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Nr. 92.
Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Vierteljährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 Mt., wöchentlich 28 Pfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30mt. pro Quartal. Unter Kreuz band : Deutschland u. DesterreichUngarn 2 M., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preislifte für 1894 unter Nr. 6919
Vorwärts
11. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Bur Vertheidigung
Sonnabend, den 21. April 1894.
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Familien, die man ja als persönliche Einheiten auffassen der Dissidenten zwicken können. Und sie zwicken und zwacken kann, die vollste religiöse Gewissensfreiheit gewährleistet seit einiger Zeit eifrig drauf los.
der Gewissensfreiheit. 100 Jahren im preußischen Staatswesen angeblich ver- ihrer eigenen und des ganzen Volkes Gewissensfreiheit Ernst I.
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werden soll. Und dieser Freiheitsgedanke, der jetzt seit Glücklicherweise aber lassen die Leute, denen es mit wirklicht sein sollte, hat wenigstens soviel Wirkungs- ist, sich nicht widerstandslos zwicken und zwacken; sie treten fraft behalten, daß er sich bei allen späteren gesetzlichen mannhaft für ihr Recht in die Schranken und fordern alle Es hat einmal eine Zeit in Deutschland wie im übrigen Regelungen Geltung verschaffte. So gewährleistet, in etwas auf zu Mitkämpfern für ihre gute Sache, nicht nur alle, die Europa gegeben, als bei den Stützen der damaligen Staats- abgeschwächterer Form zwar als das Allgemeine Landrecht , gleichen Anschauungen huldigen wie sie, sondern überhaupt und Gesellschaftsordnung rücksichtslos der Grundsatz zur aber dennoch in nicht wegzudeutelnder Weise Artikel 12 der alle, denen Recht und Freiheit nicht ein leerer Wahn ist. Geltung gebracht wurde: Cujus regio, ejus religio preußischen Verfassung die Freiheit des religiösen Be- Wir müßten unseren Grundsägen.untreu werden, wollten Weffen das Gebiet, dessen der Glaube. Mit Feuer und kenntnisses, die Vereinigung zu Religionsgesellschaften und wir uns fernhalten von diesem Kampfe zur Wahrung der Echwert, mit Kerker und Folter suchten die Landesfürsten, der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religions- Gewissensfreiheit. Im Programm der sozialdemokratischen oder allgemeiner gesprochen die hohe Obrigkeit" ihren übung". Partei ist der Grundsatz ausgesprochen: Religion ist Unterthanen denjenigen Glauben aufzuzwingen, zu dem sie So trefflich ist es in Preußen bestellt mit der Gewissens. Privatsache". Das heißt einmal: Die Partei lehnt es ab selbst sich bekannten. Erst nach der Zeit der großen freiheit auf dem Papier. auf die religiösen Anschauungen irgend einen Druck aus Religionskriege des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts Und in der Praxis? üben zu wollen, oder die Angelegenheiten der einzelnen mit ihren namenlosen Greueln verschaffte die Aufklärungs - Ja, preußischer Unterthan, das ist ganz etwas Religionsgemeinschaften irgendwie beeinflussen zu wollen. arbeit des achtzehnten Jahrhunderts bei den zivilisirteren anderes! Es heißt aber auch: Die Partei tritt dafür ein, daß ein Völkern dem Rechte auf freie Selbstbestimmung in Glaubens- In der Praxis zeigt es sich, daß die Maschen der jeder Mensch die religiösen Angelegenheiten als seine sachen Achtung und Anerkennung. Zuerst in den Vereinigten schön formulirten Gesetzes und Verfassungs- Paragraphen Privatsache behandeln darf, unbeeinflußt durch den GeStaaten von Amerika , dann auch in einzelnen europäischen für einen gewandten Bureaukraten immer Leicht wissensdruck irgend welcher religiösen Körperschaften, unLändern wurde dieses Recht gesetzlich codifizirt. zu durchschlüpfen sind, wenn der alte angeblich beeinflußt auch durch den Gewissensdruck obrigkeitlicher
11. Titels des Theils II;
