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Nr. 88.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt., wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage ,, Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement:

Vorwärts

3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz- S band: Deutschland   u. Desterreich: Ungarn   2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste thfür 1894 unter Nr. 6919

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11. Jahrg.

In sertions: Gebühr betr ägt für die nfgespaltene Petitzetle oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Berfammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inferate für die nächste Nummer müffen bis 4 Uhr Nachniittags in der Expedition abgegeben werden. Die Erpedition ist an Wochen= tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt 1, Nr. 1508. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner  

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Ittopisten

und Idealisten.

Dienstag, den 17. April 1894.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

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auch

Warzawska", eine Studie über den nächsten Krieg ver- viel Ereffer" auf die Kanone und vier öffentlicht. Auf grund alles vorliegenden Materials über Mal so viel Menschen als Treff objette- wit die mörderische Wirkung der Waffen in früheren Kriegen, wollten nicht sagen als Kanonen- und Flintenfutter, da unter genauester ins Einzelnfte gehender Berechnung kann Jeder, der das Einmaleins kann, sich ungefähr denken, Es giebt allerlei Utopisten und Idealisten. Vor einiger der Verlustziffern von früheren Schlachten, der Zahl der was der Zukunftstrieg sein wird. Beit fonnten wir z. B. den Nachweis liefern, daß der neue Soldaten, Flinten, Kanonen, Wunden und verschossenen Und das ist kein Aprilscherz. Reichskanzler, der sich einbildet, die Bismarck  'sche Inter   Patronen, wird in diesem Aufsatz die Wahrscheinlichkeits- Oder doch? effen- Politik für die" Großen" mit reinlichen Mitteln durch Ziffer der Verluste in dem großen Zukunftstrieg festgestellt, Vor sechs Wochen kündigten die deutschen   Sozial­zuführen, ein arger Jdealist und Utopist sei. Und wenn auf den sich die zivilisirte Menschheit des Gegenwartsstaats, demokraten im Reichstag einen Antrag an, der die Ab­seitdem der Herr Reichskanzler in seinen Streitereien mit oder richtiger der Gegenwartsstaaten, seit 24 Jahren, das schaffung des stehenden Heeres, d. h. zunächst dessen Ersatz den preußischen Junkern bei jeder Gelegenheit hat durch- heißt aufs Haar seit dem Tag nach der letzten Mezelei im durch ein wirkliches Volksheer und damit die Abschaffung blicken lassen, daß er an die Möglichkeit glaubt, reinliche Großen denn kein Tag durfte verloren werden mit der Kriege zwischen gebildeten Völkern bezweckt. Politik im Interesse der Gesammtheit zu treiben und sich Aufgebot aller Kräfte und Kulturhilfsmittel vorbereitet. Einen ähnlichen Antrag haben die Sozialisten in der die Freundschaft der Junker erwerben zu können, so zeigt Man kann nicht gewissenhafter und nicht gründlicher französisch en Kammer bereits eingebracht. Und in der dies, daß der Herr Reichskanzler nicht blos ein arger Idealist zu Werk gehen als der Verfasser des Essaysein Herr italienischen Kammer ist einer angekündigt und Utopist ist, sondern auch ein Naiver, wie er im Bloch, es gethan hat. Aus seinen Ziffern geht hervor, von sozialistischer Seite. Buch steht und körperlich nur auf der Bühne zu finden ist. daß mit der Vervollkommnung der Waffen was bei- Herr v. Caprivi, der für den Weltfrieden schwärmt Bor vierzehn Tagen erschien in einem Pariser Blatte, läufig in die Augen springt, von den Lobrednern des und für den Militarismus gleich jenem Bäuerlein für dem Matin", ein langer Bericht über ein Interview mit Massenmords jedoch hartnäckig geleugnet wird nicht blos die Republik   und den Großherzog und der mit der dem deutschen   Reichskanzler. Der deutsche Reichskanzler die Zahl der Treffer", sondern auch das Vereinen Hand die Junker und mit der anderen das gesammte zeigte sich darin als ein Jdealist und Utopist im großen hältniß der Todten zu den Verwundeten Staatswesen beglücken will- Herr v. Caprivi ist unzweifel­Stil. Er entwickelte, wie der neue Kurs", in den die fortwährend gewachsen ist und wäch st. haft ein Idealist und Utopist. Reichsregierung eingelenkt habe, die allmälige Vereinigung Vor 1859 kam ein Treffer auf 143 Flinten Und die Sozialdemokraten, die den Weltfrieden er­aller Länder durch Handelsverträge, und schließlich einen schüsse; 1864 auf 66; 1866 auf 50( bei den Preußen) streben sind sie nicht auch Idealisten und Utopisten? allgemeinen Friedenszustand erstrebe, der die Armeen über- und 66( bei den Desterreichern); 1870/71 auf 49. War ihr angekündigter Antrag auf Abschaffung der flüssig mache. Bloch kommt zu dem Schluß, daß durch das rauchstehenden Heere nicht auch ein Aprilscherz nur ein ver­Die Leser schüttelten den Kopf viele Beitungen ver- schwache Pulver und die größere Rasanz und Präzision der frühter? breiteten die erstaunliche Mär in tiefsinnigen Leitartikeln Gewehre im Zukunftskrieg die Zahl der Treffer" ungefähr Nun, die Sozialdemokraten haben so dächten wir- eine neue neue Aera" dämmerte schon auf, als das Doppelte der Zahl von 1870/71 sein werde. seit einem vollen Menschenalter zur Genüge bewiesen, daß neue es plöglich einem Pfiffikus einfiel, daß gerade 1. April Und das Gewehrfeuer hat in allen modernen sie können und Wollen in Harmonie zu bringen ver­gewesen war. Und richtig, das wunderbare Interview vom Schlachten die meisten Opfer geliefert. stehen. Was sie unternommen haben, das haben sie bisher Caprivi  'schen Zukunftsstaat war am Allerwelts- Narrentag erschienen.

