. April 1894. 11. Zahrg. Verlmmnlungeu. Für die Genosse» des 1. Berliner Reichstags-Wahl- kreises tagte am 12. April eine gutbesuchte Versammlung in Scheffer's Salon in der Jnselstraße. Da aus den Kreisen der Genossen heraus der spezielle Wunsch laut geworden, über Sozial- demokratie und Staalsreligion eingehend zu diskuliren, stand heute dieses Thema zur Tagesordnung und war das Referat Hieruber dem Genossen Wagner übertragen. In seinen Aus- führungen wies der Redner zunächst auf die verschiedenen Ans- fassungen über den Begriff Religion hin, zeigte den Widerspruch, in dem sich der letzte Zedlitz'sche Ministerialerlaß mit dem Land- recht befindet. Redner kritisirte, daß zur Erlangung von Staats- ämtern und sonstigen Beamtenstellen die Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zur Bedingung gemacht wird, und erklärte solches Verfahren für Gewissenszwang gegenüber denjenigen, die den Standpunkt Religion überwunden haben. Ebenso verurtheilte er, auf grund§ 6 unseres Parteiprogramms jeden Einzelnen zum Austritt aus der Landeskirche zwingen zu wollen.(Rufe: „Aber die Abgeordneten.") Redner resümirte sich dahin, daß die Religion heute nicht mehr mächtig genug sei. die wirthschaftlichen Mißverhältnisse auszugleichen; sind wir erst so weit, eine neue Gesellschaftsordnung an Stelle der jetzigen zu setzen, dann sei auch das Wissen dem Glauben gc- wichen und Religion ein überwundener Standpunkt.(Lebhaster Beifall.) In der sehr ausgedehnten Diskussion machten sich zwei Strömungen bemerkbar. Die eine, die in den Ausführungen Kaßler's, Köhler's, Domscheidt's gipfelten, gab zu, daß es Lebenslagen gäbe, in denen man nicht verlangen könne, daß der Betreffende seinen Austritt aus der Landeskirche erkläre, doch solle man von den Abgeordneten verlangen, sobald diese mit dem Prinzip gebrochen, daß sie aus der Landeskirche aus treten(Rufe: Auer, Fischer, Singer). und nicht durch Kirchew steucr zur Unterstützung derselben beitragen. Geschickte Land- agitation könne sich doch aus dem Gebiet der Religion bewegen das deweisen die Erfolge Th. v. Wächter's, der auf viel radikalerem Standpunkt stehe, wie der„Vorwärts" und die Richtung Täterow. Täterow, Pölitz und Wagner vertraten die Ansicht, daß man taktisch richtiger verfahre, bei Landagitationen die Religion nicht zu berühren. Die Kirche resp. Religion habe für uns gar nicht die Bedeutung, um sie im Kampf in den Vordergrund zu stellen. Während der Debatte waren zwei ziemlich gleichlautende Resolutionen ein- gegangen. Mit Stimmenmehrheit angenommen wurde folgende Resolution:„Die Versammlung erklärt, dahin wirken zu wollen, daß auf dem nächste» Parteitag der Passus: Erklärung der Religion zur Privatsache, eine präzisere Form erhält, eventuell den Zusatz: Die sozialdemokratische Partei bekämpft auf das ent- schiedenste die Vertreter der verschiedenen Religionsgemeinschaften, wo ihre Lehren sich den Emanzipationskämpsen der Proletariats entgegenstellen." Der sozialdemokratische Wahlverein für den dritten Berliner Reichstags-Wahlkreis hielt am 12. April bei Deigmüller, Alte Jakobstr. 