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politische Uebersicht. Aus den Kriegszieldebatten. In der alldeutschen„Täglichen Rundschau" sucht der Professor Kurt B r e y s i n g den Vorwurf, daß die Annexionspolitiker zur Verlängerung des Krieges bei- tragen, zurückzugeben, indem er schreibt, daß gerade die,„die den Frieden so ehrlich wünschen, so heftig ersehnen, unzweifel- Haft dadurch am meisten dazu beigetragen haben, den Krieg zu verlängern": „Kein noch so häufiges Wiederholen der Begründung: Mäßigung sei Stärke, nicht Schwäche, wird im Kriege vom Gegner geglaubt. Ter Krieg und seine Seelenkunde ist, begreise man dies doch endlich, bis zur Einfalt elementar, bis zur Brutalität eindeutig. Es kommt zwischen zwei Kämpfern, und seien es Staaten oder Staatengruppen, allein auf jenes tastend-spürende Gesamtgefühl an, daß zwei Kämpsende oder auch zwei Tiere, die ineinander verbissen sind, jede, auch die kleinste Entspannung einer Muskel, jedes, auch das leiseste Nachlassen des Kämpfers, und dies heißt den Sieger- willen bei dem anderen empfinden und sofort als ein Schwächer- werden seiner Kraft vermerken läßt." Daß der Professor gerade dieses„Tier"beispiel gewählt hat, ist für seine ganze Argumentation bezeichnend. So naiv und primitiv kann wirklich nur der die Beziehungen zwischen großen Kulturvölkern betrachten, der bei einer rein biologi- schen Betrachtung der Geschichte stehengeblieben ist, und dem es an dem vollen Verständnis für die sozialen Beziehungen der Völker inangelt. Es ist selbstverständlich, daß die„Deutsche Tages- z e i t u n g" diese Ausführungen Kurt Breysigs zustimmend zitiert. Im übrigen veröffentlicht das konservative Blatte er- neut einen Artikel Neventlows zugunsten des rücksichtslosen U-Bootkrieges. Tie übrige bürgerliche Presse rückt dagegen mehr und mehr von den extremen Annexionisten ab. Selbst der freikonservative Abgeordnete Freiherr v. Zedlitz gibt den Wirtschaftsverbänden erneut den Rat, ihre vor längerer Zeit aufgestellten Kriegsziele angesichts der jetzigen Kriegslage einer Revision zu unterziehen. Er beruft sich da- bei auf den nationalliberalen Abgeordneten Fuhrmann, der selbst bei einer ini vorigen Sommer als„K r i e g s r a t" bezeichneten Mittagsbesprechung von Abgeordneten im Lese- zimnier des Abgeordnetenhauses ausgeführt habe, daß man nötigenfalls nach der Gestaltung des Krieges seine erste Auf- fassung der Kriegsziele berichtigen niüsse. Die„Germania " setzt ihre Propaganda zur Unter- stützung der Kanzlerpolitik fort. Schon in den letzten Tagen batte sie darauf hingewiesen, daß zwar einzelne Zentrums- blätter und Zentrumsvertreter sich den weitgehendsten An- nexionsforderungen angeschlossen hätten, daß aber die Partei als Ganzes hinter der Politik des Kanzlers stände. In einer Zuschrift von„besonderer Seite" polemisiert die„Ger- mania" in entschiedener Weise gegen die Forderung des ver- schärften U-Bootkrieges. Mit gleicher Schärfe wendet sich diese Zuschrift gegen die Freigabe der Kriegsziele. Sie beruft sich darauf, daß der Reichskanzler in seinen Reichstagsreden dos Kriegshiel genügend klar umschrieben habe, und daß das Zentrum diesem Programme zustimme. Gegen eine weiter- gehende Erörterung wendet die„Germania " folgendes' ein: „Diejenigen, welche immer noch auf konkretere Formulie- rung von Kriegszielen schon jetzt drängen, müßten sich sagen, daß