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Sogar die Norddeutsche Allgemeine Zeitung", jetzt des neuen, wie früher des alten Reichskanzlers Mädchen für Alles, war hereingefallen", und hatte sich zu einem schüchtern- verlegenen Dementi bewogen gefunden. War es am Ende doch wahr? Heutzutage ist ja alles möglich. Offenbar war ihr nicht geheuer zu Muthe.

Ein luftiger Aprilscherz!

Luftig? Nein! Daß das Natürliche und Vernünftige, welches selbstverständlich sein sollte, heutzutage nur ein Aprilscherz ist, nur ein Aprilscherz sein kann, das würden wir sehr, sehr traurig finden, wenn wir sentimentalen Gefühlen der Trauer zugänglich wären jedenfalls aber ist es die bitterfte, beißendste Satire auf die herrschende Ordnung der Dinge, den vielgepriesenen Gegenwartsstaat.

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Auch die Kanonen sind stets mörderischer geworden. stets gethan, und jeden Widerstand aus dem Wege geräumt. In den Schlachten des italienischen Kriegs von 1859 ver- Als unsere Vertreter sich zur Ankündigung jenes An­schossen bei Montebello 56 Kanonen je neun Projektile, trags entschlossen, waren sie sich der Hindernisse und bei Solferino 368 je 29. Im Jahre 1870 warfen bei Schwierigkeiten wohl bewußt; allein sie hatten vorher auch Gravelotte 654 Kanonen durchschnittlich 53 und bei Sedan   die eigenen Kräfte und die ihrer Gegner wohl abgeschäßt. 582 sogar 57 Projektile. Wir sehen rings um uns die Verwüstungen des Mili­Die neuen Kanonen schießen aber, nach Annahme der tarismus und wie die Erkenntniß der Völker auf­Artillerie- Offiziere, fünf Mal so gut( so weit und so dämmert. Wir sehen wie Italien   teuchend am Boden liegt. scharf) als 1870, und zwei bis drei Mal so oft. Wir sehen das französische   Volt sich gegen den Moloch Die Zahl der Treffer" wird somit, nach Adam Riese   und erheben. Und wir wissen, daß am 15. Juni des vorigen nach Herrn Bloch, 12 bis 15 Mal so groß sein Jahres eine Millionen- Mehrheit der deutschen  als 1870. Wählerschaft ihr Votum gegen den Militarismus ab. geben hat.