48u, seine viertel- jährliche Generalversammlung ab. Nach Erstattung des Vor- standsberichtes durch K r ä k e r verlas Gottfried Schulz zunächst die in der letzten Generalversammlung wegen einer Reise des früheren Kassirers Gründe! zurückgestellte Ab- rechnung vom 4, Quartal 18V3. Mit dem Kassenbestand von früher betrugen die Einnahmen 683,76 M., die Ausgaben 652,74 M. und verblieb somit ein Ueberschuß von 436,62 M. G e o r g i bestätigte die Ilichtigkeit der Angaben. Die Ab- rechnung des 1. Quartals 1894 weist aus: eine Einnahme von 393,82 M, eine Ausgabe von 152,26 M. und am 1. April 1894 einen Baarbestaud von 241,62 M. Hieraus hörte die Versa»»»- lung einen Vortrag des Reichstags-Abgeordneten V o g t h e r r über:„die Bedingungen geistiger Freiheit". Der Redner schickte voraus, daß dieses Thema nicht speziell politischer Art, seine Beurtheilung aber kaum anders als vom Standpunkt des wirthschaftlichen Lebens möglich sei und führte dann ungefähr das Folgende aus: Das Wort„Freiheit" werde von allen Menschen oft und gern in den Mund genommen, sowohl von denen, die sie lieben, als auch von denen, die sie verfolge». Ein großer Unterschied bestehe zwischen der Freiheit, wie sie uns in der Schnle gelehrt wird und wie wir sie im wirklichen Leben kennen lernen. Das Bedürfniß nach Freiheit war schon bei den Völkern der grauen Vorzeit vorhan- den und zeigte sich häufig in Empörungen der wirthschaftlich Schwachen gegen ihre Unterdrücker. Die Freiheitsseinde, die Be- Slttrttkctgvplctttderei. Nicht jeder ist so erfinderisch auf Vergnügungs- Programme bedacht, nicht jeder neigt auch zu solchen Amii- semeuts, wie sie der peitschenbewehrte Leist-Pascha auf Kamerun in Hülle durchgekostet hat. Was scheerte ihn die geistige Oede in weltferner Tropengegeud? Wurden seine Sinne schwer und trübe im ewigen Einerlei des Dienstes, war sein edles Gemüth von Melancholie belastet, da war es natürlich, daß er nach Aufheiterung dürstete. Er hatte es freilich nicht so gut wie weiland König Saul, den durfte, wenn ihn die Schwermuth plagte, des jungen David heiteres Saitenspiel ergötzen. Aber die Kameruner Jünglinge verstehen es nicht, der Leier zarte Saiten zu spannen. Darum mußten sich die Gefängnißthüren öffnen, wenn Leist-Pascha in finsteres Brüten verfallen war; und aus den Gefängnissen strömten die Weiber heraus und führten freundliche Rcihenlänze vor dem allmächtigen Herrn aus; und es kam die schwarze Perle von Kamerun , Ngombe, die schöne Tochter Ekwe Bells, und sie glättete die Falten auf der Stirn des Gouverneurs. Dafür bekam denn auch die herrliche Ngombe ein sürstliches Geschenk, ein blankes Fünsmarkstück, ehe sie wieder ins Gefängniß zurückgesandt wurde. Was das junge Weib wohl verbrochen haben mag, daß es ins Ge- fängniß gesperrt wurde? Darüber schweigen leider die Tagebuchblätter jenes Beamten, die sonst so viel Jnter- essantes aus Kamerun zu berichten wußten. Dieser ungenannte Beamte chatte es allerdings nicht so gut, wie sein oberster Chef. Er klagt am 5. April 1893: „Fast einen ganzen Monat habe ich wieder keine Ein- tragung gemacht vor Uebermaß an eintöniger Arbeit." In Europa habe man wenigstens Konzert und Erholungsstätten. „Hier in Kamerun ist eineni alles versagt. Immer der- selbe Stumpfsinn, dieselben langweiligen Gesichter. Dieselbe geisttödteude Eintönigkeit, die einzige Ab- wechslung bieten die Dienstreisen."