So spricht sich das Allgemeine Landrecht , das am abgethane Geist obrigkeitlicher Bevormundung in ihn Bevormundung. Und in diesem Sinne erfüllen wir nur Ende des vorigen Jahrhunderts für Preußen erlassen wurde, hineinfährt, wenn er sich in seinem Gewissen gedrungen unsere Pflicht als die Partei aller Unterdrückten, wenn wir in ganz bestimmter und nicht mißzuverstehender Weise für fühlt, die Unterthanenschaft mit sanftem oder unsanftem uns der Dissidenten annehmen in ihrem gegenwärtigen die Gewissensfreiheit aus. Dort lauten die§§ 2 bis 4 bes Bwang zu denjenigen Anschauungen zu nöthigen, die dem Kampf zur Wahrung der Gewissensfreiheit. Jedem Einwohner im Staat muß vollkommene Glauben?-errscher von Gottes Gnaden ans Herz gewachsen sind. und Gewissensfreiheit gestattet werden. Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinung in Religionssachen Vorschriften vom Staate anzunehmen. Niemand soll wegen seiner Religions meinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden.
Doch beschränkt sich das Allg. Pr. L.-R. nicht darauf, nur erwachsenen Personen die Gewissensfreiheit zu sichern, es spricht auch ausdrücklich den Eltern das Recht zu, nach threm eigenen Ermessen ihren Kindern religiöse Ünter weisung zukommen zu lassen. Jm§ 11 im 12. Titel, Theil II des Allgemeinen Landrechts heißt es:
Es ist eine stete Begleiterscheinung jedweder Reaktionsperiode, daß obrigkeitlich an denjenigen Personen herumgedoftert wird, die sich in religiöser und politischer Hinsicht mißliebigen Anschauungen hingegeben haben.
Politische Ueberlicht.
Berlin , den 20. April. " Dem Volke muß die Religion erhalten bleiben!" wird Bundesrath. In der am 19. d. M. unter dem daun kommandirt, und die Parole pflanzt sich fort von Vorsiz des Vizepräsidenten des Staatsministeriums, Staatseinem grünen Tische zum andern, vom Richtertische und sekretärs des Junern Dr. von Bötticher abgehaltenen von der Kanzel, und sogar auf dem Ererzierplage vom Plenarsizung des Bundesraths wurden die vom Reichstag Sattel des schneidigen Regimentskommandeurs herunter. angenommenen Gesezentwürfe, betreffend die Aufhebung Dann durchstöbern die Geheimen Räthe in dem Kultus: des Gesetzes über den Orden der Gesellschaft Jesu und betr. ministerium eifrig die verstaubten Aktenbündel mit Ministerial- die Abänderung des Wahlgesezes für den Deutschen ReichsKinder, welche in einer anderen Religion, als welche in restripten aus der absolutistischen Zeit, ob sich nicht aller- tag, sowie die Beschlüsse des Reichstags zu den Petitionen, der öffentlichen Schule gelehrt wird, nach den Gesezen des hand längst vergessene, aber wegen ihrer Vergessenheit nicht betr. den Vogelschutz, betr. das Verbot der Vivisektion, beStaates erzogen werden sollen, können dem Religionsunterricht durch ausdrückliche Gesegesbeschlüsse außer Kraft gesezte treffend den Gewerbebetrieb der Militärmusiker und in derselben beizuwohnen nicht angehalten werden. Weiter wird dann vorgesehen, daß, sobald die Eltern Verfügungen auffinden laffen, durch deren Anwendung man betreffend die Abstellung von Mißständen auf dem Gebiet Weiter wird dann vorgesehen, daß, sobald die Eltern unter sich einig sind über die religiöse Unterweisung, die hier ein bischen und da ein bischen von der so schön ver- des Gastwirthsgewerbes, den zuständigen Ausschüssen übersie ihren Kindern zukommen lassen wollen, die Sache damit mit den verdächtigten Gesinnungen oder wider ihren Willen schlüsse des Reichstages zu den Petitionen, betreffend die sie ihren Kindern zukommen lassen wollen, die Sache damit bürgten Gewissensfreiheit abzwacken kann, um den Leuten wiesen. Dem Reichskanzler wurden überwiesen die Beabgethan ist für den Staat. Für andere Fälle wird gesagt: doch wenigstens deren Kindern etwas obrigkeitliche Reli- Bersegung einer Gemeinde in eine höhere Servisklasse, betreffend die Abänderung des Invaliditäts- und Altersdann sollen die männlichen Kinder in der Religion des Baters, giofität einzuimpfen. versicherungs Gesetzes, betreffend die Gewährung einer die Töchter in der der Mutter erzogen werden. Invalidenrente, und betreffend die Gewährung freier Eisenbahnfahrt für die zum Militärdienst einberufenen Mannschaften. Endlich wurde beschlossen, den von der
Wenn keine besonderen Bestimmungen getroffen werden,
Und wer da suchet, der wird auch finden.