damit ein Zankapfel in die deutsche Oeffentlichkeit ge- warfen würde. Denn wir haben im Deutschen Reiche eine große Partei, welche z. B. von irgendwelchen Annexionen ganz oder gar nichts wissen will, während anderen Richtun- gen im Punkte der Annexionen gar nicht genug geschehen kann. Um die Begeisterung des deutschen Volkes wach zu halten, um dasselbe zu immer neuer Hingabe an die vaterländischen Interessen und zu nicversagender Opferwillig- keit anzuspornen, genügt doch wahrlich das eine große, alles umfassende Endziel: die Verteidigung der Ehre und die
vom nahen Grient. Ii.*) Wem es darauf ankommt, einen orientierenden Uebcrblick über die Beschaffenheit des vielgestaltigen TürkenlandeS zu bekommen, dem raten wir, PhilippfonS kleines Buch:..Da» türkische Reich" zu lesen.<Es wurde ijn„Vorwärts" schon einmal er- wähnt.) Das Buch ist«in Muster gemeinverständlicher und trotzdem streng wissenschaftlicher Darstellung. Dem Verfasser ist es gelungen, in den Hauptzügen seines Buches streng objektiv zu bleiben, ob- wohl er für ein literarisches Unternehmen arbeitete, das sich die Aufgabe gestellt hat,� in erster Linie für die türkischen Unter- nehmungen der deutschen Auslandspolitik Stimmung zu machen. In wohlge�liederter Kapitelfolge behandelt er geographische Ge- staltung, klimatische und Bodenbeschaffenheit, Zustand und AuS- sichten des Wirtschafts- und Verkehrslebens und Völkerdaseins der Türkei . Eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, daß das türkische Reich in seinen einzelnen Teilen so verschiedenartig wie möglich ist. Wüste Einöden und dürftige Steppen wechseln mit rauhem Gebirgsland und üppiger Kulturniederung, neben dem Händler und Ackerbauer lebt der kampfesfrohe Nomade. Dagegen haben wir sofort ein seltenes Beispiel leichtherzigster Agiiation. wenn wir Heft 3 der Sammlung zur Hand nehmen: Sachau.„Pom asiatischen Reich der Türkei ". Zweck und Wert der beiden Schriften erkennen wir am besten au« einem Vergleich. So behauptet der Herr Geheimrat Sachau kühnen Mutes <S. 7):„Es kann nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß, wenn es gelingt, die höheren Arten der Bodenkultur unter de- Bauernbevölkerung Anatoliens zu verbreiten, und wenn einmal die nötigen Eisenbahnen. Landstraßen und Brücken hergestellt sind. friedliche Arbeit eine Blüte vielseitigen und sicheren Wohlstandes schaffen kann für ein Mehrfaches seiner jetzt auf 10 bis 11 Millio- nen berechneten Bevölkerung." Philipp son dagegen meint<S. 78):„In einem rein agra- rsichen Lande spiegelt die Volksdichte ziemlich getreu die Frucht- barkeit und die Kultur des Landes wider." Und auf S. 80:„Im ganzen habe ich doch den Eindruck gewonnen, daß nicht mehr allzu. viel anbaufähiger Boden frei ist, abgesehen von dem, der sich durch neue Bewässerungsanlagen in Trockengebieten gewinnen ließe. Im jetzigen Zustande dürfte da» türkische Reich keine erhebliche Einwanderung von Ackerbauern mehr aufnehmen können." Gegen eine schnelle Aenderung des jetzigen Zustand es der Türkei warni Philippson aber an mehreren Stellen seines Buches. Vor allem mahnt er zur größten Vorsicht bei der Einführung„höherer Arten der Bodenkultur" und empfiehlt, bei allen diesen Versuchen den Rat der Eingeborenen zu hören. Er hält die europäischen Formen der Bodenkultur keineswegs für die schlechthin„höheren".
") Siehe auch Nr. 200 des„Vorwärts".
