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Nr. 215.

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Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplat, Mr. 151 90-151 97.

Ausschußpolitik.

Die deutsche Nation war an eine auf freigewählter Ge­sinnung beruhende Politik gewöhnt. Obwohl die politischen Rechte, Wahl- und Selbstverwaltungsrecht, Breßfreiheit und politisches Vereinsrecht, nur fümmerlich entwickelt waren, gaben sie doch dem politischen Einzelleben der Bevölkerungs­flassen einigermaßen Raum zur Entfaltung. Die politische Regsamkeit der Massen und der Drang nach politischer Schu­lung steigerten sich merklich, der Einfluß der Parteien auf die Regierenden war trotz der unzulänglichen Rechte der Parla­mente nicht ohne Bedeutung.

In einem überreich gegliederten Parteileben und einer wohlorganisierten Presse hatten sich alle Schichten der Be­völkerung einen breiten Zummelplatz des politischen Mei­nungsstreites geschaffen.

Der Kriegsausbruch ließ den politischen Puls stocken. Der Krieg erschien als Ausnahmezustand und zeitigte unge­wöhnliche politische Maßnahmen: Belagerungszu­stand, Pressezensur, Burgfrieden. Die Presse­zensur hindert nun die Parteien, zu ihren Gefolgsleuten in ihrem Sinne zu sprechen, und der Belagerungszustand schnürt das für ein freies politisches Regen so nötige Versammlungs­leben ein. Jene Erscheinung, die man den Burgfrieden nennt, verwandelte die freie Sprache der Parteien untereinander in ein hilfloses Stottern, das der Mehrzahl der Anhänger der politischen Parteien unverständlich bleiben muß. Nicht jedem ist die Fähigkeit eigen, die Flöhe niesen zu hören. Alles, was den Krieg und sein Ende, den Frieden, angeht, muß in Wort und Schrift auf das zartfühlendste behandelt werden, was in den meisten Fällen zu völligem Schweigen zwingt. Allmäh­lich sind aber alle politischen Fragen zu Fragen des Krieges geworden. Das ganze zukünftige Volks­dasein hängt vom Ausgang des Krieges, von den Formen und Formeln des Friedens ab. Kein Wunder daher, daß das Berbot der öffentlichen Erörterung der Kriegsziele von allen Parteien und der gesamten Presse am schmerz­lichsten empfunden wird. Je de Gesinnungsrichtung will die Basis des fünftigen politischen Lebens beeinflussen.

Das zeigte sich sehr bald. Eine reiche Broschürenliteratur entstand und gedieh zu üppigem Umfang. Und hier trugen nicht nur allerlei politische Einzelwesen ihre Meinungen vor, auch Gruppen von Politikern gleicher Färbung traten zu­sammen und sprachen in Schriftenfolgen aus, was sie im Leitartikel nicht hätten sagen dürfen.

Diese Broschürenfabrikation war nichts anderes als eine Flucht vor der Zeitungszensur. Mit der Broschüre findet man jedoch nur das Ohr dünner Schichten der Bevölkerung. Je länger der Krieg dauert, je mehr man das Nahen des Friedens vorauszufühlen meint, je weniger genügt das. Jede Meinungsrichtung( wir haben deren jezt wohl mehr als vor dem Kriege) will große Streise des Volkes erfassen, will zu den alten Anhängern sprechen und neue werben. Und da die politischen Parteien schweigen müssen, entstehen- die A u s- schüsse".

"

Der Begriff Ausschuß flingt für den Deutschen so hübsch neutral. Man kann mit ihm so wundervoll den Eindruck er­wecken, als habe man damit ein ganz neues, völlig unbe­schriebenes Blatt vor den erstaunten Augen der Zeitgenossen entfaltet.

Der vielumstrittene Nationalausschuß" war faum zu glorreichem Leben erwacht, als auch schon neben, bor und hinter ihm andere Ausschüsse" ihr Daseinsrecht geltend machten.

Bald trat der eine Ausschuß gegen den anderen auf, denn es war unverkennbar, daß jeder von ihnen einer be­stimmten Tendenz dient und natürlich nur bestrebt ist, dieser zur allgemeinen Geltung zu verhelfen.

Man könnte nun meinen, das alte politische Leben er­scheine wieder in verändertem Gewande, die Schranken seien gefallen und die Sonne schönster politischer Freiheit lache im deutschen Lande.

Aber obwohl unterschiedliche Richtungen hier ihre Mei­nungen verkünden, bleibt das Ganze doch ein dürftiges Surro­gat echten politischen Lebens. Der belehrende Vortrag allein ist keine politische Aktion. Er beeinflußt den Hörer in einem bestimmten Sinne, ohne einer entgegengesezten Auf­fassung Gelegenheit zur Aussprache zu geben. Er ist nicht in eine Linie zu stellen mit der öffentlichen politischen Ver­sammlung, die das Für und Wider einer politischen Frage erwägt und ihre Forderungen stellt. Vollwertiges politisches Leben, wie wir es kannten, erschöpft sich nicht in Reden, sondern bedingt Handlungen. Auch wenn sich Parteimänner um die Ausschüsse mit ihren verschie­denen Schlachtrufen gruppieren, bleibt das Parteileben trop der schönsten Ausschußpolitik gebunden. Es gibt noch Parteien, die sich nicht hinter der Maske eines Ausschusses berbergen können.

Wer erhebt nun das Wort in den Veranstaltungen der Ausschüsse? Aus zurzeit naheliegenden Gründen ist eine er­schöpfende Antwort auf diese Frage nicht zu geben. In einigen Ausschüssen, so in dem vielgenannten Nationalausschuß", hat man es flug verstanden, Männer zusammenzubringen, die, wollte man sie nach ihrer politischen Vergangenheit beurteilen, gar nicht zueinander passen. Das wird viele, die

Montag, den 7. August 1916.

Expedition: SW. 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 151 90-151 97.

flingenden Namen hören, täuschen. Trotzdem ist

Meldung des Großen Hauptquartiers.berkennbar, daß es die wir wollen uns vorsichtig aus­

Amtlich. Großes Hauptquartier, 6. August 1916.( W. T. B.)

Westlicher Kriegsschauplak.

Die Kämpfe bei Pozières dauern an. Abends scheiterten feindliche Teilangriffe am Foureaux- Walde und hart nördlich der Somme.

Im Maasgebiet, besonders rechts des Flusses entwickelten die Artillerien starke Tätigkeit. Um das ehemalige Werk Thiaumont finden erbiterte In­fanteriefämpfe statt. Die Gefangenenzahl im Fleury­Abschnitt ist auf 16 Offiziere, 576 Mann gestiegen. Im Chapitre- Wald machten wir gestern weitere Fortschritte, hier find an unverwundeten Gefangenen 3 Offiziere, 227 Mann in unsere Hand gefallen.

Nordöstlich von Vermelles, in den Argonnen und auf der Combres- Höhe haben wir mit Erfolg gesprengt. Feindliche Patrouillen sind an mehreren Stellen abge­wiesen, eigene Unternehmungen sind bei Craonelle und auf der Combres- Höhe geglückt.

Durch Abwehrfeuer wurde ein feindliches Flugzeug nördlich von Fromelles, im Luftkampf eins nordwestlich von Bapaume abgeschossen.

Deftlicher Kriegsschauplah. Front des Generalfeldmarschalls von Hindenburg.

Eine südlich von Zarecze( am Stochod) vom Gegner noch besetzte Sanddüne wurde gesäubert. Gegenangriffe wurden abgewiesen. 4 Offiziere, 300 Mann sind gefangen genommen, 5 Maschinengewehre erbeutet.

Bei und nordwestlich von Zalocze haben die Russen das westliche Sereth- Ufer gewonnen.

Front des Feldmarschalleutnants Erzherzogs Carl.

Bei der Armee des Generals Grafen v. Bothmer fanden Vorfeldkämpfe ohne besondere Bedeutung statt. Die Erfolge der deutschen Truppen in den Kar= pathen wurden erweitert.

Balkan- Kriegsschauplah.

Nichts Neues.

Oberste Heeresleitung.

*

Der öfterreichische Generalstabsbericht.

Wien, 6. August 1916.( W. Z. B.) Amtlich wird ver­lautbart: Russischer Kriegsschauplat. Seeresfront des Feldmarschalleutnants Erz­herzogs Carl.

Im Gebiet des Capul scheiterten zahlreiche russische An­griffe; südlich von Jablonica und Tartarow schreiten die öfter­reichisch- ungarischen und deutschen Truppen trok heftiger Gegenwehr des Feindes vorwärts. Die Armee des General­obersten von Roeveß wehrte südwestlich von Delatyn starke russische Vorstöße ab. Weiter nördlich keine besonderen Er­eignisse.

Heeresfront

des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg.

Bei Zalosze wird an den Westhängen des Sereth- Tales erbittert und wechselvoll gekämpft. Die verbündeten Truppen des Generals Fath haben in den nunmehr siegreich abge­schlossenen Kämpfen bei Zarecze südlich von Stobychwa vier russische Offiziere, dreihundert Mann und fünf Maschinen­gewehre eingebracht.

Italienischer Kriegsschauplab.

An der Isonzofront hielt das starke Artilleriefeuer gegen den Goerger Brückenkopf und die Hochfläche von Doberdo mit unverminderter Heftigkeit an. Vereinzelte Vorstöße gegen unsere Stellungen östlich von Redipuglia und bei Selz wurden abgewiesen. Unter der gestrigen Beschießung hatte die Stadt Goerz stark zu leiden. Das Spital der Barmherzigen Brüder wurde durch Volltreffer zerstört. Mehrere Personen wurden getötet.

An der Tiroler Ostfront stehen unsere Höhenstellun­gen im Raume bei Paneveggio andauernd unter heftigem Geschützfeuer. Einzelne Vorstöße italienischer Bataillone schei­terten unter den schwersten Feindverlusten. Südlich der Val Sugana brachte ein kurzer Vorstoß eigener Abteilungen zwei Offiziere, sechsundsiebzig Italiener und fünf Maschinen­gewehre ein.

Südöstlicher Kriegsschauplat.

Keine besonderen Ereignisse.

Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: v. Hoefer, Feldmarschalleutnant.

*

Ereignisse zur See.

Am 5. des Monats nachmittags fuhr ein von Südwest kommendes feindliches Luftschiff in großer Höhe gegen die Insel Lissa. In der Nähe der Insel fiel es brennend in die See und sank. Eine Torpedoflottille, welche gleich zur Stelle war, konnte nunmehr einige Trümmer desselben, darunter Refte der Ballonhülle und einen Rettungsschlauch bergen. Trok langen Suchens konnte von der Besaßung niemand gefunden und gerettet werden.

Flottenkommando.

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drücken sogenannten führenden politischen Schichten sind, die hier auftreten. Sie versuchen auf diesem Wege, oder richtiger Umwege, ihren Willen durchzu­setzen.

Auf diese Weise verschiebt sich das Ge. wicht politischen Einflusses auf das Volk au ihren Gunsten. In demselben Augenblick, wo dieses politische Scheinleben erwacht, wird deutlich, daß auch der lette Rest von Demokratie erstickt ist. Das ist des Ausschuß­pudels Kern!

Darum erhob die Sozialdemokratische Ar. beitsgemeinschaft im rechten Augenblickt ihre Stimine, um gerade zur Zeit der lautesten Ausschuß- Reklame die schon oft erhobene Forderung nachdrücklichst zu unterstreichen, daß alle Beschränkungen der Versammlungsfreiheit aufgehoben werden, und daß insbesondere auch der Presse die Möglichkeit gewährt wird, über die Versammlungen wahrheitsgetreu zu berichten.

Man vergesse nicht, daß der Nationalausschuß" über die Reden seiner Männer wortgetreu berichtet hat. Seinem Willen dient neben dem Vortrag auch die Presse. Und kein Andersgesinnter ist in der Lage, ihm entgegenzutreten. Und das um so weniger, als für die Versammlungen besagten ,, Nationalausschusses" ein verhältnismäßig hohes Eintritts­geld genommen wurde, so daß in diesen Teuerungszeiten nur eine ganz dünne Oberschicht des deutschen Volkes sich den Ge­nuß der Vorträge leisten fonnte.

Gilt es denn bei der politischen Bewegung, die seit ge­raumer Zeit im Volfe lebendig ist, überhaupt nur den Kriegs­zielen im engeren Sinne? Erregen denn nicht tausend andere Fragen das politische Interesse des Volfes? Wir erwähnen nur die Neuorientierung" der inneren Politik und die Folgen der Steuer- und Handelspolitik. Sind sie weniger wertvoll und wichtig als die Debatte über die Kriegsziele?

Allen Erörterungen dieser Fragen, wie überhaupt dem Aufleben echten politischen Lebens versperrt die Ausschuß­politik durch die Erweckung des Scheines politischer Unge­bundenheit mehr und mehr den Weg.

Der französische Tagesbericht.

Paris, 6. August .( W. T. B.) Amtlicher Bericht von Sonnabend nachmittag. An der Sommefront war die Nacht verhältnismäßig ruhig. Zwischen Avre und Aisne zerstreuten, die Franzosen mehrere deutsche Patrouillen und machten einige Gefangene. Auf dem rechten Ufer der Maas heftiges Geschüßfeuer im ganzen Abschnitt Thiaumont- Fleury. Wütende Gegen­angriffe der Deutschen versuchten, die Franzosen aus den Werken von Thiaumont, die wir fest in unserem Besiz haben, zu vertreiben. Der Kampf dauerte von gestern 9 Uhr abends bis zum Mogen und verursachte den Deutschen, die bei jedem Versuche zurückgeschlagen wurden, ohne den geringsten Vorteil zu erlangen, schwere Verluste.. Der Kampf wurde gleich heftig im Dorfe Fleury fortgesezt, ohne merkliche Veränderung. Artilleriekampf mit Unterbrechung in den anderen Abschnitten auf dem rechten Ufer. Ostlich von Pont­à- Mousson richteten die Deutschen nach Artillerievorbereitung einen, Angriff gegen die französische Stellung im Walde von Sacq, der Angriff scheiterte unter dem Feuer der Maschinengewehre.

Buftkrieg: An der Sommefront lieferten französische Jagdgeschwader siebzehn Kämpfe. Zwei deutsche Flugzeuge gingen, ernstlich getroffen, im Sturzflug in ihren Linien nieder. Zwvei. deutsche Flieger wurden in der Gegend von Verdun abgeschossen; einer stürzte bei Abaucourt, der andere bei Moranville nieder.

Paris, 6. August .( W. T. B.) Amtlicher Bericht von Sonnabend abend. Auf dem rechten Ufer der Maas hat der Feind in Abschnitt Thiaumont keinen Angriffsversuch unternommen. Wir befestigten die eroberten Stellungen un mittelbar westlich der Straße Thiaumont- Fleury und im Dorfe Fleury, dessen ganzen südlichen Teil wir halten. Im An­schluß an eine heftige Beschießung, die den ganzen Tag dauerte, haben die Deutschen zwei Angriffe in den Wäldchen von Vaug und von Chapitre vorgetragen. Einer dieser Angriffe brach in unserem Feuer zusammen und konnte nicht an unsere Linien heran­kommen. Der Feind, dem es beim zweiten Angriff gelungen war, in einige Stücke unserer Gräben einzudringen, wurde sofort durch unseren Gegenangriff wieder herausgeworfen. Unsere Front ist unverändert geblieben. An der übrigen Front die gewöhnliche Beschießung.

Flugwesen: Das deutsche Flugzeug, das, wie heute be­richtet, in der Nähe von Moranville niedergeholt worden war, ist durch den Unteroffizier Lenoir abgeschossen worden; es ist das sechste bisher von diesem Piloten abgeschossene Flugzeug.

Belgischer Bericht: Unsere Batterien aller Kaliber haben heute mit Erfolg Zerstörungsfeuer auf deutsche Werke in der Gegend von Digmuiden gerichtet. Der Feind hat nur schwach erwidert.

Die englische Meldung.

London, 5. August .( W. T. B.) Amtlicher Bericht. Ein­schließlich der heute berichteten Groberung von Gräben wurde unsere Linie in den letzten zwei Tagen nördlich und westlich von Pozières 400 bis 600 Yards an einer Front von 3000 yards vor­geschoben.