Mr. 89.
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Vorwärts
11. Jayrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Mittwoch, den 18. April 1894.
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Elären, schlägt man eine Reform vor, die für viele Wähler eine dieser Anomalie ein Ende zu machen. Sie schieben die Sache Verschlechterung bedeutet.
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jetzt nur vor, weil sie wissen, daß den Liberalen in diesem Punkt durch die Rücksicht auf die Frländer die Hände gebunden sind. Bei einer Neueintheilung der Wahlkreise, die sich streng an die Bevölkerungsziffern hält, würde Irland etwa 21 Size verlieren, und dem werden sich die Irländer, solange sie nicht Homerule haben, aus allen Kräften widersetzen, zumal ihnen die Zahl der Size durch den Unionsaft zugesprochen worden ist. Die Liberalen sind da in einer Bwidmühle, tönnen es nicht ristiren, die Irländer gegen sich zu erbittern, und können doch den jezigen Zustand nicht gutheißen. Die Konservativen aber bestehen auf ihrem Echein, und da sie die Lords hinter sich haben, tönnen sie unter der plausiblen Parole: keine Wahlreform ohne Wahlkreis- Reform, jede Demokratifirung des Stimmrechts hintertreiben.
Es bleibt nun abzuwarten, wie sich die Arbeiter zu der Angelegenheit stellen. Ter liberale Entwurf bietet soviel Angriffspunkte dar, daß die englischen Sozialdemokraten keine Mühe haben, an ihm Kritik zu üben. Es fragt sich nur, ob sie in der Lage sind, eine Maffenbewegung zum Proteft gegen die Schwäche der Liberalen und die Intriguen der Konservativen zu stande zu bringen.
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Politische Ueberlicht.
So gilt das relative Lob, das man der Bill spenden kann, höchstens gegenüber der in Deutschland vorherrschenden Sucht, das Rad der Entwicklung in bezug auf den Ausbau der Volts Gestern hat Herr John Morley Namens der Regierung die rechte zurückzudrehen. In England wird sie in radikalen und Wählerregistirungsbill in zweiter, aber eher verschlechterter als Arbeiterkreisen große Enttäuschung hervorrufen. Sie bleibt weit verbefferter Auflage eingebracht. Die in der vorigen Session hinter dem zurück, was die pomphaften Erklärungen der eingetrachte Vorlage enthielt Bestimmungen über die Herstellung Ministeriellen erwarten ließen, deckt sich durchaus nicht mit den und Führung der Wählerlisten durch verantwortliche Beamte Versprechungen des in Newcastle aufgestellten Wahlprogramms und Tedung der amtlichen Wahlfosten aus öffentlichen Mitteln. der Liberalen. Es ist eine viel zu geringe Abschlagszahlung auf Beides fehlt in der neuen Bill. Nach ihr bleibt die Sorge für das, was die Arbeiter zu verlangen haben und was man ihnen ordentliche Herstellung der Wahllisten, soweit die Abmiether zugesagt. ( Lodgers) in Betracht kommen, diesen, resp. den politischen Die Begleitrede Morley's ließ an einigen Stellen deutlich Parteien, so daß, da jede Partei nur die voraussichtlich ihr durchschimmern, woran es liegt, daß die Regierung sich nicht zu günftigen Wähler und diese in möglichst großer Zahl zur Ein- radikaleren Vorschlägen aufschwingen fann. tragung anmeldet, die kostspieligen und widerlichen Streitereien Es ist nicht die Opposition der Konservativen- denn die vor den Registrirungsgerichten ebenfalls erhalten bleiben, und ist der Bill so oder so gewiß. Die gefährlichsten Gegner ent um die rebellischen Steuerzahler zu schonen, sowie wahrscheinlich schiedenen Vorgehens siten im eigenen Lager. Die Partei hat in Hinblick auf die steigende Zahl von sozialistischen Kandidaturen, viel zu große Rücksicht auf die Whigs in ihren Reihen zu nehmen, hat man davon Abstand genommen, an der Vorschrift der Deckung der um sich kühnere Sprünge erlauben zu dürfen. Ich bedauere, Wahlkosten durch die Kandidaten etwas zu ändern. Erhalten bleibt daß die Umstände uns verhindern, das