Existenz des deutschen Vaterlandes in der Gegenwart und die Sicherung dieses Vaterlandes gegen ruchlosen Fricdcnsbruch für alle Zukunft." Das ist eine fast wörtliche Wiederholung verschiedener Auslassungen der„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", deren Zweck ja durchsichtig genug ist. Zum Schluß wollen wir noch erwähnen, daß sich den fort- schrittlichen Blättern, die mit der Politik des Kanzlers ein- verstanden sind, auch die„W e s c r- Z e i t u n g" in Bremen anschließt. Das Blatt wendet sich scharf �egen den„Unab- hängigen Ausschuß zur Herbeiführung eines deutschen Friedens"(Vorsitzender Professor Schäfer) und schließt mit einem Bekenntnis zu den Ansichten des vom Fürsten Wedel geleiteten Nationalausschusses. Dieser Nationalausschuß hat sich in seinen bisherigen Veröffentlichungen zu dem Kriegsziel des Kanzlers bekannt. Näheres über seine Anschauungen wird man aus den für den 1. August in allen großen Städten ge- planten Massenversammlungen erfahren. „Stammtischreden." „An irgendeinem Stammtisch" sollen nach der Meinung des Herrn Georg Bernhardt(siehe Notiz in Nr. 202 des „Vorwärts") die Leute sitzen, die dem„Traum einer deutschen Weltherrschaft" nachjagen. Mit der Bemerkung sollen die Bestrebungen der enragierten Annexionspolitiker als un- bedeutend und ungefährlich bezeichnet werden. Diese Vogel- straußpolitik, die die Oeffentlichkeit von der wichtigsten Frage der Gegenwart ablenken will, kann nicht deutlich genug zurückgewiesen werden. Wir möchten deshalb noch an einen Vorgang erinnern, der einen Ausgangspunkt für die Bestrebungen bildet, die seit langem Gegenstand der Erörterung sind. Am 16. Mai 1915 hielt der Ab- geordnete Fuhrmann nicht an einem Stammtisch, sondern im größten Saale Essens, dem städtischen Saalbau, eine Rede über„Das deutsche Volk und die gegenwärtige Kriegslage". Diese Rede ist„als Manuskript gedruckt" in einer 24 Seiten starken Broschüre in weiten Kreisen verbreitet und bekannt geworden. Sie wurde, wie auf dem Titelblatt be- merkt ist,„vor einer mehrtauscndköpfigcn Versammlung" — ein ganz respektabler„Stammtisch"— gehalten, die angeblich aus allen Kreisen des großen rheinisch-west- fälischcn Jndustriebezirks beschickt und besucht gewesen ist.— Man muß sich nur einmal den Inhalt dieser Rede ansehen und vergegenwärtigen, daß er auch in den feindlichen krieg- führenden Ländern bekannt getvorden und fruktifiziert worden ist, um das Gefährliche dieses Treibens zu erkennen. Daß Bestrebungen, wie die in dieser Rede zutage getretenen, zur Verlängerung deS Krieges wesentlich beigetragen haben, dürfte außer Zweifel stehen. Man sollte also derartige„Stammtisch"- scherze doch lieber unterlassen. Noch ein Annexionsprofefsor. In den„Grenzboten" untersucht Professor Dr. Bornhak die Formen der Ansiedlung unselbständiger Gebiete. Er beginnt bei den alten Römern und kommt dann zu dem Schluß: „Nicht die volle Einverleibung ist der einzige Weg. Der vor- zeitige Versuch dazu kann, wie die. neuere Entwicklung Rußlands zeigt, geradezu verhängnisvoll wirken. Auch mit E l sa ß- L o t h- ringen hätten wir 1871 mindestens einige Jahrzehnte warten sollen. Nimmermehr aber kann die Unmöglichkeit einer sofortigen vollständigen Einverleibung und die Befürchtung, die nationale Geschlossenheit zu stören, einen Staat zum Verzicht auf Gebiets- crwerb bestimmen, der für ihn au? militärischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen eine bittere Notwendigkeit ist. Man beschwört wohl Bismarcks Geist herauf mit dem Schlagwort vom „saturierten Staate". Bismarck hatte gut reden. Er hatte den preußischen Staat um drei Provinze» auf einmal— ein Gebiet wie nie zuvor—, das Reich um Elsaß-Lothringen erweitert. Danach konnten beide vorläufig„saturiert" sein, um erst einmal das Genossene zu verdauen. Aber jeder Organismus, der fort- gesetzt an dem Tröste zehrt, einmal satt gewesen zu sein, mutz schließlich zusammenschrumpfen."
Die Verkchrsfragen de» Orients erledigt Sachau mit folgen- der Handbewcgung:„Außerhalb der großen Eisenbahnlinien, deren Zahl sich in Zukunft schnell vermehren wird, bedarf es der Land- straßen in Ebene und Gebirge, sowie der Brücken und Fährbootc für die Wasserläufc. Und hier kann das Notwendigste in vielen Fällen mit verhältnismäßig geringen Mitteln erreicht werden, wenn man sie nur zweckmäßig verwendet." Hokus, pokus, eins, zwei, drei! Hören wir dagegen Philippson , der nach gründlicher Betrach- tung der Bedingungen des Völkerlebens im türkischen Reiche sagt: „Vor allem sollten für eine gewisse Zeit nur solche neuen Eisen- bahnen in Angriff genommen werden, die strategisch notwendig sind. Solange das türkische Volk nicht an die kapitalistische Eni- Wicklungsform der Europäer gewöhnt ist und sich ihrer selbst bis zu einem gewissen Grade bedienen kann, bringt jeder neue Verkehrs- weg wieder verderbliche Ausbeutung und wirtschaftliche Knechtung für einen Teil des türkischen Volkes, der bisher durch Entlegen- heit dagegen geschützt war."(S. 03.) Genau so ungleich klingen die Urteile der beiden Autoren über Teilgebiete des Türkenreiches, so über Syrien und Mesopotamien . Sachau sieht überall das Land einer großen Zukunft, das nur des belebenden Hauches des Kapitalismus harrt, um zu blühendem Leben zu erwachen, wo Philippson eine natürlich gewordene Kultur naöhlveist, deren Förderung wohl nicht aussichtslos, aber mit großer Vorsicht und unter strenger Berücksichtigung der Eigenart von Land und Volk zu betreiben ist. Er kommt darum zur Forderung einer großzügigen wissenschaftlichen Erforschung der Türkei durch deutsche und einheimische Kräfte. Ein ganz anderes Thema behandelt Professor Josef Hell im elften Bändchen. In sechs flott geschriebenen Skizzen spricht er von den Bestrebungen, gesellschaftliche und politische Formen von außen in die Welt deS Islam zu verpflanzen. Die Anhänger des Islam bilden überall, wo sie mit Anders- gläubigen zusammenwohnen, die Herrenklasse. Geistig und sozial überragen sie die Massen. Auch dort, wo die einst von den Moslem unterjochten Völker später den Islam angenommen haben, ist heute noch die Kluft zwischen der Herrcnkaste der Eroberer und der Masse der»Ureinwohner fühlbar. Der Moslem lebt daher in der Ueberzeugung von der unbedingten Ueberlegenhcit des Islam und seiner Anhänger über alle„Ungläubigen". Hell zeigt, wie auch die sehr sympathischen Schulgründungen der Engländer und Franzosen in vielen Gebieten Vorderasteirs diesem stolzen Bewußtsein der Moslem keinen Abbruch tun konnten. Die Orientalen bemächtigen sich�wohl gern des dargebotenen Wissens, benutzen cS aber nur zur Stärkung ihrer Eigenart. Nach wie vor leben sie ein eigenes geistiges Leben, das sie nach ihrer Meinung turmhoch über den Europäer stellt. Das Selbstbewußtsein der Mohammedaner dürfte aber noch einer anderen Quelle entspringen. Die Moslem fühlen sich�als eine im Wesen einige weltumspannende Masse. Hell schildert, wie die Koranschulen die arabische Sprache und Literatur bis in die entferntesten Winkel des Herrschaftsgebiets des Islam verbreiten. Dieses gemeinsame GeisteSgut verbindet,
Diese Theorie hat entschieden den Reiz der Neuheit— denn nach ihr müßte ein Staat, wenn er einverleibte Gebiete verdaut hat. sofort wieber an die Einverleibung neuer Gebiete gehen, um nicht schließlich„zusammenzuschrumpfen"! Da in der Regel aber Gebiete nur dann einverleibt werden können, wenn sie vorher einem anderen Staate abgenommen worden sind, würde diese Theorie schließlich den Krieg in Permanenz bedeuten. Die Kriegsziele der Wirtschaftsverbändc. Der Syndikus der Düsseldorfer Handelskammer, Dr. Brandt, wendet sich in der„Rheinisch-Westfälischen Ztg." gegen die bekannte Aufforderung des Freiherrn von Zedlitz, daß die Wirtschaftsverbände ihre Kriegsziele einer lieber- Prüfung unterziehen möchten. „Ich darf es wohl, schreibt er, den wirtschaftlichen Verbänden, an die sich Freiherr von Zedlitz und Neukirch wendet, überlassen. ihm auf diese Anrufung zu antworten. Alan wird bezweifeln können, ob dieser Aufsatz den deutschen Interessen gegenüber dem Auslände dient. Freiherr von Zedlitz geht bei der Be- urteilung der Kriegsziele der wirtschaftlichen Verbände von ganz falschen Voraussetzungen aus. Es ist ganz gleichgültig, zu welchem Zeitpunkte und bei welcher Kriegslage diese Kriegsziele aufgestellt worden sind. Entscheidend ist lediglich, daß sie„aui sicherer und wissenschaftlicher Grundlage" beruhen, wie Freiherr von Zedlitz selbst zugibt.... Man darf also von den wirtschaftlichen Verbänden nicht fordern, daß sie ihre Kriegsziele der Kriegslage anpassen sollen, wobei man außerdem wohl noch fragen dürfte, an welche Kriegslage die Anpassung erfolgen sol l? Ebenso unrichtig ist es, einen Widerspruch zwischen der Hal- tung des Reichskanzlers und den Zielen der wirtschaftlichen Verbände allein aus der Tatsacyc folgern zu wollen, daß zwischen der Offenheit und Rückhaltlofig- keit, mit der die Verbände das volkswirtschaftliche Kriegsziel ge- zeichnet haben, und der Zurückhaltung, die sich der Reichskanzler in derselben Frage auferlegen muß, ein weiter Zwischenraum klafft. Ich würde es sehr bedauern, wenn die Wirtschaft- lichen Verbände dem Rate des Frhrn. v. Zedlitz und Neukirch folgten und sich auf eine Beschneidung der von ihnen aufgestellten Friedenswünsche einließen. Ich glaube allerdings nicht, daß diese Gefahr besonders groß ist." Man wird sich dieses Eingeständnis eines der führenden Männer der deutschen Industrie merken müssen.(r,)
Der„Fall" Stengel. Die törichten Aeußnungen, die wir in unserer MontagSauSgabe kritisierten, gehen zwar nicht auf den Münchener Professor Freiherr» v. Stengel, zurück, sie sind aber auch nicht völlig erfunden. Wie die„Frankfurter Zeitung " jetzt mitteilt, stammt die dem Anti- Oorlog-Raad zugegangen« Antwort von einem Herrn F. H- Stengel in Wien. _ Landtagsabgcordneter Wilamowitz-Moellendorff gestorben. Wie der„Prignitzcr" meldet, ist der konservative Landtags- abgeordnete für die West- und Ostprignitz , Graf v. W i la m o w i tz- Moellendorff, Majoratsherr auf Gadou, in Teheran am Herzschlag gestorben. Er weilte dort in politischer Mission. Der Verstorbene hatte seinerzeit den Chinafeldzug mitgemacht.
Freigabe von Petroleum . Durch eine im..Reichsgesetzblatt" veröffentlichte Bekannt- machung wivd der Verlauf von Petroleum zu Leuchtzwecken vom 21. August 1016 an wieder gestattet. Im übrigen bleibt es bei der Anmelde- und Abgabenverpflichtung für das Petroleum an die Zentralabgabestelle für Petroleumverteilung.
Das tägliche Srot. Reichsfettkarte. Wie wir Berliner Blättern entnehmen, wird nicht eine Reichs« butterkarte, sondern eine„ R ei chs settkarte" zur Einführung kommen. Sie wird für den Einkauf von Butter, Scbmalz und Speisefett aller Art, Kunstfett(Margarine) und Speiseöl Geltung
alle nationalen Unterschiede zurückdrängend, den gebildeten Mohammedaner Indiens und Chinas mit dem Moslem im West- lichen Afrika. Es gibt ihnen ein in den Grundzüge» gleiches Geistesleben und läßt die Welt des Islam unendlich groß und seine Ucberlegenheit unantastbar erscheinen. Das Einheitsbewußtscin der Moslem hat sich in der Hochschule für mohammedanische Theo- logie in Kairo , AI Azhar, eine Hochburg geschaffen. Hier hat d:: gebildete Theologie ihren Sitz. Die religiöse Masse träumt noch immer von dem Komme» eines islamitischen Einheitsstaates. Das internationale Bewußtsein der islamitischen Welt muß nun aber dem Emporkommen eines Nationalbewußtseins der orientalischen Völker im Wege stehen. Damit erschwert es auch das Eindringen der mit dem nationalen Staatsgedanken verbun- denen politischen und kulturellen Ideen in die Welt des Islam . Hell nennt es den„Geist des Abendlandes", der sich durch den Ein- fluß Europas im Orient langsam durchsetzt. Wir meinen vielmehr. daß die Moslem den nationalen Gedanken aus sich heraus ein- wickeln und ihrer eigenen Kultur gemäß neu bilden werden, sobald die wirtschaftliche Entwicklung eine straffe nationale Organnation bedingt. � Damit müssen sich auch jene politischen und kulturellen Formen im Leben der Moslem einstellen, die der nationalen Idee in Europa entsprungen sind. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die mohammedanischen Völker manche Anregung von den Nationen des Abendlandes auf diesen Weg mitnehmen werden. Die bloße Nachahmung, die manchmal zu beobachten sein wird, dürste früher oder später Eigenem weichen. So sehen wir beim türkischen Volke schon heute das selb- ständige Auftreten eines starken Nationalgefühls. Geht die Entwicklung diesen Weg zur Bildung von National- staaten, dann kann sie nicht ohne Einfluß auf die Politik des Orients bleiben. Der internationale Islam gestattete es, das einst so ausgedehnte türkische Reich von Konstantinopel aus mit der Religion zu regieren. Die Pflege des religiösen Einheitsbewußt- seinS war das Herrschaftsmittel der Kalifen . Ob diese Möglickte:! nach einer Einwurzetung des nationalen Gedankens bei den Pol- kern des Morgenlandes fortbestehen bleibt, ist fraglich. Bestimmt wendet sich das hier und dort auflebende National- gefühl der Moslems gegen die koloniale Fremdherrschaft. In Aegypten sehen wir das deutlich. Die gebildeten Moslems fühlen durch die koloniale Fremdherrschaft und durch das Eindringen europäischen Wesens und Kapitals in den Orient beides bedroht und behindert: die Eigenart des Islams an sich und die Bildung mohammedanischer Nationen. Aegypten ist heute schon der Herd einer Reformbewegung, die nicht nur ein befreites Aegypten, son- der» die Befreiung aller Völker deS Islams vom Einflüsse des Abendlandes erstrebt. Ueber die Schrift Professor Dr. Jastrows brauchen wir nichts zu sagen. Sie entwirft ein treffliches Bild von der großen historischen Rolle Konstantinopels in dielen Jahrhunderten bis auf die neueste Zeit. Die kleine Schrift ist ohne Einschränkung jedem zu empfehlen, der die Wurzeln dieses Weltkrieges kennen lernen und in da» Wesen auswärtiger Politik eindringen will. R. Z.(H