Kriegsuberöruß und Zrieöen. Ein Leitaufsatz von„Göteborgs Handels- och Sjöfarts- Trdning" vom 13. Juli führt etwa folgendes aus: Die ursprünglich von beiden Teilen vertretene Anfchau- ung, der Gegner müßte zur Gewinung dauernden Friedens vollständig besiegt werden, hat der Ansicht Platz gemacht, beide Teile müßten gleich stark oder, wenn man will, gleich schwach aus dem Kampf hervorgehen. Ein solcher Ausgang erscheint der wertvollste, denn er führt zu keiner Machtverschiebung, die von neuer Unruhe und Wettrüstung gefolgt würde. Der letzte große Krieg 1870/71 hinterließ beim Sieger eine allzugroße Zuversicht zur Wasfenstärke und beim Besiegten den Revanchegedanken. Wenn die Menschheit erst wieder eine Zeit im Frieden gelebt hat, wird sie nicht wieder so leicht zu den Waffen greisen wie 1914, denn man glaubt nicht mehr an eine Entscheidung, weil beide Parteien gleich stark sind. Es müßte denn ein Genie etwas erfunden haben, was den Schlltzengrabenkrieg zum überwundenen Standpunkt macht. Einen zweiten Frie- densfaktor bildet die abschreckende wirtschaftliche Nachwirkung dieses Krieges mit seinen drückenden Lasten, inneren Krisen, körperlicher und geistiger Invalidität. Endlich wird die Geschichtsforschung das Gefühl für eine gemeinsam« Mitschuld hervorrufen und dadurch den Frieden stärken.
Eingeschlagene Fensterscheiben. Professor Philipp Zorn , einer der deutschen Bertreter ans den Haager Friedenskonferenzen, ist dieser Tage in ausführlichen Darlegungen in der„Neuen Zürcher Zeitung " den Anschuldigungen des französischen Senators und Pazifisten Baron d' E st o u r- nelles de Constant über die Haltung Teutschlands auf den Haager Friedenskonferenzen entgegengetreten. Er gab zu, daß das Verhalten Deutschlands auf der zweiten Konferenz, anläßlich der Beratung eines WeltschicdsgerichtsvertragS auf der Grundlage des obligatorischen Schiedsgerichts,„ein schwerer poli» tischer Fehler" gewesen sei, sich„bitter rächen werde". Aber, erklärt er zum Schluß, der Vorwurf d'Estournelles', die deutschen Vertreter hätten sowohl aus der ersten wie auf der zweiten Konferenz alle ihre Anstrengungen daraus gerichtet, die Konferenz zum Schei- tern zu bringen, sei eine Ungerechtigkeit und Unwahrheit. So einer der deutschen Delegierten über eine Frage, die nicht nur die öffentliche Meinung der neutralen Länder lebhast bewegt, sondern auch für die Friedensarbeit der Zukunft von eminenter Bedeutung ist. Ueber die letzte Frage hat sich dieser Tage auch ein zweiter deutscher Delegierter, Professor v. Stenge l-München, geäußert, und zwar anläßlich einer Umfrage, die der holländische„Anti- Oorlog-Raad" unter den Delegierten der beiden Haager Friedenskonferenzen veranstaltet hat. Auf die erste Frage: ob es wünschenswert und möglich sei, nach dem Kriege die Arbeit der Haagcr Friedenskonferenzen fortzusetzen, antwortete Professor von Stengel, nach den„Basler Nachrichten", folgendermaßen: „1. Nein. Uebrigens auch ganz überflüssig, denn der endgültige entscheidende Sieg wird zweifellos und muß uns Deutschen zufallen. Damit werden wir dann aber auch in die Lage gesetzt, fortan alle Friedensunlustigien im Schach zu halten und nicht nur uns, sondern der gesainten zivilisierten Menschheit den dauernden und allein wahren Frie- den zu geben, zu sichern und zu erhalten. Der ganze gegen- wärtige Verlauf des Krieges howeist ja doch, daß wir Deutsche unter allen Völkern von der Vorsehung aus- ersehen sind, an die Spitze aller Kulturvölker zu treten und sie zum sicheren Frieden unter unserem Schutze zu führen; denn wir haben nicht allein die nötige Macht und Ge w a l t. sondern auch die h ö ch st e P o t e n z a l l e r G e i st e s- gaben und bilden die Krone der Kultur in der gan- zen Schöpfung. Darum ist uns vorbehalten, waS bisher keiner Nation noch gelang, nämlich aller Welt den Frieden zu geben. 2. Damit ergibt sich die Unnötigkeit aller Fort- setzung von Jriedensarbeiten jeder Art, weil wir Deutsche sodann mit der Herrschast über die unruhigen Nachbarn auch das Amt und die Aufgaben jedweder Friedenspolizei übernehmen und aus eigener Kraft gegen jedwede Seite behaup- :en werden. Wir werden jede Friedensunlust im Keime zu er- sticken wissen. 3. Unterwerfung unter unsere in jeder Hin- ficht überlegene Leitung ist daher das einzige und sicherste Mittel zu einer gedeihlichen Existenz für jede Nation, insbesondere auch für die Neutralen, die am besten täten, uns sich freiwillig anzuschließen und an- zuvertrauen. Wohltat ists und weise Vorsicht, in diesen schweren Zeiten der Parteiung sich anzuschließen an ein mächti- ;:Z Haupt. Denn um den mächtigen Erbherrn wohl verdienen, heißt Saaten in die Zukunft streuen. Es gibt kein gefühl- volleres und idealeres Volt als uns Deutsch «, und darum ist unter unserer Hut jedesVölkerrechtvöllig überflüssig, weil wir aus eigenem Instinkt und von selbst jedem sein Recht zuteilen." Man mutz Herrn Professor v. Stengel das eine zugestehen, daß er aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und offen auS- gesprochen hat, was in gewissen Kreisen noch immer— trotz der Lehren des Weltkrieges— als Selbstverständlichkeit angesehen wird. Für die innerpolitische Klärung wäre eine solche Offenheit nur zu begrüßen. Wie verhält eS sich aber mit ihrer Wirkung nach außen hin? Würde Professor v. Siengel als Privatmann ge- sprachen haben, so lärmte man ihn höchstens zu der Schar jener größenwahnsinnigen, jeden politischen Augenmaßes und Berständ- nisses baren Professoren rechnen, über die die breite Oefsentlich- keit bereits achselzuckend zur Tagesordnung übergeht. Herr von Stengel äußerte sich aber in seiner Eigenschaft als früherer offi- zieller deutscher Delegierter zu den Haager Friedens- konferenzen, mutzte also damit rechnen, daß seinen Worten im neutralen Ausland— ob mit Recht oder nicht— eine größere Be- deutung als denen einer Privatperson beigemessen werden würde. Bedeutet unter diesen Umständen die in den Worten Professor von Stengels enthaltene schroffe Brüskierung der Neutralen nicht eine enorme Schädigung Deutschlands ? Mutz seine ganze Stellungnahme zu der Friedensfrage nicht die Ansicht jener be- kräftigen, gegen die beispielsweise Professor Zorn ins Feld zieht? Em entschiedener Protest gegen Professor v. Stengel ist deshalb dringend erforderlich, und eS ist erfreulich, daß die„Franks. Zeitung" ihn recht energisch abschüttelt.„Daß Professor v. Stengel — schreibt das Blatt—, übrigens er allein unter denen, die dem Anti-Oorlog-Raad geantwortet haben, die' Fragen gänzlich verneint, wäre sein pevsöuliches Recht, wie es das Recht andever ist, zu be- merken, daß es nicht im geringsten von der Meinung des Herrn.
v. Stengel abhängt, wie sich Deutschland in diesen Fragen künftig verhalten wird. Aber daß er in einer so unglaublichen Weise, wie es seine Worte tun, Deutschland vor aller Welt kompromittiert, fordert zum schärfsten Protest heraus.... Ein älteres Wort sagt, daß die Politik die Fensterscheiben be- zahlen müsse, die die Presse eingeworfen habe. Aber obgleich es noch genug Journalisten gibt, die dieses Geschäft betreiben, haben sich ihnen in dem Kriege etliche Professoren zugesellt, und einen Vorzugsplatz darunter nimmt Professor v. Stengel ein."(z)
politische Uebcrsicht. Tie Textilarbeiterkonferenz für erhöhte Unterstützungen. Bamberg , 23. Juli. lPrivattelcgramm des„Vorwärts".) Die Reichskonferenz für Textilarbeiter und verwandter Be- rufe beschloß nach Referaten des Reichstagsabgeordneten I a e ck e l- Berlin und des Generalsekretärs des Gewerk- Vereins der Deutschen Textilarbeiter(H.-D.) R e i ch e l t. Spremberg Abweisung des Bundesratsbeschlusses vom 13. April und Forderung allgemeiner Erhöhung der Unter- stützungssätze._ Kriegsziel und Kriegslage. Den Streit um das Kriegsziel— in Wirklichkeit um den Kanzler— führen die Konservativen lustig weiter. Sie suchen den Kampf offenbar weniger persönlich und mehr sachlich zu führen. So erörtert die„P o st" in einem längeren Artikel den„Sinn des Kriegsziels". Sie wendet sich gegen den Satz: das Kriegsziel fließt aus der Kriegslage; nur insoweit sich die Kriegslage übersehen lasse und bereits nahezu endgültige Ergebnisse gezeitigt habe, könne man von einem Ziele reden; nur wenn sich die Kriegs- läge nicht ändere, bleibe ein einmal aufgestelltes Kriegsziel gültig. Demgegenüber stellt das Blatt den Grundsatz auf: Kriegsziel, Kriegsgrund. Kriegszweck fallen schließlich in eins zusammen; es ist Sinn und Inhalt jedes Krieges, gibt ihm erst Richtung, Un- erschütterlichkeit im Ausharren und Vertrauen auf den Sieg; und letzten Endes ist es gleich dem Zukunftswillen des Volkes über- Haupt; wo kein Ziel, auch kein Wille. Das Blatt schließt: „Zu keiner Zeit war es nötiger, das Ziel in zuversichtliche Worte zu kleiden, als heute, da sich die Stimmen mehren, die an den Verheißungen des Kanzlers drehen und deuteln wollen, ohne daß ein kraftvoller Spruch ihnen wehrt. Wir wollen— wir wiederbolen es— keine Vertragsartikel, die die Zukunft erst zurechtkneten wird, sondern wir wollen, daß das Wesen des oeutschen Ringens in einer Formel erneuert werde, die frischen, lebendigen Anreiz zu weiteren Kämpfen und Durchhalten gibt. Das„Ziel" in diesem Sinne des Wortes läßt sich nicht wenden wie ein alter Handschuh; es muh, einmal ausgesprochen, zur Richtschnur werden für das gesamte Handeln der Zukunft; in aller seiner Strenge aber brächte es weniger Gefahren als ein Zustand, in dem sich ein führerloser Wirrwarr von Meinungen befehdet, ohne doch das eine zutage zu fördern, was uns am meisten nottut: ein Kriegsziel als Leitgedanke alles StrebenS und Kämpfens." Auf wie wenig realen Unierlagen der Streit um das Kriegs- ziel ruht, geht aus einer Polemik des Freiherrn v. Zedlitz in der„Post" hervor, der zur Verteidigung der Bestrebungen der Wirtschaftsverbände u. a. ausführt:„Daß nach nun beinahe zwei- jähriger Kriegsdauer die Kriegslage sich ungleich sicherer beurteilen läßt als in den ersten Kriegsmonaten, wird ernstlich nicht be- stritten werden können. Ebensowenig, daß sich jetzt ungleich besser übersehen läßt, was durch den Krieg erreicht werden kann und demzufolge auch, was durch den Krieg erreicht werden soll."
Umfärben zu Militärtuche« verboten. Amtlich. Berlin , 22. Juli. (W. T. B.) Gegen das in Z 1 der Bekanntmachung betreffend Herstellungs- verbot, Beschlagnahme und Bestandserhebung für Militärtuche IV. I. l./lS 15 KRA. ausgesprochene Herstellungsverbot für Militär- tuche, wird vielfach verstoßen. Dieses Verbot lautet: „Herstellung von Militärtuchen, d. h. Woll - oder Halbwoll- geweben irgendwelcher Art und Farbe, die zu Uniform-Beklci- dungsstücken für Offiziere oder Mannschaften in Betracht kommen können, ist nach dem 15. 5. 15 verboten." Unter„Herstellung von Militärtuchen" ist auch das Umfärben bereits fertiggestellter, andersfarbiger Tuche in Feldfarben(seid- grau, grau und graugrün) zu verstehen. Sollte seit Inkrafttreten dieser Verfügung ldem 15. 5. 1b) eine derartige Umfärbung stattgefunden haben, so sind diese Tuche, da widerrechtlich hergestellt, nach Z 3 Abs. 4 der Bekanntmachung W. M. 1000/11. 15 KRA. ohne Rücksicht auf Gewicht und Menge beschlagnahmt und meldepflichttg.
Letzte Nachrichten. Vom Mörder Faurös. Bern , 23. Juli. (W. T. B.) Meldung, der Agence Havas. Dem Mörder JaureS , V i l la i n, hatte um Freilassung zur Front nach- gesucht. Das Begehren wurde vom Gericht abgeschlagen. Generalversammlung öes kreis- wahlvereins für Teltow -öeeskow Die vom Geschäftsführenden Ausschutz der Bezirksorganisation Grotz-Berlin«inberufene Generalversammlung für Teltow -Beeskow tagte am gestrigen Sonntag im Berliner Gewerkschastshause. Adolf Hoffmann , der die Versammlung leitete, führte nach Eröffnung derselben aus: Nachdem uns der Zeniralvorstand beauf- tragt hatte, zur Beilegung der im Kreise bestehenden Differenzen eine neue Generalversammlung einzuberufen, haben wir uns an beide Teile der Streitenden gewandt. Zwei Mitglieder des alten Kreisvorstandes, die jedoch keine bindende Erklärung abgeben konnten, be- zeichneten den von uns eingeschlagenen Weg zur Verständigung als gangbar und erklärten, in diesem Sinne wirken zu wollen. Das haben wir Ihnen in Ihrer letzten Generalversammlung bereits mit- geteilt. Hiernach waren wir sehr überrascht, daß unsere Einladung zur heutigen Generalversammlung mit einer Ablehnung seitens des alten Vorstandes beantwortet wurde. Der alte Vorstand verlangt, daß wir ihn als noch zu Recht bestehenden Vorstand anerkennen. Das können wir nicht, weil wir kein statutenmäßiges Recht haben, den Vorstand anzuerkennen oder nicht anzuerkennen. Die Vorstandwahl ist eine Angelegenheit des Kreises. Wenn wir da eingreifen wollten, so würden wir die Selbständigkeit der Kreisorganisation verletzen. Wir haben diese Angelegenheit nochmals dem Zentralvorstand unter- breitet. Derselbe hat beschlossen, daß der Geschästsführcnde Ausschutz die heutige Generalversammlung einberufen soll, damit die im Kreise bestehenden Differenzen beigelegt werden und die Einheit der Organs- sation erhalten bleibt. Im Kreise liegt eine Streitigkeit vor, die natürlich nicht von den streitenden Teilen selbst aus der Welt ge- schafft werden kann. In solchen ällen ist es notwendig, daß eine dritte, an dem Streit nicbt beteiligte Stelle vermittelnd eingreift. Von diesem Gesichtspunkt aus war es nicht nur unser Recht, sondern auch unsere Pflicht, zum Zweck der Verständigung zwischen den Streiten- den die heutige Generalversammlung einzuberufen. Verwundert sind wir darüber, daß der alte Kreisvorstand dielen von uns einaelchlaae-.
nen Weg zur Verständigung als staiutenwidrig bezeichnet. Um so mehr muß man sich darüber wundexn, als der alte Kreisvorstand sich gar nicht an das Statut und an die Kreisbeschlüsse hält in Fällen, wo es ihm für seine Zwecke paßt. So ist die Erklärung, mit der der alte Vorstand die letzte von ihm einberufene Generalversammlung vorzeitig schloß, eine Erklärung des engeren Vorstandes, die er dem Ge- samtvorstand nicht vorgelegen Hai, also eine Siatutenwidrigkeit. Seit jener Versammlung ist der Gesamtvorstand gar nicht mehr zusammen- getreten. Alles was der engere Vorstand seitdem gemacht hat ist ohne die Genehmigung des Gesamtvorstandes geschehen. Man sagt,, was wir tun, das führe zur Sonderorganisaiion und zur Spaltung. Im Gegenteil. Von der anderen Seite wird die Sonderorganisation be- trieben. Zum Beweise hierfür verlas der Redner einen von M. Groger unterzeichneten Brief, in dem die Gesinnungsfreunde des alten Vor- standes aufgefordert werden, in den einzelnen Orten des Kreises Be- sprechungen abzuhalten, um Stellung zu nehmen zu einer General- Versammlung, welche der alte Vorstand voraussichtlich für den 30. Juli einberufen werde.— Der Redner schloß: Nach alledem sind wir zu unserem Eingreisen nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Deshalb haben wir, obgleich der eine Teil der Streitenden seine Teilnahme abgelehnt hat, diese Generalversammlung auf einstim- migen Beschlutz des Zentralvorstandes einberufen. Die Versammlung nahm nunmehr Stellung zur Frage der Gültigkeit der Delegierten Mandate von Lichter- felde und Neukölln. Bekanntlich hatte der alte Vorstand die Generalversammlung am 18. Juni für ftatutenwidrig erklärt, weil sie die Delegierten aus Lichterfelde und Neukölln zuließ, deren Recht zur Teilnahme der alte Vorstand bestritt unter Hinweis auf die von den beiden Ortsvereinen gefaßten Beschüsse zur Frage der Beitragssperre.____ B o r ch a r d t- Lichterfelde führte hierzu aus, der Lichter- felder Beschluß,„diesem Kreisvorstand" die Beiträge zu sperren, sei gefaßt worden, um vom Vorstand die Einberufung einer Kreis- generalversammlung zu erzwingen. Durch die Einberufung der Generalversammlung am 18. Juni seitens des alten Vorstandes sei der Lichterfelder Beschluß erledigt worden. Koch- Neukölln legte dar. der Beschlutz des Wahlvereins Neu- kölln besage nur, daß die Beitragssperre als wirksames Abwehr- mittel gegen die Unterdrückungspoliiik des Parteivorstandes be- trachtet werde und die Neuköllner Vertreter im Zentralvorstand aufgefordert werden, in diesem Sinne zu wirken. Der Beschluß besage nicht, daß der Ortsverein Neukölln keine Beiträge an den Kreisvorstand abführen solle. Es sei also gar keine Beitragssperre beschlossen worden. Diesen Standpunkt habe auch der jetzige Vor- stand des Neuköllner Ortsvereins in einer am 1. Juni im„Vor- wäris" veröffentlichten Erklärung eingenommen. Die Neuköllner Generalversammlung vom 28. Juni habe dieser Erklärung aus- drücklich zugestimmt..... Nach diesen Darlegungen beschloß die Versammlung einstnnrmg, daß die Mandate von Lichterfelde und Neukölln anzuerkennen sind. Die Delegierten aus beiden Orten hatten sich auf Wunsch des Vorsitzenden der Abstimmung enthalten, obgleich sie— wie Borchardt ohne Widerspruch erklärte— zur Stimmabgabe berechtigt gewesen seien, solange ihren Mandaten die Gültigkeit nicht aberkannt worden sei. Nach den Feststellungen der M- n d a t s pr ü fun gs- kommission waren aus der Generalversammlung 100 �-e- legierte aus 27 Orten anwesend, die nach dem letzten vor dem Kriege festgestellten Mitgliederbestand etwa 34 000 Mitglieder ver- treten. Dagegen waren 24 Orte mit etwa 3000 Mitgliedern un- vertreten. In einer Anzahl dieser 24 Orte bestehen zurzeit gar keine Orisvereine mehr. Außer den erwähnten 100 Delegicrien waren noch 4 von den 8 Schöneberger Delegierten anwesend, die aber nicht zur gegenwärtigen Generalversammlung gewählt sind, weil der dortige Vorstand keine Wahlen veranlaßt hat. Tie Schöneberger Mandate rühren noch von der vorigen General- Versammlung her... Die Versammlung erklärte alle Mandate einschließlich der Schöneberger für gültig. Von einer starken Minderheit im Ortsverein Köpenick lag ein Schreiben vor des Inhalts, daß der dortige Vorstand, der auf dem Standpunkt des alten Äreisvorstandzs stehe, keine Delegierten- Wahlen habe vornehmen lassen, so daß Köpenick auf dieser General- Versammlung nicht vertreten sei. Der Geschäftsbericht des Vorstandes, der auf der Tagesordnung stand, konnte nicht gegeben werden, soweit es sich um den alten Vorstand handelt, da dieser nicht anwesend war. Genosse Radle- Neukölln, der dem alten Vorstand angehörte und Mitglied der Preßkommission war, gab einen kurzen Bericht von der Tätigkeit derselben. Besonders beleuchtete und verurteilte er die Zensur des„Vorwärts" durch den Parteivorstand und das Vorgehen desselben gegen Dr. Meyer. Adolf Hoffmann bemerkte hierzu, daß wegen dieser Km:- flikispunkte Verhandlungen Mischen dem Geschästssührenben Aus- schuh für Grotz-Berlin , der Pretzkommission, der Redaktion und dem Parieivorstand eingeleitet seien. Der Geschäftsführende Ausschuß habe die Zurückziehung der Parieivorstandszensur zur Bedingung für den Eintritt in die Verhandlungen gemacht. Taffächlich habe der Parteivorstand seine Zensur seit einigen Tagen eingestellt. O l h o f f- Charlottenburg forderte, daß der„Vorwärts" nicht nur an der alten Fraktton, sondern auch an der Arbeitsgemein- schast Krttik übe und ihr gegenüber eine selbständige Haltung ein- nehme. Schließlich wurde noch beiom, daß die Versammlung trotz der Abwesenheit des alten Borstandes zu dessen Tätigkeit Stellung neh- men könne, da ja ein gedruckter Geschäftsbericht seit Mitte Juni vorliege. Entlastet könne der alte Vorstand nicht werden, weil er ja die Herausgabe des Materials und der Kasse an den proviso- rischcn Vorstand verweigert habe. Zirkel bemerkte, der provisorische Vorstand könne über die erst kurze Dau/r seiner Tätigkeit keinen Bericht geben, um so weniger, als der Vorsitzende Eberlein neuerdings zum Militär ein- gezogen ist. �. Hierauf erfolgte die endgültige Wahl de? Kreis- vor standes und der Funktionäre. Sie hatte folgendes Ergebnis: 1. Vorsitzender E b e r l e i n- Mariendors(Vertreter wäh- rend dessen Militärdienstzeit Frassek-Niederschöneweide). 2. Vorsitzender Zirkel- Neukölln. Schriftführer Dr. Meyer- Steglitz. Kassierer F r e i g a n g- Treptow . Beisitzer: Z a ein- Charlottenburg, Käte Duncker- Steglitz , F r a s s e k- Nieder- schöneweide(dessen Vertreter W e st p h a l- Mariendors). Rem- soren: Martin- Adlershof, W a g e n e r- Steglitz, Golmik- Schöneberg, S ch o l z e- Treptow, Schröder- Britz.— Kinder- schutzkommission: Frau D e n st- Neukölln.— Bildungsansschuß: Pieck- Stewitz(Vertretex Borchardt- Lichterfelde).— Jugend- ausschuß: W i c n g u t y- Neukölln(Vertreter G l o b i g- Schöne- berg). Aktionsausschuß: Z i r ke l- Neukölln, Dr. M e y e r- Steglitz, H i l b i g- Wilmersdorf.— Pretzkommission: Rosa Luxem burg , Franke- Neukölln, Künstler- Neukölln(Vertreter W e st p h a l- Mariendors. R e g g e- Neukölln, Frau Herz).— Lokaltommission: Kaiser- Neukölln.— SchiedsgerichtSkommission Grotz-Berlin : Walter- Bohnsdorf.— Frauenvertretung in Grotz-Berlin : Käte Duncker. — Revisor für Grotz-Berlin : Os- bürg- Lichterselde. Aus der Versammlung wurden noch einge Anregungen ftir die nächsten Aufgaben des Vorstandes gegeben. Es wurde ohne Wider- sprach als ganz selbstverständlich bezeichnet, daß die Kassierer der Ortsvereine vom ersten Quartal dieses Geschästsjabres ab mit dem Kassierer Freigang abzurechnen haben. Als ebenso selbstverständ- lich hält es die Versammlung, daß eine Generalversammlung, die der frühere Vorstand einberufen sollte, vollkommen ftatutenwidrig und in keiner Weise für die Mitglieder bestimmend wäre. Einstimmige Annahme fand folgender Antrag: „Tie Generalversammlung spricht die sofortige Entlassung der beiden Angestellten des Kreises, Genossen Pagets utid~Groger, aus. Der heute endgültig gewählte Kreisvorstand erhält die Er- mächttguna, wenn notwendig, bis zwei neue Sekretäre proviso. rikck anzustellen."