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Und das ohne die neueste französische   Kanone! Die blanke Waffe, die schon in den letzten Kriegen eine Nein wir sind keine wolkenwandelnden Jdealisten, ganz geringfügige Rolle spielte, wird in dem Zukunftskrieg obgleich wir Ideale haben. Wir sind keine Utopisten, denn noch mehr in den Hintergrund treten. Wir lassen sie daher wir rechnen mit gegebenen Größen. Und während der Durch ein merkwürdiges Spiel des Zufalls wurde am bei Seite. Caprivi'sche Aprilscherz sicherlich Aprilscherz bleibt, ist der gleichen Tag, wie jenes denkwürdige Caprivi Interview- also Fassen wir zusammen. Doppelt so viel sozialdemokratische Aprilscherz auf dem Weg der Ver. am 1. April von einer russischen Zeitschrift, der Bibliotheka  , Treffer" auf die Flinte, zwölf Mal so wirklichung.-

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Feuilleton. Der Jude.

Deutsches Sittengemälde

aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. Von C. Spindler  .

Ach, hochwürdiger Herr!" begann Dagobert, bei dem die Rührung die Oberhand gewann:" Nicht des Herzogs Wille führt mich hierher, sondern mein Herz, mein Herz allein!" Der Prälat maß ihn mit staunenden Blicken. Selt­sam!" sprach er alsdann, was hätte ich mit Euerm Herzen zu schaffen, da ich Euer Gesicht nicht kenne, und Ihr Euern Namen hinter einem ehrenwerthen verbergen müßt?" Brauche ich einen Namen vor Euch?" fuhr Dagobert bringender fort: Sprechen nicht aus meinem Gesichte be­kannte Züge zu Eurem Gefühl?"

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in einer plöglichen Geistesabwesenheit also irre und ver­worren spreche.

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Erbtheil unseres Geschlechts. Aber in Deinem Wesen hatte ich mir nicht weniger als alles anders vorgestellt. Wo ist der geistliche Rock, das Piret? der Rosenkranz und der niedergeschlagene Blick? Du siehst aus, als ob Du zum Herrendienst an den Hof reiten wolltest, und nicht nach Wälschland in das Bartholomäiſtift."

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Vergebung, Dhm!" scherzte Dagobert und zupfte neckend an dem blaudamastnen Ueberkleid des Prälaten: Das ist eben auch nicht das Klostergewand."

