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Nr. 201.

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Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritplaz, Nr. 151 90-151 97.

Großer Ministerwechsel in Rußland .

Petersburg, 23. Juli. ( W. T. B.) Mel­dung der Petersburger Telegraphen- Agentur. Mi­nisterpräsident und Minister des Innern Stür­mer ist zum Minister des Auswärtigen ernannt worden und behält den Vorsiz im Minister­rat. Justizminister Chwo stow wurde zum Mi­nister des Innern, der ehemalige Minister des Innern Makarow zum Justizminister er­nannt. Dem Minister des Auswärtigen Ssaso= now wurde der Rücktritt in Genehmigung seines Gesuches bewilligt.

Die lakonische Meldung der Petersburger Telegraphen­agentur gibt der Welt wieder eine Anzahl Rätsel auf, deren Lösung möglicherweise den Gang der weltpolitischen Ereig­nisse in einschneidender Weise beeinflussen wird. Doch darüber jezt Betrachtungen anzustellen, ist verfrüht, denn die näheren Umstände des neuen ministeriellen Bodspringens" wie die fortgesetzten Ministerwechsel in Rußland genannt werden find der Deffentlichkeit vorläufig noch gänzlich unbekannt. Selbst die gewöhnlich gut unterrichteten großen Moskauer und Petersburger Blätter wußten noch in den letzten Tagen nichts über den Ministerwechsel zu melden, und nur die Russkoje Slowo" brachte die etwas rätselhafte Nachricht, der Reise des Ministerpräsidenten Stürmer und aller übrigen Minister ins kaiserliche Hauptquartier werde in allen politi­schen Kreisen die größte Bedeutung zugeschrieben. Eine große Anzahl von Fragen höchster Bedeutung stände zur Verhandlung, von deren Entscheidung durch die Minister die Aussichten des Friedens in wesentlichem Maße ab­hingen. In Verbindung mit diesen Beratungen wurde auch von bevorstehenden wichtigen Kundgebungen, so von einem neuen Manifest an die Polen gesprochen, das angeb­lich vom Minister des Aeußeren Ssaso now ausgearbeitet worden sei. Nichts wies also darauf hin, daß dem Kronrat beim Zaren so einschneidende Aenderungen im Kabinett folgen und daß gerade der Minister des Aeußeren, der bisher stets als Eckpfeiler des Kabinetts galt und schon aus Rücksichten auf das Ausland von den Verschiebungen in der Regierung verschont blieb, dem neuen Ministerschub zum Opfer fallen würde. Und dies um so mehr, als Ssasonow, der 1908 die Nachfolge Jswolskys antrat, mit der ganzen Politik der nach­folgenden Zeit, in die der Ausbau und die Festigung aller jebigen Bündnisse Rußlands und die Festlegung aller ihrer Richtlinien fielen, im Verkehr mit den Alliierten schlechter­dings als unerseßlich gelten mußte.

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Was nun die Gründe für die plögliche Verabschiedung Siasonows gewesen sind, entzieht sich vorläufig der Beurtei lung. Würde die gesamte Kriegs- und Wirtschaftspolitik Rußlands nicht so eng mit der Englands und Frankreichs ver­fnüpft sein, so könnte man annehmen, daß mit dem Fall Ssa­sonows ein Wandel in der Kriegspolitik Rußlands sich an­bahnt. Andererseits ist es auch möglich, daß die Konzessio­nen, die Ssasonom beim Abschluß des russisch - japanischen Bündnisses an Japan machte, in Verbindung mit seinem Drängen, den Polen - im Interesse der Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu den Verbündeten weitgehende Zu­geständnisse innerpolitischer Natur zu machen, seinen Sturz herbeigeführt haben. War Ssasonow den steifnadigen Kon­servativen echtrussischer Färbung schon immer ein Dorn im Auge, weil er mit den Kadetten liebäugelte und- notge­drungen ein liberales Dekorum nach außen hin wahrte, so mußte er ihnen jezt vollends als Greuel erscheinen, als er den zu Kriegsbeginn ausgestellten Wechsel in der pol­nischen Frage zur Einlösung präsentierte und dadurch einen Mißton in die mit Macht einseßende Zurückorientierung" der Regierung in die echtrussischen Bahnen hineintrug.

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Diese Annahme gewinnt um so mehr Wahrscheinlichkeit, als die übrigen Aenderungen im Kabinett durchaus im Zeichen dieser Zurüdorientierung stehen. Ueber den Mi­nisterpräsidenten Stürmer ist nicht viel zu sagen: seine reaktionären Qualitäten hat er noch fürzlich bei der plöß­lichen Unterbrechung der Dumaarbeiten und bei der fort­gesezten Bekämpfung der großen gesellschaftlichen Verbände erwiesen. Daß er jegt zum Minister des Aeußeren ernannt wurde, erscheint um so überraschender, als er dem diploma­tischen Dienst vollkommen fern stand und bei seinen geringen geistigen Fähigkeiten und Kenntnissen für einen solchen Posten überhaupt nicht in Frage kam. Wenn nicht andere Zwecke mit dieser Ernennung verknüpft sind, dürfte es sich hier nur um eine Verlegenheitskandidatur handeln.

Eine nicht geringe Ueberraschung bietet der Uebergang des Justizministers Chwo stow zum Minister des Innern und die Ernennung Matarows zum Justizminister. Als ,, kommenden Mann" im Ministerium des Innern galt all­gemein der bisherige Gehilfe Stürmers, Graf Bo­brinsky, der Vertrauensmann der Rechten und ihr bis­heriger Führer im Reichsrate. Daß er jetzt übergangen wurde, erklärt sich wohl daraus, daß er bei der Beratung der Bauernvorlage in der Duma recht übel abgeschnitten hat.

Montag, den 24. Juli 1916.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moritzplatz , Nr. 151 90-151 97. Möglich ist aber auch, daß er für fünftige Kombinationen Zusammensetzung der Regierung in Reserveſtellung

Meldung des Großen Hauptquartiers.halten wird. Der neue Miniſter des Innern Chwoſtow ist

Amtlich. Großes Hauptquartier, den 23. Juli 1916.( W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplah.

Zwischen dem Meere und der Ancre haben in einzel­nen Abschnitten lebhaftere Feuerkämpfe stattgefunden; in der Gegend von Richebourg ist eine stärkere feindliche Erkundungsabteilung abgewiesen worden.

Zwischen Ancre und Somme kam es nach tags­über gesteigerter Artillerietätigkeit abends und nachts er­neut zu Infanteriekämpfen an der Front Thiepval­Guillemont. Die hier angesekten englischen Angriffe blieben trok rücksichtslosen Einsatzes an Menschen erfolg­los, bei und westlich von Pozières, am Foureaux- Wäld­chen und am Westrande von Longueval führten sie zu heftigen Nahkämpfen. Zwischen Guillemont und der Somme wurden Angriffsversuche des Gegners bereits in den Ausgangsgräben durch Sperrfeuer erstickt. Südlich der Somme folgten dem zeitweise sehr starken, von uns in gleicher Weise erwiderten Feuer nur vereinzelte fran­ zösische Vorstöße, die mißlangen. Es sind über 100 Ge­fangene eingebracht, darunter einige Offiziere.

Im Maasgebiet Artilleriekampf von mehrfach großer Stärke.

Destlich des Flusses wurden im Abschnitt von Fleura feindliche Handgranatentrupps, im Bergwald( nördlich der Feste Tavannes) Erkundungsabteilungen abgewiesen. Südlich von Damloup gewannen wir in Richtung des Gehöftes Dicourt Gelände, machten Gefangene und Beute.

Die Stadt Müllheim i. B. und in der Nähe ge­legene Dörfer wurden gestern von einem französischen Ge­schwader mit Bomben belegt. Wir haben zwei der feind­lichen Flugzeuge im Luftkampf abgeschossen und den An­griff sofort mit schwerem Feuer auf die Stadt Belfort beantwortet.

Deftlicher Kriegsschauplah.

Südöstlich von Riga wurde spät abends ein feind­licher Angriff im Sperrfeuer zum Scheitern gebracht.

Uebergansversuche der Russen über den Styr bei Zahatka( südwestlich von Beresteczko ) wurden durch deutsche Batterien verhindert.

Nichts Neues.

Balkan - Kriegsschauplak.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichische Generalstabsbericht.

Wien , 23. Juli. ( W. Z. B.) Amtlich wird ver­lautbart:

Russischer Kriegsschauplab.

Südöstlich von Tatarow durch einen starken russischen Vorstoß bedroht, nahmen wir die auf der Magura kämpfenden Truppen gegen den Karpathenhauptkamm zurück. Sonst bei unveränderter Lage nichts Neues.

Italienischer Kriegsschauplay.

Nach einigen Tagen einer den Verhältnissen entsprechenden huhe kam es gestern an der Front südlich des Valsugana wieder zu sehr heftigen Kämpfen. Durch andauerndes Artil­leriefeuer äußerster Stärke unterstüßt, griffen die Italiener an mehreren Stellen wiederholt an. Sie wurden überall unter den schwersten Verlusten zurückgeschlagen. Das Feldjäger­bataillon Nr. 7 und Teile des Infanterieregiments Nr. 17, gegen deren Stellungen sich der Hauptansturm des Feindes richtete, zeichneten sich in diesen Kämpfen ganz besonders aus.

Auch im Raume von Pane veggie nehmen die Kämpfe an Ausdehnung zu. Der Angriff einer italienischen Brigade gegen die Höhen füdwestlich von Paneveggie wurde blutig ab­gewiesen. Auf den Höhen nördlich des Ortes scheiterte gleich­zeitig der Vorstoß eines feindlichen Bataillons. Abschnitte un­serer Tiroler Front, in denen gestern nicht gekämpft wurde, standen zumeist unter heftigem feindlichen Geschüßfeuer. An der Isonzofront wurde der Monte San Michele stark beschossen.

Südöstlicher Kriegsschauplak.

Unverändert.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: von Hoefer, Feldmarschalleutnant.

ein Onkel jenes Chwostow, der im vorigen Jahre ein ebenso standalöses wie ruhmloses Semester als Minister des Innern absolviert hat. Der älteste Chwostow ist zwar nicht so drauf­gängerisch wie der junge, entspricht aber im übrigen durchaus der tiefschwarzen Färbung des Kabinetts. Das neue Mit­glied endlich, der jetzt für die Justiz berufene Makarow, ist ein Mitglied des berüchtigten Kleeblatts Maklakow­Schytscheglomitow- Makarow, das in den letzten Jahren an der Spize der extrem- rechten Regierungsmänner stand. Daß er jest wieder zur Regierung berufen wurde, weist darauf hin, daß auch seine beiden Freunde, die im vorigen Jahre ab­gesägt werden mußten, demnächst wohl ihre fröhliche Auf­erstehung feiern werden. Sie sind schon jetzt in den Kon­ventikeln der Echtrussen und den Salons der äußersten Rechten äußerst rührig; ihr Einfluß ist in den sensationellen Denk­schriften der Rechten, die in den politischen Kreisen zirkulieren, bemerkbar, und ihr Kurs, der allem Anscheine nach auch der Kurs des erneuerten" Kabinetts sein dürfte, wurde noch neulich von dem Erminister Maklakow im Reichsrate mit folgenden Worten formuliert:

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,, ir nähern uns dem Ende des Weltkrieges und wir müssen dessen eingedenk sein, daß wir ein festes, stabiles Steuer haben müssen, um allen mit der Liquidation eines jeden Krieges notwendig verknüpften inneren Rom = plitationen entgegentreten zu können."

Demnach geht Rußland unter dem Steuer" der Ge­sinnungsgenossen und Freunde dieses Führers der Rechten ,, herrlichen Zeiten" entgegen.

Der französische Tagesbericht.

Paris , 22. Juli. ( W. T. B.) Amtlicher Bericht vom Sonnabend nachmittag. Zwischen Oise und Aisne zer­streuten die Franzosen eine starke deutsche Erkundungsabteilung in der Gegend von Moulin sous Touvent. In den Argonnen brachten die Franzosen eine Flatbermine zur Entzündung und schlugen einen Handstreich der Deutschen gegen einen fleinen Posten bei Fille Morte ab. Auf dem rechten Ufer der Maas heftiges Bombardement in den Abschnitten von Fleury und vom Fumin­Gehölz. Südlich von Damloup scheiterte ein deutscher Angriff im Feuer. In den Vogesen griffen die Deutschen nach lebhafter Beschießung um 11 Uhr nachts nordwestlich von St. Dié an. Sie wurden unter schweren Verlusten zurückgeschlagen.

Flugdienst. Ein französisches Geschwader bombardierte gestern dreimal den Bahnhof von Met- Sablon und warf 115 schwere Geschosse auf die Gebäude und den Bahnstrang, wo großer Schaden festgestellt wurde. Ein deutsches Flugzeug griff das Geschwader an. Das Flugzeug wurde zum Absturz gebracht. Ein französisches Flugzeug mußte wegen einer Beschädigung landen und ist nicht zurückgekehrt. Heute früh warf ein deutsches Flugzeug Bomben auf Belfort . Meine Verluste und kein Schaden.

Paris , 23. Juli. ( W. T. B.) Amtlicher Bericht vom Sonnabend abend. Am rechten Ufer der Maas erzielten wir einige Fortschritte in der Gegend von Fleurh. Wir machten 70 Gefangene. Von der übrigen Front ist kein wichtiges Er­eignis zu melden. Entgegen der Meldung des Berichtes von heute nachmittag sind alle französischen Flugzeuge, die an der Be­schießung des Bahnhofes Mez- Sablon beteiligt waren, in unsere Linien zurückgekehrt.

Die englische Meldung.

London , 23. Juli. ( W. T. B.) Amtlicher Bericht. Heute ist nichts Wichtiges zu melden. Unsere Flieger zerstörten gestern sechs feindliche Flugzeuge und zwangen verschiedene andere, in beschädigtem Zustande zu landen. Ein englisches Flugzeug wurde durch Geschüßfeuer abgeschossen, zwei andere werden ver­mißt.

Der Bericht Der Bericht der russischen Heeresleitung.

Petersburg, 23. Juli. ( W. T. B.) Amtlicher Bericht vom 23. Juli, nachmittags.

West front. Auf dem linken Flügel der Rigaer Stellungen dauern die Kämpfe gegen deutsche Truppen an. In der Gegend des Dorfes Martyszki( 11 Kilometer) nordöstlich von Smorgau gelang es uns, durch einen erfolgreichen nächtlichen Handstreich einen Teil eines feindlichen Grabens zu nehmen. Schwere deutsche Artillerie beschoß den Abschnitt östlich von Baranowitschi äußerst heftig. Südlich von der Lipa werfen unsere Truppen den Feind weiter zurück, gingen über den Flecken Beresteczko vor und ge­winnen nach Westen Gelände. Die Truppen des Generals Sacharow haben am 20. und 21. Juli über 300 Offiziere, darunter einen General und einen Obersten, und über 12 000 Soldaten ge= fangengenommen, so daß die Gesamtzahl der im Laufe der Operationen seit dem 16. Juli gemachten deutschen und öster­reichischen Gefangenen einschließlich der Offiziere 26 000 Mann beträgt; die Zahl der erbeuteten Geschüße und Maschinengewehre wird erst festgestellt. In der Gegend der Dörfer Werben und Plaszewe( 5,5 Kilometer südlich von Werben) auf dem rechten Styr- Ufer, südlich von der Lipa- Mündung, wurde das 13. öfter­reichische Landwehrregiment umzingelt; das ganze Regiment er gab sich.