— Wie schafft sich nun der weise Eroberer im schwarzen Erdtheil seine Erholung. Einige Atonale später erhalten die Tagebuch- blättcr ein anderes Gesicht. Am 2. November 1893 heißt es darin:„Wieder lange nichts eingetragen. Die Schuld sitzenden, wissen sehr wohl, daß eine Freiheit der Menschheit im allgemeinen möglich ist, da sie aber ihnen selbst gefährlich werden könnte, so versuchen sie dieselbe in bestimmte Formen zu zwänge». In allen kirchlichen Auslassungen, in den Hirtenbriefen der Bischöfe und Päpste u. s. w. begegnen wir der wunderlichen Auffassung, daß die eigentliche Freiheit nicht anders errungen werden kann, als auf dem Boden des Kirchen- glaubens. Diese Auffassung widerspricht jedoch total der modernen Weltanschauung und wird in jeder Beziehung durch das praktische Leben Lügen gestraft. Ganz genau wie die Kirche, so nrtheile auch der Staat und die herrschende Klasse von ihrem Standpunkte aus; alles, was die gestellten Grenzen überschreitet, ist nach ihrer Meinung eine Vergewaltigung der übrigen Mensch- heit. Diese Auffassung steht und fällt mit der heutigen Gesell- schastsform. Daß die politische Freiheit den Besitzlosen vor- enthalten oder, so weit sie besteht, möglichst verkümmert wird, findet die Bourgeoisie aller Parteischattirungen in der Ordnung; anderer Meinung sind sie betreffs der wirthschaftlichen. Haupt- bedingung der Freiheit ist, daß sie jedem Menschen zu Theil wird und dem Wohlleben der Gesammtheit dient, daher ist eine Beschränkung des wirthschaftlich Starken zu gunsten des Schwachen nothwendig und das Wohl der Arbeiterklasse davon abhängig. Geistige Freiheit ist ein höherer Zustand der Freiheit über- Haupt. Zur Erlangung derselben ist nöthig, daß der Mensch zunächst seine allerelementarfte Lebenssorderung befriedigen kann; so lange die heutige Gesellschaft noch besteht, kann davon nicht die Rede sein. Zur Schulfrage übergehend. bewies Redner, daß die Stellungnahme zu derselben vom gleichen Standpunkte aus- zugchen habe, wie bei ollen übrigen Fragen. Die heutige Gesellschaft vertheile die Güter des Geistes je nach dem Be- sitz und dem persönlichen Ansehen: die großen Kreise der ar- beitenden Bevölkerung müssen ihr Almosen von Wissen, das man ihren in der Volksschule zuwandte, erst in reiferen Jahren ergänzen resp. erweitern, denn sie wissen ganz genau, daß„Wissen" die Grundlage geistiger Freiheit ist. Jetzt besitzen wir nur Zerr- bilder von persönlicher, von Preß-, Versammlungs- und Rede- freiheit. Das Wissen ist eine doppelte Waffe im Kampf zur Er- ringung politischer Freiheit, deshalb müsse sich auch jeder vom kirchlichen Aberglauben zu emanzipiren suchen und alsdann kon- scgnenter Weise aus der Landeskirche austreten. Gerade jetzt suche man mit allen Mitteln den Aberglauben in die Volks- maffen wieder hineinzubugsiren, da man weiß, daß sich ein dummes Volk viel leichter als ein aufgeklärtes regieren lasse. Politische, wirthschastliche und geistige Freiheit für alle Menschen ist erst dann erreicht, wenn die Sozialdemokratie zum Siege ge- langt ist.(Lebhafter Beifall.) Die Diskussion drehte sich Haupt- sächlich um die Zweckmäßigkeitssrage des Austritts aus der Landeskirche und das bekannte Reskript des Kullusministers und betheiligten sich an ihr Apelt, Karge, Borchardt, Schweitzer, Börner, Dr. Bernstein, Jahn, Kahlen und der Referent. In bezug auf die seinerzeit von Frau P ötting einberufene Volksversammlung, wozu die noch nicht aus der Landeskirche ausgeschiedenen Ab- givrdneten speziell eingeladen waren. gab V o g t h e r r die Erklärung ab, daß er an keiner dieser Versammlungen Theil genommen habe aus dem Grunde, weil dies eine Frage sei, die nicht in Versammlungen verhandelt werden könne, welche eine beliebige Person einberufe. sondern vor das Forum der Partei- Versammlungen der einzelnen Kreise gehöre. Er gehöre selbst- verständlich keiner Konfession au, mißbillige es, die Austritts- forderuug generell von Partei wegen zu stellen; es sei aber der Kirchsnaustritt aller Derer wüuschenswerth, die nicht mehr aus dem Standpunkt der Kirche stehen!