Prinzip des Mietherauch das Eystem der Entscheidung durch relatives Mehr, wenn- stimmrechts radikaler durchzuführen, aber ich fürchte, es jetzt zu gleich Herr Morley zugab, daß die Verhältnisse auf die Ein- thun," sagte Herr Morley an einer Stelle. Und an einer andern führung des Prinzips des absoluten Mehr, resp. der Stichwahlen Stelle führte er das Motto eines Radikalen aus dem vorigen hintreiben. Da erst neulich wieder ein Kollege Morley's sich Jahrhundert an:" Ein Mann eine Stimme und jeder Mann gegen die Nothwendigkeit der Stichwahlen ausgesprochen, so darf eine Stimme" und fügte hinzu, in früheren Tagen und auch Aus dem Reichstage. Der erste Punkt der heutigen man wohl annehmen, daß der Ausfall der Wahl in Midlanart heute noch schrecke er durchaus nicht vor der zweiten Hälfte des Tagesordnung brachte der Regierung eine Niederlage, feinen Eindruck bei den Führern der liberalen Partei nicht ver- Mottos zurück, indeß sei die öffentliche Meinung vielleicht noch insofern ihr Antrag auf Verlängerung der Frist für die fehlt hat. nicht reif dafür". Wessen öffentliche Meinung? darf man sich Gestattung von Ausnahmen von der im§ 120 Absah 1 der Auf der Kreditseite der Bill stehen: die Abkürzung der hier erlauben, einzuwerfen. Aufenthalte qualifikation auf drei Monate und die Vorschrift, Die Konservativen erklärten sich durch Balfour gegen die Gewerbe- Ordnung für den Unterricht in Fortbildungsschulen getroffenen Bestimmung abgelehnt wurde. Mit diesem daß die Wahllisten zweimal im Jahre angefertigt werden müssen, Serabfehung der Aufenthalt qualifikation fein Wunder, Beschlusse des Reichstages wird die Frage, was vom so daß also Neuhinzugezogene spätestens in neun Monaten aufs wenn man bedenkt, mit welchen Ehrentiteln der Onkel Wahlregister fommen, während sie jetzt unter Umständen zwei des Herrn Balfour, Lord Salisbury , die Bevölkerungs- Oktober ab mit einer großen Anzahl Sonntagsschulen Jahre und fünf Monate zu warten haben; die Beseitigung der tlaffe bedacht, die durch diese Aenderung das Stimm- werden soll, eine brennende. würde, wie der edle Möglichkeit, Steuerrückstände zum Vorwand für Entziehung des recht erbal Lord sie als Ohne Tebatte wurde in dritter Lesung der Wahlgesetz Wahlrechts zu nehmen, die Bestimmung, daß alle Wahlen bei einer Leute hinstellte, die ihre Miethe grundsätzlich schuldig bleiben, Entwurf, wie er von Zentrum und Freifinn beantragt ist, Neuwahl an einem und demselben Tage stattfinden sollen und dieser resp. als Bagal unden und dergleichen. Jerner erklärte Balfour angenommen. Tag ein Sonnabend sein soll, und schließlich die Vorschrift, daß sich gegen die Beseitigung des Doppel- zc. Stimmrechts, weil ja Eine kleine Komödie wurde dann mit dem konservativniemand in mehr als einem Wahlkreise soll Wähler sein dürfen das Wehliccht seit unroid: nklichen Zeiten an das Interesse getleritalen Antrag auf Einführung eines Heimstättengesetzes ( heute haben, da das Wahlrecht an die Qualifikation als Haus- fnüpft sei, daß jemand mit einzelnen Lokalitäten verknüpfe. Und aufgeführt. Nachdem die Herren letthin bei Gelegenheit herr oder Miether geknüpft ist, viele wohlhabende Leute schließlich verlangte Herr Balfour namens seiner Partei, daß aufgeführt. Nachdem die Herren lezthin bei Gelegenheit doppeltes und dreifaches Wahlrecht). Halbheiten, wie diese Be- nichts am Wahlrecht geändert werde, bevor nicht die Wider des Graf Kanitz'schen Antrags etwas hart aneinander gestimmungen find, bewegen fie fich wenigstens in der rechten fprüche der jetzigen Wahlkreiscii theilung abgeändert, die Wahl- rathen waren, soll auf dem Boden der Heimstätte" der Richtung. Sie find in dieser Hinsicht am besten durch die Ein- reise nach dem Prinzip: iede Stimme den gleichen Werth" neu Frieden wieder geschlossen werden. Zwar glaubt keiner fegung des Sonnabends zum Wahltag charakterisirt. Der Sonn- eingetheilt