Der flare Wortlaut aller dieser Bestimmungen läßt So haben auch jetzt die Geheimräthe mit freudigem nicht den geringsten Zweifel aufkommen, daß damit nicht Stolz allerhand Kneifzangen aus früheren Reaktionsepochen nur den einzelnen erwachsenen Personen, sondern auch den zum Vorschein gebracht, mit denen sie die Gewissensfreiheit
Bon C. Spindler.
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von lustigem Getöse. Der Blasbalg schnaufte, der Hammer man sich wohl einmal in die rußige Höhle eines Schmiedes flang, und zwischen durch Funkengeknister und Ambos - verirren möchte." getön schallten fröhliche Lieder in schwäbischer, bayerischer Ruchlose Gedanken!" scherzte Dagobert, mit dem und Schweizer- Mundart, wie sie die Gesellen des Schmieds Finger drohend: Vor der Hand bin ich indessen hier nur 21 aus ihrer Heimath mitgebracht hatten. Das kühne un- in Begleitung jenes wackeren Meisters vom langen Schiverte, verdrossene Leben, das sich in dem schwarzen Gewölbe be- der sich eine Freude daraus macht, dann und wann die wegte, lüftete wohlthuend Dagoberts Brust. Die starken Ge- Kirche zu schirmen. Segest Du indessen durchaus einen stalten, die hier hantirten, der winterlichen Kälte wie der andern Grund voraus, der mich zu Dir führt, so will ich schmorenden Hige zum Trok halb entblößt bis zum Gürtel, mich zu Deiner Ansicht herunter lassen, und Dir eine Frage schwangen rüftig die schweren Eisenkeulen, und das spröde stellen, so kurz vom Zaune abgebrochen und so naseweis, Fafte und bete, da Du nichts zu schaffen haft" Metall fügte sich ihren Streichen, unter welchen der als sich's gerade schickt. Wer ist die Frau, die in Deinem predigte Dagobert, und wollte von dannen, aber Gerhard Gesang nicht verstummte. Dort trug einer eine Last Kohlen Hause wohnt, die Stattliche, prächtig Gekleidete? Mich hielt ihn zurück. Thut mir doch die Liebe," sprach der Edel zu Gluth, hier löschte ein anderer das weißgeglühte drängts, darüber Auskunft zu erhalten, wahre Kunde, tnecht, und gehet ein Sprünglein mit mir. Ich will mich Eisen im dampfenden Wasser, dort wurden zierliche Stahl- wohlgemerkt." eben zum Meister Thomas begeben, dem feinsten Waffen- klingen glatt und blank gemacht, hier versuchte sich der und Messerschmied zu Costnitz. Ich lasse von seiner kunst Lehrling an der Verniethung einer Halsberge. Die Gewerbe fertigen Hand eine Klinge vom Roft säubern, und wollt der Messerer, Waffenschmiede und Harnischer waren hier Ihr einen Rückenklopfer sehen, wie ihn selbst seine in eins verschmolzen, und in der Mitte der tobenden Majestät Raiser Karl der Große nicht an der Hüfte hatte, Schaar stand der stattliche Meister, mit prüfendem Blicke so tommt mit." einen Turnier- und Brechhut musternd, der soeben fertig geworden war.
Was sollen mir Eure Klingen?" fragte Dagobert lächelnd: Jch fechte in Zukunft nur mit Kerze und Weihmedel. Ueberdies ist's mit dem Sonnenschein vorbei, der Schnee beginnt sich wieder in leichten Flocken einzustellen, und ich sehne mich nach der Ofengluth."
Grüß Dich Gott, Thomas!" rief ihn Gerhard an: Wie steht's, alter traustöpfiger Bursche? Was macht mein Stoßdegen? sitt er noch im Roste oder kann sich ein hübsch Mädel darin beäugeln?"
" Hm!" versetzte Thomas schmunzelnd, und auf einen Menschen weisend, der mit verschränkten Armen und lächeln dem Gesicht herzugetreten und aufgehorcht hatte:" Ihr könnt Euch an feinen besseren Kundmann wenden, als an diesen, hochwürdiger Herr! Er weiß von seiner Gebieterin vor trefflich zu berichten."
Dagobert beschaute flüchtig das Antlig des Empfohlenen, und fand es gemein, einer breiten Ochsenlarve nicht n ähnlich, aber geeignet, Vertrauen einzuflößen.
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Es ist weiter auch kein Geheimniß dabei," sprach der Opfui!" höhnte Gerhard: Junges Blut, was will Der Kaspar dort im Winkel putt gerade den Bügel," Breitstirnige gleichmüthig: meine Herrin nennt sich das aus Euch werden? Kommt mit; wenn's Euch reut, die erwiderte Thomas:„ Wollt Euer Schwert betrachten, lieber Erbfräulein von Baldergrün am Harzwalde. Sie ist, wenn Waffe gefehen zu haben, so schlank und blank, daß schon Herr. Ich hab' den Griff mit bayerischen Hauben be- nicht die reichste, doch auch nicht die ärmste Edeljungfrau. das Anschauen allein in der Faust juckt, will ich nicht selig schlagen lassen. Er sieht fürnehmer aus, und haftet sicherer Zwei freie Sassen zinsen ihr, und, mich hinzugerechnet, zählt sie sechszehn Halseigene, die ihr dienen." werden. Sist ja auch nicht weit. Ein fünfzig Schritte in der Faust." Wird sie lange hier verweilen?" fragte Dagobert mit zurück... seht, bort, wo der Küraß mit Kolbe und Morgen- Gerhard schritt auf den bezeichneten Raspar los, und der Meister wendete sich verwundert zu Dagobert: Wo- steigender Theilnahme. stern über der Hausthüre zu sehen ist." Weiß nicht," erwiderte der Knecht achselzuckend:" doch Dort?" wiederholte Dagobert, und mit einem furzen mit kann ich Euch dienen, geistlicher Herr?" fragte er: Meinetwegen," hatte er sich gedreht, und wandelte dem„ Euer Gewand ist ein unerhörter Gast in meiner Werk- follt ich's vermuthen. Es heißt, sie werde sich hier vers Hause zu, welches tein anderes war, als dasjenige, in dessen statt. Schwert und Panzer bedürft Ihr nicht die Messer mählen." Vermählen!" rief Dagobert rasch:" Mit wem!" Bforte die schöne Frau in der stolzen Schellentracht ver- zu Eurer Tafel besorgt Eure Küchenmagd, und ich habe Meiner Treu!" lachte der Knecht! Zweie lassen ihr schwunden war. Die Werkstatt hinten im Hofe war erfüllt nicht einmal eine Tochter, noch ein Weib, denen zu Gefallen
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