— Hierauf schritt die Ver- saunnlung zu Vereins angelegenheilen. Mehrere Anträge unter- geordneter Bedeutung wurden abgelehnt, dagegen beschlossen, alle Versammlungen künftighin durch zwei Inserate bekannt zu geben und präzise 8'/- Uhr zu eröffnen. In der nächsten Ver- sammlung sollen kommunale Angelegenheiten erörtert werden. Antisemiten und Sozialdeuiokrateu. Eine recht inter - essante Volksversammlung war es, die am vergangenen Montag in T e m p e l h o f im Kreideweiß'schen Saale stattfand. Dieselbe war einberufen vom deutsch - sozialen antisemitischen Verein für Lankwitz , Mariendorf und Umgegend. Als Referent war der Rektor aller Deutschen Ahl warbt erschienen. Trotz des bei den Antisemiten üblichen hohen Eintrittsgeldes(26 Pf.), hatte sich eine stattliche Anzahl unserer Parteigenossen eingefunden, aber nicht etwa deshalb, wie Ahlwardt in der Einleitung seines daran tragen die vielen Besuche und Gegenbesuche. Ich gerathe in lebhaften Verkehr mit verschiedenen Offizieren. Den Schluß jeder Zusanimenkunft bildet regelmäßig eine tüchtige Kneiperei! Fidele Tage! Gespielt, gezecht!" Hier also macht sich schon der erzieherische Einfluß frischer militärischer Schneidigkeit geltend. Man zecht tüchtig zusammen und spielt. Nun wird man gerne Jedem seinen Labelrunk gönnen, und nichts dawider haben, daß der brave Mann, Philister oder NichtPhilister,„wenn des Abends sinkt die Sonne in sich geht und denkt, wo man einen Guten schenkt". Aber es ist doch etwas anderes um einen bescheidenen Labetrunk bei munteren Gesprächen, und um ein üppiges Kneipgelage bei aufregenden Kartenspielen. Es ist auch etwas anderes selbst um ein ausgiebiges Schoppenstechen in unserem Klima und in den Tropen. Was hier noch eine leichte katzenjämmerliche Stimmung er- zeugen kann, wird in den Tropen zum entmannenden, entnervenden Gift. Eine Erklärung für den unmäßig emporivucherden Tropenkoller ist hierin gleichfalls gegeben und Erscheinungen, wie sie im Greuelmenschen Assessor Wehlau verkörpert sind, der drei Gefangene nach den Aufzeichnungen in den Tagebuchblättern zerhacken, mit Messern zerschneiden und verstümmeln ließ, indem er die Unglücklichen der Wollust seiner Soldaten preisgab, werden so erst verständlich; immer vorausgesetzt, daß Weh- lau's Unmenschlichkeiten sich als wahr und wirklich geschehen erweisen. In dem Kampf uni's Heine-Denkmal, gegen das die Dunkelmänner jeglichen Grades in Deutschland eifern, hat Herr v. Wildenbruch ein Wort geäußert, das rasch zum Schlag- wort gemünzt wurde. Der Dichter der in lautesten Tamtam- schlagen die märkisch-preußische Dynastie zu verherrlichen liebt, hat sich Geschmack genug bewahrt, um nicht in den niedrigsten Hofpoeten- und Lakaiendienst zu verfallen. Er sprach also von dem geistigen Pauperismus, von der geistigen Verarmung in Deutschland , die sich gegen ein Genie, wie das Heinrich Heine's empöre. Sollte nicht dieser geistige Pauperismus in den Vorgängen auf Kamerun eben- falls wahrzunehmen sein? Es giebt doch so mannigfache geistige Interessen, persönliche Liebhabereien. Warum hört man von ihnen so wenig aus Kamerun , wenn man vom Vortrages ausführte, um sich einen solchen Ausbund von Schlechtigkeiten, als der er immer