Nr. 95.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
In die Parteigenossen!
Nur noch wenige Tage trennen uns von dem Weltfest der Arbeiter. Es gilt die letzte Hand an die getroffenen Vor bereitungen zu legen. Für die würdige Feier allerorts bürgt die Disziplin, die Thatkraft und die Opferwilligkeit der Genoffen.
Der erste Mai, der Arbeiter- Weltfeiertag ist das äußere fichtbare Zeichen der sich über alle Kulturländer erstreckenden Bereinigung der Arbeiterklasse.
Die Maidemonstration, anfangs beschränkt auf die Forderung des Achtstundentags, hat mit der Erweiterung der internationalen Aufgaben der Arbeiterbewegung gleichen Schritt gehalten. Die Maidemonstration gilt heute den Klassenforderungen des Proletariats, der internationalen Verbrüderung, dem Weltfrieden.
Ein gleiches Biel , eine gleiche Taktik der Arbeiter aller Länder, das ist der Erfolg der internationalen Verbrüderung. Nur in der Durchfeßung der Klaffenforderungen des Prole letariats ist der Weltfrieden gesichert. Die Verwirklichung der Klaffenforderungen der Arbeiter ist gleich der Aufhebung der anarchischen tapitalistischen Produktion, gleich der Aufhebung der tünstlichen Grenzabsperrungen und der damit zusammenhängenden Völkerverhebung.
51 Diese Grundsätze sollen in unseren Versammlungen am
Mittwoch, den 25. April 1894.
Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
Unsere Partei hat auf ihrem letzten Parteitag in Köln klare| der Berliner freireligiösen Gemeinde regulirt wird von der Stellung zur Maifeier durch Annahme der nachstehenden Reso- fortschreitenden Vernunft und Wissenschaft", fand aber nicht die Billigung der Geheimräthe. So wurden denn lution genommen: den klaren Bestimmungen des Lands entgegen rechts und der Verfassung die Kinder der Dissidenten angehalten, dem in den staatlichen Schulen ertheilten Religionsunterricht irgend einer der obrigkeitlich anerkannten Kirchen beizuwohnen.
Gemäß den Beschlüssen der Internationalen Arbeiter Rongreffe von Paris ( 1889), Brüffel( 1891) und Bürich( 1893) begeht die deutsche Sozialdemokratie den 1. Mai als das Weltfest der Arbeit, gewidmet den Klassenforderungen des Proletariats, der internationalen Verbrüderung, dem Weltfrieden.
Zur würdigen Feier des 1. Mai erstreben wir die allgemeine Arbeitsruhe. Da aber deren Durchführung bei der gegenwärtigen Wirthschaftslage in Deutschland zur Zeit nicht möglich ist, so empfiehlt der Parteitag, daß nur diejenigen Arbeiter und Arbeiter- Organisationen, die ohne Schädigung der Arbeiter- Interessen dazu im stande find, neben den anderen Kundgebungen den 1. Mai auch durch die Arbeitsruhe feiern." überall und in imposanter Weise zur Durchführung gelangt. Parteigenossen, tragt Sorge dafür, daß dieser Beschluß
Erst am 6. April 1859 wurden durch eine Ministerial verfügung die Dissidentenkinder unter der Bedingung von dem obrigkeitlichen Religionsunterricht dispensirt, daß für fie anderweitiger genügender Religionsunterricht nachgewiesen würde. Ein weiterer Schritt zur Durchführung der Verfassung geschah, als in den siebenziger Jahren zu nächst für die Schüler der höheren Lehranstalten und dann auch durch Ministerialverfügung vom 14. Juni 1877 für Elementarschüler die Beibringung eines solchen Nachweises als nicht verfassungsgemäß außer Kraft gesetzt wurde. Es sollte nur noch erforderlich sein, daß die Eltern der zu dispensirenden Kinder in rechtsgiltiger Form aus der Landeskirche ausgeschieden sein müssen. Ausdrücklich erklärt in jener Verfügung der Kultusminister Falk, es dürfen für die Dispensation vom Religionsunterricht nicht erst noch besondere Bedingungen gestellt werden". So ist es geblieben, bis neuerdings höheren Orts der Wind des Glaubenseifers zu wehen begann, und die geheimräthlichen Wetterfahnen nach der anderen Seite hinüber
1. Mai in den dort zu faffenden Beschlüssen und Resolutionen Bur Dertheidigung der farten.
überall zum Ausdrucke gebracht werden.
Und nun frisch ans Wert! Neues Leben athmet die Natur, alles verjüngend in der Fortpflanzung der Art. Die Natur hat ihr
Festtagstleid angezogen. Nur der Arbeiter lebt in dem täglichen Ginerlei troftloser tapitalistischer Ausbeutung freudlos weiter. Sein 2008 wäre ein trostloses, hätte er nicht die Gewißheit, als Sieger aus dem Emanzipationskampf hervorzugehen. Der Sieg der Arbeiterklasse ist so sicher als die Tag- und Nachtfolge, weil unabhängig von dem Wollen der Machthaber.
Gewiffensfreiheit.
II.
Da der Geheimrath im Großen nichts vollbringen konnte, fing er es nun im Kleinen an.
Zunächst wurde das große Mittel der Gesetzänderung versucht, um die verirrten Schafe in die Pferche der nach geheimräthlichem Ermessen seligmachenden und staatsstüßenNicht in unserer Zeit zum ersten Mal ist die vers den Religionsgemeinschaften zurückzutreiben. Der Boltsfaffungsgemäß gewährleistende Gewissensfreiheit den Diffi schul- Gesezentwurf des Kultusministers v. Zedlitz sollte auch benten verschränkt worden. Dem schlichten Menschenverstand diese staatsretterische Aufgabe erfüllen; doch er scheiterte fann es nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, daß die in kurz vor dem Hafen und mit ihm gingen die Rettungsdem vorhergegangenen Artikel erwähnten landrechtlichen Be- apparate, die er für die Seelen der Dissidentenkinder an ſtimmungen auch solchen Leuten zu gute kommen sollen, die Bord hatte, zu Grunde. sich gleich König Friedrich II. von Preußen frei gemacht haben von dem Glauben an eine geoffenbarte Religion und Wir fordern darum die Genossen auf, alle ihre Kräfte baß auch solche Leute nicht schuldig sein sollen, über ihre wieder kan die Zeit des Zwickens und Zwackens an daran zu setzen, die Mai- Demonstration zu einer großartigen Privatmeinung in Religionssachen Vorschriften vom den verbrieften Rechten, die die Gewissensfreiheit in Preußen Kundgebung zu gestalten, der Würde und der Bedeutung des Staat anzunehmen. Als aber in den vierziger Jahren sichern sollen. Von zwei Seiten konnte man versuchen, dem Tages als wie auch der Stärke der Partei entsprechend. 4 unseres Jahrhunderts größere Volksmassen sich nicht nur dissidentischen Jugendunterricht das Wasser abzugraben. Wir wissen, daß die Genossen allerorts ihre volle Schuldig innerlich loslösten von dem Glauben an diese geoffenbarten Man konnte unter irgend welchen Vorwänden einmal die feit thun. Die an uns gestellten Anforderungen um Stellung Religionen, sondern in ehrlicher und folgerichtiger Bethäti Dissidentenkinder in den staatlichen Religionsunterricht und andererseits ben dissidentischen von Referenten fonnte nicht annähernd genügt werden. Das gung ihrer Ueberzeugung sich auch äußerlich lossagten von hineinzwängen, anderen kirchlich organisirten Religionslehrern die Ertheilung des Jugendunterrichts unkann und darf aber nirgends der Veranstaltung der Demonftra- der Landeskirche und tion Abbruch thun. Noch mancher talentirte Genosse befindet Religionsgemeinschaften, da drehten und deutelten die staats- möglich machen. Die Geheimräthe haben sich in beiden rettenden Beheiniräthe so lange herum an den Königsworten Richtungen eifrig bemüht. sich in unseren Reihen, der nur zu zaghaft ist, in die Deffent des Allgemeinen Landrechts, bis sie herausgebracht hatten, Herr v. Zedlik erließ am 16. Januar 1892 eine Verlichkeit zu treten. Mache er aus der Noth eine Tugend! daß nicht einem jeden Glauben die Glaubens- und Gefügung, daß Dissidentenkinder zwangsweise zur Theilnahme Cincin in die Bresche! Die Weihe des Weltfeiertags ist die wissenfreiheit gestattet werden dürfe, sondern nur einem am Religionsunterricht angehalten werden können, wenn schönste Einführung in die vordere Kampjeslinie der Arbeiter geheimräthlich gebilligten Glauben. nicht der Vater den Nachweis erbringt, daß er für einen tlasse. Der Glauben der Dissidenten, der nach der Fassung nach behördlichem Ermessen genügenden Religionsunterricht
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aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts. BE Von C. Spindler. Fiorilla trocknete eine Thräne und neigte sich dankend zu dem Erzähler.
Wie soll ich Euch das Vertrauen vergelten, dessen Ihr mich gewürdigt? Ihr habt mir das Geheimniß Eures Lebens geschenkt, ..... ich fann Euch kein ähnliches vertrauen."
Straße, wo er den gefangenen Huß gegen die Rohheit seines Beleidigers vertheidigt hatte. Und da er nun die Gestalt seiner neuen Huldin, wie er das Haus beschrieben hatte, in das sie gegangen, so warf sich Fiorilla lachend in den Polster sessel zurück, und vermochte im Anbeginn auf alle Fragen Dagobert's nichts anderes zu erwidern, als eben das schallendste Gelächter. Der junge Mann stand endlich verletzt auf, und wollte sich mit finsterem Gesichte entfernen. Fiorilla hielt ihn jedoch zurück. Grollt mir nicht," stammelte fie, nach Luft athmend, das Zusammentreffen ist zu seltsam und zu lustig. Man rede noch einmal von der Stimme des Bluts, von angeborenem Haß und Vorurtheil, der auch mit verbundenem Auge seinen Feind erkenne. Diejenige, die Ihr meint, ist niemand anders als Eure Schwester Wallrade, die sich gewiß nicht träumen ließ, daß es ihr gelingen würde, den abgeneigten Bruder in einen sehnsüchtigen Minnefnaben zu verwandeln..."
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Wallrade?" fragte Dagobert staunend;„ Wallrade, das Der Name des BesitzFräulein von Baldergrün?" thums, das ihr Monsignore zum Geschenk machte:" erklärte Fiorilla. Sie verabscheut ihren Geschlechtnamen, da Eure Stiefmutter ihn führt."
über meine Narrheit lachen." ungebundensten Frohsinn.
Er überließ sich auch dem
" O des leichten, wandelbaren Bluts!" scherzte Fiorilla. Ihr könntet mein Landsmann sein. Arme Esther! Bei solchem Flattersinn wird Dein Gedächtniß schwinden, früh oder spät, wenn ich's gleich heute vor aller Gefahr zu schützen so glücklich war."
Ihr bereut den Dienst doch nicht, den Ihr dem Judenmägdlein erwiesen?" fragte lächelnd Dagobert, hr, die Nichte... die Freundin eines rechtgläubigen Prälaten? Wahrhaftig, ich muß Eure Duldung bewundern, die Kirche, Gesetz und des Pöbels Eigensinn verdammen."
Leider!" erwiderte Fiorilla seufzend. Ihr möchtet leichtlich staunen, eine Wälsche, welche die Madonna verehrt, also sprechen zu hören. Vielleicht wird Euch jedoch meine Hinneigung zu der liebenswürdigen Esther erklärlicher, wenn ich Euch sage, daß ich keineswegs aus Cesena, sondern aus dem Ghetto zu Rom stamme, meine Eltern früh verlor, und durch die Milde Eures Ohms in eine Bekehrte vers wandelt wurde."
,, Vertraut mir nichts, Fiorilla!" unterbrach sie Dagobert ernst: Ich bin Euch zu hold, als daß ich Euch vor mir erröthen sehen möchte. Bedauert hingegen mein Mißgeschic," fuhr er, munterer werdend fort; das mich bei nahe zwingt, das Andenken, das ich treu bewahrte, aufzuDieses überraschende Geständniß tißelte Dagobert's geben für ein andres. Ich hätte meinem Herzen nicht so Zwergfell auf's neue und heftigste." Hoho! rief er viel Wankelmuth zugetraut; der Flattersinn muß im Blute stecken. Ein ander Frauenbild hat mich schier bethört; Thörin! eitle, selbstsüchtige Thörin!" rief Dagobert: lachend wie ein Verrückter: kann denn auf dem Brocken Esther und dieses holde Weib streiten in meiner Brust, und Wahrlich, lieb' Bäschen, Ihr hättet mir keine wirksamere| in der Walpurgisnacht einem Herlein etwas Tolleres dennoch ist keine auf Erden mir bestimmt und erlaubt." Arznei geben können, als mir der Name Wallrade wurde. begegnen, als mir? Es grenzt ans Märchenhafte. Ich Verwahrt darum Euer Herz" entgegnete Fiorilla Wo hatte ich meine Augen, daß ich, wenngleich nach so liebe eine Jüdin und meine Schwester, und meine Ver schelmisch: Wer ist aber die, die Ihr zu lieben besorgt? langer Zeit, diejenige nicht erkannte, die mir des Leid's traute ist eine Neugetaufte! Nein, ich muß mich lossagen Erleichtert Eure Brust. Ich wage nichts bei Eurem Bekennt viel, und nichts zu Liebe gethan. Toller, toller Bufall! von solchen Banden, damit mir's nicht ergehe, wie den niß, da Jhr mir schon versichert habt, ich sei nicht imstande, Mich ergößt es, daß auch sie blind gewesen und mich nicht böhmischen Rezern, und darum guten Abend, holdes HeidenEure Empfindung in Aufruhr zu bringen. Ihr wagt noch erkannt. Wie gut ist's, daß sich noch nicht die Gelegenheit find!" Schnell hatte er einen Ruß auf Fiorillens Wange geviel weniger, denn das Wichtigere habt Ihr schon ent- dargeboten, ihr den Hof zu machen. Wie würde der Hagedeckt." prunt über meine Kurzsichtigkeit gespöttelt haben! Habt preßt, und polterte lachend die Treppe hinunter. Unter Dagobert erklärte sich auch scherzend bereit, und er- Dant, gute Fiorilla. Empfangt meinen herzlichen Hände der Pforte rannte er an seinen heimkehrenden Oheim, der zählte das Nachspiel zu dem Abenteuer auf der breiten bruck für Eure Wohlthat. Ich bin nun gesund, und kann ihn, Dant sei es der Dämmerung, nicht erkannte, aber