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Wie ist Euch doch zu Sinne?" begann er endlich, da 17 die peinliche Verlegenheit des Geistlichen fortdauerte und sein Auge gleichsam aus dem Boden die versagenden Worte auszugraben sich austellte:" Was Ihr mit der Rechinald zu thun begehrt, der Gott ein langes Leben, oder, wäre fie wirklich gestorben eine fröhliche Urständ schenken möge, das weiß ich nicht. Ich habe nie eine dieses Namens gekannt, und meine Mutter hieß Wallrade, wie Hm!" lächelte der Oheim selbstgefällig: Die Klausur meine schlimme Schwester. Ich weiß jedoch ganz ausge- und Regel ist nicht mehr für den Geistlichen meines macht, daß ich nicht als zudringlicher Bettler mich bei Standes. Wir haben von unten auf gedient, und dürfen Euch einfinde, sondern auf Euern ausdrücklichen Wunsch und uns in reifen Jahren schon eine bequeme Freiheit er­Willen, hochwürdiger Herr Ohm! Ter Vater läßt Euch lauben, zumal hier in der Fremde, mit päpstlichem beftens grüßen, und die Stiefmutter. So Ihr mir zum Dispens." Frommen dienen wollt, werd' ich's Euch herzlich danken. Hier in der Fremde?" wiederholte Dagobert: Ei So sich aber Eure Willensmeinung geändert hätte, tehre lieber Ohm. Ihr seid ja hier im Vaterlande." ich stehenden Fußes um gen Frankfurt  , ohne Groll und Welch' Geschwät!" entgegnete der Prälat, das Gesicht Reue." verziehend. Wo ist des Priesters Vaterland? Da, wo der Mit jedem Worte des jungen Mannes war der Prälat Statthalter Chrifti wohnt und herrscht mit den Fürsten aufmerksamer, ruhiger und aufgerichteter geworden. Es seiner Kirche. Und wär auch dieses nicht, so braucht man spiegelte fich sogar eine Art von Freude in seinem Ge- nur einen Fuß nach dem gelobten Lande Italia   gesetzt zu sichte, als Dagobert geendet hatte. Durch die Brille haben, um sich fürder keine andere Heimath zu wünschen. studirte der Dheim einen Augenblick hindurch die Züge des Wahrlich, hätte nicht die Pflicht geboten, nimmer wäre ich letztern, und rief alsdann, ihm beide Hände reichend: Ach zurückgekommen in das Reich ungehobelter deutscher   Nation. Du närrischer Kauz! Das ist ja etwas ganz anderes! Jenseits der Alpen   weht eine heitere warme Luft; hier in Komm umarme Deinen alten Ohm! Die heilige Jungfrau Eurem trüben Winterlande erstickt mich der Husten. Dort " Genug, genug, mein Sohn!" unterbrach ihn der benedeie Deinen Eingang!" gehe ich durch helle geräumige Städte, hier versinke ich im Dheim mit wachsender Befangenheit, und sein Blick suchte Dagobert umhalste den blödsichtigen Prälaten und Moraft enger winklicher Gaffen, wie man sie in armen den Boden, während er die Hand zum Kusse reichte: Du setzte sich, wie dieser es begehrte, neben ihn auf das Ruhe- Dörfern nicht schlechter hat. Dort trinke ich köstlichen, mild bringst mir eine böse Nachricht. Rechinald ist todt? Gott   bette. Ja, das ist ganz das Gesicht des Bruders!" und feurig zugleich schmeckenden Wein, esse herrliches Obst, genade ihrer Seele... Was willst Du aber beginnen..." sprach Hieronymus: Meine bösen Augen! Vergieb mir Geflügel und Fisch. Hier quäle ich mich mit abscheulichem Für Dich zu sorgen, wird mir schwer werden;... wir nur den Mißgriff, lieber Neffe. Du hast aber auch Kräter, den Ihr lobt, weil er am Rhein   wächst, und kalt armen Geistlichen werden in diesen neuesten Zeiten gedrückt eine seltsame Weise, Dich einzuführen. Ich hätte darauf und rauh ist, wie Gure Sitte; hier verderbe ich mir den und gepfändet, als hätten wir des Erdreichs Schäße geschworen... siehst Du.. diese Rechinald... fie war Geschmack mit Holzäpfeln und sauren Trauben. Dort höre. allein;... ich werde wahrlich nichts für Dich thun mein frommes Beichtkind, da ich noch in Deutschland   lebte, ich eine Sprache, die wie Musika   klingt, einen Gesang, ihr Sohn, doch, ich werde Dir das bei ge- dem gleich der lieben Engelein. Hier mußte ich mich be­

" Ei, junger Gesell, Du wirst doch nicht..." ent gegnete der Prälät betreten, und holte seine Brille aus Sem Aermel: Sendet Dich etwa... wie nennt sich Deine Mutter?"

"

Wie mögt Ihr nach der Mutter fragen?" sprach Das gobert weiter: Die Edle ruht im Grabe; doch des Vaters Name...

können."

.. und

..

Dagobert betrachtete ihn während dieser Rede, ohne zu legener Zeit erzählen. Gieb mir noch einmal die Hand. quemen, das widerliche deutsche Pfauen- und Hahnengeschrei wissen, ob der Prälat Ernst mache oder Scherz, oder ob er So! bist ein hübscher Bursche geworden. Nun, das ist ein anzuhören, es selbst wieder vorzusuchen, wenn ich mich vers