verschrien werde, anzusehen. sondern hauptsächlich, da wir hier bis jetzt noch keinen einzigen Saal zu unseren Versammlungen haben, den Reichstags- Abgeordneten unseres Kreises, Fritz Zubeil , sprechen zu hören, der sein Erscheinen zu dieser Versammlung zugesagt hatte. Der Vortrag des Rektors selbst war ungeheuer langweilig; in eintöniger Weise leierte er sein Sprüchlein herunter, als ob er dasselbe gründlich auswendig gelernt und unzählige Male schon wiederholt hätte. Etwas Leben kam erst hinein, als ihn unsere Genossen durch einige Oho's und energischen Wiederspruch etwas ernninterten. Nach seiner Meinung haben die Juden die arbeitenden Volksschichten dahin gelockt, wo sie eine Besserung ihrer Verhältnisse nicht erreichen wer» den.(Widerspruch.) Der sozialdemokratische Zukunftsstaat ist ein großes Gefängniß(Widerspruch). jeder muß die Arbeit verrichten, die der Staat ihm auserlegt. Schließlich will überhaupt keiner mehr arbeiten.(Gelächter.) Der Zukuufts- staat würde schlechtere Zustände schaffen als jetzt.(Widerspruch.) Die Sozialdemokraten sind die Beschützer des Judenthums.(Ge- lächter.) In fast flehender Weise bittet er die Anwesenden, sie möchten sich das Gehörte überlegen und Mann für Mann der antisemitischen Reformpartei beitreten, damit dann bei Gelegen- heit«in Reichstag geschaffen werde, welcher die Axt an die Wurzel» legt und Gesetze schafft, daß die Juden aus dem Deutschen Reichs heraus müssen. In ver hierauf folgenden Diskussion sprach zuerst noch ein gewisser Herr Perleberg . Er wäre auch früher Sozialdemokrat ge- wesen und auch Mitbegründer der Genossenschaftsdruckerei, welche Haffelmann, Most und Hasenclever ins Leben riefen. Damals mußte er jede Woche 5 M. abladen für diese Ausbeuter.(Großer Lärm.) Wohin diese Art Leute steuern, das zeige so recht beut- lich der Tod Hasenclevers.(Stürmisches Pfui! Rufe: Ge- meinheit*) Eine wahre Freude war es, die verdutzten Gesichter der zahlreich anwesenden Grundbesitzer und Millionenbauern zu sehen. als sie jetzt den Namen Fritz Zubeil hörten, der nunmehr nach dieser kleinen Blüthenlese von Blödsinn und Schlechtigkeiten zu Worte kam, um in geschickter Weise das antisemitische Lügengewebe zu zerreißen. Er sagte ungefähr Folgendes:„Ist das Ihre vielgerühmle ckiristliche Nächstenliebe, daß Sie Männer, die längst unter der Erde ruhen, in öffentlicher Volksversammlung besudeln? Was die Genoffenschaftsbruckerei anbetrifft, so müßte der Herr Perleberg als Mitbegründer doch wissen, daß dieselbe recht gut bestanden hätte, wäre das Ausnahmegesetz nicht ge- kommen, das neben vielen anderen Existenzen auch die Genossen- schaftsdruckerei mit einem einzigen Federstrich vernichtete.(Sehr richtig.) Auch die Ausführungen des Herrn Ahlwardt beknmpst Redner energisch. Das Kapital beutet alle ohne Unterschied aus. Das werden Sie nicht ändern, auch wenn Sie alle Inden ans Deutschland jagen. Der Staat als Arbeitgeber bezahlt seine Arbeiter in vielen Fällen noch schlechter als die Privatunternehmer. Den Arbeitern ist es auch ganz gleichgiltig, ob sie von christlichen oder jüdischen Unternehmern ausgebeutet werden. Daß blos die Inden so bequem reich werden, das glauben sie in Tempelhos selbst nicht.(Oho!) Nein, denn gerade sie m Tempelhof haben es doch auch verstanden, durch Ihren Grund und Boden Millionenbauern zu werden!