würden. der Antragsteller an die praktische Durchführbarkeit abend ist für einen großen Theil der Bevölkerung ein halber So gerecht diese Forderung flingt, ist sie doch im Munde der des Entwurfs, aber gerade das macht ihn Feiertag, und diesem sichert die Vorschrift die Möglichkeit der Konservativen nur Humbug, nur eine Ausrede, um jede in den Herren so werthvoll. Es soll Speck sein, mit dem man Ausübung des Wahlrechts. Aber für sehr viele andere Leute, demokratischer Richtung sich bewegende Wahlreform zu hintertreiben. kleine Bauern und ländliche Arbeiter zu fangen hofft, indem und zwar feineswegs nur Ladenbesizer nebst Gehilfen, ist der Gewiß ist die jetzige Wahlkreiseintheilung eine sehr mangelhafte und man ihnen eine Heimstätte" in Aussicht stellt, von der sie Sonnabend Arbeitstag wie jeder andere Wochentag, für manche reformbedürftige. Es giebt Wahlkreise mit über 95 000 Einwohnern, nicht vertrieben werden können. Von unserer Seite griffen sogar ein noch schlimmerer Arbeitstag, und für diese heißt die wie z. B. Huddersfield, die nur einen Abgeordneten wählen, Vogtherr und Schoenlant heute in die Debatten ein. Bestimmung keine Erleichterung, sondern je nachdem erhebliche und solche, wie Newry ( Irland ) mit unter 15 000, odec Pontefract Bogtherr und Schoenlant heute in die Debatten ein. Erschwer ung, wo nicht Berunmöglichung der Ausi bung( Yorkshire ) mit rund 16 000 Einwohnern, die ebenfalls je einen Ersterer bei den Fortbildungsschulen, letterer bei dem Heimdes Wahlrechts. Weil man nicht wagt, radikal vor Abgeordneten wählen, so daß in den letzteren eine Wahlstimme stättengesetz. zugehen und den Sonntag als Wahltag zu bestimmen, sechs Mal mehr Werth hat als in den ersteren. Aber die Konser - Morgen stehen an erster Stelle die Wahlprüfungen auf oder den Wahltag für einen gefeßlichen Feiertag zu er- vativen haben, als sie am Ruder waren, keine Hand gerührt, um der Tagesordnung.
Feuilleton. Der Inde.
Deutsches Sittengemälde
aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts.
mit Wein, halb mit Wasser, in Fiorillens Kelchglase perlte der reine italienische Feuerwein. Während nun Dagobert zum Nachtisch mit vaterländischem Käse abgespeist wurde, 18 fütterte Sheimchen Fiorillen mit dem schmackhaften in Honig gefaßten Jugwer und mit der süßen Weichsellatwerge. Venetische Mandeln und Weinbeeren wurden aufgetragen, um von dem Hausherrn benascht und an Fiorillen verschenkt zu werden. Endlich bethenerte die Lettere endlich, zur Genige versorgt zu sein, und bemitleidete scherzend den Gast, daß ihm nichts von diesen Leckereien beschieden gewesen. Dagobert lächelte achselzuckend; der Dheim sprach aber trocken:„ Mein Neffe macht sich sicher nichts aus all den Süßigkeiten, denn er ist noch ein echter Deutscher, und eine Ochsenkeule ist ihm lieber als eine feine Tafel, wär's auch die des Kaidinals Babrella, der auf das Essen etwas hält." " Alles gleicht sich aus;" erwiderte Dagobert: Derbe Rost giebt derbe Menschen. Richtig," meinte der Prälat: und feine Speise zieht den feinen Mann."
Ach! Du weißt es nicht," seufzte der Ohm, wie die Welt im Argen lebt; wie sie sich freut über den Fall des Gerechten , und aus seiner Unschuld die bittere Schuld saugt. Die Deutschen absonderlich, trotz ihrer Ruchlosigkeit, ihren unzüchtigen Tänzen und heidnischen Philosophemen. Wer ist es, der das Leben des Priesters einer solch unchristlichen Untersuchung unterwirft, wie noch nie erhört worden? Der Deutsche . Wer magt es, Prälaten, Bischöfe, Kardinäle, und Gott sei es geklagt, den Unfehlbaren in Rom selbst in seinem häuslichen Thun zu meistern? Der Deutsche . Wer schreit am ungestümsten nach einer allgemeinen Kirchenverbesserung? Der Deutsche . O der Sünde! die Kirche und ihre Eagungen will er umstürzen und erneuern, gleich als ob sie Menschenwerk wären, und nicht das Bolltommenste: Gottes und seines Sohnes Werk!"
Dagobert, der den Meinungen seines Oheims nicht offene Fehde bieten wollte, so sehr auch seine Ansichten von ihnen abwichen, betrachtete still lächelnd die Schnabelspigen feiner Stiefel und athmete freier, als endlich der Imbis aufgetragen war, und somit das ernstwerdende Gesprächsel
ein Ende hatte.
Fiorilla gab einige Worte dazwischen, die nicht undeutlich merken ließen, daß ihr eine kräftige Derbheit nicht mißfalle, indem sie Bürge eines kräftigen Gemüths sei.
Es muß mich wundern", sprach sie endend:" Hochwürdiger Herr, daß Ihr an dem Neffen tadeln zu wollen. scheint, was Ihr an der Nichte gut heißt."
An Euch, mein Bäschen?" fragte Dagobert munter, und warf, dem eifersüchtig lauernden Ohm zum Troße, einen seiner feurigsten Blicke in Fiorilla's Augen.
Nicht doch," antwortete diese erröthend:" Ich spreche von der Nichte Sr. Hochwürden." Monsignore gab der Geschwäßigen mit verdrießlicher Miene ein Zeichen zu schweigen. Dagobert, dem auch dieser Wink nicht entging, hatte Mutwillen genug, weiter zu forschen.
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„ Seid Jhr's also nicht, liebes Bäschen?" fragte er; oder von welch anderer Nichte ist denn hier die
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Bei Tische, während des Genusses der feinsten Speisen, die eines Erzbischofs Tafel zu Ehren gebracht haben würden, hatte der junge Mann Gelegenheit genug, zu bemerken, daß die Freundschaft seines Oheims zu Fiorillen wirklich eine große war. Die leckersten Bissen legte sie dem Rede, Ohm?" Prälaten vor, und dieser schob das Leckerste von ihnen auf ihren Teller. Seinen und des Neffen Becher füllte er halb
Von wem souft als von Deiner Schwester?" brach der Lettere uumuthig los.
Von Wallraden!" rief Dagobert.
" Freilich von ihr;" versetzte Fiorilla. Was meint Ihr, hochwürdiger Herr? Sie wird viele Freude haben, ihren Bruder zu sehen, der gerade so muthig und entschlossen zu sein scheint, wie sie."
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Wie ist mir denn?" fragte Dagobert: Wallrade wäre hier?" " Ja doch;" entgegnete Fiorilla unbefangen: Ihr wußtet das nicht?" Berdrießliche Schwägerin!" zürnte der Prälat gegen die Freundin: ,, Mulier taceat in ecclesiam!"
" In ecclesia!" verbesserte Dagobert lächelnd:„ Ein guter Spruch; aber ich verstehe nicht, warum Ihr mir ein Geheimniß aus der Anwesenheit meiner Schwester machen wollt, guter Oheim? Mir ist sie das gleichgiltigste Ding von der Welt, macht mir nicht Liebe, nicht Haß. Wir beide, Wallrade und ich, wir konnten uns von Jugend auf nicht leiden. Ich war ihr zu lustig, sie war mir zu rauh. Ein Glück, daß sie ein Mädchen und nicht ein Bube geworden. Es hätte alle Tage blutige Köpfe gesetzt. Seither sind wir auseinander gekommen, und haben uns natürlich nicht leben, gelernt. Sie wird mich nicht suchen, wie ich nicht sie. Wir würden uns fremd bleiben, wohnten wir auch unter einem Dache."
" Das wußt ich ja eben!" fiel der Prälat ein:„ Ich hatte mir's auch so schön gedacht, wie ich Euch Troßtöpfe mit guter Art zusammenbringen und versöhnen wollte, ehe Ihr noch von Eurer gegenseitigen Anwesenheit gewußt hättet. Durch die Fiorilla Cicatonilla ist mir das gute Werk vereitelt."
" Es ist nicht meine Schuld," schmollte die Gescholtene, daß ich vielleicht in der besten Absicht Euer Vorhaben zu nichte machte. Ich wußte weder von dem Widerwillen der Geschwister, noch von der bezweckten Versöhnung. Ich wette indeffen, setzte sie mit einem verstohlenen Seitenblick auf den Jüngling bei, daß Eures Neffen redlich Gemüth auch ohne Ueberraschung und Vermittelung den rechten Weg eins