Der französische Tagesbericht. Paris , 9. JuN.(W. T. SB.) Amtlicher Bericht vom Sonnabend nachmittag. An der Sommefront hinderte das schlechte Wetter die Kampscstätigkeit. Den Franzosen glückte gegen Ende de» Tages bei Belloy-en-Santerre ein Handstreich, der ihnen 359 Gefangene einbrachte. Sie drangen im Hand granalenkampf in deutsche Verbindungsgräben östlich von Estrecs ein, wobei sie an fünfzig Gefangene machten. Eine deutsche Ab- teilung versuchte nördlich von Lassigny einen kleinen Posten auf- zuheben, sie wurde durch unser Jnfanteriefeuer zerstreut. Heftiger Artillcriekampf an der Nordfront von Verdun , hauptsächlich im Abschnitt der Höhe 39t. bei Esncs, Souville und der Batterie von Damloup, aber keine Jnfanterietätlgkeit. In Lothringen hoben wir durch Handgranatenkampf einen deutschen Posten bei Bezange auf und nahmen einige Gefangene mit. Paris , 9. Juli. (W. T. B.) Amtlicher Bericht vom Sonnabend abend. Nördlich der Somme haben trotz anhal- tenden Regens und Nebels unsere Truppen heute früh einen Sturm auf das Dorf Hardecourt und den Hügel nördlich davon unternommen und in Verbindung mit der englischen Armee, welche ihrerseits das Trones-Gehölz und die Ferme südöstlich des Gehölzes angriff. In 35 Minuten war unsere Infanterie dank der Kraft ihres Angriffes im Sbesitz der in Aussicht genommenen Punkte. Zwei deutsche Gegenangriffe, von denen der eine aus Norden, der andere aus Osten im Laufe des Nachmittags auf den von uns eroberten Hügel unternommen wurden, wurden durch unser Feuer abgewiesen. Die Deutschen , die im Verlaufe der Aktionen bedeutende Verluste erlitten, liehen 269 Gefangene in unseren Händen. Südlich der Somme ist aus dem Laufe des Tages kein wichtiges Ereignis zu melden. An der Front von Verdun zeitweilig aussetzende Beschießung unserer ersten und zweiten Linien auf dem linken Ufer. Sehr heftig blieb die Artillerietätigkcit in den Abschnitten nördlich Souville, beim Fuminwalde und der Batterie von Damloup. Auf der übrigen Front die übliche Beschießung. Belgischer Bericht. In den Abschnitten von Boesinghe und Steenstraete haben wir heute das Zerstörungsfeuer gegen deutsche Verteidigungsavbeiten erfolgreich fortgesetzt; der Feind antwortete schwach. In der Gegend von Dixmude war die Ar- tillerietätigkeit ziemlich heftig. Die englische Melüung. London , 8. Juli. fW. T. B.)(R e u t e r m e l d u n g.) Amt- lich. Bericht des Generals Haig. Sehr schwere Regen- güsse behinderten die Operationen, und zwischen Ancre und Somme wurde die Nacht dazu verwendet, die vorderen Stellungen, die in den gestrigen Kämpfen erobert worden waren, auszubauen. Der Feind ließ bei Roclincourt und bei der Hohenzollernschanze Minen springen, ohne dadurch irgendeinen Vorteil zu erlangen. Wir ließen nordöstlich von Hulluch eine Mine springen, um eine feindliche Galerie zu zerstören. Unsere Flugzeuge belegten einen feindlichen Flugplatz bei Douai mit Bomben, zerstörten die Flugzeughalle voll- ständig und richteten auch sonstigen Sachschaden an. Während der letzten Tage erbeuteten wir zwanzig Kanonen und einundfünfzig Maschinengewehre, sowie zahlreiche automatische Gewehre, Lauf- grabenmörser, Minenwerfer und Scheinwerfer, sowie eine Menge anderen Materials, von dem noch kein Verzeichnis angelegt ist. London , 8. Juli. (W. T. B.)(Meldung des Reuter- scheu Bureaus.) Amtlich. General Haig berichtet: Heute wurde hauptsächlich an unserer äußersten Rechten gekämpft, wo wir weiter tüchtige Erfolge erzielten, eine Laufgrabenlinie er- stürmten und eine kräftig verteidigte Feldverstärkung im Walde von Tromes besetzten. Wir machten 31 Gefangene und erbeuteten mehrere Maschinengewehre. Ferner haben wir kräftige Gegenan- griffe des Feindes zurückgeschlagen. Auch in der Gegend von Ovillers sind wir ein beträchtliches Stück vorausgekommen. Die französische Artillerie an unserer Rechten gewährte uns bei unserem Vormarsch wertvolle Unterstützung. Der Feind hatte infolge der vereinigten anglo-französischen Beschießung schwere Verluste. Ein
deutscher Gegenangriff, der in Maffenformation über das offene Feld geführt wurde, brach unter dem Feuer der 18-Pfünder und der 7ö°Millimeter-Kanonen zusammen. Der Feind zog sich in Un- ordnung zurück. In den Ruinen von Ovillers dauern die Kämpfe von Mann gegen Mann fort. Unsere Aeroplane und Drachen- ballons waren trotz des bewölkten Himmels in Tätigkeit, machten Photographien, leiteten das Feuer von 5 Batterien und verursachten eine Explosion in einem feindlichen Munitionsdepot. Ferner warfen sie Bomben auf feindliche Quartiere. Ein britisches Flug- zeug bekämpfte, obwohl es beschädigt war, 3 feindliche Aeroplane 29 Minuten lang und kehrte dann wohlbehalten zurück. Sonst wurden nur wenige feindliche Maschinen weit hinter den feindlichen Laufgräben gesehen. Der rusilsche Kriegsbericht. Petersburg, 8. Juli. iW. T. B.) Am tlicher Bericht von Freitag abend. Westfront: Unter Ausnutzung ihres bisherigen Erfolges in der Gegend westlich des Abschnittes bei Czartorysk am Styr eroberten unsere Truppen, nachdem sie den Flecken Grgdie genommen hatten, nach heftigem Bajonettkampf die Dörfer Dolzyca(2 Kilometer nörd- sich Gradie) an der großen Straße Kolli— Maniewiczy und Gruciatyn. Die Zahl der österreichischen und deutschen Gefangenen wächst. An der Front südlich des Stochod unterhielt der Feind an vielen Ab- schnitten ein sehr heftiges Feuer. Nördlich der unteren Lipa ver- suchte der Feind unter dem Schutze seines Artillcriefeuers in der Gegend von Szklin(17 Kilometer nördlich Lipa) und Dubowhja Kor- czmy(3 Kilometer südlich Szklin) zum Angriff vorzugehen; er wurde jedoch abgewiesen. DaS Artilleriefeuer dauert an. G a l i z i e n: An mehreren Stellen Artilleriefeuer auf beiden Seiten. In der Gegend östlich Monasterzyska(17 Kilometer westlich Buczacz ) und am Koropiec-Bach drängen unsere Truppen den Gegner fortgesetzt weiter zurück. Westlich des Dorfes Sadzawka östlich De- latyn eroberten wir im Laufe des Gefechts eine feindliche Stellung und machten Deutsche zu Gefangenen. Südöstlich des Narocz-Sees machten die Deutschen einen heftigen Gegenangriff und nahmen einen Teil unserer Gräben, der ihnen aber gestern wieder verloren ging. Der Kampf dauert an. An einem Teil der ausgedehnten Front zwischen dem oberen Njemen und den Pinsker Sümpfen heftiger Artilleriekampf. Oestlich Baranowitschi in der Gegend des Dorfes Odochowscht(11 Kilometer östlich Barano- witscht) warfen uns die Deutschen etwas zurück. Es folgte ein hcf- tiger Gegenangriff. Durch die Konzentrierung unseres Feuers wurden die(Deutschen gezwungen sich zurückzuziehen. Anmerkung: In der Gegend von Baranowitschi , im Laufe der nächtlichen Angriffe, nahmen unsere Maschinengewehre mit den deutschen Maschinengewehren einen Zweikampf auf. Wir brachten sie zum Schweigen. In den letzten Gefechten zeichnete sich der M. G.- Unteroffizier Aloda besonders aus, der, verwundet und am Kopf durch einen Splitter verletzt, das Gefechtsfeld nicht verließ, sondern den Deutschen große Verluste beibrachte. Petersburg, 9. Juli. (W. T. B.) A m t l i ch e r B e r i ch t v o n Sonnabend nachmittag. W e st f r o n t: In der Gegend des unteren Styr westlich des Czartorysk-Abschnittes warfen unsere Truppen den Gegner zurück und erreichten gestern im Laufe des Kampfes die Linie Gorodok(9,5 Kilometer nördlich des Bahnhofs Maniewiczy) den Bahnhof Manie- wiczy— Konsk(5 Kilometer südlich des Bahnhofes Maniewiczy)— Zagorowka— Gruziatyn. In den gestrigen Gefechten in dem Abschnitt an der Eisenbahn in der Gegend des Bahnhofe? Maniewiczy machten wir 75 Offiziere und 2999 Soldaten zu Gefangenen. Bei der Ver- folgung des Gegners griffen die Kosaken in der Gegend von Optowo an. Starke österreichische Kräfte wurden mit dem Säbel nieder- gemacht und ungefähr 699 Mann gefangen genommen. Wir er- oberten 5 Geschütze, 6 Maschinengewehre und außerdem 3 Maschinen- gewehre mit vollständiger Bespannung. Die Gefangenenzahl wächst ständig. Wir erbeuteten zahlreiches Kriegsmaterial und allerlei Pro- Viani. Nach den soeben einlaufenden Meldungen eroberten wir noch
die Dörfer Lesznewka(17 Kilometer) und Griwa(22 Kilometer) nördlich des Fleckens Gorodok, 19 Werst diesseits des Stochod. Weiter südlich am oberen Stochod und im Abschnitt an der Nordftont in Galizicn ist außer Artillerickampf, und dem Gefecht, das in der Gegend des Dorfes Dubowhja Korczmh anhält, nichts zu melden. Oestlich Monasterzyska drangen unsere Truppen in das Dorf Hre- horow ein und machten mehr als 1999 Gefangene. An der Front des Koropiec-Baches finden heftige Artillerie- kämpfe statt. Deutsche und Oesterreicher machen Gegenangriffe. In der Gegend des Dorfes Mikuliczhn zwischen Delatyn und Körösmezö machte der Feind mehrere Gegenangriffe, die wir ab- wiesen. An der Düna front Jnfanteriegefechte. Südwestlich des Narocz-Sees läßt der Kampf nach Die letzten Gegenangriffe der Deutschen haben dort nichts an der früheren Lage geändert. Weiter I südlich an mehreren Stellen Artilleriefeuer. In der Gegend nord- I östlich Baranowitschi wurden die Versuche des Feindes, anzugreifen, I durch unser Feuer abgewiesen. Kaukasus : In der Richtung Baiburt machten unser? Truppen in der Gegend des oberen Tschoruk weiter Fortschritte. Petersburg, 9. Juli. (W. T. V.) Amtlicher SBericht vom Sonnabend abend. Westfront: Die Truppen des Generals Brussilow nähern sich dem Stochod und werfen den Gegner, der erbitterten Wider- stand leistet, überall. Wir griffen den Feind an vielen Stellen südlich Nobel am Pripjat an. Er zieht sich an den unteren Stochod zurück. In der vorigen Nacht verfolgte unsere Kavallerie die feind- liche Infanterie und ungarischen Husaren bis in die Gegend von Nowaja Ruda, südwestlich LeSzniewka, sieben Werst vom Stochod entfernt und südlich Trojanowka(18,5 Kilometer südlich Les- zniewka). In einem glänzenden Angriff mit der blanken Waffe machten unsere Transbaikal-Kosaken viele ungarische Husaren nieder und verjagten den Rest in die Wälder. Am Morgen nahmen unsere braven Truppen die ganze Stellung östlich der Dörfer Ugly(19 Kilo- meter nördlich Sokul) und Nawoz(5 Kilometer nördlich Sokul) am Styr. Wir machten viele Gefangene und eroberten drei Haubitzen. Darauf überschritten Teile unserer Truppen bei der Verfolgung des Feindes den Stochod in der Gegend des Dorfes Ugly. Nach ungefährer Berechnung sind im Lause der Kämpfe mindestens 399 Offiziere zu Gefangenen gemacht worden, darunter zwei Regi- mentskommandeure, außerdem ungefähr 45 Maschinengewehre, eine große Anzahl von Geschossen, Patronen, Waffen und Lebensmittel- und Proviantdepots. An der Front des Generals Ewert entbrann- ten an verschiedenen Stellen von neuem heftige Kämpfe. An der breiten Front östlich Baranowitschi werden diese Kämpfe mit be- sonderer Heftigkeit geführt. Der Gegner macht wütende Gegen- angriffe. Die Gesamtlage bleibt unverändert. Von den anderen Abschnitten ist nichts Besondere? zu melden.
Nelöung öer italienischen tzeeresleituns. Rom , 8. Juli. (W. T. B.) Amtlicher Bericht. Im Ledertale ungewöhnliche Tätigkeit der feindlichen Artillerie; einige Granaten fielen auf Bezzacca im Lagarinatal. Feindliche schwere Geschütze beschossen gestern unsere Stellungen auf dem rechten Etschufer und im Zugnagebiet. Unsere Artillerie hat feindliche Infanteriekolonnen im Terraguolotal zerstreut und Sprengungen in der Nachbarschaft von Rovreit bewirkt. Im Becken der oberen Astach haben unsere Truppen die von ihnen besetzten Stellungen verstärkt und Vorpostenabteilungen gegen die feindlichen Linien geschickt. Auf der Hochfläche von Schlegen lebhafte Tätigkeit an der ganzen Front. Im oberen Buttale beschoß die feindliche Artillerie unsere Stellung am Zellonkofel heftig. Auf dem Karst hielt der Feind in der Nacht zum 7. Juli unsere neuen Stellungen im Abschnitt von Monfalcone unter Geschütz feuer; bei Tages- anbruch hat er zwei Jnfanterieangriffe angesetzt, die sofort abge- wiesen wurden. Unsere Flieger haben feindliche Stellungen und Kolonnen südlich von Calliano im Etschtal und im oberen Teile des Assatalcs beworfen und sind unbeschädigt zurückgekehrt.
von öer weftfront. Eindrücke und Erlebnisse. Zurück. Im Kopfe dröhnt und summt es. In den Gliedern liegt es bleischwer. Warmes Blut läuft den Hals herunter, hat Rock und Bermel rot gefleckt. Aber keine langen Ueberlegungen! Fort, heraus aus dem Gedränge, dem Gezisch der Gewehrgeschosse und dem Krachen der Granaten. Mit wunderbarer Kraft richtet sich der Verletzte auf und krabbelt über Tote hinweg, zwischen den Beinen der Lebenden hindurch auf der Sohle des Grabens entlang. Die Angst, wieder die SBesinnung zu verlieren, treibt ihn vorwärts. „Sanitäter?!" fragt er von Zeit zu Zeit die Kameraden, die noch aufrecht im Graben stehen. Aber immer kommt nur die Antwort:„Hier ist keiner. Vielleicht weiter hinten." Dort lehnt gegen die Hinterwand des Grabens der Kompagnie- führer. „Adieu, Herr Leutnant. Jetzt Hab ich auch mein Ding ge- brannt gekriegt." „Na, vielleicht ist es nicht so schlimm. Gute Heilung!" Sie reichen sich einen Augenblick die Hand. Dann beobachtet der Offizier schon wieder das Gelände, der Verwundete kriecht weiter. Endlich wird Luft, das Gedränge der Kämpfenden siegt zurück. Kein Sanitäter. Aber dort hockt ein anderer Verwundeter, dem Blut aus dem Schenkel sickert, und der eben dabei ist, eine Binde um die enl- bläßte Wunde zu wickeln.. „Na, Kamerad, Du siehst ja auch nicht schlecht aus. Kops- wunde, was?"« „Ja." „Wart' einen Augenblick. Ich schneid' Dir dann das Gepäck ab und mach Dir einen Verband. Dann wollen wir zusammen wei- ter sehn." Der Angesprochene hockt nieder und benutzt die Wartezeit, um einen Schluck aus seiner Feldflasche zu nehmen. Nachdem der andere seine eigene Wunde verbunden hat, hilft er dem Kameraden das Sturmgepäck abstreifen und schlingt ihm die hervorgeholte Binde um den Schädel. Dann suchen sie sich zu zweien, kriechend und humpelnd, ihren SLZeg weiter durch die zerlöcherte, kaum noch erkennbare Graben- rinne. Zwei-, dreimal begegnen ihnen unverwundete Kameraden, die mit Handgranaten beladen nach vorn eilen. Sie weisen den Krie- chenden den Weg und trösten:„Nur noch hundert Meter, dann seid Ihr gedeckt!.". Ah! Dort stehen die Ruinen der Kirche, an der vorbei man in da» Dorf drang. Dann kann der Abhang, der zur schützenden Schlucht führt, tatsächlich nicht mehr weit sein. Schon ist der Hang zu sehen. Noch gilt eS, sich durch das stachlichte Gewirr des zerstörten Drahtverhaue» zu arbeiten. Nun ist auch das geschehn. Vierzig, fünfzig Meter weiter zieht sich der Sturmgraben parallel, aus dem der Angriff gemacht tt)ut£ve. Ach was! Jetzt Beine in die Hand! Ein paar ordentliche Sätze r-, ein Sprung,,, der Schutz des Grabens ist gewonnen.
Der Schädel brummt, die Knie zittern. Aber das Schlimmste ist überstanden. Ging es soweit gut, wird es auch weiter gut gehen. Eine eigene Fröhlichkeit macht das Herz klopfen. Ein Gc- fühl:„Du wirst leben bleiben!" durchdringt alle Nerven und be- lebt die Glieder. Eine wundersame Ruhe kommt über den Eni- ronnenen, und er achtet kaum noch des Gelärms der Schlacht.... Kameraden. Der Abhang, auf den der Graben ausläuft, ist buntbelcbt. Zu Hunderten hat mau hier die Gefangenen zusammengebracht. Bewachungsmannschaften dazwischen. Verwundete, Sanitäter, die sich um sie bemühen. Offiziere, Leute, die noch nach vorn geschickt werden sollen. So flutet es hin und her, bis weiter hinten das hier noch breite Tal sich zu der Schlucht verengert, in der die Reserven liegen. Mehr laufend als schreitend taumelt der Verletzte aus dem Graben heraus, den Hang hinab. Schon aber springen zwei Helfer auf ihn zu. Fürsorglich fassen sie ihn jeder an einen Arm und stützen seine Schritte. Sie kön- neu sich kaum genug tun, ihm den Weg zu erleichtern. Er muß abwehren, daß sie ihn nicht völlig tragen. Tröstende Worte, teil- nahmsvolle Fragen begleiten die Bemühungen. Aber— es sind fremde Laute, die der Verwundete hört. Die Begleiter, die sich so um ihn bemühen, tragen einen anderen Rock als den seinen. Der Herz jedoch, das in ihrer Brust schlägt, fühlt gleich dem seinigen. Ringsum, überall sind die Gefangenen dabei, sich der Ver- mundeten, die angekrochen kommen oder von Trägern gebracht werden, anzunehmen. Und wer sie sieht, wie sie bin und her springen, wie sie Blicke voll Teilnahme auf die Opfer des Kampfes richten, der fühlt: Es ist nicht nur das Interesse, sich durch Dienst- beflissenheit eine gute Aufnahme zu sichern, das sie treibt; auch ein gut Teil kameradschaftlichen Mitgefühls ist dabei. Die Sanitätsmannschaften machen sich den Eifer der Franz- männer zunutze. Systematisch wird der Weitertransport der Schwerverletzten organisiert. Je vier erhalten einen deutscheu Kameraden überwiesen. Sorgfältig wird er in eine Zeltbahn ge- bettet, durch die oben eine Stange gesteckt wird. Ist eine Anzahl so Gebetteter zusammen, heben auf ein Zeichen die Tröger ihre Stangen auf die Schultern, und ein Transport kann wieder ab- gehen. Vorsichtig setzen die Stangenhalter Fuß für Fuß; langsam geht es zur Schlucht hinunter. Leichtverwundete, von gefangenen Franzosen geleitet, schließen sich an, am Schluß vielleicht auch noch ein Haufe Gefangener, die keine Schutzbefohlenen haben. Hier und dort ein Mann mit aufgepflanztem SSajonett als Bewachung. Aber es denkt ja keiner daran, davonzulaufen.... Sperrfeuer. Ein trübseliger Zug: Leichtverwundete, Gefangene, Schwer- verletzte, von Gefangenen getragen, ein paar Mann als Bedeckung. So geht es auf schmalem Wege durch den schwarzen Wald, über dem die Granaten hinüber und herüber sausen. Es wird nicht viel gesprochen. Häufiger ein Stöhnen, Aechzeu. Der Wald hört auf. Eine Talmulde; jenseits kahle Hügel. „Halt!" kommandiert der Führer. Die Träger nehmen die Stangen, an denen die Zeltbahnen mit der Last der Schwervcr- mundeten hängen, vorsichtig von der Schulter und legen sie auf die Erde. Einer oder der andere der Verstümmelten hat einen
Wunsch, bekommt einen Schluck zu trinken, erhält das zerschmet- terte, vorn nur notdürftig verbundene und geschiente Bein anders gebettet.... Die Leichtverletzten lagern sich am Waldrand. Die Gefangenen stehen in Gruppen, meist stumm, etwas verängstigt; wenn sie sich unterhalten, geschieht es leise. Hier dreht sich einer seine Zigarette. Dort bemühen sich zwei um einen Kameraden. der eine schwere Beinverletzung hat, aber keinen rechten Verband trägt, vielleicht und weil er sich scheute, den Verbandplatz der „Feinde" in Anspruch zu nehmen, vielleicht auch, weil er von ihm gar nichts wußte. Auch sonst erkennt man jetzt noch Verwundete unter den Gefangenen. Ein paar können sich scheinbar nur noch mühsam auftecht halten und suchen eine Stütze.... Noch bemühen sich die Sanitäter um die Schwerverwundeten, da kracht es plötzlich gellend auf— rechts, links, hinten und vorn. Ladung auf Ladung feindlicher Batterien umprasselt das Tal, in dem der Zug hält. Im Walde knackt es von brechenden Zweigen, stürzenden Stämmen, auf den Hügeln, die das Auge faßt, wogen wieder und wieder Dampf- und Erdwellen empor. Au ein Weiterdringen ist vorerst nicht zu denken. � Das flache Tal, in dem die Kolonne rastet, gewährt zwar herzlich schlechten Schutz, entzieht aber wenigstens der feindlichen S&eobachtung. Eng kauern sich die Verletzten, die am Waldrand hocken, zur Erde, jede mögliche Deckung ausnutzend. Die Gefangenen wagen nicht, sich zu ducken. Es ist gewiß keine geringe Nervenprobe für sie, inmitten die- ses Feuers auftecht, unbeweglich stehn zu bleiben.% Aber sie zeigen, daß sie es können. Das Feuer hält an. Wahrscheinlich vermutet man da? Heran- nahen von Verstärkungen und legt einen Schleier von Eisen über die Höhen, die nahende Truppen überschreiten müssen. Viertelstunde nach Viertelstunde verrinnt. Der Führer des Transportes beratschlagt mit einigen ande- ren. Schließlich befiehlt er:„Weiter!" Die Träger heben die Schwerverwundeten wieder empor. Der Zug der Gefangenen ordnet sich. Langsam geht eS die fteie Höhe hinan. Die meisten der Leichtverwundeten bleiben indessen im Schutze des Tälchens, um ein Nachlassen des Feuers oder die Dämmerung abzuwarten. Mit ihnen bleibt auch ein Franzose. Er hat sich nicht mehr halten können; abseits der anderen ist er niedergesunken, hat den Rock aufgemacht, auch die Hose geöffnet. Da sieht man nun, daß sein Leib weit aufgerissen ist. Blutig gelb quillt es heraus.� Er preßt die Hände dagegen und stöhnt in kurzen Pausen gedämpft— ergreifend. Keiner kann ihm helfen. Langsam, entsetzlich langsam fließen die Minuten. Endlich, endlich sinkt drüben die Sonne zur Kuppe des Hügels hernieder. Gleichzeitig scheint das Feuer ein wenig nachzulassen. „Ich mach jetzt los!" sagt einer und steht auf. Ein paar andere folgen.._, „Haben wir solange gewartet, können wir auch noch hier blei- den, bis es richtig dämmerig ist," meint ein anderer. Der erste Trupp zieht ab; solange(Wald und Höhe etwas wie Deckung gewähren, geht es im Schritt; dann marsch, marsch.... Mehr und mehr folgen dem Beispiel. Schließlich auch die letzten. Nur der stöhnende Franzose bleibt, die Hände immer noch gegen den zerrissenen Leib gepreßt, seiner Sterbenacht gewärtig. W