(Lärm! Leb- haster Beifall! Rufe: Sehr gut!) Sie glauben, sie schädigen die Sozialdemokraten durch ihre Agitation, nur zu. sie arbeiten uns gut vor. Stöcker's großes Heer ist heule längst verschwunden, und was dem nicht gelang, wird auch einem Ahlwardt nicht gelingen. Nach einer kurzen Erwiderung von Ahlwardt lief ein Schlilßantrag ein, es wurde darüber abgestimmt, und obgleich gegen den Schluß die Majorität war, schloß der Vorsitzende schleunigst die Versammlung. Wahrscheinlich war den Herren schwül zu Muthe geworden, da noch mehrere sozialdemokratische Redner auf der Liste standen. Vor und während der Versammlung wurde von den Genossen nicht ein Glas Bier getrunken, da das Kreideweiß'sche Lokal zu unser» Versammlungen nicht zu haben ist. ') Diese Angaben sind natürlich von A bis Z erlogen. In der Druckerei selbst waren überhaupt nur wenige Mitglieder der Genossenschaft thätig, und wissen sich die älteren Mitglieder eines Herrn Perleberg nicht zu erinnern. Die Antheilscheine lauteten auf 30 M., die laut Statut ganz oder in Monatsraten von 25 Pf. eingezahlt wurden. Herr Perleberg ist schwerlich Mit- glied der Genossenschaft, sonst könnte er solch' horrenden Unsinn nicht daher schwätzen. Jagdvergnügen absieht? Mit hohlen Visiten und Gegen- visiten mit Zechgelagen und immerwährendem„Jeu " wird die geistige Oede auf Kamerun überwunden. Keine Spur von künstlerischem Bildungstrieb, keine Sehnsucht, durch literarische oder sachwisfenschaftliche Werke seine Empfindung, seinen geistigen Besitz zu erweitern und zu vertiefen. Ist ses denn ein Wunder, daß der Manu, der als herrischer Eroberer niit einem Gefühl unbegrenzter Hochachtung vor sich selber ins Tropenland kommt, von einer tollen Aufregung in die andere flüchtet, um der Ein- tönigkeit des Lebens zu entgehen? Er betäubt sich im Alkohol, er betäubt sich im Glückspiel und in nächtlichen Liebesorgien ü k Lcistpascha. In dem Durst nach fort- währenden Betäubungen geht vollends jede Selbstbeherrschung verloren. Recht und'Unrecht verschwimmen wirr in einander und die äußerste Grausamkeit selber wirkt wie ein neuer Betäubungsreiz. So entstehen die Helden vom Schlage eines Wehlau, die den Rücken eines armen Teufels mit der Nil - pferdpeitsche derart bearbeiten lassen, daß er aussieht, wie ein rohes, gehacktes Beefsteak, und die mit gleichmüthigem Behagen solcher Folter zuzusehen im stände sind. Neben so ernsten Erscheinungen, wie denen auf Kamerun , haben die jüngsten Tage manche komischen Vorkommnisse gezeitigt, und Leute führen das große Wort, die auf dq» geistigen Pauperismus hin krebsen gehen. So der höchst merkwürdige„Sozialist" Graf Kanitz mit seiner Monopo- lisiruug des Handels mit ausländischem Getreide. Ein seltsamer Sozialismus, der einer engsten Klasse von Hunderten von Großgrundbesitzern einen durch Monopole gesicherten und gesteigerten Renteugewinn garantiren möchte ohne Kummer um die Nachtheile. die Hundert- lausenden daraus erwachsen würden. Und wie überlegen kam sich der erlauchte Antragsteller im Parlament der Vereinigung der Gegner gegenüber in seiner Weisheit vor. Wie ein Dozent, der seine Schüler abkanzelt, stand Graf Kanitz da, als er sein gewichtiges Wort ins Parlament schleuderte:„Keiner von Ihnen hat die Trag- weite meines Antrages richtig erfaßt!" Völlig verwundert und überrascht war er darum, als lebhafteste Heiterkeit seine Großsprecherei unterbrach. Nach einem frauzösischen Sprichivort soll das Gelächter tödtcn können. Ein richtiger Ag.aricr läßt
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten