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Gewerkschaftliches. Seelin und Umgegend. Die Gehattsverhältniffe der Berliner städtischen Bureau- angestellten und die gegenwärtige Teuerung. Mit diesem Thema beschäftigte sich eine sehr zahlreich besuchte Versammlung der Bureauangestellten der Stadt Berlin am 4. Juli. Krüger vom Verband der Bureauangestellten referierte. Auf Grund zahlreicher Wünsche aus den Kreisen der städtischen Bureau- angestellten und eines Beschlusses einer früheren Versammlung hat der Verband an den Magistrat ein Gesuch wegen Erhöhung der Gehälter und der Kriegszulagen gerichtet. Die städtischen Bureau- angestellten gehören zu den schlechtest bezahlten Privatangestellten. Der weitaus größte Teil bezieht ein Gehalt von 150 M. pro Monat. Die sogenanten Hilfsschreiber bei den städtischen Gasrevierinspek- tionen erhalten ein Anfangsgehalt von 112 M. pro Monat, welches erst nach zwei Jahren um ö M. steigt. Davon gehen noch 10 M. monatlich für Versicherungsbeiträge ab. Weibliche Angestellte werden mit 80 M. monatlich eingestellt. Das große Heer der Bureau- Hilfskräfte, die jetzt während des Krieges eingestellt sind, werden zu- meist mit einem Tagelohn von 3,80 M. bis 4 M. beschäftigt. Diese Gehaltssätze reichen selbst unter Hinzurechnung der Kriegszulage auch nicht entfernt aus, den notdürftigsten Lebensunterhalt in der gegenwärtigen teuren Zeit zu bestreiten, besonders wenn man be- denkt, daß ein wesentlicher Teil dieser schlecht besoldeten Ange- stellten verheiratet ist. Leider verhält sich der Magistrat gegenüber den Wünschen der Angestellten bisher ganz ablehnend und will auch über diese Wünsche mit der Organisation der Angestellten nicht verhandeln. Die mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Ausfüh- rungen des Referenten wurden von verschiedenen Diskussions- rednern durch Darlegung der tatsächlichen Verhältnisse ergänzt und unterstützt. Die Versammlung nahm alsdann einstimmig folgende Resolution an: Die am 4. Juli 1916 versammelten Bureauangestellten der Stadt Berlin sind mit den vom Verband der Bureauangestellten Deutschlands unternommenen Schritten zur Erlangung einer Ge- Haltszulage und einer Erhöhung der Kriegszulage vollkommen ein- verstanden. Die Angestellten betrachten den Verband als ihre berufene Interessenvertretung und bedauern lebhaft, daß der Magistrat Ver- Handlungen mit der Angestelltenorganisation über diese Frage ab- lehnt. Da die Gesamtheit der Angestellten eine andere Möglichkeit, allgemeine Wünsche an den Magistrat zu richten, nicht hat, spricht die Versammlung die Hoffnung aus, daß der Magistrat die Organi- sation als Berhandlungsfaktor anerkennen wird. Da die Teuerung für die städtischen Bureauangestellten mit Rücksicht auf ihre überaus niedrigen Gehälter immer unerträglicher wird und die bisher gewährten Teuerungszulagen durchaus unzu- reichend sind, wird der Verband der Bureauangestellten beauftragt, erneute Schritte beim Magistrat zu unternehmen, damit den An- gestellten entsprechende Gehaltszulagen gewährt werden, die sie wenigstens vor der drückendsten Not schützen. Die Versammlung hofft, daß der Magistrat diesem Wunsche gegenüber ein wohl- wollendes Entgegenkommen beweisen wird." Pflicht aller städtischen Bureauangestellten ist es jetzt, die Bemühungen der Organisation dadurch zu unterstützen, daß sie sich vollzählig dem Verband der Bureauangestellten(Bureau O. 27, Dircksenstraße 4,1) anschließen.

580 000 Mark zu wenig gezahlt. Die Summen, die den Arbeitern bei Militärarbeiten verloren gegangen sind, gehen ins Unermeßliche. Nachdem kürzlich ein Unter- nehmer sich veranlworten mußte, weil er 90 000 M. zu wenig ge- zahlt hatte, eine Summe, die dann im Vergleich auf 45 000 M. er- mäßigt wurde, stand in der letzten Sitzung der Schlichtungs- kommisfion ein anderer Unternehmer als Beklagter, der bei einer Lieferung 20 000 M. zu wenig Arbeitslohn gezahlt hatte. Er hatte einen Posten von 100 000 Mützen übernommen und diese weitergegeben, wobei er dann die erwähnten 20 000 M. Arbeitslohn noch extra verdiente. Eine Vergleichsverhandlung hatte das Ergebnis, daß der Herr sich verpflichtete, 10 000 M. an Kunze als Vertreter der Arbeiterinnen nachzuzahlen. In einem anderen Falle, wo es sich ebenfalls um Mützen handelte, zahlte der Beklagte auch im Vergleich an Fritze vom Kürschnerverband für jede der Arbeiterinnen 60 M. nach. Weiter haben die Bekleidungsämter von Spandau , des Gardekorps und von Frankfurt a. O. bei der Schichtungskommission ein Ermittelungsverfahren ein- geleitet, ob in bestimmten Fällen die Arbeiterinnen und Arbeiter ihren tarifmäßigen Lohn erhalten haben, um widrigenfalls ent- sprechende Maßnahmen zu treffen.

Ein Reichstarif für die Grünkorbbranche. Die Berliner Arbeiter dieser Branche beschäftigten sich in einer Mitgliederversammlung mit Schaffung eines Reichstarifs, wie er bereits für die anderen Gruppen der Korbmacher besteht. Die Ber - liner Branche erklärte sich damit einverstanden, daß ein solcher Tarif ausgearbeitet und abgeschlossen werde. Dieser Tarif ist eine dringende Notwendigkeit, da nicht nur viele Korbmacher in der Grünkorbbranche tätig sind, sondern auch im Winter zahlreiche Arbeiter anderer Berufe, wie Maurer usw., darin arbeiten. Somit erweist es sich als unumgänglich notwendig, daß geregelte Verhält- nisse geschaffen werden. Die Branche besteht fast nur aus Klein- betrieben, und auch diese sind weniger in Berlin als vielmehr in den Vororten, ferner im Oderbruch usw. ansässig. Es sollen demnächst Verhandlungen dieserhalb mit dem Ver- band selbständiger Korbmachermeister eingeleitet werden. In der Versammlung wurden auch die einzelnen Preise be- sprachen._

deutsches Kelch. Das Bildhimergewerbe während der KriegSzeit. Was im Verlaufe dieses Weltkrieges sich in so vielen Fällen gezeigt hat, daß es anders gekommen, als man erwartet hatte, oas zeigt sich auch im Bildhauerberufe. Die überwiegende Zahl der Mitglieder des Verbandes der Bildhauer besteht aus Holz- bildhauern. Es ist das entsprechend den Verhältnissen im Berufe und wird infolgedessen der Stand des Arbeitsmarktes wesentlich durch die Holzbranche beeinflußt. Wenn nach dem letzten Bericht imReichs-Arbeitsblatt" über die Arbeitslosigkeit in deutschen Fachverbänden die Arbeitslosenziffer im Zentralverein der Bild- Hauer von 55,2 Proz. im August 1914 auf 1,9 Proz. im Mai 1916 zurückgegangen ist, so ist das nur auf die günstige Geschäftslage rn der Holzbranche des kunstgewerblichen Bildhauerberufes zu- rückzuführen. Es ist, seitdem die Stellenvermittlung des Verbandes über ganz Deutschland mit einer Zentrale geschaffen wurde, noch nicht dagewesen, daß eine so große Zahl bei der Zentrale einlaufender Stellen unbesetzt bleiben muß, weil Arbeitslose nicht vorhanden sind, wie es jetzt der Fall ist. Obwohl nach der letzten statistischen Erhebung ein sehr großer Teil der Mitglieder zum Heeresdienst eingezogen, würde sich diese Schwierigkeit in der Besetzung der freien Stellen nicht zeigen, wenn nicht ein"beträchtlicher Teil der Mitglieder(Ende März d. I. zählte der Verband 1077 Mitglieder, davon 636 der Holzbranche ange- hörig, gegen 3741 Mitglieder am Schlüsse des zweiten Ouartals 1914, also vor Kriegsausbruch) außerberufliche Arbeit, vorwiegen!) Kriegsarbeit, verrichten würde. In ganz Deutschland arbeiteten Ende 1915 im Berufe 535, außerberuflich 431, arbeitslos waren 7g; Ende des ersten Ouartals d. I. waren es 663 im Berufe, 374 außerberuflich, 32 Arbeitslose. Die Zahl der Arbeitslosen ist in- zwischen noch weiter gesunken auf 22 Ende Mai d. I.= 1,9 Proz., wie schon eingangs bemerkt. Standen die Bildhauer fast ' Lerantw. Redakt.: Alfted Wieke»». Neukölln. Lnicratenteil vergntw

stets mit an erster Stelle in der Arbeitslosentabelle der Fachber- bände im Reichsarbeitsblatt, so sind sie jetzt an die 13. Stelle ge- rückt. Die günstige Geschäftslage hatte zur Folge, daß Lohn- erhöhungen bzw. Teuerungszulagen, wenn auch nicht immer in zu- reichendem Maße, durchgesetzt werden konnten. Bis jetzt wurde das aus 25 von 58 örtlichen Verwaltungsstellen gemeldet. Die Lage der übrigen Gruppen des Bildhauerberufes ist weni- ger günstig; am schlechtesten ist es in der Modellbranche. Das wird erst anders werden mit der Bessergestaltung des Baumarktes nach Kriegsende. Die Steinbildhauer, die noch leidlich zu tun hatten, werden jetzt die erneute Sparsamkeit bei der Ausführung öffentlicher Gebäude zu verspüren haben. Daß die verlangten Arbeitskräfte in der Holzbranche nicht nach Wunsch beschafft wer- den können, wirkt insofern auf den ganzen Beruf, als sich die Unternehmer auf anderm Wege als durch die Verbandsstellenver- mittlung Arbeitskräste suchen, und wenn das nicht gelingt, wre jetzt, sucht man sich ohne dekorativen plastischen Schmuck zu be- helfen. Nach der Richtung ist das kaufkräftige Publikum, von kunstverständigen Ausnahmen abgesehen, gar zu leicht zu erziehen, wie die Erfahrung des öfteren schon gelehrt hat. Um dem ent- gegenzuwirken, wäre es wünschenswert, wenn die außerberuflich beschäftigten Berbandsmitglieder sich so weit als möglich ihrem eigentlichen Beruf wieder zuwenden und nicht in allen Fällen bis nach Beendigung des Krieges warten würden. Es wäre das un- zweifelhaft zugleich eine Stärkung des Verbandes, da die Außer- beruflichbeschäftigten als zahlende Mitglieder ihrer Verbands- Pflicht zu genügen glauben, abgesehen von denech die dem Ver­band den Rücken gekehrt haben. Da diese in anderen Verbänden Aufnahme nicht finden, schleppen sie lieber den Makel als Un- organisierte mit sich herum.

/ins der Partei. Erklärung. Vom Genossen Ernst werden wir um Aufnahme nachstehender Erklärung ersucht: In letzter Zeil wird sebr eiftig das Gerücht kolportiert, ich hätte für meine Tätigkeit als Vorsitzender des Verbandes sozialdemo- kretischer Wahlvereine ein festes Gehalt bezogen. Der Zweck dieses Gerüchts ist sehr durchsichtig. Ich stelle demgegenüber fest, daß ich in den zehn Jahren den Vorsitz im Verbände und den Vorsitz der preußischen Landeskommission ehrenamtlich geführt, d. h. weder direkt noch indirekt eine Entschädigung hierfür erhalten habe. Das wissen auch alle Zentralvorstands- Mitglieder. Wenn trotzdem obige Erzählung eifrig verbreitet wird. so muß ich das als böswillige Verleumdung brandmarken. _ Eugen E r n st.

Die Köuigsberger Parteileitung gegen die preußische Landes- kommission. Die Königsberger Parteileitung faßte in ihrer Sitzung vom 4. Juli d. I. auf Grund des Berichts über die letzte Sitzung der preußischen Landeskommission einstimmig folgenden Beschluß: Die Königsberger Parteileitung erklärt, daß der Beschluß der preußischen Landeslommission vom 21. Juni d. I., nachdem die bis- herige Leitung der preußischen Landesorganisation bis zum nächsten preußischen Parteitage im Amte bleiben soll, gegen Z 3 Abs. 2 des Statuts der Landesorganisation für Preußen verstößt, der vor- schreibt, daß als geschäftsführender Ausschuß der Landeskommission fungieren: der Vorsitzende, der Schriftführer und der Kassierer der Parteiorganisationen Groß-Berlins. Die Parteileitung erhebt daher gegen diesen st atutwidrigen Beschluß Einspruch, erkennt ihn nicht als rechtsgültig an und erwartet, daß der Parteivorstand, der nach§ 4 des Landesstatuts für die Er- ledigung der Parteigeschäfle der preußischen Landesorganisalion mit verantwortlich ist, die Ausführung dieses Beschlusses pflichtgemäß verhindern wird.

Soziales. Gratifikationeu sind Gehalt. In ausführlicher Weise begründete die I. Kammer des Berliner Kaufmannsgerichts unter dem stellvertretenden Vor- sitz des Magistratsrats Dr. Neumann eine Verurteilung der Deutschen Bank zur Zahlung der sogenanntenAbschluß- Gratifikation". Die verklagte Bank kam mit dem alten Einwand, daß es sich bei diesen Gratifikationszahlungen um ein freiwilliges Geschenk handle, dessen Erteilung die Direktion ausdrücklich davon abhängig mache,'daß der Angestellte zur Zeit der Auszahlung noch in den Diensten der Bank stehe. Auch werde jeder Neueintretende darauf hingewiesen, daß es immer dem Ermessen des Vorstandes vorbe- yalten bleibe, die Gratifikation zu bewilligen oder nicht. In dem zur Verhandlung kommenden Falle betrug die Gratifikation 13 Proz. des ganzen Einkommens. Die auf den Kläger entfallen- den 221 M. wurden ihm vom Kaufmannsgericht zugebilligt. Der Vorsitzende gab folgende Begründung: Die Kammer gehe von ihrer ständigen Auffassung nicht ab, daß derartige Zuwendungen nicht alsGeschenke" anzusehen seien. ZurSchenkung" gehöre der Wille beider Parteien, daß geschenkt werden solle. Auch der Angestellte müsse den Willen haben, sich beschenken zu lassen. ZurAnnahme" einer Schenkung liege aber auch gar kein Grund vor, der Gehilfe wolle nur eine Vergütung haben. Wenn man einem Angestellten, dem man eine laufende Zuwendung ge- währt, diese Zuwendung wieder fortnimmt, sobald er im Kündi- gungsverhältnis steht, so widerspreche das den guten Sitten.

Gerichtszeitung. llnzulässigkeit des Konflikts zugunsten des General- landschaftsdircktors Kapp. Das Oberverwaltungsgericht entschied gestern, daß der vom Landwirtschaftsminister zugunsten des Generalland- wirtschastsdirektors Kapp in der Klage der Volksfürsorge er- hobene Konflikt unzulässig ist. Das gerichtliche Verfahren wird demnach seinen Fortgang haben. Der Geschäftsbericht des Kuratoriums der ostpreußischen Landschaft für 1912 ist von Generallandschaftsdirektor Kapp ge- zeichnet. In dem Bericht wird die Uebernähme der Volksverfiche- rung mit Hinweisen auf dieVolksfürsorge, gewerkschaftlich-ge- nossenschaftliche Versicherungs-Aktiengesellschaft" in Hamburg be- gründet, die als ein sozialdemokratisches Unternehmen hingestellt wurde, das gefährlich sei. Unter anderm sagte jener Geschäfts- bericht von der gewerkschaftlich-genossenschaftlichen Gründung: Jeder ihrer Hypothekengläubiger wird auf seine Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie geprüft werden. Bei dem Terrorismus, der von dieser Partei bisher geübt worden sei, wird jeder Schuldner damit rechnen müssen, daß ihm das Darlehn gekündigt wird, wenn er es wagen sollte, seine Stimme einer andern Partei zu geben." Wci- ter enthielt der Geschäftsbericht die Behauptung, die Volksfürsorge- gesellschaft werde ihre Kapitalien mißbrauchen, ihre Freunde zu belohnen und ihre Widersacher zu bestrafen. Die Volksfürsorge- gesellschaft klagte darauf gegen Generallandschaftsdirektor Kavp auf Grund des§ 14 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb, jede Verbreitung jenes Geschäftsberichts und der mitgeteil­ten, darin enthaltenen Behauptungen zu unterlassen. Der Landwirtschaftsmini st er erhob zugunsten des Dr. Kapp den Konflikt, weil er als mittelbarer Staatsbeamter gehandelt hätte, das Klageverfahren gegen ihn sei einzustellen. Das Oberverwaltungsgericht� erklärte den Konflikt des Landwirtfchastsministers für unzulässig. In der Be- gründung wurde gesagt, daß die Zulässigkeit eines Konflikts per- Th. Gwcke. Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. VerlagsanjiaU:

sönliche und sachliche Voraussetzungen habe. Die per- sönlichen Voraussetzungen lägen vor. Als Direktor der ostpreußischen Landschaft sei Herr Kapp Beamter. Damit sei nun ja nicht ohne weiteres der amtliche Charakter für Hand- lungen gegeben, die Kapp in einer andern Sphäre vornehme. Aber das Gericht entnehme aus der ganzen Organisation der öffentlich- rechtlichen Versicherungsanstalt und aus ihrem engen Anschluß an die ostpreußische Landschaft, daß sie ein Zweig der Land- schaft sei. Aus diesen Erwägungen sei die Zulässigkeit des Konflikts nach der persönlichen Seite zu bejahen. In sachlicher Hinsicht sei zunächst davon abzusehen, ob es sich um eine Handlung auf staatshoheitlichem Gebiete handele, denn das Konfliktsgesetz umfasse auch Amtshandlungen fiskalischer Be- amter. Allein mit der Bejahung der Handlung als Amtshandlung sei die Frage der Zulässigkeit des Konflikts noch nicht gelöst. Das Konfliktsgesetz verlange für seine Anwendung, daß ein Be- amter gerichtlich verfolgt werde wegen einer Handlung, die er als Amtshandlung oder bei Anlaß einer Amtshandlung v o r g e- nommen habe. Das heißt, daß er gerichtlich verfolgt wende wegen einer schon geschehenen Handlung. Hier ziele aber die Klage ab auf Unterlassung dir Verbreitung des Geschäfts- berichts und der Behauptungen in Zukunft. Deshalb sei der Konflikt unzulässig._

Zur Auslegung der Brotverordnung. Wegen Uebertretung der Lichtenberger Brotverordnung war der Hausbesitzer Schmidt angeklagt worden. Auf seine Auf- forderung an die Mieter, sich aus seiner im selben Hause befind- lichen Wohnung die Brotkarten abzuholen, hatte der eine Haus- Haltungsvorstand seine Frau, der andere seinen erwachsenen'Sohn geschickt. Da diese beiden die Unterzeichnung einer Ouittung ver- weigerten, so gab er ihnen die Brotkarten nicht. Das Land- g e r i ch t sprach den Angeklagten frei, weil die beiden Beauf. tragten durch die nach Meinung des Gerichts aus nichtigen Grün- den erfolgte Verweigerung der Quittung die Nichtaushändigung der Karten veranlaßt hätten. Das Kammergericht hob jetzt das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Das Gericht sah von einer Entscheidung der im Prozeß aufge- worfenen Frage ab, ob eine den Hauswirten besonders zugegangene Anleitung des Magistrats von Lichtenberg , wonach die Wirte oder ihre Stellvertreter die Karten in den Wohnungen der Mieter ab- geben sollen, ein recküswirksamer Bestandteil der Brotverordnung des Magistrats von Lichtenberg geworden sei. Die Zurückverweisung der Sache cm das Landgericht erfolgte, damit dieses nachprüfe, ob nicht schon ein strafbares Verschulden des Wirtes darin liege, daß er die Karten den bei ihm erschienenen Beauftragten der beiden Haushalwngsvorstände(Frau und Sohn) verweigerte, weil sie nicht quittieren wollten._

Prozeß Steinberg. Noch einmal werden die Geschäftspraktiken der Krawatten- Nähschule des unseren Lesern sattsam bekannten Herrn Adolf Steinberg und seiner Frau das Gericht beschäftigen. Gegen das am 23. März gefällte Urteil des Schöffengerichts haben die Angeklagten Berufung eingelegt. Bekanntlich hatte das Gericht nach längerer Beweisaufnahme den Ehemann zu zwei Jahren Gefängnis, die Eheftau zu drei Monaten verurteilt. Ein früherer Termin in der Berusungsinstanz wurde vertagt, weil die von Sternberg namhaft gemachten Zeugen geladen werden sollen. Zu dem neuen Termin sind 66 Zeugen geladen.

Der Brief des Archivrats. Am Freitag, den 23. Juni, verhandelte die Gießener Straf- kammer wiederum gegen den A r ch i v r a t Dr. PiusWittmann aus Büdingen wegen Beleidigung des deutschen Heeres, der sich der Angeklagte in einem Briefe an seinen Kollegen, den griechischen Professor Mystagides in Galata bei Konstantinopel schul- dig gemacht haben soll. Die Sache wurde bereits am 24. März d. I. erstmalig verhandelt und die Verhandlung schloß damit, daß der Angeklagte eine Erklärung abgab, in welcher er bestreitet, mit dem angegriffenen Satze in seinem Briefe einen Vorwurf gegen das deutsche Heer, die Heeresleitung oder eine Befehlsinstanz habe er- heben oder diese beleidigen wollen. Weiter gab er in der Erklärung zu, daß die Fassung seines Briefes unvorsichtig sei, spricht sein Be- dauern aus und erklärt sich bereit, eine Buße von 100 M. an das Rote Kreuz in Gießen zu zahlen. Im Anschluß daran sprach er die Erwartung aus, daß das Kriegsministerium den Strafantrag zurück- ziehe. Das hat dies aber nicht getan und daher die neue Ver- Handlung, in welcher die Beweisaufnahme dasselbe Bild ergab. In fast überschwenglicher Weise� beteuert der 65 Jahr alte Gelehrte seinen Patriotismus, für dessen Echtheit er Briefe zum Beweise an- führt, die er in den Jahren 1866 und 1370 geschrieben hat. Die Beleidigung des Heeres soll in einem in dem Briefe gebrauchten Satze enthalten sein, welcher lautet:Als Katholik beklage und verdamme ich die Greuel in Belgien und Nord- frankreich, als Christ das Elend des Krieges." Dr. Wittmann bestreitet entschieden, damit eine Beleidigung gegen das deutsche Heer oder sonst jemanden ausgesprochen zu haben, noch weniger habe er eine solche beabsichtigt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hält eine Beleidigung für vorliegend; in dem betreffenden Satze liege die Behauptung, daß von deutschen Truppen Greuel in Belgien verübt worden seien, eine Behauptung, die in der ausländischen Presse in verleumderischer Absicht erhoben wurde und die unwahr sei. Auch sonst trete in dem Briefe absicht- liche Beleidigung gegen das Heer hervor. Er beantragt eine Geld- strafe von 6 0 0"M. Vom Verteidiger, Justizrat Dr. Jung, wurde zunächst Abweisung des Strafantrages verlangt, weil dieser erheblichen.formalen Mangel zeige. Aber auch nach materieller Seite hin liege keine Beleidigung vor. Kein Mensch sei genannt; ganz allgemein werde vonGreueln" gesprochen. Diese könnten von allen möglichen Leuten verübt und gegen Menschen oder Gegen- stände gerichtet sein. Außerdem sei Beleidigung eines gan- zen Heeres nicht möglich, das die verschiedenartigsten Elemente in sich fasse. Die patriotische und deutsche Gesinnung des Angeklagten sei gar nicht anzuzweifeln. Das am 30. Juni verkündete Ur­teil lautet aus 3 0 0 M. G e l d st r a f e. In der Begründung wird ausgeführt, daß, obwohl in dem Satze von den Greueln niemand ge- nannt ist, sich diese Aeußerung nur auf das deutsche Heer beziehen könne. Damit werde diesem Mißachtung der internationalen Kriegsgebräuche vorgeworfen, was eine ehrenkränkende Kritik be- deute. Wenn der Angeklagte die Beschießung von Kirchen, wie der Kathedrale von Reims und anderer tadelt und dabei seine Religion in Mitleidenschaft gezogen sieht, so hat er sich nicht geftagt, daß dieses Vorgehen eine kriegerische Notwendigkeit war. Eine Mehr- heit von Personen könne beleidigt werden, wenn kollektive Bezeich- nungen gebraucht würden. Die Beleidigung ist begangen gegen preußische und hessische Truppenteile; dtp Strafantrag ist formell in Ordnung. Bei der Strafzumessung fiel erschwerend ins Ge- wicht, daß ein schwerer Vorwurf von einem akademisch gebildeten Mann erhoben wurde. Strafmildernd wurde die vaterländische Ge- sinnung berücksichtigt und der Umstand, daß der Angeklagte als fanatischer Katholik seine Kirche angegriffen glaubte. Keine Spur des Beweises sei dafür erbracht, daß Greuel von deutschen Heeres- ungehörigen verübt worden wären.(z)

Allgemeine Familiensterbekaffe. Sonntag, den g. Juli, Zahl- und Aitsnabtnctag von 36 Uhr im Restaurant Gerichtstr. 12/13, und Sonnabend, den 22. Juli, von 45'/, Uhr in Wildau , Wildauer Hof.

WetteranSstchten für das mittlere Norddeurschland dtS Sonnabend mittag. Zunächst ziemlich bester und mäßig warm. Spater neue Zunabme der Bewölkung und im Westen, etwa bis zur llder hin, verschiedentlich Regen und strichweise Gewitter.___ SaulSinger& Co., Berlin SW, Hierzu 1 Beilage u. ttnterhaltungsbl.